Gina Kaus

Bestsellerautorin und männerverzehrender Vamp – diese beiden Zuschreibungen haften Gina Kaus, einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen der Zwischenkriegszeit, bis heute an. Kaus’ Doppelleben zwischen Palais und Café, ihr als Adoption getarntes Mätressenverhältnis zum Industriellen Josef Kranz sowie ihre zeitweise parallel dazu laufenden Liebesbeziehungen mit Schriftstellerkollegen waren schon zu ihren Lebzeiten gleichermaßen Skandalon wie Faszinosum und begründeten ihren Ruf als Femme fatale und „Freundin bedeutender Männer“, den sie mit ihrer Autobiografie Von Wien nach Hollywood bekräftigte und der bis heute fortlebt. Der Fokus des folgenden Porträtmoduls liegt nun weniger auf ihren privaten Eskapaden und (gl)amourösen Affären, sondern rückt ihr umfangreiches und vielschichtiges Schaffen im Kontext zeitgenössischer Diskurse in den Mittelpunkt.

Von Veronika Hofeneder | Juni 2016

Inhaltsverzeichnis

  1. Zwischen Palais und Café
  2. In Wien und Berlin
  3. Von Wien nach Hollywood
  4. Die ›Neue Frau‹ auf dem Prüfstand
  5. Neusachliche (Beziehungs)-Praxis
  6. Individualpsychologie
  7. Geld und Moral in der Krise
  8. „eine Dichterin [ist] eine Tat“

1. Zwischen Palais und Café

Am 21.10.1893 wird Gina Kaus als Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Wien unter dem Namen Regina Wiener geboren. Nach einer kurzen Ehe, die durch den Kriegstod ihres Mannes ein jähes Ende findet, lässt sie sich 1916 vom 30 Jahre älteren Josef Kranz, einem Großindustriellen und Verwandten der Familie ihres verstorbenen Mannes, adoptieren. Sie führt nun offiziell als Adoptivtochter, tatsächlich aber als Geliebte von Kranz in dessen Palais in der Liechtensteinstraße ein luxuriöses Leben. Gleichzeitig verkehrt sie in den Intellektuellenkreisen der Wiener Kaffeehäuser, besonders häufig im Café Herrenhof, wo sie mit der der zeitgenössischen Literatur- und Kulturszene um Franz Blei, Robert Musil, Hermann Broch, Franz Werfel, Otto Gross, Egon Erwin Kisch, Milena Jesenská und deren Mann Ernst Polak zusammentrifft. Kaus’ Doppelrolle als hedonistische Lebedame einerseits und links-revolutionäre Schriftstellerin andererseits piquierte die Zeitgenossen nicht nur, sondern inspirierte ihre „bedeutenden“ Männerbekanntschaften wie Robert Musil, Franz Werfel oder Otto Soyka auch zu Porträts ihrer Person in deren literarischen Texten. Als Hedda Ackermann verewigte sie Werfel in seinem Roman Barbara oder über die Frömmigkeit, Musil diente sie (gemeinsam mit Ea von Allesch) als Inspiration für die Alpha in seiner Posse Vinzenz und die Freundin bedeutender Männer und Soyka gestaltete zahlreiche seiner weiblichen Vamp-Figuren nach ihrem Vorbild. (MD 1987, 43f.; KC 1985; KC 2003, 653-692; SMD 269; CR 229f.)

Abb 1: Porträt Gina Kaus, Trude Fleischmann, Bildarchiv Austria,

In den späten 1910er-Jahren entstehen ihre ersten Publikationen, die stark von revolutionärem Gedankengut geprägt sind. In diesen in kämpferischem Duktus formulierten Artikeln, die sie in einschlägigen Organen wie den kommunistischen Zeitschriften Sowjet und Gegner publiziert, vertritt sie radikale, dem Kommunismus nahestehende Positionen. Alle Texte aus dieser Zeit veröffentlicht sie unter ihrem Pseudonym Andreas Eckbrecht oder anonym. Mit der Verwendung eines Pseudonyms versuchte Kaus ihre skandalverdächtige Doppelrolle zu entschärfen: Zum einen wollte sie ihren spendablen Gönner Kranz durch die literarische Tätigkeit nicht kompromittieren, zum anderen glaubte sie ihre Kritik an politischen und sozialen Missständen glaubwürdiger formulieren zu können, wenn diese nicht offenkundig aus der Feder einer von Geld und Luxus umgebenen Lebedame stammte. Ihr Pseudonym enthüllt Kaus bei der Premiere ihres sozialkritischen Schauspiels Diebe im Haus (GK 1919) am 16.10.1919 im Schönbrunner  Schloßtheater und sorgt damit in der Wiener Gesellschaft für Erstaunen und Irritation. Diese zeigt sich empört darüber, ein sozialkritisches Drama aus der Feder der stadtbekannten Mätresse eines Großkapitalisten gesehen zu haben . Arthur Schnitzler notiert dazu in seinem Tagebuch:

General Pr. Schloßtheater Eckbrecht (Gina Kranz) „Diebe im Haus“; nicht ganz ohne Begabung, aber verlogen bis ins Mark, sowohl in der Gesinnung als in der Diction. (Communistische Millionärin.) Der Geist von Blei. (AS, 15.10.1919, 298)

Von Kranz ist Kaus zu dieser Zeit allerdings schon getrennt, sie hat ihren Kinderwunsch und ihr Verhältnis mit dem Schriftsteller und Individualpsychologen Otto Kaus den „bestehenden bürgerlichen Vorurteile[n]“ (GK 1979, 71) mittels einer Heirat angepasst. 1920 erscheint ihre erste selbstständige literarische Publikation im Münchner Georg Müller-Verlag: Die Novelle Der Aufstieg (GK 1920) erhält von Kaus’ Schriftstellerkollegen Franz Blei den Fontanepreis.

Über ihren Mann Otto Kaus lernt sie Alfred Adler und die von ihm begründete Individualpsychologie kennen, die ihr Leben und Werk maßgeblich beeinflussen sollte. Gina Kaus verarbeitet individualpsychologische Konzepte nicht nur in ihren Texten, sondern wirkt auch selbst im Sinne der Individualpsychologie: Im Wien der Zwischenkriegszeit betreibt sie eine Erziehungsberatungsstelle nach Adlers Vorbild, im Exil in den USA arbeitet sie zeitweise auch als Psychologin.

