Popp, Adelheid

geb. Dwořak, 11.2.1869 in Inzersdorf – gest. am 7.3.1939 in Wien; Aktivistin für Arbeiterinnen- und Frauenbildung, Redakteurin, Abgeordnete zum Nationalrat

Geboren 1869 als jüngstes von fünfzehn Kindern einer Weberfamilie wuchs Adelheid in schwierigen sozialen Verhältnissen auf. Die Alkoholsucht und Gewalttätigkeit des Vaters zwang sie, bereits mit acht Jahren fallweise zum Familieneinkommen beizutragen. Mit zehn musste sie die Volkschule abbrechen und arbeitete zunächst als Dienstmädchen, ab 1883 als Fabrikarbeiterin. Über Bekannte ihres Bruders kam sie erstmals mit sozialdemokratischen Ideen in Kontakt, begann mit der regelmäßigen Lektüre sozialdemokratischer Zeitungen wie der Gleichheit (später: Arbeiter-Zeitung), besuchte – oftmals als einzige Frau – politische Versammlungen und engagierte sich zunehmend aktiv in der Bewegung. 1891 trat sie dem Arbeiterinnen-Bildungsverein bei, in dessen Vorstand sie später gewählt wurde; hier wurden bald führende Mitglieder der Sozialdemokratie auf die bildungshungrige wie eloquente Frau aufmerksam, u.a. Jakob Reumann und Viktor Adler. Adlers Gattin Emma, zu der sie ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte, erteilte ihr in der Folge Sprach- und Schreibunterricht. 1893 heiratete Adelheid – sie war inzwischen eine gefragte Rednerin in der gesamten Monarchie – Julius Popp, Mitglied des Parteivorstandes der SDAP. Im selben Jahr gründete sie den Lese- und Diskutierclub Libertas und fungierte fortan als erste Vorsitzende.

Obwohl durch den (männlich dominierten) Parteitag zunächst strikt abgelehnt, erschien auf Popps Betreiben ab 1892 mit der Arbeiterinnen-Zeitung ein auf das weibliche Publikum zugeschnittenes Medium, für das sie von 1893 bis 1934 als verantwortliche Redakteurin arbeitete und Themen wie Frauenwahlrecht, Bildungsarbeit, Sozialgesetzgebung und Eherecht aufgriff. 1893 nahm sie als einzige Frau der österr. Delegation am Kongress der II. Internationale in Zürich teil. Die in diversen Artikeln geäußerte Kritik an der Ehe und deren Moralkonventionen, die für das Gros der Frauen den einzig möglichen Lebensentwurf darstellte, brachte ihr wegen „Herabwürdigung der Ehe und Familie“ eine Arreststrafe ein. Im Rahmen ihrer schriftstellerischen Tätigkeit publizierte sie zudem zahlreiche Werke, welche die prekäre Lage der arbeitenden Frauen thematisierten, so etwa Die Arbeiterin im Kampf ums Dasein (1895), die autobiographische Schrift Jugend einer Arbeiterin (1909), Frau, Arbeiterin, Sozialdemokratie(1916) und Frauenarbeit in der kapitalistischen Gesellschaft (1922). 1929 erschien das Werk Der Weg zur Höhe, in welchem sie den Aufstieg der sozialdemokratischen Frauenbewegung beschrieb.

Nachdem sie bereits 1898 mit der Gründung des Frauenzentralkomitees einen wesentlichen Schritt zur Stärkung der Frauen innerhalb der Sozialdemokratie gesetzt hatte, schuf sie gemeinsam mit Therese Schlesinger und anderen Aktivistinnen gegen den massiven Widerstand der Parteispitze den Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen und wurde damit endgültig zur politischen Leitfigur. Zudem übernahm sie 1916 den Vorsitz des Internationalen Sozialdemokratischen Frauenkomitees und trug maßgeblich zur Einführung eines jährlichen internationalen Frauentages bei. Ihre herausragende Bedeutung für die Bewegung zeigt sich auch in der Tatsache, dass Popp 1918 in den Parteivorstand sowie in den Wiener Gemeinderat gewählt und im Jahr darauf zu einem Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung wurde. 1920 zog sie in den Nationalrat ein, wo sie als erste weibliche Abgeordnete eine Rede hielt. Sie setzte sich fortan energisch für die Rechte der Arbeiterinnen und Dienstboten ein (Hausgehilfinnengesetz vom 26.2.1920), thematisierte familienpolitische Belange und forderte Einkommensgleichheit zwischen Frau und Mann. Gesundheitliche Gründe zwangen sie 1933, sich ins Privatleben zurückzuziehen. Popp starb wenige Monate vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs an den Folgen eines Schlaganfalls in Wien.


Werke (Auswahl)

Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin, mit einführenden Worten von August Bebel, Berlin, Stuttgart 41922 [Online verfügbar].

Quellen und Dokumente

Beschlagnahmung der Nr. 13 der Arbeiterinnen-Zeitung durch das Pressegericht. In: Arbeiterinnen-Zeitung, H. 14, 18.7.1895, S. 1; Adelheid Popp, Recht für die Frauen. In: AZ, 24.4.1917, S. 1f; Frauenforderungen an die Nationalversammlung. In: AZ, 5.11.1920, S. 2; Adelheid Popp, Die Frau der Gegenwart. In: AZ, 31.3.1922, S. 6f; Adelheid Popp, Der § 144. In: Die Unzufriedene, 8.10.1927, S. 1f; Therese Schlesinger, Unsere Adelheid 60 Jahre! In: Arbeiterinnen-Zeitung, 1.2.1929, S. 10-18Wahlrede von Adelheid Popp für die Nationalratswahl vom 9.11.1930; Vierte Internationale Frauenkonferenz der Sozialistischen Arbeiter-Internationale in Wien. In: Die Frau, 1.9.1931, S. 4f; Zwei Kämpferinnen nehmen Abschied. In: AZ, 17.10.1933, S. 2.

Literatur

Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 8 (1981), 200f; Gabriella Hauch, Vom Frauenstandpunkt aus: Frauen im Parlament, 1919-1933 (Studien zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte, Bd. 7), Wien 1995,  S. 290-293; Regina Köpl, Adelheid Popp. In: Edith Prost (Hg.): „Die Partei hat mich nie enttäuscht …“. Österreichische Sozialdemokratinnen (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik, Bd. 41), Wien 1989,  S. 5-43; Ester Saletta, Die Journalistin und Abgeordnete Adelheid Popp. Engagierte Wiener Sozialdemokratin gegen die Nazi-Ideologie. In: K. Kaiser, J. Kreisky, S. Lichtenberger (Hg.): Rote Tränen. Die Zerstörung der Arbeiterkultur durch Faschismus und Nationalsozialismus, Wien, Klagenfurt, 2017, S. 44-58; Eintrag zu Adelheid Popp bei „Frauen in Bewegung: 1848-1938“.; Adelheid Popp bei dasrotewien

(MK)