N.N.: Der Dadaismus.

N.N.: Der Dadaismus (1918)

            „Eine neue literarische Schule, verkündet von Tristan Tzara, macht in Zürich viel Lärm. Auf einen ‚künstlerischen Abend‘, den das Oberhaupt der neuen Schule veranstaltete, erfuhr man, daß der Dadaismus im Jahre 1916 geschaffen wurde und daß sein Ziel im Literarischen und Künstlerischen die reine Abstraktion sei. Die Dadaisten folgen den Spuren der Kubisten und Futuristen und wollen ‚l’ordre et la clarté‘ in der Kunst. Zu diesem Zweck fordern sie die Abschaffung der von der von einer schaffungsunfähigen Bourgeoisie erfundenen Logik und Moral, welch letztere nur zur Erniedrigung der Geister führe. Der Aufruf des Herrn Tristan Tzara ist demzufolge ein Dokument der Anarchie und des Wirrwarrs. Seine Dichtungen sind formloser Unsinn, durchaus beherrscht von der Sucht nach Originalität und dem Streben, die französischen Sprache zu barbarisieren, ihren Rhythmus und ihre Melodie zu zerstören. Frisch erfundene Worte und Laut-Zusammenstellungen, die an Ungar-Idiome erinnern, werden eingeführt, obzwar Herr Tzara dies als ein Gebot des ‚inneren Rhythmus‘ erklärt, zweifeln wir doch, daß Zusammenhanglosigkeit, schlechter Geschmack und ein sinnloses Wort-Nebeneinander Poesie seien. Nicht ohne ein Gefühl der Trauer und Niedergeschlagenheit sieht man in der Schicksalsstunde, in der alle freien geistigen Kräfte dem Krieg gegen den Krieg gewidmet sein müßten, die literarische Jugend ihre Pflichten gegen die Menschheit vergessen und damit beschäftigt, die Welt durch ‚neue Schulen‘ zum Narren zu halten. Der Dadaismus ist nichtsnutziges Zeug.“ (La feuille, Genf vom 3.8. 1918)

[Anm. d. Red.]: Aber er scheint immerhin in der Linie der neueren Kunst-Methoden zu liegen und nur einen extremen Punkt von deren folgerichtiger Höhen-Entwicklung vorauszunehmen.

In: Der Friede, Nr. 31, 23. 8. 1918, S. 120