Max Hussarek: Katholizismus und modernes Geistesleben
Max Hussarek: Katholizismus und modernes Geistesleben (1924)
Exzellenz Hussarek überließ uns gütigst das Manuskript seiner auf dem jüngsten österreichischen Katholikentag gehaltenen Rede zur Veröffentlichung im Neuen Reich. Die Schriftleitung.
Wenn ich nach Maßgabe und mit der Beschränkung auf die Umstände eines dem rein Religiösen gewidmeten Katholikentages über Katholizismus und modernes Geistesleben sprechen soll, so muß der Ausgangspunkt wohl daher genommen werden, daß eine Einheit des Geisteslebens unserer Tage zunächst überhaupt nicht wahrzunehmen ist. Ich meine damit nicht eine Einheit der Weltanschauung, wie sie dem Mittelalter auf seinen Höhepunkten eignete, wie sie die entgegengesetztest gerichteten Geister wie Gratian und Magister Irnerius, Alexander III. und Friedrich Barbarossa, Rainald von Dassel und Thomas v. Aquin, Dante und Bonifaz VIII. doch immer verband. Diese Einheit der Weltanschauung hat die Reformationsbewegung des 16. Jahrhunderts und alles, was sich an diesen Ursprung der Verirrung und Verwirrung der Geister bis in unsere Tage herein anschloß, zerstört und wir können unser Sehnen und Ringen danach nur als auf ein weit entferntes Ziel gerichtet einstellen, das unseren Schritten auch noch lange sich als unnahbar erweisen dürfte. Wenn wir vom modernen Geistesleben sprechen, tritt uns vor allem eine bunte Mannigfaltigkeit, Verschiedenheit und Gegensätzlichkeit der Anschauungen und Ueberzeugungen entgegen. Und das kann auch gar nicht anders sein. Die Zeit der religiösen Revolutionen von Hus und Wiclif, von Luther und Melanchthon, Zwingli und Kalvin angefangen bis zur geistig-sittlichen Revolution der Cherbury, Rousseau, Voltaire, Dideroth und der Enzyklopädisten und bis zur politischen Revolution der Lafayette und der Girondisten, der Robespierre, Marat und Danton mit der Krönung ihres Werkes in dem Cäsarentum Napoleon I. war eine Periode des in den vielfältigsten Formen sich gestaltenden Individualismus. Nicht jenes Individualismus, wie er der tiefe Gedanke des Erlösungswerkes Christi ist, das uns in jeder Menschenseele ihren persönlichen Wert und ihren transzendenten Zweck schätzen und achten lehrt, das Recht des Einzellebens aber in seiner Pflicht vor Gott und dem Nächsten die höchste Entfaltung finden läßt. Sondern jenes Individualismus, der ohne Scheu sich hinwegsetzt über alle Schranken, welche die Ehrfurcht vor dem Großen und Erhabenen aufgerichtet hat, der nur in sich seine Ziele und seine Befriedigung findet und der auch auf dem Gebiete des sittlichen Wirkens keine heteronomen Gebote, sondern nur die Autonomie des eigenen Befindens anerkennt. Dieser Individualismus vermochte ein Weltbild auf einheitlicher Grundlage nicht mehr zu erhalten, das Ergebnis seines Denkens war die Negation und seine besten und größten Geister verzichteten schweren Herzens auf die Erreichbarkeit der Wahrheit; sie suchten das Streben nach ihr mit dem bekannten Worte Lessings an ihre Stelle zu setzen. Wohl hat es in diesem Ringen der Geister nicht an Perioden der Wiedererstarkung und Befestigung gegenüber der weit verbreitsten Zersetzung gefehlt. Gerade in Oesterreich war das Zeitalter der sogenannten Gegenreformation eine Epoche großartiger und erhabener Sammlung, die unserem einstigen großen Vaterlande den Stempel einer eigentümlichen, in sich gesittigten hohen Kultur aufprägte, die es in den Tagen der Abwehr des letzten großen Angriffskampfes des Halbmondes wider die abendländische Gesittung auf eine seither nicht mehr erlebte politische Macht und innere Geschlossenheit erhob, und die noch lange bis in die Befreiungskriege wider das Napoleonische Joch nachwirkte, um in der deutschen Romantik, die einen ihrer wirksamsten Brennpunkte in Wien fand, eine mächtige Nachblüte zu erleben. Im Zeichen der katholischen Restauration stand auch unser staatliches