2. In Wien und Berlin

Ab 1923 ist die sozialdemokratische Wiener Arbeiter-Zeitung ein wichtiges Publikationsforum für Kaus’ Texte. Außerdem gründet sie, gerade schwanger mit ihrem zweiten Sohn, die Zeitschrift Die Mutter. Eine Halbmonatsschrift für alle Fragen der Schwangerschaft, Säuglingshygiene und Kindererziehung, für die sie selbst, individualpsychologischen Theoremen folgend, zahlreiche Artikel über die Entwicklung, Psychologie und Erziehung von Kindern verfasst.

Abb. 2: Die Mutter, Jg. 1, Nr. 1, 1.12.1924, Cover

In ihrer Autobiografie beschreibt Kaus die Arbeit an der Mutter als ausgesprochen lehrreiche Erfahrung; hier erwirbt sie die Fähigkeit, Texte nach medientauglichen Kriterien zu verfassen, die ihr in den folgenden Jahren eine Fülle von lukrativen Publikationen in zahlreichen deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften ermöglicht:

Als Herausgeberin der „Mutter“ hatte ich etwas gelernt, was andere Autoren meist gar nicht lernen müssen. Nie mehr habe ich eine Novelle, eine Kurzgeschichte oder einen Artikel zurückbekommen. Ich hatte gelernt, wie wichtig es ist, daß ein Beitrag in eine bestimmte Zeitschrift oder Zeitung paßt, im Ton, in der Länge, im Niveau. (GK 1979, 126)

Kaus nimmt Kontakt nach Berlin zum Ullstein Verlag auf, in dessen Zeitungen und Magazinen sie zahlreiche Kurzgeschichten und Essays veröffentlicht. Mithilfe dieser Publikationen kann Kaus, die zu dieser Zeit allein mit ihren beiden Söhnen in Wien lebt, den Unterhalt ihrer Familie bestreiten. Ihre Beziehung zu Otto Kaus gestaltet sich zunehmend schwieriger, die Ehe mit ihm wird 1927 rechtskräftig geschieden. In diesem Jahr wird auch ihre Schulmädchenkomödie Toni (GK 1926a), die weibliche Rollenbilder demontiert, am Schauspielhaus in Bremen uraufgeführt, in der Folge wird das Stück sehr erfolgreich an zahlreichen Bühnen in Deutschland und Prag gespielt.

Beinahe zeitgleich mit dem 1928 in der Arbeiter-Zeitung in 81 Folgen publizierten Roman Die Front des Lebens (GK 1928a) bringt Ullstein Kaus’ Roman Die Verliebten (GK 1928b) heraus. Diese beiden ersten Romanveröffentlichungen könnten unterschiedlicher nicht sein: Entwirft Die Front des Lebens in der Tradition der Wiener Zeit- und Inflationsromane ein sozialkritisches Panorama der Gesellschaft während und nach dem Ersten Weltkrieg in Wien, werden in Die Verliebten Liebesbeziehungen aus der wechselnden Perspektive der beteiligten Partner geschildert. Parallelen zwischen den auf den ersten Blick so heterogenen Romanen zeigen sich nämlich an den Figuren, die neurotischen Charaktertypen der Individualpsychologie nachempfunden sind. Ihre Verhaltensweisen, Selbstdarstellungen und Beziehungen zueinander sind von Minderwertigkeitskomplexen, sozialen und geschlechtlichen Machtkämpfen, dem Verharren in einmal gefassten Lebensplänen oder dem Ausleben übersteigerter Empfindungen geprägt.

Abb. 3: Gina Kaus: Die Front des Lebens. In: Arbeiter-Zeitung, 24.9.1928, S. 5

Der Roman Die Verliebten, der eigentlich den Grundstein für Kaus’ Karriere als Schriftstellerin legen sollte, erscheint allerdings nicht wie vereinbart unter den anspruchsvollen Propyläenbüchern, sondern wird bei den billigen Ullsteinbüchern als leichter Unterhaltungsroman vermarktet. Trotz guter Kritiken war der Roman auf Grund dieser Fehleinschätzung kein Verkaufserfolg. Kaus, die den Roman zeitlebens für eines ihrer besten Bücher hält, zeigt sich nun empört und beginnt an einem wirklichen Unterhaltungsroman zu arbeiten: Der Roman Die Überfahrt (GK 1932a) soll den Lesern leichte und spannende Lektüre und ihr als Autorin größtmöglichen Verdienst verschaffen:

Meine Enttäuschung hatte mich zynisch gemacht. Jetzt wollte ich zeigen, daß ich billige Erfolge haben konnte – billig, aber hochbezahlt. Ich wollte einen Roman für die „Berliner Illustrirte“ schreiben, die 25 000 Mark für einen Vorabdruck zahlte. (GK 1979, 145)

Die Überfahrt erscheint dann aber nicht bei Ullstein, sondern zunächst als Vorabdruck in der Münchner Illustrierten Presse, dann als Buchausgabe beim Münchner Verlag Knorr & Hirth, bei dem Kaus durch gewiefte Verhandlungstaktik die finanziell besten Konditionen für sich erreichen kann. Karrieretechnisch war Kaus’ Abwanderung von Ullstein durch den Verkauf des Romans an Knorr & Hirth natürlich kein kluger Schachzug: Durch den Verlagswechsel konnte sie nicht – wie etwa ihre Kollegin Vicki Baum – durch kontinuierliche Imagepflege zur Starautorin aufgebaut werden.

