Pirchan, Emil

geb. am 27.5.1884 in Brünn/Brno – gest. am 20.12.1957 in Wien; Bühnenbildner, Architekt, Filmregisseur, Schriftsteller

Der Sohn des gleichnamigen akadem. Malers E.P. studierte u.a. bei O. Wagner an der Akademie der bild. Künste in Wien Architektur u. übersiedelte nach beendetem Studium nach München. Dort arb. P. zunächst als Architekt mit Schwerpunkt im Wohnbau u. Einrichtungsgestaltung, ferner im Bereich der Gebrauchsgrafik u. der Plakatkunst. 1913 gründete er eine eigene Schule für Bühnenbild u. Gebrauchsgrafik, verheiratete sich mit Johanna Diehl aus einer Verlegerfamilie. 1916 trat er als Verf. des an E.T.A. Hoffmann angelehnten Legendenspiels Das Teufelselixier in der Reihe Orplidbücher (Bd. 19), 1918 als Hg. eines Faust-Breviers hervor sowie als Verf. des Romans Der zeugende Tod. Ebenfalls 1918 wurde P. zum Ausstattungsdir. der Bayr. Staatstheater berufen und wechselte in der selben Funktion 1921 an die Staatstheater Berlin. Dort arbeitete er eng mit L. Jessner u. M. v. Schilling zusammen u. übernahm auch Inszenierungen. U.a. stattete er auch in Prag Aufführungen aus, so 1922 die Ballettkomposition von J. Strauß Die Josef-Legende, eine hochgelobte „Farbenorgie“, so das PTBl. (16.6.1922). Auch an Rochowanskis in Berlin abgehaltenem Kongress Der tanzende Schwerpunkt wirkte P. mit. 1923 folgte, wieder in Prag, ein Wagner-Zyklus, zu dessen Inszenierung neben dem Dirigat von Zemlinsky E. P. wesentlich beitrug. In Wien wurde P. ebf. 1923 tätig u. zwar als Bühnenbildner in der O. Straus-Operette Die törichte Jungfrauim Apollo-Theater.

Neben dem U-Segment war P. aber v.a. im Opern-Feld gefragt u. erfolgreich: 1924 z.B. im Zuge der UA von Kreneks Zwingburg in Berlin, wobei es P. gelang, die „Chormassen zu unvergleichlich eindrucksvollen Bildern“ zusammenzuführen (NWTBl.) oder 1925, wieder in Wien, im Zuge der Ausstattung von Mussorgkys Boris Gudenow. 1926 trat P. erstmals als Dramatiker öffentlich auf: mit seinem China-Stück Gong, das in Magdeburg uraufgef. wurde, 1927 kam sein von Friedrich Wilckens fertig ausgearb. Entwurf zu einem Ballett Ahasvera an der Darmstädter Oper zur Uraufführung. Im selben Jahr wurde P. 1927 auch Dozent an der staatlichen Musikhochschule für darstellende Kunst in Berlin, wo er die Fächer Bühnenbildkunst und Kostümlehre lehrte. Im Jänner 1929 gastierte die Berliner Komödie mit der Revue Es liegt in der Luft in der Bühnenbildausstattung durch Pirchan am Josefstädter Theater; im März 1930 hielt P. einen Vortrag über das Requisit, der von Radio Wien ausgestrahlt wurde, dem im Juni ein weiterer über Die Maske des Mimen folgte. Auch an den Smetana-Festspielen im Mai 1930 in Prag nahm P. teil u. stattete die Erstauff. von dessen Oper Dalibor für das Deutsche Prager Theater aus, an das er, nach Mitwirkung an der Neuinsz. von Verdis Aida im September und der Pfitzneroper Das Herz im November 1931 mit Jahresende wechselte, nicht ohne 1932 auch in Berlin Verdi-Opern auszustatten. 1932 stattete er in Prag Faust I aus, Offenbachs Madame l’Archiduc (in der Neuübers. von K. Kraus) und Wedekinds Der Marquis von Keith; ab Herbst 1932 unterrichtete er auch an der neueröffneten Spezialschule für Bühnenbildkunst in Prag. Unter dem Titel Theaterkunst kam es Ende Okt. 1932 auch zur ersten Kollektivausstell. des bühnenbildn. Schaffens P.s in Prag. Mit dem Machtantritt des Nationalsozialismus gab es auch für Pirchan keine Wirkungsstätte in Berlin mehr; er blieb in Prag, stattete aber auch Auff. in Brünn aus u. hielt gelegentlich Vorträge in Wien für das Radio oder in der Urania. 1935 wurde er mit dem tschech. Staatspreis für Werke u. Leistungen in dt. Sprache ausgezeichnet, wobei die Jury bes. sein Bühnenbild für Mozarts Figaros Hochzeit(1934) anführte.