Leben auf der Höhe, während die Zeitläufe des glaubensfremden Geistes mit denen des politischen Niederganges, der Zerrüttung und Schwäche zusammenfallen. Nun schien sich im 19. Jahrhundert doch wieder, wenn nicht eine einheitliche Weltanschauung, so wenigstens ein gleich gerichtetes Menschheitsideal vielen zu ergeben. So mannigfaltige Spielarten es hatte, vermag es doch am besten mit dem Sammelnamen des Liberalismus bezeichnet zu werden. Außerordentliche technische Errungenschaften und die in ihrem Gefolge ein hergehenden tiefgreifenden wirtschaftlichen Veränderungen und sozialen Umschichtungen, dann staunenswerte Erfolge der Forschung, besonders auf dem Gebiete der Naturwissenschaften, schufen ein Milieu, in welchem sich ein Geistesleben entfalten konnte, das über die Romantik der Dezennien um 1800 zurück anscheinend wieder an den Realismus der Aufklärung anknüpfte und sich ein Weltbild der Negation erschuf, wie es folgerichtiger und umfassender früher nie gezeichnet worden war. Es half wenig, daß die größten Geister dieses Gedankenfluges zum Maßhalten rieten, daß ein Dubois-Neymond sein „Ignorabimus“ laut und feierlich verkündete. Der Beifall der Menge umtoste die Mittleren und die Kleinen, die sich nicht genug in einer Verflachung der Lehren Charles Darwins tun konnten, die die Rätsel des Aufbaues der organischen Welt erst unter dem Gesichtswinkel der Verneinung als gelöst darzustellen versuchten und an Plattheit ihrer Gedankengänge die Enzyklopädisten des 18. Jahrhunderts weit übertrafen. Heute staunt man, wie lange und von wie vielen ein Moleschott oder Haeckel ernstgenommen werden konnten. Erleben aber nicht jetzt noch die populären Darstellungen eines Boelsche Auflage über Auflage? Für das Gesamtbild des abgelaufenen Jahrhunderts am wichtigsten ist der Zusammenhang, in dem alle die einschlägigen vereinzelten Erscheinungen auf so vielen Gebieten stehen. Mochte es sich um Philosophie oder Geschichte, Sprachwissenschaft oder Kunde der Vorzeit, Bibelforschung oder vergleichende Religionswissenschaft, Chemie oder Physik, Biologie oder Nationalökonomie handeln, überall galt ein und dasselbe immanente Gesetz der Forschung: Die Verneinung des Dogmas und der Tradition. Nichts ist dafür bezeichnender, als das Testament eines Wiener Gelehrten, Anton Menger, der, persönlich ein stiller Denker von sittlich reiner Gesinnung, sich doch nicht enthalten hat, eine Art posthumer Zensur zu üben und bei der Ergänzung der von ihm hinterlassenen Bücherschätze alles ausschloß, was nicht den Stempel des Demokratischen, Sozialistischen, Antiorthodoxen an sich trägt. Ein wertvoller Beitrag zu der Phrase von der Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft. Theodor Gomperz hat die Richtung einmal witzig in der Parole zusammengefaßt: „Es gibt keinen Gott und Jodl ist sein Prophet.“
Erinnern wir uns, wie bedeutungsvoll die katholische Kirche gegen derartige Abirrungen den Schild der Wahrheit erhoben hat. Es sind jetzt wenig über sechzig Jahre her, daß Pius IX. in seinem Syllabus die wichtigsten Entartungen der Auffassungsweise seiner Tage für die Gläubigen warnend kennzeichnete. Ein Sturm der Entrüstung über dieses Beginnen durchtobte nicht nur die Presse des anderen Lagers. Parlamente und andere Körperschaften ereiferten sich darüber in allen Tonarten, daß der Heilige Vater seine Pflicht, Lehrer der Völker zu sein, erfüllt hatte. Haben die Erfahrungen, die seither mit so vielen Thesen des heiß umstrittenen Syllabus gemacht worden sind, nicht samt und sonders daran hohe Weisheit bestätigt? Hat namentlich der Weltkrieg unserer Tage mit seinen furchtbaren Rechtsbrüchen nicht gerade die Sätze jener Warnungstafel über das öffentliche Wesen und die politischen Beziehungen der Staaten untereinander in ihrer Richtigkeit vollkommen bestätigt? Auch in dieser Richtung ist klar geworden, daß außer der Kirche kein Heil ist.