3. Von Wien nach Hollywood

„Nie zuvor war ich in besserer Gesellschaft gewesen“. (GK 1979, 151)

Derart lakonisch kommentiert Kaus in ihrer Autobiografie die öffentliche Verbrennung ihrer Bücher am 10. Mai 1933 in Berlin. Sämtliche ihrer Schriften stehen auf der „Schwarzen Liste“ der Nationalsozialisten. Neben Kaus’ jüdischer Herkunft werden nicht nur ihre Publikationen in sozialistischen und kommunistischen Zeitschriften, sondern auch ihre individualpsychologische Tätigkeit sowie die Kategorisierung ihrer Literatur als „dekadent“  unter den Verbotskriterien angeführt (GB, 1). Ihre Wohnung im Philipphof hinter der Wiener Staatsoper wird für einige Zeit ein Zufluchtsort für geflohene deutsche Schriftsteller, so verbringt auch Bertolt Brecht einige Wochen bei ihr. Kaus’ folgende Bücher, der Roman Die Schwestern Kleh (GK 1933) und die Biografie über Katharina die Große (GK 1935a), die ein internationaler Bestseller werden sollte, erscheinen nicht mehr in Deutschland, sondern im niederländischen Exilverlag Allert de Lange. 1935 erscheint im Londoner Verlag Cassell der Prosaband Return to Reality, der ins Englische übersetzte Kurzgeschichten enthält (GK 1935b).

Die nächsten Jahre erweisen sich für Kaus als schwierig: Ihre finanzielle Lage ist prekär, da sie als ‚verbrannte‘ und verbannte Autorin nicht mehr in deutschen Verlagen und in deutschen Zeitungen und Magazinen publizieren kann, zusätzlich kämpft sie mit einer Schreibblockade. Sie arbeitet nun für den Marton-Verlag, hier entstehen gemeinsam mit anderen Autoren wie den Brüdern Otto und Egon Eis, Ladislaus Fodor und Paul Frank die Theaterstücke Gefängnis ohne Gitter (GK/O/EE 1936), Die Nacht vor der Scheidung (GK/LF 1937), Schrift an der Wand (GK/O/EE 1937) sowie Whisky und Soda (GK/PF 1937).

Am 12. März 1938, einen Tag nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland, flieht Kaus mit ihrer Familie über Zürich zunächst nach Paris. Hier arbeitet sie als Drehbuchautorin für den Filmproduzenten Arnold Preßburger und schreibt den Roman Der Teufel nebenan, der in Europa im September 1939 – fatalerweise gleichzeitig mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – erscheint. Zum Bestseller avanciert der Roman avanciert erst bei seiner Neuauflage 1956 und seiner Verfilmung unter der Regie von Rolf Hansen als Teufel in Seide mit Lilli Palmer und Curd Jürgens in den Hauptrollen.

Abb. 4: Teufel in Seide, Filmplakat

Am 1. September 1939 verlässt Kaus mit ihrer Familie Europa Richtung USA. Über New York fährt sie nach Los Angeles, wo sie in den Filmstudios in Hollywood als Drehbuchautorin arbeitet. In den folgenden zwanzig Jahren schreibt Kaus höchst erfolgreich Drehbücher, Filmvorlagen und -dialoge. Hier gelingt es ihr, ihren eigenen Stil beizubehalten, der schon ihr literarisches Schaffen auszeichnete: Ihre Vorliebe für abrupt endende Erzählstränge und ihr Interesse für selbstbestimmte weibliche Lebensentwürfe zeichnen auch ihre Drehbücher aus, z. B. The Wife Takes a Flyer (USA 1942, Regie: Richard Wallace, Story von Gina Kaus, Drehbuch: Gina Kaus und Jay Dratler) oder Three Secrets (USA 1950, Regie: Robert Wise, Drehbuch: Gina Kaus und Martin Rackin)  (RR, 83, 89).

Anders als viele ihrer (vor allem männlichen Schriftstellerkollegen), die sich mit den Produktionsbedingungen in Hollywood nur schwer arrangieren konnten, hat sie weder Anpassungsschwierigkeiten noch Berührungsängste, als Drehbuchautorin zu arbeiten, um damit das Überleben ihrer Familie zu sichern: „Ich konnte mir nicht leisten, darüber nachzudenken, ob es ehrenvoll sei, für den Film zu arbeiten. Ich brauchte Geld, und zwar sofort.“ (GK 1979, 207)

Mit ihrer Arbeit für die Filmstudios versiegt allerdings Kaus’ schriftstellerisches Schaffen: Eigene literarische Projekte geraten immer wieder ins Stocken und bleiben unvollendet und unpubliziert. Allein ihre Autobiografie kann sie 1979 nach beinahe fünfzehn Jahren, in denen sie immer wieder mit konzeptionellen und sprachlichen Unsicherheiten kämpft, beim Hamburger Verlag Albrecht Knaus veröffentlichen. Die Emigration empfindet sie zeitlebens als „große[n] Bruch“ (GK 1979, 235). Am 23.12.1985 stirbt sie in einem Pflegeheim in Santa Monica, die Nachricht von ihrem Tod erreicht ihre Geburts- und frühere Heimatstadt Wien mit einem halben Jahr Verspätung (MD 1986).

4. Die ›Neue Frau‹ auf dem Prüfstand

Lesarten ihrer Biografie, ihr Lebenswandel, ihre Lebensumstände, ihr rascher Erfolg als Schriftstellerin und ihre Arbeit als Drehbuchautorin machten Gina Kaus lange Zeit für die Literaturwissenschaft verdächtig. Ihre Texte wurden als Unterhaltungsliteratur eingestuft und blieben aus dem Literaturkanon ausgeschlossen. Erst im Zuge der Exilforschung und der feministischen Literaturwissenschaft begann seit den 1990er-Jahren die zaghafte Wiederentdeckung von Gina Kaus als einer höchst produktiven und vielseitig interessierten Schriftstellerin. Im Bereich der Literaturwissenschaft und der benachbarten Disziplinen ist Gina Kaus heute keine Unbekannte mehr, zahlreiche Neueditionen (s. jüngst GK 1928a, GK 1932a, GK 1932b, GK 1933, GK 2013) und Studien (AC, HA, LB, RR, SvS, VH 2013) tragen zur Erschließung ihres so umfangreichen wie vielseitigen Schaffens bei, das die Debatten um weibliche Kreativität und Literaturproduktion maßgeblich belebt und vorangetrieben hat.

