Mordo, Renato

Geb. 3.8. 1894 in Wien, gest. 5.11.1955 in Mainz. Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller, Kritiker

Der Sohn eines aus Korfu gebürtigen Kaufmanns u. einer Wienerin, beide jüdischer Herkunft, die zum Protestantismus konvertierten, besuchte in Wien das Gymnasium und nahm nach der Matura im Jahr 1914 (bis 1917) das Studium der Germanistik, Kunst- und Musikgeschichte an der Univ. Wien auf. Daneben absolvierte er die Akademie für Musik und darstellende Kunst, an der er 1917 die „künstlerische“ Reifeprüfung ablegte. Im selben Jahr trat er mit dem Bd. expressionistischer Gedichte Heilige Stunden hervor. 1917 wechselte er schließlich zum Theater und wurde er Spielleitergehilfe am Stadttheater Teplitz/, 1918-20 am Schlesischen Theater in Kattowitz, wo er auch als Schauspieler wirkte. Von 1920 bis 1923 übernahm er die Leitung des Oldenburgischen Landestheaters, gab dort die Dramaturgischen Blätter des Landestheaters heraus und konnte mit guten Inszenierungen überregionale Resonanz erzielen (so die NFP in einem Bericht). 1922 konvertierte er zum Katholizismus u. heiratete die Wiener Schauspielerin Gertrude Wessely, die in zahlreichen der von ihm insz. Stücken Hauptrollen übernahm. Mordos Erfolge in Oldenburg führten nach dem Bruch mit der dortigen Theaterleitung zur ersten und einzigen Verpflichtung nach Wien auf die Raimundbühne im Jahr 1924. Dort begann er seine Regietätigkeit im Jänner einer Benefizvorstellung von Tollers Hinkemann und setzte sie mit einer Reihe von weiteren Aufführungen bis 1925 fort, beginnend mit der als verstörend empfundenen UA des Stücks Die Wölfe von A. Brust Ende März 1924, des mythisch-modernen Melodrams Pelops‘ Brautwerbung des tschech. Dichters Jaroslav Vrchlicky im April, dem selten gespielten Lustspiel Die Freier von J. v. Eichendorff  im September sowie des Lustspiels Zirkusleute von Franz Schönthan im Deutschen Volkstheater am 1.11.1924; 1925 inszenierte er zunächst die Pantomime Der singende Fisch von Alfred Brust (1891-1934), richtete dann am 7.6. die Gedächtnisfeier für Robert Müller aus und beschloss diese Wiener Phase mit der Inszenierung von Rossinis Der Barbier von Sevilla im Schönbrunner Schloßtheater im Juni 1925. Danach erhielt er Direktions- und Regietätigkeiten in Breslau (1925-26) und Dresden (1926-28), wo er u.a. im Okt. 1927 den Urfaust inszenierte und 1928 die UA von Marieluise Fleißers Pioniere in Ingolstadt verantwortete.

Danach übernahm er eine Regietätigkeit am Darmstädter Landestheater bis 1932 auf, inszenierte aber auch am Neuen Theater in Frankfurt, u.a. Büchners Wozzeck. An einem der Höhepunkte der Theaterkrise in Deutschland lancierte Mordo 1929 im NWJ einen flammenden Appell gegen die Fesselung des Theaters durch Formen bürokratischer Zensur und sprach sich, mit Berufung auf das Publikum, für ein „aktuelles kämpferisches Theater“ aus. Im Mai 1932 wurde Mordo schließlich als Oberregisseur ans Deutsche Theater in Prag berufen, wo er ab 1933 vor allem im Opernfach tätig war, Dumas-Bearbeitungen, einen J. Offenbach- und Shakespeare-Zyklus, F.v. Suppé, aber auch die Revue Allez hopp von F. Holländer inszenierte. Für 1934 war ein exquisites Programm u.a. mit Stücken von Klabund, Gogol und Strawinsky vorgesehen; offenbar als Zugeständnis an das Publikum kamen jedoch mehr Lustspiel- und Operetteninszenierungen zustande, darunter immerhin die dt. UA von Dvoraks Der Jakobiner, ferner Das kleine Café von R. Bernatzky, das Lustspiel Wo war ich heut nacht? der tschech. Schauspielerin und Librettistin Olga Scheinpflug(ova), Gattin von K. Čapek, oder Ball im Savoy von A. Grünwald/F. Löhner-Beda. 1936 verfasste Mordo die in Prag hocherfolgreiche Revue (acht Monate im Repertoire) Salzburg ausverkauft, die danach auch im Wiener Scala-Theater sowie in Marienbad aufgeführt wurde. Neben Leoncavallos Der Bajazzo und Vergas Cavalleria rusticana inszenierte er im selben Jahr u.a. Hofmannsthals Elektra, Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor und Puschkins Boris Godunow in der musikal. Bearbeitung durch Rimsky-Korsakoff. Auch 1937 stand Rimsky-Korsakoff wieder am Programm und zwar mit der Oper Die Zarenbraut, weiters B. Smetanas Volksoper Der Kuß.

In seinen Prager Jahren war er auch in Radio Prag präsent und unterrichtete nebenher an der Deutschen Akademie für Musik und darstellende Kunst. 1938 ereilte ihn ein Ruf nach Athen, dem er knapp vor der Okkupation der Tschechoslowakei nachkam. Dort baute er die Oper auf, erhielt aber nach der deutschen Okkupation ein Arbeitsverbot. Im Zuge der Judenverfolgung und Deportationen 1943-44 wurde er im KZ Chaidari gefangen gehalten. Nach dem Ende des griech. Bürgerkriegs wurde Mordo als Kommunist denunziert und nahm 1947-51 die Leitung der Oper in Ankara an, bevor er an das Stadttheater Mainz wechselte. Im November 1947 gab er nochmals einen Offenbach-Zyklus als Gastintendant in Wien und 1952 hielt er sich mehrere Monate am Habimah-Nationaltheater in Tel Aviv auf.


Weitere Werke (Auswahl)

Pfeffer und Salz (Komödie), Basel. 1941; Kleines Abenteuer (Komödie), Basel 1944;Chaidari (Drama), 1945.

Quellen und Dokumente:

Ch. Krüger: Geschichte der Oper am Landestheater in Oldenburg 1921-1938. Oldenburg. 1984; Mathias Struck: Renato Mordo; in: https://www.deutsche-biographie.de/sfz65375.html

Mordos Wirken in Oldenburg. In: NFP, 2.11.1923, S. 9; E. Felber: Pelops‘ Brautwerbung. In: Wiener Morgenzeitung, 11.4.1924, S.7; O. Rosenfeld: Wer weint um Judenack. In: Wiener Morgenzeitung, 26.9.1924, S.5; O.A[chs]: Der singende Fisch. In: Wiener Morgenzeitung, 26.2.1925,S.6; L. Fantl: Zu M.L. Fleißers Pioniere in Ingolstadt. In: Die Bühne, H.187/1928, S. 8-9; N.N. R. Mordos nächstjährige Arbeiten in Prag. In: Die Stunde, 18.3.1933, S. 6; N.N.: Eine Oper, die dreimal entdeckt wird (Zu Dvoraks Der Jakobiner). In: Pilsner Tagblatt, 14.6.1934, S.5; Zur Wiener Auff. von Salzburg ausverkauft. In: Wiener Salonblatt, 14.6.1936, S.14.

(PHK)