Boykott österreichischer Schriftsteller in Deutschland

Boykott österreichischer Schriftsteller in Deutschland. (1933)

             Namens des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller in Österreich richtete vor einigen Tagen der Vorsitzende des Verbandes, Oskar Maurus Fontana, ein Schreiben an die österreichische Gesandtschaft in Berlin, in dem es unter anderem heißt: 

             Wie aus Zeitungsberichten zu ersehen ist, hat die deutsche Reichsregierung in letzter Zeit sich wiederholt gegen den Boykott im Wirtschaftsleben gewandt und ihn an manchen Orten untersagt, mit der Begründung, „daß in einem solchen Vorgehen eine öffentliche Beleidigung, eine versuchte Nötigung oder gar Erpressung gesehen werden kann“. Was für das Wirtschaftsleben gilt, muß auch für das Geistesleben seine Berechtigung haben.

Nun wird gerade in den letzten Wochen in verschiedenen deutschen Zeitungen, unter anderem auch im „Börsenblatt“ des deutschen Buchhandels, gegen österreichische Schriftsteller zum Boykott aufgefordert, unter dem Vorwande, sie seien als Österreicher Deutschfeinde. Diese Aktion bezieht ihr Material zum größten Teil von österreichischen, in letzter Zeit nach Deutschland übergesiedelten Schriftstellern.

             Der Schutzverband deutscher Schriftsteller in Österreich findet es unter der Würde des Standes, sich mit einem solchen Vorgehen, das sich selber richtet, weiter zu beschäftigen und überläßt das Urteil darüber getrost jedem Menschen, der sich sein moralisches Bewußtsein bewahrt hat.

             Etwas anderes ist aber der angedrohte und in einigen Fällen auch zur Ausführung gelangte Boykott, dem österreichische Schriftsteller in Deutschland zum Opfer gefallen sind, Sie zu schützen, ist um so mehr unsere Pflicht, als alle diese Verdächtigungen auf schlechte, übelwollende Informationen zurückzuführen sind. Wir wagen zu behaupten:

Kein österreichischer Schriftsteller (die oben erwähnten „Gebärdenspäher und Geschichtenträger“ ausgenommen) hat sich gegen die deutsche Kultur vergangen; die deutsche Kultur kann darum keinen österreichischen Schriftsteller ausschließen.

             Der S.D.S.Ö ersucht Sie verehrter Herr Gesandter, im Propagandaministerium, in der Reichsschrifttums-Kammer und in der Reichspresse-Kammer in diesem Sinne vorstellig zu werden und dahin zu wirken, daß solche Ächtungen, in welcher Form immer sie erfolgt sein mögen, aufgehoben werden. Der S.D.S.Ö. ist bereit, jenen ihm zur Kenntnis gebrachten einzelnen Fall gemeinsam mit den österreichischen offiziellen Stellen zu untersuchen und aufzuklären. Anderseits darf erwartet werden, daß der von unverantwortlichen Personen eingeleitete und geführte Boykott österreichischer Schriftsteller in Deutschland ehestens zum Stillstand gebracht werde.

In: Der Tag, 10.12.1933, S. 6.