1929 erscheint auf der Titelseite der Literarischen Welt ihr Artikel Die Frau in der modernen Literatur, in dem Kaus die zeitgenössische Literatur von Frauen und die Spezifika weiblichen Schreibens analysiert. Prinzipiell optimistisch hinsichtlich der weiblichen Kreativität verweist Kaus nachdrücklich auf die seit vielen Jahrhunderten und nach wie vor herrschenden maskulinen Denkmuster und Gesellschaftsstrukturen, die einer umfassenden Emanzipation der Frauen im Wege stehen:

Es ist erst kurze Zeit her, daß die Frauen zu den Problemen der Realität zugelassen sind (bis dahin waren sie einerseits selbst Teil der Realität, anderseits Fiktion des Mannes). Wie Kinder, die gar zu viel auf einmal nachzulernen haben, wagen sie sich nicht ans Spiel. In zwanzig Jahren mag das Alles anders sein, und vielleicht beschert uns schon die nächste Generation, wessen wir am dringendsten bedürfen: einen weiblichen Edgar Wallace. (GK 1929a, 188)

Die Ambivalenz sowie die Hemmnisse der Emanzipation beleuchtet Kaus auch in zahlreichen Essays. Dem in der Zwischenkriegszeit medial inszenierten Bild der neusachlichen Powerfrau, die selbstbewusst ihr Liebesleben organisiert, die neuesten Mode-, Kosmetik- und Diättrends befolgt, erfolgreich im Berufsleben steht und nebenbei – so vorhanden – ihre Familie managet, steht Kaus mit Vorbehalten gegenüber. So beurteilt sie Erfolge der Emanzipation nicht durchgängig positiv, sondern macht dabei auch auf potentielle Schwachstellen aufmerksam. Das Selbstbewusstsein der Frau sieht sie nach wie vor von patriarchalischen Denkmustern bestimmt, sie entlarvt Forderungen und Erfolge der Feministinnen als kurzfristige Modeerscheinungen und verweist auf die Ambiguität dieser Errungenschaften. Über die weiblichen Emanzipationserfolge bilanziert sie höchst pragmatisch:

Ob die Frau von gestern, die ihre häusliche Begrenztheit für unumstößlich hielt, die weniger Freiheiten, aber auch weit mehr Bequemlichkeit und Sorglosigkeit hatte, glücklicher war?
Möglich. Das Glück von gestern ist unerreichbar. Es ist auch möglich, daß die Menschen glücklicher waren, als es noch keine Eisenbahn und keine Automobile gab; trotzdem möchte heute niemand mehr mit der Postkutsche fahren. (GK 1929b, 224)

Kaus’ Kritik richtet sich gegen die zunehmende Vernachlässigung von Inhalten zugunsten von Moden, Lebensweisen und Selbstinszenierung, die sie auch bei der zeitgenössischen Frauenbewegung konstatiert. Ihr Essay Ohnmächtiger Protest kann als satirische Spitze gegen manche ideologische Richtungskämpfe sozialistischer und bürgerlicher Feministinnen gelten, die über der Priorisierung ihrer eigenen kontroversiellen politischen Standpunkte den gemeinsamen Kampf für Rechte und Gleichstellung aller Frauen aus den Augen verlieren würden:

Was immer ich wollte – sobald der Mann sich dagegen auflehnte, ging es nicht mehr um dieses oder jenes, sondern um mein Recht auf eigene Lebensgestaltung, jeder Streit um Kleinstes und Allerkleinstes war ein Streit um das Prinzip meiner Handlungsfreiheit, um das Prinzip der weiblichen Hoheitsrechte überhaupt, war heiliger Krieg meines ganzen Geschlechts gegen männliche Tyrannei. (GK 1931a, 283)

5. Neusachliche (Beziehungs-)Praxis

Man braucht weder erobert noch verführt zu werden, denn man will doch ohnedies – nämlich einen Partner für die Arbeit, für den Sport, für das Bridge und für die Liebe. (GK 1928c)

In zahlreichen Kontexten verhandelt Kaus Liebesbeziehungen und ihre Störungen, die moderne versachlichte Beziehungspraxis, Treue und Wahrheit in der Ehe, Frigidität, Scheidungsprozesse oder alternative Ehemodelle (z. B. dramatisch: GK 1926c, essayistisch: GK 1928d, fiktional: 1929c oder kulturwissenschaftlich: GK/AH/AK 1931). Sie greift damit Themen des in den 1920er-Jahren heftig geführten Ehediskurses auf, der die Institution Ehe ob der sich wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der fortschreitenden Frauenemanzipation, zunehmend in Frage stellte.

In ihrem Roman Morgen um Neun (GK 1932b) thematisiert Kaus Fragen des weiblichen Selbstverständnisses im Kontext einer leichtlebig-sexualisierten Beziehungspraxis und sozialer Hierarchien. Der Roman beschreibt die Nacht des Ehepaars Erwin und Elisabeth Kupferschmidt vor ihrem für den nächsten Tag angesetzten Scheidungstermin. Die Schuld des Ehemannes liegt offen, die Zeugin ist geladen, der Scheidungsvertrag ist ausgehandelt, einer raschen Erledigung dieser – für moderne Menschen – Alltagsroutine steht nichts mehr im Wege. Doch in dieser Nacht beginnen die beiden Ehepartner sich wieder füreinander zu interessieren, von Eifersucht und Neugierde getrieben führt sie die Jagd nach den Geheimnissen des anderen auf die unterschiedlichsten Schauplätze der nächtlichen Großstadt. Erwin deckt auf, dass die für gefühlskalt gehaltene Elisabeth ein leidenschaftliches Liebesverhältnis unterhält, Elisabeth findet auf einem Schlachthof am Stadtrand Erwins uneheliche Tochter Luise. Am Ende erkennen beide ihre Missverständnisse sowie ihr Fehlverhalten und wagen einen gemeinsamen Neuanfang.

Nicht nur das Happy End ist – wie der stets kritische Franz Blei anmerkt – dem „Zeitgeschmack“ (FB, 305) geschuldet, der Roman ist auf stilistischer und inhaltlicher Ebene der Neuen Sachlichkeit verpflichtet (WB, 145-147). Die distanzierte, unterkühlt wirkende Darstellungsweise emotionalisierter Inhalte und der durch Perspektivenwechsel und Rückblenden entstehende Montagestil entspricht neusachlichen narratologischen Postulaten und reflektiert damit auch auf erzählerischer Ebene die Entfremdung der Eheleute. Die Ereignisse im Roman sind szenisch angelegt und werden in hohem Tempo dargestellt: Der zeitgemäße Topos der (nächtlichen) Großstadt mit ständig wechselnden Schauplätzen gibt die passende Kulisse für die Protagonisten ab, die dauernd in Bewegung sind und von einem Ort zum nächsten eilen. Kapitel enden oft abrupt, Rückblenden fungieren als retardierende Momente. Diese Erzählweise weist Parallelen zum Film auf, der mit Szenenmontagen und Schnitttechniken operiert.

