N.N.: Reges Leben in der Jungwählerschaft. Österreichische Sturmscharen – Luegerfront – Junge Front im Arbeitsbund. (1932)

Nach dem programmatischen Bekenntnis, das zu Pfingsten auf einem „Jungösterreich-Tag“ zu Innsbruck die Oesterreichischen Sturmscharen in einem feierlichen Manifest niedergelegt haben, treten nun die zwei anderen politischen Organisationen der christlich­sozialen Jungwählerschaft mit programmatischen Erklärungen an die Öffentlichkeit: die Lueger-Jungfront und die Junge Front im Arbeits­bund.

Es versteht sich, daß die Grundgedanken in den drei „Programmen“ die gleichen sind, wenn auch manches in der einen Kundgebung breiter ausgeführt und stärker betont wird als in der anderen. Gemeinsam ist allen drei Willenskundgebungen und charakteristisch für die Äußerungen Jungösterreichs überhaupt die nach­drückliche Forderung der Übereinstimmung von Bekenntnis und Leben. Die Grundsätze dürfen nicht graue Theorie, nicht bloßes Lippenbekenntnis bleiben, sondern sollen von allen, die sich für sie erklären, auch gelebt werden, voran von den Führern, Funktionären und Mandataren, die den anderen durch ihr befeuerndes, mitreißendes Beispiel voranleuchten müssen, wenn sie treue Gefolgschaft erwarten wollen. Diese Betonung der Übereinstimmung von Theorie und Praxis, von Programm und Leben ist den politischen Organisationen des christlichen Jungvolks mit den unpolitischen gemeinsam. Auch auf der herrlich verlaufenen Tagung des „Reichsbundes der katholischen deutschen Jugend“ zu Pfingsten in Eisenstadt ebenso wie auf der Aelterentagung des Neuland in Gaming wurde immer wieder diese Forderung laut, die eine Erneuerung des historischen Rufes P. Abels „Heraus mit dem praktischen Christentum!“ ist.

Die Arbeit der christlichsozialen Partei, deren Wiener Gruppe morgen die Beratungen ihres Partei­tages beginnt, wird um so fruchtbarer sein, je eingehender sie sich mit den Problemen beschäftigt, die dem Jungvolk der Partei auf der Seele brennen.

Programmatische Kundgebungen der Lueger Jungfront und der „Jungfront im Arbeits-Bund“.

Das Programm der Lueger-Jungfront be­ginnt mit einem Gelöbnis:

Die Mitglieder der Lueger-Jungfront geloben mit Handschlag: daß sie als überzeugte Katholiken christlich leben und wirken wollen; daß sie keiner Vereinigung und Bewegung angehören, die mit den katholischen Grundsätzen in Widerspruch steht, oder das christlichsoziale Parteiinteresse gefährden könnte; daß sie die katholischen Tageszeitungen und katholischen Zeitschriften, die in unserem Sinne geschrieben sind, halten und fördern werden; daß sie in Beobachtung der freiwillig übernommenen Diszi­plin zu jeder für sie möglichen Arbeitsleistung im Dienste der Lueger-Jungfront jederzeit bereit sein werden; daß sie für die Verbreitung und Durchsetzung der Forderungen unseres Programmes unermüdlich tätig sein wollen. Wird ein Mitglied zu einer Führerstelle berufen, so ist dieses

Gelöbnis in feierlicher Weise zu wiederholen.

Das eigentliche Programm umfaßt sieben Kapitel, und zwar:

Religion.

Entgegen den Zeitströmungen der Gottlosigkeit, des Freidenkertums und eines sogenannten „positiven“ Christentums bekennen wir uns feierlich zu den Hochzielen der katholischen Kirche, nach deren Lehren wir selbst wirken und die Tatbereitschaft unserer Mitglieder leiten wollen. Wir wissen zwischen Religion und Politik wohl zu unterscheiden, wir wissen aber auch, daß für den Katholiken nur eine Politik in Betracht kommt, die den katholischen Grund­sätzen folgt und nur eine Partei, die für diese Grundsätze ohne Einschränkungen oder Bedingungen offen und kraftvoll einzutreten gewillt ist.

