Schüller, Richard

geb. am 30.4.1901 in Wien – gest. am 14.6.1957 in Linz; Publizist, kommunistischer Funktionär

Der Sohn eines Rechtsanwalts gehörte im Ersten Weltkrieg der sozialistischen Mittelschülervereinigung und neben Ernst Fabri und Friedrich Hexmann der linksradikalen Opposition im Verband jugendlicher Arbeiter an. Er wirkte am Jännerstreik 1918 mit, entging aber anders als u.a. Franz Koritschoner, Leo Rothziegel und Johannes Wertheim einer Haftstrafe. Nach der KPÖ-Gründung im November 1918 wurde er Sekretär des Kommunistischen Jugendverbandes(KJVÖ) sowie Initiator und Leiter des Wiener Büros der Kommunistischen Jugendinternationale (KJI), für deren Integration in der Kommunistischen Internationale (KI) er sich gemeinsam mit dem Berliner Verleger Willi Münzenberg engagierte. Bereits 1919 Augenzeuge der ungarischen Räterepublik, knüpfte S. in der kommunistischen Bewegung europaweit Kontakte, nahm als Vertreter der KJI in der Tschechoslowakei und in Frankreich an Parteitagen teil und reiste u.a. nach Großbritannien und Skandinavien. Ab 1921 als KJI-Vertreter Mitglied des Exekutivkomitees der KI (EKKI), gehörte S. 1922/23 und 1924-26 dessen Organisationsbüro an. Als Sekretär der KJI war S. einer der ranghöchsten österreichischen Funktionäre innerhalb der KI.

1927 berichtete er vom Brand des Justizpalastes in der Moskauer Prawda, ehe er Ende 1928 nach Wien zurückkehrte und die redaktionelle Leitung des KPÖ-Organs Die Rote Fahne übernahm, die er bis zum Verbot im Juli 1933 innehatte. Als sein Stellvertreter fungierte Alfred Klahr. Zudem wurde S. Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der KPÖ. Sprach er sich am 10. Parteitag im Februar 1929 1929 in Gewerkschaftsfragen noch vehement für eine Abgrenzung von den Sozialdemokraten aus, forcierte er zusehends eine Annäherung der linken Lager, etwa zwischen der KJI und der Opposition innerhalb der Sozialistischen Arbeiterjugend. Der von S. geführten Roten Fahne wurde trotz anhaltender Kritik an der SDAP innerparteilich vorgeworfen, sich nicht mit ausreichender Schärfe von der Sozialdemokratie abzugrenzen, S. isolierte sich politisch bis 1933 zusehends. Als Publizist und Redner trat er weiter auf und geriet dabei wiederholt in den Fokus der Justiz. Anfang September 1932 sprach S. bei der Antifaschistischen Kundgebung in der Wiener Engelmann-Arena vor kolportierten 10.000 Teilnehmern. 1932/33 war er als Dozent an der neu eingerichteten Marxistischen Arbeiterschule in Wien tätig, wo er Vorträge über das Werk Lenin ebenso abhielt wie Kurse zur Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung.

Nach dem Februaraufstand 1934 emigrierte S. nach Prag und bereitete das illegal verbreitete Grünbuch der KPÖ gegen Kanzler Kurt Schuschnigg und die Vaterländische Front vor. Nach der Ausweisung 1935 folgte die Übersiedlung nach Moskau, wo er wie auch Ernst Fischer, Ruth Fischer, Friedl Fürnberg, Johann Koplenig und Erwin Zucker-Schilling im Hotel Lux lebte. S. war 1935-37 Referent in der Redaktions- und Verlagsabteilung des EKKI und arbeitete als Redakteur und Übersetzer im Verlag für ausländische Literatur. In der Moskauer Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter veröffentlichte er unter dem Titel Sowjetunion 1936 anlässlich der neuen sowjetischen Verfassung eine deutschsprachige Sammlung von Reden Stalins, Molotows und anderer. In Moskau studierte und lehrte Französisch am Institut für Philosophie, Literatur und Geschichte. Ab Sommer 1941 diente er dem Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKWD) sowie in der Roten Armee, ehe er 1942-45 als Sprecher und Redakteur bei Radio Moskau für Österreich arbeitete. Nach der Rückkehr nach Österreich wirkte S. ab November 1945 als Redakteur der Volksstimme sowie ab 1947 Chefredakteur der oberösterreichischen KP-Zeitung Neue Zeit und gehörte ab 1949 wieder dem Zentralkomitee der Partei an.


Werke

Wirtschaftliche Lage und wirtschaftlicher Kampf der Arbeiterjugend (1923), Kommunistische Jugend und Krieg (1927), Geschichte der kommunistischen Jugendinternationale, Band 1: Von den Anfängen der proletarischen Jugendbewegung bis zur Gründung der kommunistischen Jugendinternationale (1931)

Quellen und Dokumente

Der Weltkongreß der Kommunistischen Jugend. In: Die Rote Fahne, 27.7.1921, S. 5f., Das proletarische Petrograd und das kapitalistische Wien. In: Die Rote Fahne, 23.9.1922, S. 2, Der chinesische Karl Marx. In: Die Rote Fahne, 7.5.1922, S. 6, „Tod den Göttern!“ Weihnachten in Moskau. In: Die Rote Fahne, 23.1.1923, S. 2f., Stuttgart – Berlin – Moskau. In: Die Rote Fahne, 21.8.1927, S. 5, Die Wahrheit über die Wahlen in Frankreich. In: Die Rote Fahne, 3.5.1928, S. 1f., 10 Jahre Kommunistischer Jugendverband. In: Die Rote Fahne, 16.12.1928, S. 5, Die Dritte Front. W. Münzenberg: 15 Jahre proletarische Jugendbewegung. In: Die Rote Fahne, 19.1.1930, S. 11.

Moskau lobt die österreichischen Kommunisten. In: AZ, 23.7.1927, S. 1, Ein Gewaltstreich der Klassenjustiz gegen die „Rote Fahne“. In: Die Rote Fahne, 24.11.1929, S. 1, Zwischenfälle nach einer kommunistischen Versammlung. In: NFP, 5.9.1932, S. 3, Die Kundgebung der 10.000 Antifaschisten. In: Die Rote Fahne, 6.9.1932, S. 1, Die Bilanz der Creditanstalt war gefälscht. In: Die Rote Fahne, 5.10.1932, S. 3.

Literatur

Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 2, 671 (1983), Barry McLoughlin, Hannes Leidinger, Verena Moritz: Kommunismus in Österreich 1918-1938 (2009), Manfred Mugrauer: „Kundgebung der 10.000 Antifaschisten“. Die „Antifaschistische Kundgebung“ der KPÖ in der Engelmann-Arena am 4. September 1932. In: Mitteilungen der Alfred-Klahr-Gesellschaft 4 (2012), 11-17 [Digitalisat], Herbert Steiner: Die Kommunistische Partei Österreichs von 1918-1933. Bibliographische Bemerkungen (1968), Juri Tutotschkin: Mentalität und Persönlichkeit in dokumentarischen Materialien. Exemplarische Fälle. In: Michael Buckmiller, Klaus Meschkat (Hg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte der Kommunistischen Internationale (2007), 170-191.

N.N.: R. S. (1901-1957). Bei: Linksruckzuck, Webauftritt der KPÖ Oberösterreich.

(ME)