Tuschak, Helene

geb. am 13.2.1879 in Wien – gest. am 2.2.1971 in Wien; Schriftstellerin, Feuilletonistin, Redakteurin

Die aus einer Arztfamilie stammende H.T. wuchs in Wien auf, wo sie Sprachen studierte und zunächst Übersetzungsarbeiten, meist in das Französische, übernahm. Seit der Jahrhundertwende wird sie auch publizistisch tätig, zunächst in der Wiener Hausfrauen-Zeitung, anschließend in der Zeit und in der Neuen Freien Presse. Ab 1910 erscheinen T.s. Feuilletons vorwiegend im Neuen Wiener Tagblatt, wobei sich diese von Beginn an vorwiegend schreibenden Frauen bzw. Frauenfragen widmeten. 1915 ehelichte T. den Komponisten, Chorleiter und Generalsekretär  der Gesellschaft der Musikfreunde Carl Lafitte (1872-1944). 1917 äußert sie sich erstmals kritisch zur Versorgungslage und damit indirekt zum Krieg; 1918 erscheint ein programmat. Feuilleton über Die neue Frau, Auftakt zu einer Reihe von Beitr. im NWTBl., die sich mit Zeitphänomenen im näheren u. weiteren Umfeld von Frauenfragen befassen. 1921 widmet sie ein F. dem neueröffneten Uhrenmuseum, in das als eines der Kernstücke die kulturhistorisch wertvolle Sammlung von M. v. Ebner-Eschenbach integriert wurde. Daneben bilden auch Beitr. zur rhythm. Gymnastik, u.a. zum Kursangebot von G. Bodenwieser, zur aufkommenden Inflation (Die armen Millionäre100 Millionen .ä.m.), aber auch Feuilletons in Form von kulturhistor. literarisierten Erzählungen, z.B. über Fanny Elßler u. F. Gentz, sowie solche über übernatürl. Phänomene als soziales wie literarisches Thema sowie Aspekte des habituellen Wandels (autorfahrende Frauen z.B.) das Spektrum von T.s. Beiträgen. T. war aber auch Literatur- u. Theaterkritikerin u. kommentierte in dieser Eigenschaft 1922 die Burgtheaterkrise, 1923-24 das Poiret-Theater, Kaltnekers Schwester, Tollers Hinkemann oder F. Nabls Roman Die Galgenfrist. An der auch in Wien von Störaktionen begleiteten Hinkemann-Aufführung im Raimundtheater schätzte T. das dichter. Potential Tollers als eines, in dem sich „Auflehnung“ mit „Menschenliebe“ zu einem „ideellen Kommunismus“ treffen würde. Weniger beeindruckte sie die Aufführung von G.B. Shaws Der Boxer  im Mai desselben Jahres, während das von Beer-Hofmann mitinszenierte in mehrfacher Hinsicht „merkwürdige“ Schauspiel Überfahrt von Sutton Vance ihr wieder Bewunderung abnötigte ebenso wie das selten gespielte Wedekind-Stück Die Kaiserin von Neufundland, u. zwar als eine Mischung aus dreistem Ulk und interessantem szenischen Experiment.

Ab 1925 bis 1929 ist ihre Beitragstätigkeit für das NWTBl. dzt. nicht fassbar. 1929-1930 folgten wieder mehrere pointierte Theater- und Buchkritiken, z.B. über Schnitzlers Im Spiel der Morgenlüfte (22.12.1929), über Lernet-Holenias Lustspiel Mariage, dessen amüsierende Exzentrik T. zu schätzen verstand, wiewohl sie den Autor als „Jazzspieler des Schwanks“ decouvrierte. Im selben Jahr begann sie auch für die (klein)bürgerliche Frauen-Zs. Die Frau und Mutter zu schreiben, 1931 wurde T. zum Mitglied der Pressekommission (Vorsitz: Gisela Urban) des Bundes österreichischer Frauenvereine (Vors. M. Hainisch) gewählt u. im NWTBl. erscheinen neben anderen Feuilletons auch Reisefeuilletons zu Amerika. Wohlwollend bespricht sie auch den Sketch Reportervon Ben Hecht in seiner EA im Theater in der Josefstadt im Juni 1931, enthusiastisch den Dostojewskis Idiot in seiner Bühnenfassung. 1932 finden sich Beitr. von Tuschak im Prager TBl. ebenso wie in der Linzer Tages-Post. Ab 1933 wird sie nur mehr selten u. mit kleinen Beitr. fassbar; der letzte bedeutendere ist wohl die programmat. ausgerichtete Bespr. des Buches  Frau Chef im Prager Tbl  1936 über eine histor. belegte modern agierende Frauengestalt in einer nordböhm. Porzellanfabrik, die sie mit grundleg. Refl. über die Stellung von (bürgerl.) Frauen verbindet. 1938 kehrt sie, allerdings nur mehr bis Februar, kurz zur Theaterkritik zurück, um sich nach dem Anschluss weitgehend aus dem publizist. Leben zu verabschieden, ab Dez. 1945 jedoch wieder, diesmal für den Wiener Kurier, zu schreiben.


Quellen und Dokumente

Arbeitende Frauen. Und ihre Interessen. In: Neues Wiener Tagblatt, 14.7.1912, S. 35, Eingeheizt. In: Volks-Zeitung, 30.11.1917, S. 2, Die neue Frau. In: Neues Wiener Tagblatt, 10.10.1918, S. 2f., Geister. In: Neues Wiener Tagblatt, 24.3.1920, S. 2f., Schlagende Herzen. Zur Eröffung des Uhrenmuseums der Stadt Wien. In: Neues Wiener Tagblatt, 12.6.1921, S. 7, Die letzte Liebe. In: Neues Wiener Tagblatt, 20.11.1921, S. 18f., Das Gruseln. In: Neues Wiener Tagblatt, 10.5.1922, S. 2f., Die armen Millionäre. In: Neues Wiener Tagblatt, 5.12.1921, S. 4, Sie startet. Das Autorennen der Damen. In: Neues Wiener Tagblatt, 29.10.1923, S. 4, Das Poiret-Theater. Modeschau in den Kammerspielen. In: Neues Wiener Tagblatt, 30.11.1923, S. 6f., 100 Millionen. Von der Missachtung des Geldes. In: Neues Wiener Tagblatt, 21.1.1923, S. 7, Raimundttheater [zu Ernst Tollers Hinkemann]. In: Neues Wiener Tagblatt, 11.2.1924, S. 4f., Theater in der Josefstadt. Erstaufführung des Schauspiels “Ueberfahrt” von Sutton Vane. In: Neues Wiener Tagblatt, 17.11.1924, S. 3, Raimundtheater. Zum erstenmal “Die Kaiserin von Neufundland” von Frank Wedeking. In: Neues Wiener Tagblatt, 25.11.1924, S. 11, “Mariage” von Lernet-Holenia. Erstaufführung im Deutschen Volkstheater. In: Neues Wiener Tagblatt, 13.1.1930, S. 5, Kleine Liebe zu Amerika. Ein junger Mann schlendert durch die Staaten. In: Neues Wiener Tagblatt, 1.3.1931, S. 25, Erna Lönning, Nordböhmen. In: Prager Tagblatt, 15.5.1936, S. 3.

(PHK)