Funke, Helene

geb. 3.9.1869 Chemnitz, Sachsen, gest. 31.7.1957 Wien; Malerin, Grafikerin

Die in wohlhabende Verhältnisse hineingeborene Funke – der Vater war Textil-Industrieller, die Mutter entstammte dem flämisch-fränkischen Adel – wuchs mit vier Brüdern in einem streng traditionell-patriarchalen Elternhaus auf, wo sie Privatunterricht erhielt. Gegen den ausdrücklichen Willen der Familie inskribierte sie mit 29 Jahren an der Münchner Damenakademie des Künstlerinnenvereins, um bei Friedrich Fehr und Angelo Jank Malerei zu studieren. Ab 1904 stellte sie in München, Berlin und Dresden aus, ging jedoch 1905 nach Frankreich, wo sie in Paris, in der Bretagne und in Südfrankreich lebte und sich dem Impressionismus und Fauvismus zuwandte. Ihre zunächst vor allem an den Pointilismus angelehnten Werke – großteils (weibliche) Portraits, aber auch Landschaftsbilder – stellte sie gemeinsam mit Matisse, Vlaminck, Derain und Braque aus, war aber auch in den Pariser Herbstsalons sowie in den Jahren 1907, 1910 und 1911 den Salons des Indépendants vertreten. Ebenfalls 1911 nahm sie an der zweiten Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs (VBKÖ) im Hagenbund teil, wo ihr Wiener Kritiker einerseits abwertend „unglaubliche Pinseleien“ vorwarfen (Deutsches Volksblatt, 15.9.1911, S. 10), andererseits ein „ungestümes Temperament“ konstatierten, „das sich im grellen und sonnigen, im knalligen und buntscheckig darauflos krachenden Farbengetümmel am wohlsten fühlt.“ (WZ, 19.9.1911, S. 17).

Gemeinsam mit der Malerin Martha Hofrichter, mit der sie bereits in Paris zusammengelebt hatte, verlagerte Funke ihren Lebensmittelpunkt 1913 nach Wien, wo sie beruflich rasch Fuß fassen konnte. Ihr künstlerisches Schaffen konzentrierte sich nun vorwiegend auf die Darstellung von Frauen: Gruppenbilder von Frauen, die den Betrachter selbstbewusst anblicken, aber auch Aktbildnisse, die sich scheinbar bewusst dem voyeuristischen Anspruch widersetzen (so zB. „Liegender Frauenakt in Strümpfen“, 1917), gesellten sich nun zu ihrem Œu­v­re, das u. a. in der Secession und im Künstlerhaus ausgestellt wurde. Als nunmehriges Mitglied der VBKÖ erregte ihr Schaffen aber weiterhin auch internationales Aufsehen: Die Liljevalchs Konsthall in Stockholm widmete ihr 1917 als einziger Künstlerin einen ganzen Ausstellungsraum.

Dass Funke nunmehr der künstlerische Durchbruch gelungen war, zeigte sich in den zwanziger Jahren nicht nur in der wohlwollenden Erwähnung in führenden Kunstzeitschriften wie „Die bildenden Künste“ oder „Kunst und Künstler“, sondern auch in der Tatsache, dass das Österreichische Staatsamt für Inneres und Unterricht ihr Gemälde „Musik“ (inzwischen verschollen) für 10.000 Kronen ankaufte. Zudem war sie die einzige Künstlerin, die Oskar Laske in sein die Wiener Moderne karikierendes Bild „Das Narrenschiff“ (1923) aufnahm.

Für das Gemälde „Die Verzückten“ erhielt sie 1928 den Olga-Flögel-Förderungspreis; im selben Jahr wurde ihr von der Akademie der bildenden Künste der Staatspreis für bildende Künste für ihr Bild „Tobias mit dem Engel“ verliehen, das 1929 an die Chemnitzer Kunstsammlung verkauft wurde.

Fehlende Aufträge aufgrund der Weltwirtschaftskrise sowie ein Augenleiden führten zu Beginn der 1930er Jahre zu finanziellen Schwierigkeiten und zwangen Funke,  ihren Lebensunterhalt vorwiegend als Reinigungskraft zu bestreiten. Ihre Malerei, inzwischen gemäßigt konservativ, wurde nun – wohl den politischen Strömungen in Österreich geschuldet – von religiösen Themen dominiert.

Obwohl ihre Kunst in keiner Weise dem modernitätsfeindlichen nationalsozialistischen Ideal entsprach, äußert sich Funke in ihrer schriftlichen Korrespondenz geradezu euphorisch über Hitler. Einem 1944 verfassten Brief an Hermann Hesse, der mit Ninon Dolbin, einer Freundin aus Pariser Tagen, verheiratet war, entstammt das berühmt gewordene Zitat: „Ich bin eben selbst ein einsamer ‚Steppenwolf‘!“

Nach dem Krieg nahm Funke, deren Werk in der Zwischenzeit in Vergessenheit geraten war, die österreichische Staatsbürgerschaft an. Mit 86 Jahren wurde ihr 1955 ein Professorinnen-Titel verliehen. Sie starb zwei Jahre später sozial isoliert und völlig verarmt in Wien. Heute gilt sie als eine der Wegbereiterinnen der Moderne.


Literatur

Peter Funke, Die Malerin Helene Funke 1869–1957. Leben und Werk, Wien, Köln, Weimar 2011; Eintrag bei fembio.org; Eintrag bei fraueninbewegung.onb.ac.atWebsitezu Leben und Werk von Helene Funke.

Quellen und Dokumente

Zweite Ausstellung der VBKÖ. In: WZ, 19.9.1911, S. 17f; Ausstellung im Hagenbund. In: Deutsches Volksblatt, 15.9.1911, S. 10; Sezession. In: Neues Wiener Journal, 4.6.1919, S. 9f; Wiener Frauenkunst. In: AZ, 27.12.1927, S. 9; Staatspreis für bildende Künste an Helene Funke. In:Die Österreicherin, Nr. 7 (1928), S. 11; Richard Harlfinger, Die Ausstellung „Wiener Frauenkunst“. In: Die Österreicherin, Nr. 2 (1928), S. 4f; Eckard-Bund zur Förderung der schönen Künste – siebzehn Kunstpreise. In: Salzburger Chronik, 30.10.1928, S. 7; Verliehene Kunstpreise. In: AZ, 2.6.1928, S. 8; Ausstellung „Wiener Frauenkunst“ im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie. In: Radio Wien, 16.1.1928, S. 28.

(MK)