Fanny Harlfinger: Die „Wiener Frauenkunst“ und ihre Ziele.

Fanny Harlfinger: Die „Wiener Frauenkunst“ und ihre Ziele (1926)

Die im Herbst des vorigen Jahres im Künstlerhause veranstaltete Ausstellung Deutscher Frauenkunst hat als dauernde Frucht gemeinsamen Wirkens die freie Arbeitsgemeinschaft „Wiener Frauenkunst“ entstehen lassen.

Die Wiener Frauenkunst will nicht in den starren, überlieferten Formen einer Vereinigung arbeiten. Nur ein kleiner Kreis von Künstlerinnen aller Zweige wird als ständiger Arbeitsausschuß die Gelegenheiten zu künstlerischen Veranstaltungen ermitteln, diese vorbereiten und dann für jede der sich bietenden Aufgaben die geeignetsten Kräfte um sich versammeln. Dabei sollen nicht etwa nur Ausstellungen veranstaltet werden. Schon der Rückblick auf die freilich erst recht kurze Zeit unseres Bestandes läßt erkennen, daß uns das Feld für fruchtbare künstlerische Tätigkeit viel umfassender erscheint. Die Vorführungen historischer Frauenkleider in Gegenüberstellung mit modernen Gewändern im Künstlerhaus und in der Secession beweisen dies ebenso wie unsere Teilnahme an der Weihnachtsschau der Oesterreichischen Frauenorganisationen, in deren Rahmen wir die Abteilung. „Der gedeckte Tisch“ veranstalteten.

Wir wollen modern sein, in erster Linie in dem Sinne, daß wir darunter enge Verbundenheit mit dem Leben verstehen. Die Kunst unserer Tage steht dem Leben und seinen sichtbaren Äußerungen noch immer recht fremd gegenüber; sie durchdringt es nicht, wie es die Kunst früherer Zeiten tat. Hier die zerrissenen Fäden wieder anzuknüpfen, dazu wollen wir helfen. Und dazu fühlen wir uns gerade als Frauen besonders berufen, Denn abgesehen von den beruflich hergestellten Dingen geht ja das Allermeiste dessen, was unserem Heim und darüber hinaus unseren äußeren Lebensformen das Gepräge aufdrückt, aus Frauenhänden hervor. Aber // wie geschickt und fleißig diese Hände auch sein mögen, wie wenige Früchte ihrer Tätigkeit stehen doch auf künstlerischer Höhe! Und daneben wieder lebt eine Fülle von Ideen in den Köpfen unserer Kunstgewerblerinnen, ohne sich entsprechend ausleben zu können. Hier die fehlende Verbindung herzustellen, soll mit eine der wichtigsten Aufgaben der Wiener Frauenkunst sein und gerade hierbei erhofft sie die wertvollste Unterstützung von Seite der Zeitschrift, deren erste Nummer hie[r]mit in die Welt hinausgeht.

In: Die Moderne Frau, H. 1/1926, S. 10-11.