Volkstum und Vaterland.

Wir bekennen uns zu unserem großen deutschen Volke. Wie wir vom Gesamtdeutschtum Verständnis für Österreichs Wesen und Lebensnotwendigkeiten zuversichtlich erwarten, lehnen wir Pläne ab, die uns in Gegensatz zum Deutschen Reiche bringen würden. Als deutsche Katholiken verwerfen wir alle Versuche, die von Gott geschaffenen Einrichtungen der Ehe und Familie, diese Grundfesten gesunden Volkstums, zu erschüttern und bekämpfen den für unser bodenständiges Volk verderblichen übermächtigen Einfluß, den das volksfremde, materialistische Judentum im geistigen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben heute ausübt. Die Lueger-Jungfront betrachtet sich als Hüterin der nationalen und kulturellen Sendung des österreichischen Deutschtums. In der Hochhaltung österreichischer Vergangenheit, die durch Jahrhunderte zugleich das deutsche Schicksal verkörpert hat, wollen wir alles daran setzen, um die Aufhebung des uns unter falschen Voraussetzungen aufgezwungenen Friedensvertrages von St.-Germain en Laye zu erreichen und Österreich jene Selbständigkeit miterringen zu helfen, die ihm die Unabhängigeit seiner Willensbildung sichert.

Staat und Gesellschaft.

Die Lueger-Jungfront strebt die berufsständische Neuordnung von Staat und Gesellschaft im Sinne der Enzyklika „Quadragesima anno“ an. Sie lehnt den Klassenkampf ab, der die Volksgemeinschaft aufzulösen droht.

Sie fordert die Anerkennung des Volksbürger­schaftsprinzipes.

Verfassung und Verwaltung.

Die Lueger-Jungfront fordert die Umgestaltung und Ergänzung des heutigen Parlamentarismus durch eine dem österreichischen Wesen entsprechende, berufsständisch gegliederte Demokratie mit einem vom Volke gewählten Präsidenten an der Spitze, der durch Vollmachten und Dauer seiner Amtszeit die Stabilität der Politik des Staates gewährleistet. Bestimmungen der Ver­fassung, die der Durchführung dieser oder in anderen Teilen unseres Programmes verkündeten Ziele im Wege stehen, sind raschestens zu ändern.

Die Lueger-Jungfront fordert eine durchgreifende Aenderung des bestehenden Wahlsystems. Die Todesstrafe ist wieder einzuführen. Die heutigen Schwurgerichte sind durch Großschöffensenate, die eine bessere Rechtssprechung verbürgen, zu ersetzen. Überflüssige Bundes-, Landes- und Gemeindeämter sind abzuschaffen, ohne den Rechtsschutz der Staatsbürger oder die wirklich unentbehrliche öffentliche Fürsorge zu schädigen. Neben der öffentlichen Für­sorge muß die katholische Karitas in voller Freiheit und von den öffentlichen Organen gefördert, den notleidenden Menschen Hilfe bringen können.

Kultur.

Die Lueger-Jungfront fordert die seelische und geistige Bildung unseres Volkes zur Schaffung christlicher Persönlich­keiten. Daher bekennt sie sich zu den Grundsätzen religiös-sittlicher Erziehung der Jugend, die am besten in konfessionellen Schulen gesichert wird; zur intensiven Pflege einer nach Stadt und Land gegliederten Volksbildung auf katholischer Grundlage, unter Betonung der Schicksalsverbundenheit des Volksganzen; zur staatlichen Förderung der körperlichen Ertüchtigung unserer Jugend; zur Pflege des wehrhaften Geistes der Jugend. Änderung des bestehenden uns vom Ausland aufgezwungenen Wehrsystems im Sinne einer allgemeinen Wehrpflicht, deren erzieherischer Wert anzuerkennen ist. Dieses neue Heer muß außerhalb des politischen Kampfes stehen; zum Schutze der Kultur und Sittlichkeit unseres Volkes vor den zerstörenden Einflüssen auf den Ge­bieten des Presse-, Theater-, Kino- und Reklamewesens, deren Träger besonders das marxistische Judentum ist.

