N.N.: Der Heimwehrtag in Baden

N.N.: Der Heimwehrtag in Baden (1927)

Eine machtvolle Kundgebung. – Fortschritte des Selbstschutzes in Niederösterreich. – Nunmehr einheitliche Führung der Heimwehren.

Baden hatte gestern einen großen Tag. Die niederösterreichischen Heimwehren (Selbstschutzverband) hatten unter der Leitung des Majors Karz in dieser Stadt ihre erste große Kudgebung veranstaltet, an der Abordnungen der wehrhaften Organisationen aus allen Teilen des Landes teilnahmen. Die Veranstaltung stand unter dem Zeichen des gewaltigen Aufschwunges der niederösterreichischen Heimwehren. In der bodenständigen Bevölkerung, vor allem in der niederösterreichischen Bauernschaft, hat der Gedanke der Heimwehr feste Wurzel geschlagen. Das Bekennen der Bevölkerung zu den Heimwehren hat auch die Hindernisse beseitigt, die der Organisation des Selbstschutzverbandes entgegenstanden. Seit dem 15. Juli ruft die niederösterreichische Land­bevölkerung nach den Heimwehren. Von welchem Schwung die Heimwehrbewegung getragen wird, zeigte die macht­volle Kundgebung in Baden.

Der Heimwehrtagung kommt besondere Bedeutung zu. Bisher litt die Bewegung darunter, daß ein Zuviel an Organisationen bestand, die zwar das gleiche Ziel an­strebten, aber nebeneinander arbeiteten und derart die Aktion schwächten. Dieser Übelstand hat aufgehört. Sämt­liche Organisationen haben sich für den Fall, daß die Heimwehren aufgerufen werden, der Führung des Bundes­rates Dr. Steidle unterstellt. Der bisherige alpenländische Selbstschutzverband hat sich zu dem öster­reichischen Selbstschutzverband erweitert, dem nun auch der Wiener, der niederösterreichische und der burgenländische Selbstschutzverband ange­hören. Die einzelnen Organisationen des Landes haben sich, sobald sie mit den Heimwehren gemeinsam operieren, dem Selbstschutzverband des betreffenden Landes unter­geordnet. Diese Einigung wurde nun von Bundesrat Dr. Steidle in Baden verkündet.

Die Botschaft wurde von allen, denen die Heimwehr­bewegung am Herzen liegt, mit Jubel aufgenommen. Nun ist auch Gewißheit gegeben, daß die Heimwehren für alle Fälle gerüstet seien und eine Richtung einschlagen werden, die von der christlich-deutschen Bevölkerung gutgeheißen wird. Nun steht vor allem der Teilnahme der katholischen Männer und Jugend an der Heim­wehrbewegung nichts mehr. im Wege. Im Gegenteil ist es Pflicht der Katholiken, der Aufforderung ihrer Organi­sationen Folge zu leisten.

Bei der Kundgebung waren von den Heimwehren erschienen Abordnungen aus den einzelnen Vierteln des Landes, aus Steiermark und Tirol. In stattlicher Zahl waren vertreten die christlich-deutschen Turner aus dem Viertel unter dem Wiener Wald (Führung Prof. Doktor Dinkhauser), der deutsche Turnerbund von Stein­feld, die Heimwehren von Baden, Mödling, Hinterbrühl, Liesing, Perchtoldsdorf, Schwechat, Wiener-Neustadt, Gloggnitz, Vöslau, Wolkersdorf, Mistelbach, Laa u. v. a., der Verband Deutsche Wehr, der Verband Oberland, zahl­reiche Burschenvereine, Schützen- und Kameradschaftsvereine und außerdem eine starke Gruppe von Front­kämpfern.

Unter den Festgästen sah man u. a.: die früheren Minister Kollmann, Dr. Rintelen, Dr. Mataja, die Abgeordneten Klieber, Kraus, Dr. Mittermann, Bierbaumer, Pichula, Dr. Reich, Zippe, die Organisationsvertreter Feldmarschalleutnant Weiß, General Lustig-Prean, Major Papst, General Kasamas, Ingenieur Wenzl, Obmannstellvertreter Scheffel, Hofrat Kupka, Präsident Kattinger.

