Kaus, Gina

eigentlich Regina Wiener, geb. am 21.10.1893 in Wien – gest. am 23.12.1985 in Los Angeles; Schriftstellerin, Übersetzerin

Ps.: Andreas Eckbrecht

Das Porträtmodul von Julia Bertschik finden Sie hier.

Aus: Arbeiter-Zeitung, 20.9.1928, S. 26

In einer jüdischen Kaufmannsfamilie aufgewachsen, ließ sich K. nach dem Tod des Ehemanns im Ersten Weltkrieg vom Großindustriellen Josef Kranz adoptieren, war tatsächlich jedoch dessen Geliebte. Sie verkehrte in der Folge im Café Herrenhof u.a. mit Franz Blei, Robert Musil, Hermann Broch, Franz Werfel, Egon Erwin Kisch sowie Milena Jesenská und deren Mann Ernst Polak und hinterließ als bürgerliche Lebedame und links-revolutionäre Autorin nachhaltigen Eindruck; Musil, Werfel und auch Otto Soyka widmeten ihr literarische Porträts. Frühe Texte veröffentlichte K. u.a. in der Zs. Sowjet und Gegner anonym oder unter dem Pseudonym Andreas Eckbrecht. Dieses lüftete sie bei der Premiere des Stücks Diebe im Haus, uraufgeführt im Schönbrunner Schlosstheater im Oktober 1919. 1920 erhielt sie – dank der engen Beziehung zu Franz Blei, so die Kritik – für die Novelle Der Aufstieg den Fontane-Preis. Im selben Jahr heiratete sie den Schriftsteller und Individualpsychologen Otto Kaus, durch den sie bald auch Alfred Adler kennenlernte.

Mit dem Abdruck des Romans Der Sünder wurde die Arbeiter-Zeitung ab 1923 zu einer zentralen publizistischen Plattform K.s. Zudem gab sie die 1924 bis 1926 erscheinende Zs. Die Mutter. Eine Halbmonatsschrift für alle Fragen der Schwangerschaft, Säuglingshygiene und Kindererziehung heraus. Ab Mitte der Zwanziger verlegte K. ihre publizistische Tätigkeit zunehmend nach Berlin, wo sie Arbeiten in verschiedenen Organen des Ullstein-Verlags unterbringen konnte. 1927 wurde die Schulmädchenkomödie Toni in Bremen uraufgeführt und u.a. auch in Berlin und Prag gespielt. Im Jahr darauf erschienen gleich zwei Romane, Die Front des Lebens in Fortsetzungen in der Arbeiter-Zeitung, Die Verliebten in Buchform bei Ullstein. Mit dem Roman Die Überfahrt, zunächst in der Münchner Illustrierten Presse und später auch im Vorarlberger Tagblatt gedruckt, wechselte K. zum Verlag Knorr & Hirth. 1933 feierte die Verfilmung durch Paramount unter dem Titel Die schwimmende Stadt ihre Uraufführung.

Nach der Machtübernahme Hitlers wurden K.s Werke verboten und öffentlich verbrannt. Zurück in Wien beheimatete sie vorübergehend u.a. Bertolt Brecht und veröffentlichte die Werke Die Schwestern Kleh (1933) und die Biografie Katharina die Große (1935) sowie, zunehmend unter finanziellem Druck, mehrere im Kollektiv verfasste Theaterstücke. Im März 1938 emigrierte sie über Zürich nach Paris und mit September 1939 nach Los Angeles, wo sie zur angesehenen Drehbuchautorin aufstieg.

Aus: Radio Wien 8 (1932), H. 38, S. 7,

Weitere Werke (Auswahl)

Morgen um Neun (1932), Gefängnis ohne Gitter, Schrift an der Wand, Whisky und Soda (alle 1937), Der Teufel nebenan (1940)

