Hartwig, Mela

verh. Spira, geb. am 10.10.1893 in Wien – gest. am 24.4.1967 in London; Schauspielerin, Schriftstellerin, Malerin

Geboren und aufgewachsen in Wien, strebte die Tochter des Soziologen und kulturpolitischen Schriftstellers Theodor Hartwig zunächst eine Schauspielkarriere an. Nach der Matura wechselte H. vom Pädagogikstudium aufs Konservatorium, um zwischen 1917 und 1921 eine Gesangs- und Schauspiel-Ausbildung zu absolvieren. Bevor sich H. 1921 aufgrund ihrer Eheschließung mit dem Grazer Rechtsanwalt Robert Spira von der Bühne zurückzog, spielte sie u.a. Ibsens Hedda Gabler, Wedekinds Lulu sowie in Grillparzers Die Jüdin von Toledo die Rolle der Rahel. Literarisch bekannt wurde H. 1927, als sie bei einem von der Literarischen Welt ausgeschriebenen Wettbewerb teilnahm und für ihre Novelle Das Verbrechen – Preisrichter war Alfred Döblin – ausgezeichnet wurde. 1928 erschien H.s Novelle Das Kind als Fortsetzungsreihe in der Neuen Freien Presse. Im selben Jahr erschien der Novellenband Ekstasen, 1929 veröffentlichte sie ihren ersten von der zeitgenössischen Kritik durchwegs positiv aufgenommenen Roman Das Weib ist ein Nichts, der 1931 ins Italienische übersetzt wurde. Für diese Bücher – beide sind stark von psychoanalytischen Thesen und Erkenntnissen geprägt – erhielt H. im selben Jahr den Julius-Reich-Dichterpreis der Stadt Wien. Als jüdische Schriftstellerin vom heraufziehenden Faschismus der frühen 1930er Jahre betroffen, konnte ihr zweiter Roman Bin ich ein überflüssiger Mensch? nicht mehr erscheinen. Mit der Veröffentlichung ihrer historischen Novelle Das Wunder von Ulm ­– einer politischen Streitschrift, in der sich H. mit Deutschland und dem Judentum auseinandersetzt, indem sie von der Liebe einer Jüdin zu einem Christen erzählt – im Pariser Emigranten Verlag Editions du Phénix im Jahr 1936 war ihre Exil-Laufbahn vorbestimmt. 1938 emigrierte sie gemeinsam mit ihrem Mann nach England, wo sie als Übersetzerin – H. übersetzte u.a. William Blake – und Lehrerin arbeitete und u.a. Bekanntschaft mit Virginia Woolf schloss. Während dieser Zeit beteiligte sich H. auch an der Schriftenreihe des Free Austrian Movement. Aus Mangel an literarischen Publikationsmöglichkeiten suchte H. „ein der deutschen Sprache unabhängiges Ventil“, das sie ab 1953 unter dem Namen Mela Spira in der Malerei entdeckte. Literarisch blieb sie aber weiterhin bis zu ihrem Tod 1967 aktiv, so erschien 1953 der Lyrikband Spiegelungen; aus ihrem Nachlass gehen zwei Romanmanuskripte, ein Romanfragment sowie einige Erzählungen hervor.


Werke

Ekstasen. Berlin u.a. 1928 (Neuausgabe hg. H. Vollmer, Frankfurt a. M. u.a. 1992); Das Weib ist ein Nichts. Berlin u.a. 1929 (Neuausgabe Graz 2002); Das Wunder von Ulm. Paris 1936; Spiegelungen. Wien u.a. 1953; Bin ich ein überflüssiger Mensch? Graz 2001; Das Verbrechen. Graz 2004;

Quellen und Dokumente

Kleinstadt. In: Arbeiter-Zeitung, 14.8.1927, S. 19; Das Kind. 1. Fortsetzung. In: Neue Freue Presse, 19.6.1928, S.17; Das Kind. 2. Fortsetzung. In: Neue Freie Presse, 20.6.1928, S. 11; Das Kind. 3. Fortsetzung. In: Neue Freie Presse, 21.8.1928, S. 12;  Das Kind. Schluß. In: Neue Freie Presse, 22.6.1928, S. 13.

R.: „Das Weib ist ein Nichts“. In: Wiener Zeitung, 28.6.1929, S. 4, Österreichische Buchhändler-Correspondenz: Leset österreichische Dichter! In: Österreichische Buchhändler-Correspondenz, 28.11.1930, S. 6.

Literatur

Boxberger, Vivien: Emanzipation der ‚Neuen Tochter‘ in Mela Hartwigs Das Verbrechen. In: P.-H. Kucher (Hg.): Verdrängte Moderne – vergessene Avantgarde (2016), S.237-250; Fraisl, Bettina: Körper und Text. (De-)Konstruktionen von Weiblichkeit und Leiblichkeit bei Mela Hartwig (2002), S. 139-152; Radio-Literaturbeitrag Rezension „Bin ich ein überflüssiger Mensch“ von Mela Hartwig, [online verfügbar]; Rabinowich, Julya: In zerbrochenen Spiegeln. Julya Rabinowich über Mela Hartwig. Wien 2017; Schlaffer Hannelore: Mein Herz ist ein Knebel. In: FAZ, 10.3.2005; Schönwiese, Ernst: Literatur in Wien zwischen 1930 und 1980 (1980), S. 97-102; Vollmer, Hartmut: H., M. In: Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur, Bd. 10 (2012), S. 191f.

(MP)