N.N.: Große Massenprotestversammlung des Bundes Jüdischer Frontsoldaten

N.N. [Red. S. Finkelstein]: Große Massenprotestversammlung des Bundes Jüdischer Frontsoldaten (1933)

Im bis aufs letzte Plätzchen gefüllten Festsaal des Hotels Continental fand Montag, den 30. Jänner, eine vom Bund jüdischer Frontsoldaten einberufene Massenversammlung statt, die in schärfster Form gegen die judenhetzerischen Enunziationen des letzten Hirtenbriefes des Linzer Bischofs Stellung nahm.

Bundesführer Generalmajor Emil Sommer eröffnete die Versammlung mit folgender Ansprache:

In dieser schweren Zeit, da die würgende Wirtschaftskrise, der Kampf aller gegen alle auf den Höhepunkt gestiegen ist, mußten wir das traurige Schauspiel erleben, daß von einer Stelle, die berufen ist, das Wort der Nächstenliebe, der Milde und des Erbarmens zu predigen, ein Hetzruf in die ohnehin aufgeregten und zu Haß und Verfolgung geneigten Volksmassen geworfen wurde.

Der ‹Bund jüdischer Frontsoldaten Oesterreichs› weist diese Pauschalverdächtigungen der Juden zurück und wird es nicht dulden, daß auf dem Rücken des Judentums der Kampf nichtjüdischer Parteien ausgetragen werde.

Das Mitglied des Bundesvorstandes Robert Politzer führte u.a. aus:

Wir vom ‹Bund jüdischer Frontsoldaten Oesterreichs› haben auf keinerlei politische Bedenken Rücksicht zu nehmen; wer immer unsere Ehre antastet, ist gegen uns. Wir haben nicht nur die Legitimation, sondern auch unseren Gefallenen gegenüber die Pflicht, diesen Standpunkt zu vertreten. Vom Schulbuben bis zum Bischof von Linz hinauf glaubt jeder seine Schuhe an uns abstreifen zu dürfen. Sie bewegen sich auf der Linie des geringsten Widerstandes. Wenn wir aber einig sind, werden alle ihre Versuche zuschanden werden.

Regierungsrat Dr. Lenk sagte:

Im Hirtenbrief wird die Gesamtheit des Judentums als Urheber des Bolschewismus und Führer des Sozialismus und des Mammonismus bezichtigt. Wir kennen nur Juden. Wir werden uns zu wehren wissen, denn wir sind stärker als wir glauben. Wir sind stark, wenn wir zum wirklichen Urquell des Judentums zurückfinden.

Zum Schluß wurde einstimmig eine

                                               Resolution

gefaßt, in der es u.a. heißt:

            Die am 30. Jänner 1933 im Festsaale des Hotels Continental in Wien tagende Versammlung des ‹Bund jüdischer Frontsoldaten Oesterreichs› gibt ihrer tiefsten Entrüstung Ausdruck über die ungeheuerlichen Anklagen und Beschimpfungen, welche in dem letzten Hirtenbrief des Bischofs von Linz gegen die Gesamtheit des Judentums erhoben werden.

            Die jüdische Bevölkerung verwahrt sich entschieden dagegen, daß durch derartige Enunziationen, aus denen trotz aller Bemäntelungen krasser Antisemitismus spricht, noch neuer Zündstoff in die durch Not, Elend und Parteihader ohnehin erregte Bevölkerung getragen wird.

            Der ‹Bund jüdischer Frontsoldaten Oesterreichs›, dessen Mitglieder im Krieg ihre Pflicht dem alten Vaterlande gegenüber voll und ganz erfüllt haben und dessen Mitglieder ihre Pflichten auch dem neuen Oesterreich als loyale Staatsbürger getreu erfüllen, gibt seiner tiefsten Empörung darüber Ausdruck, daß von so hoher kirchlicher Stelle statt LiebeHaß und Verachtung gepredigt wird und fordert die gesamte Bevölkerung auf, Verhetzungen – von wo immer sie auch kommen mögen – kein Gehör zu schenken und alle Kräfte zu vereinen, um für eine bessere Zukunft Oesterreichs zu arbeiten.

In: Die Stimme. Jüdische Zeitung H. 256, 2.2.1933, S. 7.