Wirtschaft.

Wir fordern: Arbeitsgelegenheit für die Jugend, besonders durch den Ausbau der produktiven Arbeitslosen­fürsorge; Schutz der bodenständigen Jugend gegen fremde (Saisonarbeiter) oder erst vor kurzer Zeit zu­gewanderte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkte, insbesondere Beschränkung der Verwendung von Juden in akademischen Be­rufen und in öffentlichen Diensten; Förderung eines gesunden Bauernstandes; tatkräftige Entproletarisierungspolitik durch Förderung der Wirtschaftssied­lungen, des Familienhausbaues und des Kleingartenwesens; besondere Berücksichtigung der großen

Familien durch Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes, der Länder und Gemeinden; Schutz und Ausbau der Sozialpolitik und Sozialversicherung, die allmählich alle sozial bedrohten Volksschichten erfassen soll; Kampf gegen Preiswucher durch staatliche Überprüfung, Bekämpfung jenes Zwischenhandels, der volkswirtschaftlich überflüssig und schmarotzerhaft ist. Schutz des legitimen Handels gegen Schmutzkonkurrenz und gegen einseitige Begünstigungen sozialistischer Konsumvereine; Reform des Aktien­rechtes sowie gesetzliche Regelung des Kartell- und Trustwesens. Verstärkte Überwachung der Banken und wirksame Haftung für ihnen anvertraute Gelder; Verschärfung der Konkurs- und Ausgleichsordnung, die heute den unredlichen Schuldner begünstigt und dazu beiträgt, Treu und Glauben im wirtschaft­lichen Verkehr zu untergraben; Vereinfachung der Steuergesetzgebung; Neuordnung des Besoldungsrechtes der öffentlichen Angestellten des Bundes, der Länder und der großen Ge­meinden; Führung unserer ganzen wirtschaftlichen Politik nach der Parole: „Oesterreich den Oesterreichern!“ Insbesondere schärfste Propaganda, auch mit staatlichen Mitteln, für den Grundsatz: „Kauft österreichische Waren!“ Stärkste Werbung sowohl für den Grundsatz: „Christen, kauft bei Christen!“, wie auch für den Grundsatz: „Christen, verkauft wie Christen!“

Partei.

Von den Mandataren der christlichsozialen Partei fordern wir: Bei Übernahme eines Mandates ist ein feier-//liches und förmliches Gelöbnis auf das Parteiprogramm, die Parteidisziplin und die Pflicht der Uneigennützigkeit abzulegen; die Mandatsträger sind nach ihrer Würdigkeit zu bestimmen. Die Wahlwürdigkeit ist gegeben, wenn feste Gesinnung, einwand­freier Charakter und die erforderlichen geistigen Fähigkeiten, insbesondere politisches Wissen und Rednergabe, sich vereinigen; für alle Kandidaten ist eine Altersgrenze festzusetzen, deren Überschreitung eine Bewerbung, bzw. neuerliche Kandidatur ausschließt; kommt ein Mandatar in die Lage infolge seiner politischen Stellung Einkommen zu beziehen, die über die Be­streitung seiner standes- und amtsgemäßen Ausgaben wesentlich hinausreichen, so hat er auf diesen Mehrbetrag zugunsten der Partei zu verzichten, widrigenfalls er seines Mandates ver­lustig zu erklären ist; die Vereinigung von obersten Parteifunktionen und Regierungsämtern in einer Hand ist grundsätzlich zu vermeiden, Ausnahmen sind nur zuzulassen, wenn das Interesse der Gesamtbewegung sie erfordert; unter Wahrung des föderativen Aufbaues der Partei ist deren Ein­heitlichkeit und Geschlossenheit stärker zu betonen als bisher.

