,

N.N.: Die Organisation der Volkswehr

N.N.: Die Organisation der Volkswehr (1918)

                Von morgen Montag angefangen werden in allen Wiener Kasernen Werbekanzleien eröffnet, um die Anmeldungen zum freiwilligen Eintritt in die Volkswehr entgegenzunehmen.

            Wer seinen Eintritt anmeldet, ist aller anderen Verpflichtungen innerhalb seines bisherigen Truppenkörpers entbunden und rückt sofort in die ihm von der Werbekanzlei bezeichnete Dislokationen ein.

            Die Angehörigen der freiwillig Eintretenden bleiben in Bezug ihrer Unterstützungen; auch ihre eigenen durch den Besitz von Tapferkeitsmedaillen erworbenen Rechte und Bezüge bleiben gesichert.

            Nach vollzogener Demobilisierung kann jeder freiwillig in die Volkswehr eingetretene Soldat wieder aus der Körperschaft austreten. Solange die Demobilisierung nicht vollzogen ist, gilt die eingegangene Verpflichtung für die Dauer von drei Monaten und kann dann wieder erneuert werden.

            Für die Aufnahme können nur körperlich rüstige Männer in Betracht kommen. Die in der Volkswehr tätigen Bürgersoldaten erhalten ohne Unterschied des Chargengrades sechs Kronen tägliche Löhnung und auskömmliche Menage, bestehend aus Frühstück, Mittagsmahl und Nachtmahl. Chargen, die als Schwarmführer oder Zugsführer Unteroffiziersdienst leisten, erhalten eine Zulage von einer Krone.

            Die Volkswehr wird sich in Bataillone zu je drei Zügen gliedern. Die Dienstführung bei den Unterabteilungen wird von den Soldatenräten überwacht und gegen jede Willkür gesichert werden. Dienstlichen Befehlen muß natürlich unbedingter Gehorsam geleistet werden. Befehle aber, die Vorgesetzte augenscheinlich in ihrem privaten Interesse erteilen, sollen dem Soldatenrat als Beschwerde gemeldet werden. Es wird dafür gesorgt, daß die ganze Dienstordnung bei der freiwilligen Volkswehr auf eine demokratische Grundlage gestellt wird, die jede Ausschreitung und Willkür der Befehlsgewalt ausschaltet, aber andererseits gute Disziplin verbürgt, die sich vor allem auf das Solidaritäts- und Pflichtgefühl aller freiwilligen Volkswehrmänner zu gründen haben wird.

Die Präsidenten des Deutschösterreichischen Staatsrates

                        Dinghofer                              Hauser                                                Seitz

In: Arbeiter-Zeitung, 3.11.1918, S. 1.

In: Neue Freie Presse, 3.11.1918, S. 5.

In: Deutsches Volksblatt, 3.11.1918, S. 6.