Pollaczek, Clara Katharina
geb. am 15.1.1875 in Wien – gest. am 22.7.1951 in Wien; Schriftstellerin, Übersetzerin
Ps.: Bob, Beöl
1875 als Tochter der jüdischen Bankiers- und Kaufmannsfamilie Loeb geboren, wuchs Clara – den zweiten Vornamen Katharina nahm sie erst im jungen Erwachsenenalter an – mit zwei Brüdern und einer Schwester in einer großbürgerlichen und kunstsinnigen Familie auf. Sie erhielt Privatunterricht und widmete sich früh dem Schreiben: Bereits in der Kindheit entstanden erste Gedichte; mit neunzehn Jahren verfasste sie unter Verwendung des Pseudonyms „Bob“ Unterhaltungsliteratur, in deren Mittelpunkt zumeist die von ersten Flirts und amourösen Verstrickungen geprägten Schicksale junger Frauen und Männer standen. Entgegen dem Willen der Eltern veröffentlichte sie im Frühling 1897 in der renommierten Literaturzeitschrift Neue Deutsche Rundschau den mit einer Reihe erotischer Elemente durchsetzten Einakter Mimi. Schattenbilder aus einem Mädchenleben und sorgte damit für einen nicht unerheblichen Skandal. Den Prolog dazu hatte immerhin Hugo von Hofmannsthalmit vollem Namen Hugo Laurenz Anton von Hofmannsthal geb. am 1.2.1874 in Wien – gest. 15.7.1929 in Rodaun bei Wien; Sc... verfasst, den sie – ebenso wie Arthur Schnitzler – drei Jahre zuvor im Rahmen einer Silvesterfeier in ihrem Elternhaus kennengelernt hatte.
Auf Druck ihrer Familie, die der schriftstellerischen Laufbahn der Tochter ein Ende setzen wollte, heiratete Clara 1898 den aus Prag stammenden Lederhändler Otto Pollaczek. Aus dieser Ehe, die als unglücklich galt und die 1908 durch Ottos Selbstmord endete, gingen zwei Söhne hervor.
Ab den 1920er Jahren arbeitete Clara aufgrund ihrer prekären finanziellen Lage als Übersetzerin und Verfasserin von Zeitungsbeiträgen, widmete sich aber auch wieder ihrer literarischen Berufung. Sie schrieb Gedichte, Dramentexte, Novellen und zahlreiche Erzählungen und Fortsetzungsromane wie Mädchen für alles (1926), Das Kind der Liebe (1926), Mord (1927), Die Schönheit der Konstanze (1929) und Zwischen den Generationen (1933), die zum Großteil in der Neuen Freien Presse oder im Neuen Wiener Tagblatt publiziert wurden und die sich bei der Leserschaft großer Beliebtheit erfreuten. Sie galt als „Erzählerin von außerordentlicher Kenntnis des gesellschaftlichen Milieus, Schärfe der Beobachtung, Kraft der Schilderung, psychologischer Einfühlung und Originalität der Erfindung“ (NFP, 29.10.1929, 7). 1927 erhielt sie den Volkstheaterpreis (NFP, 3.12.1927, 8).
Bereits 1923 ging Clara eine Liebesbeziehung mit dem um dreizehn Jahre älteren Arthur Schnitzler ein. Das gemeinsame Interesse galt vorrangig der Literatur: Schnitzler las und kommentierte ihre Texte, schätzte seine Partnerin aber auch als Kritikerin, deren Anregungen immer wieder in sein Werk einflossen. Technischen Neuerungen aufgeschlossen und vor allem vom neuen Medium Film fasziniert, entwickelte Schnitzler früh eine Leidenschaft für Kinobesuche; gemeinsam besuchte das Paar im Laufe der achtjährigen Liaison über 500 Filmvorführungen. Darüber hinaus gestaltete sich das Zusammensein zunehmend schwierig und war immer wieder von Eifersuchtsszenen geprägt: Schnitzler scheute vor einer engen Bindung zurück und hielt Clara auf Distanz, während er sich daneben immer wieder auf Affären einließ und darüber hinaus engen Kontakt zu seiner geschiedenen Ehefrau hielt. Dennoch blieb ihm Clara bis zu seinem Tod im Herbst 1931 verbunden. Anlässlich der Trauerfeier im Wiener Burgtheater trug sie ein selbstverfasstes Gedicht vor, das in der Neuen Freien Presseerschien (NFP, 15.11.1931, 27). Auch in den nachfolgenden Jahren veröffentlichte sie in der Neuen Freien Presse rund um seinen Geburts- bzw. Todestag jeweils ein Gedicht. Die Beziehung zu Schnitzler verarbeitete sie in den rund 900 Seiten umfassenden Aufzeichnungen Schnitzler und ich, die sie gemeinsam mit dessen Sekretärin auf der Basis von Tagebucheinträgen und ihrer Briefkorrespondenz anfertigte und die erst nach ihrem Tode zur Veröffentlichung bestimmt waren. Das Typoskript ist heute in der Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus zugänglich.