Neben 2500 Mitgliedern der wehrhaften Organi­sationen stand Kopf an Kopf eine nach Tausenden zählende Menschenmenge auf dem großen Platz vor dem Kurhaus, wo Prälat Frim unter Assistenz eine Feldmesse las, bei der dle vereinigten Badner Männergesangvereine die Deutsche Messe von Schubert sangen. Nach erfolgter Ein­weihung von drei Standarten der Bezirksheimwehrverbände Wolkersdorf, Laa a. d. Thaya und Mistelbach be­grüßte Minister a. D. Bürgermeister Kollmann in einer zündenden Ansprache die Tagung namens der Stadtgemeinde Baden. Er sagte:

Ein freies Volk kann nur bestehen, wenn es von fremdem Einfluß frei ist. Freie Männer vertragen nicht die Gewalt Fremder über sich. Uns in Österreich droht eine solche fremde Gewalt, die nicht Sinn hat für unser Volk und eine Knecht­schaft aufrichten will über unser Volk, das Jahrtausende frei war. Ein Ruf hat Sie hiehergebracht, um Zeuge zu sein, daß nicht allein die anderen, sondern auch wir marschieren. (Lebhafter Beifall.) Ich begrüße Sie im Namen der rotumbrandeten Stadt Baden, die sie gerne haben möchten, die sie aber nie bekommen werden. (Neuerlicher Beifall.) Ich begrüße Sie und heiße Sie alle aus vollem Herzen willkommen.

Wiederholt von großem Beifall unterbrochen, führte Abg. Klieber aus:

Nicht reine Abwehr allein bilden das Ziel unserer Be­wegung. Vor allem gilt es, unsere Jugend in positivem, vaterländischem Geiste zu erziehen und die Wehrhaftigkeit des deutschen Bürgers zu heben. Das ist kein müßiges Soldatenspiel. Unsere Be­wegung richtet sich nicht gegen den Arbeiter, dem wir als Bruder die Hand reichen und dem wir aus den Fesseln einer wesenfremden Gedankenwelt, aus der Zwangs­jacke einer angeblich freien Organisation befreien wollen. Welch unermeßlichen Schaden die hemmungslose Betätigung gewisser Elemente anrichten kann, in welchen Abgrund unsere Heimat stürzt, wenn nicht eine rettende Hand eingreift, das hat uns allen der 15. Juli klar und deutlich gezeigt. Wem die brennende Fackel des Justizpalastes noch immer kein Licht angezündet hat, dem ist nicht zu helfen. Nie wieder Umsturz! Nie wieder Zustände, wo ein Telegramm eines Unverantwortlichen genügt, das ganze Wirtschaftsleben Österreichs stillzulegen; nie wieder dulden wir, daß all jene, die nicht rot gestempelt sind, in ihrer Arbeit und in ihrer Bewegungsfreiheit gestört werden. Die Zeit, da man unser armes Österreich als zweites Bolschewikenland bezeichnen konnte, muß vorüber sein.

                        Auf legalem Wege, in voller Öffentlichkeit, im Rahmen unserer Gesetze spielt sich unser Handeln ab.

Heute ist es das erstemal, daß wir uns zu einer größeren Feier vereinigen, das erstemal, daß wir Gäste aus den Heim­wehren der übrigen Bundesländer, die mit uns Schulter an Schulter standen, begrüßen können. Ich begrüße insbesondere den Bundesführer Dr. Steidle und Minister Doktor Rintelen. Unser Gruß gilt aber auch unseren gefallenen Kameraden, die im Krieg, unsere Heimat gegen eine Welt von Feinden verteidigt und in Ausübung dieser höchsten Vaterländischen Pflicht ihr Leben gelassen haben. Ihnen gilt unser Dank, den wir nicht besser erweisen können, als daß wir unseren toten Helden nachstreben in Treue, Tapferkeit und Vaterlandsliebe.

Abg. Dr. Mittermann erklärte, die Zeit des Schweigens ist vorbei, die Zeit der Tat hat begonnen. Er pries den großen Wahlerfolg im Bundesheer, das nun wieder anknüpfen will an die große Vergangenheit der alten Armee. Abg. Zippe begrüßte die Tagung im Namen des deutschen Turnerbundes.

