Jacques Hannak: „Mutterschaftszwang.“
In
die von Parteileidenschaften, Hunger und Bitternis geschwängerte Atmosphäre
unseres Gesellschaftslebens ist ein neues Schlagwort geschleudert worden, das
an sich allein schon den Ton der Gehässigkeit zu charakterisieren vermag, mit
dem ein jedenfalls sehr ernstes Problem von allgemeiner Kulturbedeutung
behandelt wird. Hieß es vordem „Gebärstreik“ und bezeichnete damit immerhin die
mehr subjektive, aktive Seite der Frage, so gibt uns das Wort
„Mutterschaftszwang“ von vornherein den Begriff passiver, objektiver Einreihung
in ein hoffnungsloses System mechanischer Notwendigkeiten.
So
tritt man an ein Problem nicht heran, welches wie nur irgendein ganz großes
Problem geeignet sein soll, uns den Sinn alles Lebens zu erschließen.
Leidenschaftslose Beharrlichkeit allein kann erwarten, die spröde Materie zu
meistern.
Die
Schwierigkeit, vor der wir stehen, ergibt sich daraus, daß sich die
Grundtatsachen des volkswirtschaftlichen Lebens mit Grundtatsachen des
Seelenlebens kreuzen; der ökonomische Mensch gerät in Widerspruch mit dem
psychischen Menschen, das Sein widerstreitet dem Bewußtsein, das Reich der
Notwendigkeit fesselt das Reich der Frauen. Es sind zwei Sphären, die sich
gegenseitig ausschließen, [der] Fehler der ganzen Betrachtungsweise bestand
bisher darin, [von] der einen Schnittfläche auf die andere Sprünge zu machen,
um je nach Bedarf, Idee und Erscheinung ineinander krempelnd, eines mit dem
anderen „widerlegen“ zu können.
Der
Tatbestand ist: dem Naturgesetz der Fortpflanzung und Vermehrung wird durch
nationalökonomische Gesetze Einhalt getan. Da die Natur uns nicht auf die Lust
zu verzichten gestattet, so richtet sich die Reagenz des nationalökonomischen
Gesetzes nur auf die Folgen der Lust und schränkt nicht die Geschlechtlichkeit,
sondern nur die Geburtenziffer ein. Der Klassenstaat aber, der nicht nur seine
unterdrückten Klassen wirtschaftlich ausbeutet, sondern sie auch dazu verhalten
will, ihm immer neue Generationen für neue Ausbeutung aus ihrer ausgemergelten
Kraft heraus zu schaffen, also obendrein noch selber für die Verewigung ihrer
Ausbeutung und Knechtschaft zu sorgen, der Klassenstaat, aus dessen Wesen das
nationalökonomische Gesetz der Geburtenabnahme erfließt, erzwingt zugleich dem
Widersinn eines papiernen Machtgesetzes von gegenteiliger Bedeutung Geltung,
wonach die Unvermeidlichkeit des ökonomischen Gesetzes durch Strafsanktionen
aufgehoben und beseitigt, das Gesetz mechanischer Kräfte also durch das bloße
Menschenwort: „Ich will“ und just nur dadurch und schon dadurch in das Gegenteil
gewendet werden soll. Wahrlich, der Kampf Don Quichottes mit den Windmühlen.
Aber noch mehr: hier erhält sich uns das absolut Unethische dieses Kampfes,
dieses vermessenen Endgegenstemmens individuellen Wollens einer einzelnen
herrschenden Menschenklasse gegen die Windmühlen des sozialen Naturgesetzes.
Der Klassenstaat ist notwendig als eine Erscheinungsform der Geschichte der
Gesellschaft, eine Erscheinungsform, ohne welche sich der Entwicklungsgedanke
der menschlichen Kultur historisch gar nicht denken ließe. Der Klassenstaat ist
auch nicht eine Erscheinungsform, die sich durch Utopien, Idealisten, Prediger
und Menschheitsapostel einfach sofort in die klassenlose Gesellschaft des
Sozialismus wegbekehren ließe, sondern er ist auch in dem Sinne eine notwendige
Erscheinungsform, als er erst aus sich selbst heraus jene Elemente voll
ausreifen lassen muß, die ihn schließlich überwinden und kraft der Entwicklung
wie von selber in die erlösende Gesellschaftsordnung der Zukunft hinüberleiten.
Nicht also die Existenz des Klassenstaates ist das Unethische, sondern erst
jeder Versuch der Verewigung dieser Existenz, jeder Versuch, dem ewigen Werden
das absolute Sein des gerade Bestehenden abtrotzen zu wollen. Das
Trägheitsgesetz ist das Substantielle des Klassenstaates, und das ist das
Unmoralische an ihm, weil es ihn notwendig in Widerspruch und Widersinn treibt
und also auch alsbald logisch ins Unrecht setzt.