Der Liberalismus war ursprünglich weltbürgerlich gerichtet. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts aber gewann er mehr und mehr, am spätesten bei den Deutschen, die Richtung auf den Kultus der eigenen Nation und ergab sich alsbald der Uebertreibung dieser an sich berechtigten Pflege. In diesem Stande hat er die Wende des Jahrhunderts überschritten. Der beispiellose Erfolg eines Werkes, wie H. St. Chamberlains Die Grundlagen des 20. Jahrhunderts, zeigt einen Höhepunkt unmittelbar vor dem Verfalle. Es liegt nahe, damit ein anderes Buch zu vergleichen, welchem in unseren Tagen ähnliche äußere Ehren beschieden waren: Osw. Spenglers Untergang des Abendlandes. Hier sehen wir die entschiedenste Abkehr vom politischen, sozialen und gesellschaftlichen Liberalismus unter Festhalten an den letzten geistigen Grundlagen seines Systems, an der Negation.
Es ist nun allerdings nicht richtig, daß der Liberalismus mit dem „Bratenrock“ und dem „Festessen“, seinem wichtigsten Symbole und seiner charakteristischesten Erfindung nach SpenglerBezieht sich vorwiegend auf Oswald Spenglers (1880-1936) Schrift Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologi..., sich gänzlich ausgelebt habe. Ist er als politische Richtung weit in den Hintergrund getreten, so ist er doch für das Geistesleben vieler Gebildeter und noch viel mehr für dasjenige sehr vieler Halbgebildeter ein Pharus, dessen Wechsellichte sie gerne folgen, vielleicht mehr aus angeerbter und anerzogener Gewohnheit, denn aus selbsterrungener Ueberzeugung, und da ist es für die positive christliche Richtung heilige Pflicht, sich auch jetzt noch mit den Gedankengängen des Liberalismus kritisch auseinander zu setzen. Gerade das ist bei uns in Oesterreich, man kann sagen, in abschließender Weise erfolgt.
Es sind jetzt fast neunzehn Jahre her, seit unser Richard v. Kralikgeb. am 1.10.1852 in Eleonorenhain (Böhmerwald) - gest. am 4.2.1934 in Wien; Schriftsteller, Historiker, Publizist,&nbs... auf der Festversammlung der österreichischen Leo-Gesellschaft1892 gegründeter, nach Papst Leo XIII. benannter Verein, dessen Zweck und Ziel die Förderung von Wissenschaft und Kuns..., die damals zu Hall in Tirol stattfand, über die Aufgaben katholischer Wissenschaft und Kunst den modernen Problemen gegenüber in zündender, zugleich aber auch tiefgründiger Weise, in glänzender, aber zugleich auch klassisch abgeklärter Form handelte. Jene Rede war eine bleibende, auf lange hinaus nachwirkende Tat. Wer sie heute nachliest – sie ist in der von der Leo-Gesellschaft herausgegebenen Vierteljahrschrift Die Kultur abgedruckt worden – wird ihr weder in der Problemstellung noch in den sachlichen Erörterungen etwas Wesentliches hinzuzufügen finden[1]. Ich möchte wünschen, daß recht viele Leser Anlaß nähmen, jenes Heft der Kultur aufzuschlagen und sich an einer Darstellung von solcher Wertbeständigkeit geistig zu erquicken. Kraliks Vortrag war der Markstein für die Wendung, die sich in vielen Geistern vollzogen hatte. Er setzt sich für die Gebiete der Philosophie, der Naturwissenschaften, der Geschichte, der Pädagogik, der Moral und der Staatswissenschaften, endlich auch für das der Kunst mit den Vorurteilen der ungläubigen Auffassung auseinander. Er zeigt, daß zu allen Zeiten die positiven Kräfte überwiegen und daß der Fortschritt der Kultur nicht auf der Reihe revolutionärer