Der unmittelbaren Verfolgung durch die Nationalsozialisten konnte Clara durch ihren tschechoslowakischen Pass entgehen, den sie durch die Ehe mit Otto Pollaczek erhalten hatte. Sie flüchtete nach dem „Anschluss“ zunächst nach Prag. Von der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren durch das NS-Regime erfuhr sie während eines Urlaubsaufenthaltes in der Schweiz, wo sie mit finanzieller Unterstützung von Freunden und Verwandten bis Kriegsende blieb.
Auf Initiative ihres Bruders Otto kehrte Clara nach einer Zwischenstation bei ihrem Sohn, der inzwischen in England lebte, 1948 nach Wien zurück, konnte jedoch an ihre einstmaligen literarischen Erfolge nicht mehr anknüpfen. Sie verstarb nach längerer Krankheit im Jahr 1951 und wurde in einem ehrenhalber gewidmeten Grab der Stadt Wien am Sieveringer Friedhof bestattet
Quellen und Dokumente
Bob [Clara Katharina Pollaczek], Mimi. Schattenbilder aus einem Mädchenleben. In: Neue Deutsche Rundschau/Freie Bühne, 8/4, 1.4.1897, 396-413; Mädchen für alles. In: NFP, 24.10.1926, 33-34; Zwischen den Generationen. In: NFP, 4.2.1933, 9-10; Die Tochter des Hauses. In: NFP, 25.5.1929, 14-15; Nach Sonnenuntergang. In: NFP, 24.7.1927, 23; Redoute. Schauspiel in einem Aufzug (1926); Dame. Drama (1930);
Ein neuer Roman in der „Neuen Freien Presse“. Clara Katharina Pollaczekgeb. am 15.1.1875 in Wien – gest. am 22.7.1951 in Wien; Schriftstellerin, Übersetzerin Ps.: Bob, Beöl 1875 als Tocht...: Die Schönheit der Konstanze. In: NFP, 29.10.1929, 7; Arthur Schnitzler. Anlässlich der heutigen Totenfeier im Burgtheater. In: NFP, 15.11.1931, 27; Clara Katharina Pollaczek, Internationale Kunstausstellung in Karlsbad. In: NFP, 27.7.1930, 30; C.K.P., Erinnerungsgang (Cottage 1933). In: NFP, 22.10.1933, 29; Clara Katharina Pollaczek, An Karin Michaelis. Eine Antwort auf den Artikel: „Das Recht, Mutter zu sein“. In: NFP, 1.8.1925, 11-12;
Literatur
Pollaczek Clara Katharina. In: Ilse Korotin (Hg.), BiografiA. Lexikon österreichischer Frauen, Bd. 3: P-Z, Wien u.a., 2564; William H. Rey, „Arthur Schnitzler und ich“. Das Vermächtnis der Clara Katharina Pollaczek. In: The Germanic Review 41/2 (1966), 120-135; Stephan Kurz, Im Schatten Schnitzlers. Leben und Werk von Clara Katharina Pollaczek (1875–1951). In: Michael Rohrwasser, Stephan Kurz (Hrsg.), A. ist manchmal wie ein kleines Kind. Clara Katharina Pollaczek und Arthur Schnitzler gehen ins Kino, Wien-Köln-Weimar 2012; K.F.M. Pole, Two Halves of a Life. [The autobiography of a Viennese doctor who escaped from Nazi-occupied Austria and built up a new life and medical career in England] Gillingham, Kent 1982; Renate Wagner, Der fünfte Akt. Clara Katharina Pollaczek. In: Dies., Frauen um Arthur Schnitzler, Wien, München 1980, 145–159; Renate Wagner, Wie ein weites Land. Arthur Schnitzler und seine Zeit, Wien 2006; Eintrag zu Clara Katharina Pollaczek bei austria-forum.org; Eintrag zu Clara Katharina Pollaczek bei fraueninbewegung.onb.ac.at;
(MK)