Richard Harlfinger: Ein Staatsamt für schöne Künste

N.N./[Richard Harlfinger]: Ein Staatsamt für schöne Künste (1919)

Im Namen der Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs (Sezession) ersucht uns deren Präsident Herr Richard Harlfinger um die Aufnahme. nachstehender Zuschrift:

„Die wiederholten Äußerungen Ihres geschätzten Blattes betreffend die geplante Errichtung eines Staatsamtes für schöne Künste bildeten in einer Vollversammlung der Sezession den Gegenstand lebhafter Erörterungen, die mit dem einmütigen Beschluß endeten, die nach unsrer Ansicht irrigen Voraussetzungen, die jenen Äußerungen zugrunde lagen, öffentlich zu berichtigen. Die Hauptgründe, die gegen die Schaffung eines Kunstamtes geltend gemacht wurden, waren die gebotene Rücksicht auf die Staatsfinanzen und anderseits der Hinweis auf die bisher geübte Behandlung der künstlerischen Angelegenheiten durch den Staat, die in einem großen Staatswesen vollkommen, genügt habe und daher in unserem bescheidenen Lande um so mehr genügen werde.

Was die dringend nötige Sparsamkeit betrifft, so verschließt sich die Künstlerschaft keineswegs den dazu zwingenden Gründen. Wir find indes der Ansicht, daß ein solches Amt durchaus keines kost­spieligen Verwaltungsapparats bedürfe. Die Hauptforderungen, die wir an dieses Amt stellen, sind vielmehr Selbständigkeit und Einflußnahme der Künstler selbst durch eine aus ihrer Mitte frei gewählte Vertretung auf alle seine Entscheidungen. Insoweit nun gerade diese grundsätzlichen Forderungen durch die bisherige Praxis nicht erfüllt wurden, erscheint uns zugleich deren Unzulänglichkeit und Unzweckmäßigkeit erwiesen. Die bisherige Kunst­aktion befand sich in steter Abhängigkeit vom Unterrichtsministerium, dessen jeweiliger Leiter ganz andern politischen Rücksichten seine Stellung ver­dankte. An der Spitze des neuen Amtes dagegen müßte eine Persönlichkeit stehen, die, vollkommen dem politischen Treiben entrückt, mit dem Amte zu­gleich eine Lebensaufgabe übernimmt. Diese Stellung wäre denn doch zu wichtig, um sie lediglich einem kunstfreundlichen Beamten anzuvertrauen. Die Be­deutung der Kunst als eines unsrer wenigen Export­artikel ist ja auch in Ihrem geschätzten Blatte an­erkannt worden. Wir zweifeln jedoch, daß dieser Artikel bisher stets so gefördert worden sei, wie es seiner Wichtigkeit entsprochen hätte. Warum stand Österreich immer so abseits vom großen Strom des künstlerischen Lebens? Warum wurden so viele Talente ins Ausland gezogen, wo sie der Heimat fast völlig entfremdet wurden? Künstlerschaft, insbesondere auch die Sezession, hat diese Verhältnisse wohl erkannt und ihnen nach Kräften zu steuern versucht. Aber wirksam und großzügig vermag dies nur der Staat durch eine Kunstpolitik. Und eben dazu brauchen wie ein selbständiges Kunst­amt. Die Kosten dafür wären ganz keine über­mäßigen und würden sich reichlich verzinsen. Denken wir nur an München, das seine Bedeutung zum größten Teil der systematisch betriebenen Kunstförderung verdankt und aus ihr nicht allein kulturellen, sondern auch einen kaum abschätzbaren materiellen Gewinn gezogen hat. Wir sprachen naturgemäß vorwiegend von der bildenden Kunst, aber auch auf dem Gebiete der Schwesterkünste würde ein derartiges selbständiges Amt am besten befähigt sein, die bisherige Bedeutung Wiens zu erhalten und damit seine Weltgeltung als Kultur­zentrum zu schützen.“

In: Neues Wiener Tagblatt, 28.1.1919, S. 7.