Bundesführer Dr. Steidle, mit lautem Beifall begrüßt, führte aus:

Revolutionäre Bewegungen, die sozialen Umschichtungen entspringen, haben immer einen Druck oder soziale Versäum­nisse der gerade herrschenden Kreise zur Voraussetzung gehabt. Auch in Österreich hat die fortschreitende Industrialisierung Bevölkerungsschichten geschaffen, die sich ihr gutes Recht auf angemessene Lebensbedingungen häufig genug erst im poli­tischen und gewerkschaftlichen Kampfe holen mußten, weil große Teile des sogenannten Bürgertums nicht die Ein­sicht aufbrachten, den Notwendigkeiten einer neuen Zeitepoche aus freien Stücken Rechnung zu tragen. Mit den unerfreu­lichen Erscheinungen der heutigen Zeit büßen wir zum größten Teile die Sünden unserer Väter. Derartige sozialrevolutionäre Bewegungen haben aber das Gemeinsame, daß sie im Falle des Erfolges gewöhnlich über das Ziel schießen. Aus den Freiheitskämpfern werden selbst Tyrannen, die dann wieder denselben Fehler be­gehen, den sie ihren Gegnern vorgeworfen haben und die sie wegen der Tyrannei und Unterdrückung bekämpften. Sie rufen damit selbst wieder naturnotwendig eine Gegenbewe­gung hervor, die, wenn sie richtig geleitet ist, ein gesellschaft­liches Gleichgewicht schafft, oder, wenn sie von unsozialen Leidenschaften beherrscht ist, ebenso ihre Bahn überschreiten und einen neuen Kreislauf von Verwicklungen hervorrufen wird.

Auch bei uns haben die führenden Kreise der Marxisten aus den geschichtlichen Erfahrungen nichts gelernt und Uebergriff auf Uebergriff gehäuft. Sie machten das, was sie an dem bekämpften „Bourgois“ bitter ver­dammten, in vergrößertem Stile nach, sie schickten sich an, die Herrschaft im Staate mit Hilfe der von ihnen geführten Masten zu ergreifen und die Diktatur einer Klasse mit allen Mitteln, auch denen der Gewalt, die sie in anderen Händen mit glühenden Worten verurteilten, allen anderen Gesellschaftskreisen aufzuzwingen. Aus den Freiheits­kämpfern entwickelten sich ausgewachsene Tyrannen kleineren oder größeren Formats, je nach Charakter, Herkunft und Fähigkeit. Der Appetit wuchs täglich mit dem Essen. Und es hatte den Anschein, als ob gerade die österreichische Be­völkerung das geeignete Versuchskaninchen für solche Diktaturgelüste abgeben würde. Aber der immer mehr steigende Ueber-[ ] mit der unersättlichen roten Führerschaft erweckte den Un­abhängigkeitssinn, das natürliche Freiheitsgefühl und die gesunden demokratischen Instinkte weiter Bevölkerungsschichten. Und als die unentwegte sozialistische Verhetzung am 15. Juli die lodernde Brandfackel in die Bundeshauptstadt schleu­derte, ging ein vollständiges Erwachen durch die gesund gebliebenen Teile Österreichs. Die Abwehr der marxistischen Übergriffe durch Männer, die in der persönlichen und geistigen Freiheit das höchste aller irdischen Güter sehen, ist im Wachsen begriffen.

Angesichts der Hemmungen der verfassungsmäßigen Körperschaften mußten private Organisationen das Befreiungswerk in die Hand nehmen. Das waren und sind unsere Selbstschutzverbände, unsere Heimatwehren, die täglich wachsen und sich über alle Gaue des Vaterlandes ausbreiten.

Der auf Gewalt und Terror aufgebauten Herrschgier der roten Diktatoren muß ein Ende gemacht werden. Die Mittel der Abwehr richten sich ganz nach den Methoden des Gegners. An die Stelle der Klassen­herrschaft einer einzelnen Bevölkerungsgruppe muß das soziale, das gesellschaftliche Gleichgewicht gesetzt werden, die Volks­gemeinschaft. Der Weg dazu geht einerseits über die Abwehr und Beseitigung der roten Gewaltmethoden, anderseits über die Annäherung und Zusammenführung der sich haßerfüllt gegenüberstehenden Volksgenossen, über die Befreiung und Loslösung der verführten Arbeitermassen von ihren Vögten und über die Besinnung auf soziale Gerechtigkeit zum sozialen Interessenausgleich. Wir müssen um unsere Freiheit, wenn es sein muß, mit der Faust, mit Nägeln, und Zähnen kämpfen. Von Frieden und Ver­söhnung wollen wir reden, wenn der Gegner den ehrlichen Willen, von der Gewaltherrschaft abzulassen, nicht nur mit

gleißnerischen Worten, sondern durch die Tat bezeugt.

In: Reichspost, 17.10.1927, S. 5.