Die „Junge Front“ im Arbeitsbund sagt in einer programmatischen Verlautbarung:

Der Parteitag der Wiener christlichsozialen Partei wird sich auch mit der Frage der Heranziehung der Jugend zur stärkeren Mitarbeit in der Be­wegung beschäftigen müssen, aber dabei nicht an der Frage vorbeigehen können, daß die christliche Ar­beiterbewegung nie den Kontakt mit der jungen Generation verloren hat und auch in ihre obersten Instanzen, wie Reichsarbeitsbund und Wiener Arbeitsbund, Vertreter der Jugend entsendet hat. Der Wiener Arbeitsbund, die politische Organisation der Wiener christlichen Arbeiterschaft, hat – als die geplante Gründung einer „Jungfront“, die vom Reichsbund aus­ging, gescheitert war – den in seinen Reihen organisierten Nachwuchs zu einer Kampf- und Arbeitsgemeinschaft, in der „Jungen Front“ im Arbeitsbund zusammengefaßt, um so erfolgreicher und tat­kräftiger die Werbearbeit unter der werktätigen Jugend durchführen zu können. Auf dem Boden des „Linzer christlichen Arbeiterprogramms“, das be­kanntlich den berufsständischen Ausbau der Gesellschaft fordert, stehend, hat die „Junge Front“ im Arbeitsbund zunächst ihre

                        Kampfziele für die sozialen Kämpfe der Gegenwart

festgelegt und namentlich den Kampf gegen die fort­schreitende Proletarisierung des Mittelstandes und die Entwurzelung des Bauerntums;

gegen die Vorherrschaft des liberaljüdischen Geistes im öffentlichen und Wirtschaftsleben;

gegen die Verquickung von Politik und Geschäft;

gegen die Wirtschaftsanarchie des kapitalistischen Systems,

gegen die Vorherrschaft der Banken und Börsen und

gegen den unser Volk zersetzenden brudermörderischen Klassenkampf auf ihre Fahne geschrieben.

Das Forderungsprogramm

der „Jungen Front“ im Arbeitsbund umfaßt u. a. auch folgende Punkte: Erziehung der Jugend und des gesamten Volkes zu gegenseitiger Hilfsbereitschaft, bewußte Pflege völkischen Brauchtums und enge kulturelle Verbindung mit dem gesamtdeutschen Volkstum, Beseitigung des übermächtigen jüdischen Einflusses, berufsständische Selbstverwaltung, Angleichung des staatlichen Rechtes an die Forderungen des Christentums und der gesunden Überlieferung, insbesondere auf dem Gebiete der Ehe, Familie, Erziehung und Schule, Bindung der Wirtschaft an das Allgemeinwohl auf der Grundlage einer berufsständischen Ordnung, Eigentum und Arbeit für jeden Arbeitswilligen, Familienlohn, energischen Abbau der Spitzengehälter und des Doppelverdienertums, Bankenkontrolle, Kartellkontrolle und Trustverbot.

Über die bisherige Arbeit der „Jungfront“ im Arbeitsbund berichtet die Verlautbarung: Die „Jungfront“ im Arbeitsbund ging zunächst an die Schulung ihrer Vertrauensmänner. Im Winter wurde eine Rednerschule abgehalten, der Programm­ausschuß nahm zu einer Reihe aktueller Fragen Stellung. Namentlich wurde eine gründliche Aufklärungs­arbeit über die nationalsozialistische Bewegung durchgeführt. Daneben ging die Werbe­arbeit in Wien weiter, die dann auch auf Niederösterreich übergegriffen hat. Eine größere Anzahl von sozial gesinnter junger Akademikern und Studenten und auch junger sozial gesinnter Ge­werbetreibender kämpfen und arbeiten in der „Jungen Front im Arbeitsbund“ an der Gestaltung des sozial gesinnten jungen Akademikern und Studenten und auch jungen sozial gesinnten Ge­werbetreibenden und arbeiten an der Stärkung der Jungen Front der schaffenden Stände des christlichen Volkes.

In: Reichspost, 21.5.1932, S. 2-3.