Quellen und Dokumente

Der Sünder [Beginn des Abdrucks in Fortsetzungen]. In: Arbeiter-Zeitung, 11.1.1923, S. 9, Vorwort. In: Die Mutter, 1.12.1924, S. 2f., Vererbung und Erziehung. In: Die Mutter, 1.2.1925, S. 8f., Das verwunschene Land [Beginn des Abdrucks in Fortsetzungen]. In: Arbeiter-Zeitung, 19.4.1925, S. 23, Die Front des Lebens [Beginn des Abdrucks in Fortsetzungen]. In: Arbeiter-Zeitung, 20.9.1928, S. 26, Die Perle. In: Moderne Welt 11 (1930), H. 21, S. 17f., Die Ueberfahrt. [Beginn des Abdrucks in Fortsetzungen]. In: Vorarlberger Tagblatt, 1.2.1932, S. 1f., Das Kind seines Vaters. In: Der Kuckuck, 26.4.1931, S. 6f., Jagd um Sybil [Beginn des Abdrucks in Fortsetzungen]. In: Prager Tagblatt, 20.2.1932, S. 9, Heute wie Gestern. In: Mocca (1936), H. 4, S. 47f., Der ganz neue Onkel. In: Mocca (1936), H. 9, S. 47f.

Hinter den Kulissen. (Die Geschichte der Komödie „Diebe im Haus“. – Gelüftete Anonymität.) In: Neues Wiener Journal, 11.10.1919, S. 9, „Diebe im Haus.“ (Erste Aufführung im Schönbrunner Schloßtheater.) In: Arbeiter-Zeitung, 18.9.1919, S. 7, Das ist eine einfache Rechnung. In: Der Morgen, 20.12.1920, S. 5, M. Lichnowsky: Der Kampf mit dem Fachmann. In: AZ, 16.11.1925, S. 7; Emil Leindörfer: Das Drama eines Schulmädchens. „Toni“ von G. K. In: Die Bühne 4 (1927), H. 125, S. 5, M. J.: Berliner Theater. Gina Kaus: „Toni“. In: Neues Wiener Journal, 22.3.1927, S. 10, Oskar Bendiener: G. K. In: Radio Wien 8 (1932), H. 38, S. 7, Fritz Rosenfeld: Ueberfahrt nach Hollywood. In: Arbeiter-Zeitung, 5.10.1933, S. 6, F.R.: Ewiges Frühlingserwachen. In: Arbeiter-Zeitung, 12.12.1933. 7f.,

Literatur

Veronika Hofeneder: Porträtmodul zu Gina Kaus (2016).

Hildegard Atzinger: Gina Kaus: Schriftstellerin und Öffentlichkeit. Zur Stellung einer Schriftstellerin in der literarischen Öffentlichkeit der Zwischenkriegszeit in Österreich und Deutschland (2008), Veronika Hofeneder: Der produktive Kosmos der Gina Kaus. Schriftstellerin, Pädagogin, Revolutionärin (2013), V. H.: Bestseller, kurze Röcke und männlicher Protest – Empörung bei Gina Kaus. In: Alexandra Millner (u.a.) (Hgg.): Empörung! Besichtigung einer Kulturtechnik, 95-110 (2015), V. H.: Männlicher Protest, Eifersucht und Rollenspiel – Individualpsychologische Einflüsse bei Gina Kaus. In: Zeitschrift für Individualpsychologie 42 (2017), H. 1, 7-21, Werner Jung: “Aber dann, am Ende wird alles gut, wie im Märchen”. Zwei Erfolgsschriftstellerinnen der Weimarer Republik: Vicki Baum und Gina Kaus. In: Walter Delabar, W. J. (Hg.): Weibisch, frankophil und (nicht nur) von Männern gemacht. Denkbilder, Schmuck- und Fundstücke, Randständiges, Hauptsächliches, Amüsantes und Bedenkliches aus der Geschichte des Feuilletons im frühen 20. Jahrhundert, S. 145-157 (2016), Margit Schreiner: Kleine Prosa und Roman. Zur Wiederentdeckung von Gina Kaus. In: Literatur und Kritik 35 (2000), H. 349/350, S. 86-89, Hartmut Vollmer: Gina Kaus. In: Andreas B. Kilcher (Hrsg.): Metzlers Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur, 301-303 (2000), Pit Wahl: Gina Kaus: Schriftstellerin, Dramatikerin und Adlerianerin. Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Kunstwerk und Künstlerin unter Einbeziehung biografischer Fragmente. In: Zeitschrift für Individualpsychologie 37 (2012), H. 2, 158-181, Dieter Wrobel: Vergessene Texte der Moderne wiedergelesen. Gina Kaus: Morgen um Neun. In: Literatur im Unterricht. Texte der Gegenwartsliteratur für die Schule 11 (2010), Nr. 2, 133-150.

Eintrag bei wien.gv.at.

(ME)