Ketzererscheinungen, sondern auf der dauernden und bleibenden Arbeit ihrer Ueberwinder beruht. Ein Dreifaches erwartet die Welt von einer wahren religiösen Weltanschauung: Die Einheit aller wissenschaftlichen Einzelbestrebungen, ohne die alles Stückwerk bliebe, die ethische Erleuchtung und Erlösung und die beseligende ästhetische Schönheit in aller Kunst und allem Leben: „Alle Revolutionen im Gebiet der Politik und Kultur sind siegreich überwunden worden und nach allen Kulturkämpfen steht keine Sache so zukunftsreich da, wie die des Glaubens und der Kirche, trotz aller Schwierigkeiten, die auch sonst immer da waren.“ In der Tat sind die letzten Jahrzehnte eine Zeit des Aufschwunges katholischen Geisteslebens in Wissenschaft und Kunst. Was in den Tagen der berühmten Rektoratsrede des großen Anatomen und Philanthropen Hyrtl noch der Ruf eines Predigers in der Wüste war, findet heute in immer weiteren Kreisen freudigen Anklang und kräftigen Widerhall. Der Katholizismus steht wieder in der aufsteigenden Richtung. Darüber darf er nicht übersehen, daß die Front seiner Gegner eine Umgruppierung erfahren hat.
Die gedankentiefe Sage der Hellenen berichtet von Kronos, dem Gotte der Zeit, der seine eigenen Kinder verschlingt. Als der Liberalismus auf der Sonnenhöhe seiner geistigen Erfolge stand und sich anschickte, sich politisch auszuwirken, schrieb Karl Marx seine Doktordissertation. Ihre Wahl kennzeichnete die Geistesrichtung, welche dann später der Sozialismus eingeschlagen hat und unentwegt bis heute festhält. Sie handelt von dem griechischen Weltweisen Epikur, dem Spötter und Verneiner, der die monotheistische Lehre des Meisters Sokrates in den Satz umbog: „Die Götter wohnen in den Lücken unserer Erkenntnis der Welt.“ Bismarck hat einmal über den Liberalismus den agrarischen Witz gemacht, er sei die Vorfrucht des Sozialismus. In der Tat finden wir heute in diesem Lager die Vertreter der Negation zusammengeschart. Freilich in ganz anderer Art wie einst. Das Schlagwort der liberalen Doktrin war die Auslese der Tüchtigsten und Befähigtesten, das Schlagwort des Sozialismus ist die Herabdrückung aller hinein in die Masse. Darum mußte auch an die Stelle der betörenden Vervollkommnungs- und Kulturfortschrittsphrasen die brutale Anreizung der Instinkte zum Genusse treten. Der Materialismus, der früher eine seidene Maske vor dem Antlitz trug, schreitet heute unverhüllt einher und rühmt und brüstet sich seiner Plattheit.
Sein Werk war der Zusammenbruch deutscher Geisteskultur nach einem Titanenkampfe ohnegleichen in der Geschichte, den Egoismus und Neid, Habgier und Unverstand entfesselt hatten; in dem der zügellose Nationalismus wüste Orgien gefeiert hatte und an dessen Ende die Gerechtigkeit trauernd ihr Haupt verhüllte. In dem Chaos, das aus diesen Schreckenszeiten hervorging, ragt das Feldzeichen der Sammlung und des Wiederaufbaues das Kreuz als Symbol des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Die katholische Kirche überwindet als ragender Fels auf der Trümmerstätte auch die Pforten der Hölle der Verneinung im modernen Geistesleben, indem sie ihm die ewigen Grundlagen der Erkenntnis in ihrem Glauben, die Stärke der Zuversicht in dem Ringen um die Palme des Erfolges in der christlichen Hoffnung, die Kraft der die Völker und die Klassen versöhnenden Tat in der christlichen Liebe entgegenstellt.