Auch die im Roman kolportierten Frauenbilder und -rollen sind der neusachlichen Realität entlehnt, Daisy Fürth ist der Prototyp der Neuen Frau, die täglich bis Mitternacht arbeitet und regelmäßig ihre Liebhaber wechselt. Elisabeths Ehegeschichte hingegen und die damit verbundenen Probleme sind weniger außergewöhnlich, sondern vielmehr alltäglich. So schafft sie zwar durch die kurzfristige Emanzipation von ihrer Ehe den Sprung in die Selbstbestimmtheit, jedoch nur so lange, bis sie Erwins außereheliche Tochter kennenlernt. Der biologistisch-determiniert als urweiblich geltende Kinderwunsch treibt Elisabeth zurück in den sicheren Hafen der Ehe und offenbart ihre tatsächlichen Wünsche: „ich will doch gar nicht unabhängig sein. Ich bin keine moderne Frau, das ist es eben. Wenn ich liebe – meine ich die Ehe.“ (GK 1932b, 105) Hier offenbart sich wieder Kaus’ abgeklärte Sichtweise auf den weiblichen Emanzipationswillen: Zum einen entlarvt sie das medial hochstilisierte Ideal der Neuen Frau als prekäres Nischenprogramm, das keine durchschlagende Wirkung erzielen konnte, zum anderen entspricht ihr Pragmatismus auch den tatsächlichen Konzepten der Frauenbewegung um 1930, die zunehmend eine konservative Frauenrolle propagierte.

In einer Umfrage der Vossischen Zeitung zur aktuellen Situation der Frau im Jahr 1931 resümiert sie höchst pragmatisch: „Die kleinen Plagen des Tages haben den großen Elan von 1919 erschöpft.“ (GK 1931b) Die Berufstätigkeit der Frau sei nicht allein das Verdienst der Frauenbewegung, sondern vor allem eine Folge des Krieges und der wirtschaftlichen Lage, „um das zu erkennen, bedarf es im allgemeinen Lärm, der um die ‚neue Frau‘ gemacht wird, nüchterner Bescheidenheit.“ (GK 1931b)

6. Individualpsychologie

Kaus’ Positionierung in zeitgenössischen Frauenfragen ist wesentlich von dem von Alfred Adler geprägten Begriff des „männlichen Protests“ bestimmt. Adler betrachtet die Frau als dem Mann intellektuell ebenbürtig und sieht die Privilegierung des Männlichen als Hauptproblem der Gesellschaft. Reaktionen wie die männliche Abwertung des weiblichen Geschlechts und die weibliche Orientierung an der männlichen Leitlinie, die sich in übertriebenem Machtstreben oder der Wahl eines männlichen Berufsideals manifestieren kann, fasst er als „männlichen Protest“ zusammen (ABB, 137-147; JR, 60).

In ihrer Autobiografie beschreibt Kaus die Kränkung, „nur ein Mädchen“ (gewesen) zu sein, als das „Grundthema“ ihrer Jugend. Der „Wunsch, ein Mann zu werden“ inspiriert sie zu ihrer Schulmädchenkomödie Toni (GK 1926a) und ein Jahrzehnt später zu ihrer Biografie über Katharina die Große (GK 1935a) (GK 1979, 154). In beiden Texten versuchen die Protagonistinnen anhand der Dekonstruktion von Geschlechterstereotypen ein eigenständiges weibliches Selbstbewusstsein zu entwickeln. 

Abb. 5: Sonik Rainer und Sybille Mewes in Toni in den Berliner Kammerspielen, Bühne 125, 31.3.1927, S. 6.

Kaus publiziert auch zahlreiche Artikel zu individualpsychologischen und pädagogischen Themen, diese erscheinen nicht nur in einschlägigen Fachzeitschriften, sondern auch in internationalen Tageszeitungen und mondänen Magazinen. Außerdem integriert sie individualpsychologische Themenkomplexe in ihre literarischen Texte (PW; VH 2013, 71-141; VH 2017). Die individualpsychologische Fokussierung auf die Kindheit als Vorbereitung für das spätere Leben und die damit verbundene Bedeutung pädagogischer Bestrebungen demonstriert sie in zahlreichen Charakterporträts ihrer literarischen Neurotiker. Minderwertigkeitsgefühle bestimmen die Figurenkonzeption vieler ihrer literarischen Texte: Ihre Novelle Der Aufstieg (GK 1920) ist in ihrer Anlage einer individualpsychologischen Fallstudie nachempfunden, da der Minderwertigkeitskomplex eines neurotischen Literaten seine künstlerischen und gesellschaftlichen Ambitionen bestimmt; ihr Theaterstück Im Hause der Tugend (GK 1926b) kann als dramatische Fallbeschreibung zu Adlers Ausführungen über die Kompensation des Minderwertigkeitskomplexes durch übertriebene Tugendhaftigkeit gelten; und die Protagonistinnen Carola Heinemann in der Novelle Die Unwiderstehlichen (GK 1927a) sowie Melanie Simrock im Roman Der Teufel nebenan (GK 1940) sind exemplarische Eifersuchtsneurotikerinnen im Sinne der Individualpsychologie. In Der Teufel nebenan setzt Kaus in der Figur des Arztes Dr. Heinsheimer Alfred Adler auch ein literarisches Denkmal. Dieser spricht in einem fingierten Gerichtsprozess Albert als Opfer von Melanies Psychoterror von der Schuld an ihrem Tod frei. Alberts Schuld liege vielmehr darin, dass er Melanie aus Schwäche niemals Einhalt geboten habe. Statt einer Strafe soll er seine Passivität durch ein tätiges Leben überwinden, was Adlers Auffassung, verbrecherisches Handeln nicht durch Buße zu bestrafen, sondern mittels Therapie zu heilen, entspricht.