Ab Sommer 1935 hielt P. auch Kurse am Mozarteum in Salzburg. Im Sept. 1936 wurde P. zum Ausstattungschef des Burgtheaters in Wien berufen, seine erste Arbeit betraf Shaws Die heilige Johanna; im Okt. brachte die Zs. Die Bühne eine Übersicht spektakulärer Bühnenbilder, die er seit 1920 gestaltet hat. Ab dem WS 1936/37 unterrichtete P. auch an der neueinger. Meisterschule für szenische Kunst an der Akademie der bildenden Künste in Wien. 1937 stach eine Fiesco-Ausstattung heraus; 1938 die Dalibor-Oper sowie Elektra muss Trauer tragen. Im Juni 1938 stattete er Billingers Komödie Stille Gäste aus, im Sept. 1938 freilich auch Thomas Paine (Regie A. Rott) des NS-Dichters Hanns Johst. Für das Linzer Landestheater stattete er auch Die schöne Welserin von J. Wenter aus.1939 folgen nach einer Sickingen-Ausstattung mehrere Arbeiten für Lustspiele, die anzeigen, dass sich Pirchan den veränderten Verhältnissen angepasst hat. 1940 schließlich lieferte P. das (historisierende) Bühnenbild für R. Oertels Benedek. In den Folgejahren verf. P. auch mehrere Künstlerbiographien, so noch 1943 über M. M. Daffinger. 1944 arbeitete P. nur bei wenigen Insz. mit; nach Kriegsende war er jedoch schon ab Sept. 1945 wieder in der RAVAG präsent und stattete auch die erste Nachkriegsinsz. des Nathan, der Weise aus.


Werke (Auswahl)

Die Tänzerin von Prag (Novelle, 1931); Bühnenbrevier (1938); Unsterbliches Wien (1939); Fanny Eissler. Eine Wienerin tanzt um die Welt (1940); Die lachende Maske (1940); Labyrinth der Liebe (1946)

Quellen und Dokumente

Hans Walter: Zwingburg. Eine szenische Kantate von Ernst Krenek. In: Neues Wiener Abendblatt, 7.11.1924, S. 3, Max Eisler: Zwei Neuinszenierungen. In: Der Morgen, 2.11.1925, S. 8, L. W. Rochowanski: Der fleißige Pirchan. In: Die Bühne 2 (1925), H. 49, S. 8, Das Requisit der Bühne. In: Radio Wien 6 (1930), H. 24, S. 19, Paul Pisk: Aus der Werkstatt des Bühnenbildners. In: Arbeiter-Zeitung, 30.11.1933, S. 7, Joseph Gregor: J. P.! Zu seinem fünfzigsten Geburtstag. In: Neues Wiener Journal, 27.5.1934, S. 6, E. P.: Bühnenbild! Bühnenbild! In: Die Bühne (1936), H. 434, o. S., Siegfried Melchinger: “Stella”. Zum erstenmal im Burgtheater. In: Neues Wiener Tagblatt, 11.4.1941, S. 3, Oskar Maurus Fontana: “Nathan der Weise” im Burgtheater. In: Wiener Kurier, 21.12.1945, S. 4.

(PHK)