Das Problem Katholizismus und modernes Geistesleben ist in neuen Formen dasselbe wie zu allen Zeiten, es ist der Gegensatz der Bejahung und der Verneinung. Wir wollen im Geiste der Bejahung unserer christlichen Ueberzeugung kämpfen! Wir wollen an diese Arbeit herantreten im Bewußtsein ihrer Größe und Mühsal. Denn wir erkennen, daß unser Wissen Stückwerk ist und Stückwerk bleiben wird, mag es noch so weit fortschreiten. Wir wollen unsere Arbeit vollbringen in dem redlichen Bemühen der Wahrheit und nur der Wahrheit zu dienen und wir wissen dabei, daß die letzte Quelle der Wahrheit Gott allein ist, der selber die höchste und die einzige Wahrheit ist. Wir wollen unsere Arbeit vollenden in der Demut, die uns sagt, daß wir nie und nimmer auf Erden bis an das Ende der Erkenntnis vordringen können und daß, so weit wir auch gelangen in der Enthüllung der Geheimnisse des Geistes oder der Natur, jede gefallene Hülle uns nur vor neue Rätsel stellt. Ueberreich ist gerade jetzt nach der Weltkatastrophe, die so vieles zerstört hat, das Sprießen und Treiben des Geisteslebens der Gegenwart, gleich wie aus dem tief gepflügten Acker hundertfältige Frucht gewonnen wird. Da mitzuarbeiten und aus den positiven unerschütterlichen Grundlagen der katholischen Wahrheit heraus teilzunehmen an der Entfaltung des menschlichen Geistes ist eine heilige Pflicht.
Wenn wir Katholiken dabei die Verneinung ablehnen, so sind wir uns bewußt, daß diese in zwei Formen auftritt. In der Urzeit des Christentums gesellte sich dem es bekämpfenden Heidentume die Gnosis, welche durch Umdeutung des schlichten Wortes der Offenbarung ihren Geist auflösen und verflüchtigen wollte. In der Jetztzeit tritt neben die Negation das modernen Heidentums der Modernismus, der zwischen wirklichen oder scheinbaren Widersprüchen vermitteln, der ein faules Kompromiß zwischen Ewigem und Vergänglichem schließen will. Haben wir hier zu Lande in theologischen Fragen auch keine modernistischen Ausartungen zu beklagen gehabt, so ist doch sonst im Leben der Katholiken, in ihrer Stellungnahme zu den wichtigen Ereignissen im Staate und öffentlichen Leben ein Hang zu unrichtiger Nachgiebigkeit, zum Wankelmute und zur Schwäche nicht gänzlich ausgeblieben. Auch auf diesen Gebieten gilt es Starkmut und Treue beweisen, sowie die ruhige Festigkeit betätigen, die aus dem Einklange des Gewissens mit seiner Pflicht entsprießt. Denn auch das ist eine Frucht echtkatholischer Erfassung des Geisteslebens!
Dieses aber ist nicht bloß Schmuck und Zierat unseres Seins und Wirkens, es erhöht und vollendet erst dieses überhaupt. Darum kann es bei dem Katholiken keinen Zwiespalt zwischen seinem religiösen und seinem sonstigen Geistesleben geben. Der hl. Klemens M. Hofbauer hat Wien und Oesterreich wieder gelehrt, daß katholisch sein nichts anderes bedeutet, als die Religion als den Mittelpunkt seines Daseins überhaupt bekennen, erfassen und ausüben. Wenn der Lebenshauch, der von diesem echt österreichischen heiligen Manne ausgeht, auch das Geistesleben Oesterreichs wieder erfassen wird, dann wird der Katholizismus in Oesterreich wieder die Führung der katholischen Bewegung in deutschen Landen erlangen, das katholische Oesterreich aber wird ein machtvolles und starkes Oesterreich sein. Schwebt ihm im Kampfe der Geister das Kreuz als Feldzeichen voran, so wird sich an ihm der Feldruf bewähren: „In hoc signo vinces“, „In diesem Zeichen wirst du siegen!“
In: Das Neue Reich, Nr. 1/1924, S. 14–16
[1] Das Neue Reich wird die Rede nächstens zum Abdruck bringen.