7. Geld und Moral in der Krise

Eine kritische Sichtweise auf Entwicklungen und Problemlagen ihrer Zeit ist bezeichnend für Kaus’ umfangreiches Werk; von Kritikern und Rezipienten wurde dies allerdings oft übersehen. So sind bei ihrem als Fortsetzungsroman in der Wiener Arbeiter-Zeitung erschienenen Inflationsroman Die Front des Lebens (GK 1928a) und ihrem im neusachlichen Berichtsstil gehaltenen Gesellschaftsroman Die Schwestern Kleh (GK 1933) sozialkritische Töne nicht allzu verwunderlich, umso überraschender ist es, diese in ihrem gemeinhin als leichter Unterhaltungslektüre geltenden Erfolgsroman Die Überfahrt (GK 1932a) zu finden. In allen drei Romanen zeigt Kaus eine aus den Fugen geratene, destabilisierte Gesellschaft, die von der Sucht nach Geld und Besitz beherrscht wird. Riskante Aktienspekulationen werden als waghalsiges Gesellschaftsspiel betrieben und befördern individuellen sowie familiären Ruin. Die Spekulationen bleiben jedoch nicht allein auf materielle Güter beschränkt, auch moralische Werte und Normen sind von Um-, Auf- und Abwertungen betroffen. Die Front des Lebens und Die Schwestern Kleh spielen beide im Wien der 1920er-Jahre, das als ehemalige Kaiserstadt nun zum demoralisierten Sündenbabel der Gegenwart mutiert ist. In der Front des Lebens verweigert sich Edgar, der zur „Rentnerpsychologie“ erzogene Erbe der bürgerlichen Familie Ebenstein, herkömmlicher produktiver Erwerbsarbeit. Seine stattdessen vorgenommenen Aktienspekulationen enden jedoch mangels Wissens um zeitgemäße Geschäftspraktiken mit großen Verlusten. Zur Sanierung der familiären Finanzen wäre zwar noch eine Hochzeit mit der Tochter des Kriegsgewinnlers Stiaßny standesgemäß, doch diese scheitert am Widerstand des Vaters, der keine hohe Meinung von Edgar hat: „Ein Mann, der in diesen Jahren nicht zu verdienen verstanden hat, taugt nicht.“ (GK 1928a, 303) Um Geld zu machen, muss man sich der Zeit angemessener – durchaus dubioser – Geschäftspraktiken bedienen: In Die Schwestern Kleh werden Zeitungen gegründet, die nicht nur als Abschreibposten und Manövriermasse, sondern auch als Druckmittel gegen die Regierung eingesetzt werden (EPH, 270f.). Notar Tucher, der nach dem Tod von Vater Kleh das Juweliergeschäft nach „alter Tradition“, d. h. ohne Schulden zu machen, weiterführt, leitet mit dieser nicht mehr zeitgemäßen Geschäftsphilosophie den Untergang des Geschäftes ein, während sich einer der Mitarbeiter durch Schmuckhandel auf dem Schwarzmarkt selbstständig macht: „In treueren Händen hätte Lotte niemals sein können – wohl aber in geschickteren, und das wäre ihr vielleicht zu wünschen gewesen, in einer Zeit, wo der Teufel jede Moral auf den Kopf stellte.“ (GK 1933, 153)

In die Überfahrt nimmt Kaus das Erzählmodell der group novel auf, das ihre Kollegin Vicki Baum einige Jahre zuvor bereits sehr erfolgreich in ihrem Bestseller Menschen im Hotel angewendet hatte. Im Mikrokosmos eines Ozeandampfers treffen Menschen aus den verschiedenen sozialen Schichten aufeinander und sind in diesem liminalen Raum gezwungen, miteinander zu interagieren. Das Motiv der Käuflichkeit, das für Kaus beim Verfassen von Die Überfahrt eine wichtige Rolle spielte, ist auch im Roman zentral (SvS, 272-284): Die Jagd nach Geld und die Notwendigkeit, es zu besitzen, verbindet die Passagiere über die drei Klassen des Schiffes hinweg. Emotionen und Aktienkurse gehen im Gleichschritt auf Berg- und Talfahrt, so ist auch der Anlass für den unvermeidlichen Kurssturz letztendlich eine menschliche Laune: Der Millionär Stephanson dementiert den Kauf der Schifffahrts-AG, weil ihm seine Geliebte einen Korb gegeben hat:

„Nur bis zu einer gewissen Höhe bedeutet Geld Freiheit und unabhängiges Wohlleben. Wenn Sie eine halbe Million Dollar auf der Bank haben, können Sie machen, was Ihnen gefällt. Wenn Sie aber einmal das sind, was die Zeitungen einen ‚Faktor der Volkswirtschaft‘ nennen, dann sind Sie Sklave Ihres Geldes, wie Herrscher meistens Sklaven ihres Militärs sind. Ein Vermögen wie das meine ist eine Macht, eine lebendige Kraft, in der auch viel zu viel zerstörerische Möglichkeiten stecken, als daß man sie einfach sich selbst überlassen könnte. Man muß dieser Kraft beständig neue fruchtbare Betätigungsmöglichkeiten geben, sonst explodiert das ganze Gebäude.“ (GK 1932a, 47f.)

8. „eine Dichterin [ist] eine Tat“

Ich glaube auch, daß jenes Wollen, das damals ebenso glühend wie unbestimmt in mir erwachte, und das in den nächsten Jahren immer wieder erwachte, um mich mit Begeisterung und Ungeduld zu erfüllen, weniger der Wunsch war, etwas Herrliches zu schreiben, als vielmehr, etwas zu tun. (Es war vielleicht nicht gleichgültig, daß es eine weibliche Heldin war, die mich so begeisterte.) Aber was war zu tun?

Trotzdem war es doch wohl an jenem Sommertag, daß ich, jenseits aller Worte, ahnte, daß eine Dichterin eine Tat ist. (GK 1927b, 3)

Hier beschreibt Kaus ihr literarisches Initialerlebnis bei der Lektüre der Jungfrau von Orleans. Dieses gründet zum einen in der Weiblichkeit der literarischen Heldin, zum anderen in der Erkenntnis des Schreibens als geistiges Handeln (HA, 95-100). Beide Komponenten, das Interesse für Frauenfragen aller Art – von Mutteragenden bis zu Frauenpolitik – sowie ihr gesellschaftspolitisches Engagement, vereint Kaus in ihrer Literatur. Sie bezieht mit ihren Texten Position zu den unterschiedlichsten Erscheinungen und Themen der Zeit, sie agiert nicht nur schreibend, sondern auch real.

Kaus gelingt es, verschiedenartige Zeitphänomene der Zwischenkriegszeit symbiotisch zu verbinden: Sachlichkeit versteht sie über poetologische Programmatik hinaus auch als auf moralischen und ethischen Grundsätzen basierende Lebenshaltung, die ihr reales soziales und kulturpolitisches Engagement motiviert. In die literarischen Charaktere der Protagonisten ihrer Bestsellerromane und bühnenwirksamen Dramen integriert sie individualpsychologische Theoreme, die Leser ihrer kleinen Prosa konfrontiert sie mit Beziehungs- und Erziehungsfragen. In ihren Zeitromanen verhandelt sie Erfahrungen, die auch die außerliterarische Lebenswirklichkeit der Zwischenkriegszeit bestimmten, wie den Wandel von Geschlechterrollen und Gesellschaftsstruktur sowie die Auswirkungen von Krieg und Wirtschaftskrisen. Kaus verbindet ihre Kritik an Kapitalismus, Finanz- und Wirtschaftspolitik, sozialer Ungerechtigkeit und gesellschaftspolitischen Problemen mit Einflüssen der sozial orientierten Individualpsychologie und ihrer sachlichen Lebenshaltung, die einen kritisch-engagierten Standpunkt in Literatur und Praxis postuliert (VH 2013, 66-70; VH 2015, 109f.).


Literaturverzeichnis

Primärliteratur

  • GK 1919 = Marianne. [= Diebe im Haus] Spiel in drei Akten. o. O., o. J. [1919] In: Wienbibliothek (unter Andreas Eckbrecht).
  • GK 1920 = Der Aufstieg. München: Georg Müller 1920.
  • GK 1926a = Toni. Ein Schulmädchendrama in zehn Bildern. Berlin: Arcadia 1926.
  • GK 1926b = Im Hause der Tugend. Stück in drei Akten. Berlin: Arcadia 1926.
  • GK 1926c = Der lächerliche Dritte. Komödie in drei Akten. Berlin: Arcadia o. J. [1926].
  • GK 1927a = Die Unwiderstehlichen. [1927] In: Gina Kaus: Die Unwiderstehlichen. Hg. v. Hartmut Voller. Oldenburg: Igel 2000, S. 37-60. – Bei diesem Abdruck der Novelle fehlt allerdings deren erster Teil, in dem ein organischer Defekt Peters als Wurzel seines Minderwertigkeitskomplexes erwähnt wird. Ursprünglich erschien die Novelle in sieben Fortsetzungen im Berliner Tageblatt 3.5.–8.5., 10.5.1927 (jeweils Morgenausgabe).
  • GK 1927b = Theater in der Kindheit. [1927] In: GK 2013, S. 93f.
  • GK 1928a = Die Front des Lebens. [1928] Hg. v. Veronika Hofeneder. Wien: Metroverlag 2014.
  • GK 1928b = Die Verliebten. Berlin: Ullstein 1928 (NA: Oldenburg: Igel 1999).
  • GK 1928c = Gina Kaus’ Antwort auf die Umfrage „Auch der blonde Mann bevorzugt?“ In: Tempo, 24.12.1928, o. S.
  • GK 1928d = Die Kameradschaftsehe. [1928] In: GK 2013, S. 97-100.
  • GK 1929a = Die Frau in der modernen Literatur. [1929] In: GK 2013, S. 185-188.
  • GK 1929b = Die Frau von gestern – die Frau von heute. [1929] In: GK 2013, S. 222-224.
  • GK 1929c = Die Kameradschaftsehe. Eine Liebesgeschichte. [1929] In: GK 2013, S. 197-207.
  • GK 1931a = Ohnmächtiger Protest. [1931] In: GK 2013, S. 283f.
  • GK 1931b = Gina Kaus’ Antwort auf „‚Warum sind die Frauen so?‘ Eine Umfrage der Vossischen Zeitung.“ In: Vossische Zeitung, 24.5.1931, Erste Beilage.
  • GK 1932a = Die Überfahrt. München: Knorr & Hirth 1932 (div. NA als Luxusdampfer, zuletzt: Wien: Milena 2016).
  • GK 1932b = Morgen um Neun. Berlin: Ullstein 1932 (NA: Hildesheim: Olms 2008).
  • GK 1933 = Gina Kaus: Die Schwestern Kleh. [1933] Frankfurt/Main und Berlin: Ullstein 1989 (div. NA, zuletzt: Gräfelfing: Edition 5 2013).
  • GK 1935a = Katharina die Große. Amsterdam: Allert de Lange 1935 (div. NA).
  • GK 1935b = Return to Reality. And Other Stories. London: Cassell 1935.
  • GK 1940 = Der Teufel nebenan. Amsterdam: Allert de Lange 1940 (div. NA als Teufel in Seide).
  • GK 1979 = Von Wien nach Hollywood. Erinnerungen von Gina Kaus. [1979 als Und was für ein Leben … mit Liebe und Literatur, Theater und Film] Hg. v. Sibylle Mulot. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1990.
  • GK 2013 = Heute wie gestern. Gebrochene Herzen – Moderne Frauen – Mutige Kinder. Kleine Prosa. Hg. v. Veronika Hofeneder. Hildesheim: Olms 2013.
  • GK/AH/AK 1931 = gemeinsam mit Alexander Hartwich und Alfred Kind: Die Brautnacht. Eine ethnologisch-kulturgeschichtliche und sexualphysiologische Schilderung ihres Wesens und ihrer Bedeutung. Eine Morphologie ihrer Erscheinungsformen. Wien u. a.: Verlag für Kulturforschung 1931 (= Die legitime Erotik Bd. 1).
  • GK/LF 1937 = gemeinsam mit Ladislaus Fodor: Die Nacht vor der Scheidung. Komödie in fünf Bildern. Wien: Georg Marton 1937.
  • GK/O/EE 1936 = gemeinsam mit Otto und Egon Eis (nach einer Idee von Hilde Kovaloff): Gefängnis ohne Gitter. Stück in acht Bildern. Wien: Georg Marton o. J. [1936].
  • GK/O/EE 1937 = gemeinsam mit Otto Edgar Eis [= Otto und Egon Eis]: Schrift an der Wand. Schauspiel in fünf Akten. Wien: Georg Marton o. J. [1937].
  • GK/PF 1937 = gemeinsam mit Paul Frank: Whisky und Soda. Lustspiel in drei Akten. Wien: Georg Marton 1937.

Sekundärliteratur

  • ABB = Almuth Bruder-Bezzel: Geschichte der Individualpsychologie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1999.
  • AC = Andrea Capovilla: Entwürfe weiblicher Identität in der Moderne: Milena Jesenská, Vicki Baum, Gina Kaus, Alice Rühle-Gerstel. Studien zu Leben und Werk. Oldenburg: Igel 2004.
  • AS = Arthur Schnitzler: Tagebuch 1917-1919. Wien: Verlag der ÖAW 1985.
  • CR = Clemens Ruthner: Am Rande. Kanon, Kulturökonomie und die Intertextualität des Marginalen am Beispiel der (österreichischen) Phantastik im 20. Jahrhundert. Tübingen und Basel: A. Francke 2004.
  • DW = Dieter Wrobel: Vergessene Texte der Moderne wiedergelesen. Gina Kaus: Morgen um Neun. In: Literatur im Unterricht. Texte der Gegenwartsliteratur für die Schule Jg. 11, 2010, Nr. 2, S. 133-150.
  • EPH = Evelyne Polt-Heinzl: Österreichische Literatur zwischen den Kriegen. Plädoyer für eine Kanonrevision. Wien: Sonderzahl 2012.
  • FB = Franz Blei: Die Schriftstellerin. In: Der Querschnitt, Jg. 12, Nr. 4, April 1932, S. 305.
  • GB = Gerhard Bauer: Nachwort. In: Gina Kaus: Morgen um neun. Hildesheim: Olms 2008, S. 1-9.
  • HA = Hildegard Atzinger: Gina Kaus: Schriftstellerin und Öffentlichkeit. Zur Stellung einer Schriftstellerin in der literarischen Öffentlichkeit der Zwischenkriegszeit in Österreich und Deutschland. Frankfurt/Main u. a.: Peter Lang 2008.JR = Josef Rattner: Alfred Adler. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 91994.
  • KC 1985 = Karl Corino: Alpha – Modell Nr. 2. Bemerkungen zum biographischen Hintergrund von Robert Musils Posse „Vinzenz und die Freundin bedeutender Männer“. In: Josef und Johann Strutz (Hgg.): Robert Musil – Theater, Bildung, Kritik. München: Wilhelm Fink 1985, S. 95-109.
  • KC 2003 = Karl Corino: Robert Musil. Eine Biographie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2003.
  • LB = Laura Busch: Die Ambivalenz „neuer“ Weiblichkeitsentwürfe in den Theaterstücken von Gina Kaus. Masterarbeit Leipzig 2015.
  • MD 1986 = Milan Dubrovič: Die Weissagung des Teiresias. Erinnerungen an Gina Kaus. In: Die Presse, 17./18.5.1986, Beilage: Spectrum, S. III, VII, auch abgedruckt in: GK 1979, S. 281-284.
  • MD 1987 = Milan Dubrovic: Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés. Frankfurt/Main: Fischer 1987.
  • PW = Pit Wahl: Gina Kaus: Schriftstellerin, Dramatikerin und Adlerianerin. Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Kunstwerk und Künstlerin unter Einbeziehung biografischer Fragmente. In: Zeitschrift für Individualpsychologie 37, 2, 2012, S. 158-181.
  • RR = Regina Range: Positioning Gina Kaus: A Transnational Career from Vienna Novelist and Playwright to Hollywood Scriptwriter. Diss. Iowa 2012.
  • SMD = Sibylle Mulot-Déri: Nachwort. In: Gina Kaus: Die Schwestern Kleh. Frankfurt/Main und Berlin: Ullstein 1989, S. 287-300.
  • SvS = Stefanie von Steinaecker: „A little lower than the angels.“ Vicki Baum und Gina Kaus: Schreiben zwischen Anpassung und Anspruch. Bamberg: University of Bamberg Press 2011.
  • VH 2013 = Veronika Hofeneder: Der produktive Kosmos der Gina Kaus. Schriftstellerin – Pädagogin – Revolutionärin. Hildesheim: Olms 2013.
  • VH 2015 = Veronika Hofeneder: Bestseller, kurze Röcke und männlicher Protest – Empörung bei Gina Kaus. In: Alexandra Millner (u. a.) (Hgg.): Empörung! Besichtigung einer Kulturtechnik. Wien: facultas 2015, S. 95-110.
  • VH 2017 = Veronika Hofeneder: Männlicher Protest, Eifersucht und Rollenspiel – Individualpsychologische Einflüsse bei Gina Kaus. In: Zeitschrift für Individualpsychologie 42, 1, 2017, S. 7–21.

Abbildungsverzeichnis

  • Abb 1: Porträt Gina Kaus, Trude Fleischmann, © Bildarchiv Austria, Österreichische Nationalbibliothek, Wien.
  • Abb. 2: Cover Die Mutter, Jg. 1, Nr. 1, 1.12.1924, ANNO, Österreichische Nationalbibliothek, Wien.
  • Abb. 3: Gina Kaus: Die Front des Lebens, Arbeiter-Zeitung, 24.9.1928, S. 5, ANNO, Österreichische Nationalbibliothek, Wien.
  • Abb. 4: Filmplakat Teufel in Seide, Paul Aigner, Bildarchiv Austria, Österreichische Nationalbibliothek, Wien. – Die Bildrechte hält allerdings nicht das Bildarchiv, sondern Aigners Rechtsnachfolger Lazaros Papoulis, der mir freundlicherweise die Publikationserlaubnis gegeben hat, dem hiermit herzlich gedankt sei. © Lazaros Papoulis
  • Abb. 5: Sonik Rainer und Sybille Mewes in Toni in den Berliner Kammerspielen, Bühne 125, 31.3.1927, S. 6, ANNO, Österreichische Nationalbibliothek, Wien.