Solchen
Widerspruch und Widersinn entdecken wir an der Struktur des kapitalistischen
Klassenstaates auch in seiner Stellung zum Mutterschaftsproblem. Und zwar noch
in einem viel tieferen Sinn als im eben angeführten. Das Problem der
Mutterschaft aufstellen, heißt ein anderes Problem, das dem der Mutterschaft
zugrunde liegt, vorwegnehmen, und dies andere Problem ist das Problem des
Weibes, das Problem der Geschlechter. Das ist so selbstverständlich wie nur
irgend etwas. Nicht so selbstverständlich aber ist es der kapitalistischen
Produktionsära. Denn diese denkt an die Produktion, nicht an den Produzenten,
an die Maschine, nicht an den Menschen, an die Geburt, nicht an die Gebärende,
an das Objekt, nicht an das Subjekt. So wird ihr denn auch das
Mutterschaftsproblem nur eine quantitative, mechanisch-ökonomische Sorge, nur
ein Rechenexempel, nur ein Mittel zum Zweck, und sie hat nur Zeit, sich um [?]
umzuschauen, aber nicht um die – Mutter. Daher erfließt ihr die [Qual/Radikal]ität
des Mutterschaftsproblems nicht aus dem Verhältnis der Geschlechter, sondern
aus dem Verhältnis von Lohn[arbeit] und Kapital. Freilich, die Frage: Mann-Weib
ruht mit [Ueber]ewicht nicht auf dem juristischen Boden etwa der Frage, ob [Gleich]stellung
oder Ueber- und Unterordnung von Mann und Weib, was schließlich auch noch die
kapitalistische Gesellschaftsordnung irgendwie lösen könnte, sondern auf dem
ethisch-sozialen Boden der Möglichkeit, Mann und Weib als Mann und Weib,
ungetrübt durch wirtschaftliche und soziale Nöten, voll ausleben zu lassen. Das
freilich kann uns nur der Sozialismus bringen. Weil aber diese Voraussetzung in
der heutigen Gesellschaftsform fehlt und die Frau in gleicher Weise als Weib
wie als Mutter nur im Dienste einer bloßen Warefunktion steht, kann die heutige
Gesellschaftsform gar nicht grundsätzlich ethisch-kritisch zur Frage der
Mutterschaft Stellung nehmen und begnügt sich denn auch mit der konstruktiven
Dogmatik einer konventionellen Moral, eines Systems von Pflichten, die dem
Beharrungsvermögen der herrschenden Klassen in der heutigen Gesellschaft
Rechnung tragen sollen, aber, wie wir ausführten, eben dadurch mit dem
Weltgesetz des Werdens in Konflikt geraten und an diesem Widerspruch
zerschellen müssen.
Eine
Moral, die für alle Menschen Geltung haben soll, muß einer solchen
Gesellschaftsordnung entspringen, die vom Werkzeug wieder auf den Menschen
zurückgeht, die nicht mehr den Menschen als Mittel betrachtet, sondern als
alleinigen Zweck, die nicht mehr Menschen in den Dienst von anderen Menschen
und alle zusammen in den Dienst ihrer eigenen Einrichtungen und Maschinen
stellt, sondern die ganze Menschheit zur Herrin ihrer selbst, zur Herrin ihres
freien Willens und zum höchsten Selbstzweck erhebt. Erst eine Zeit, in der alle
Menschen leben können, wird Zeit haben, sich um das Tiefste des Menschen zu
kümmern, um – ihn selbst! Das sind keine Neuigkeiten, sondern alte
Erkenntnisse, aber sie erhalten eine neue Beleuchtung unter dem Gesichtspunkt
des Geschlechtsproblems.
Wir
können heute nur durch die Empirie und die induktive Methode Kenntnisse über
das „Ursein“ des Verhältnisses Mann-Weib zu gewinnen trachten, ohne daß uns der
Gegenbeweis der Deduktion zustatten käme. Denn die Geschlechtsbeziehungen
werden heute nicht nur von innen heraus durch metaphysische Substanzen geregelt
und gelenkt, sondern von außen her durch die Dynamik der sozialen Ordnung
entscheidend umgebogen. Das Reich der Notwendigkeit springt ins Reich der
Freiheit, und so wird denn Sozialismus schließlich der religiöse Kampf des
Metaphysischen im Menschen, zu sich selbst zu gelangen durch die Ueberwindung
der sozialen Fesseln. Die Befriedigung der sozialen, ökonomischen
Lebensbedürfnisse muß aufhören, Problem zu sein und muß Selbstverständlichkeit
werden, damit endlich der Mensch an sich ausschließliches Problem werde.
Auch
die Idee des Erotischen kann erst zu voller Klarheit in einem Zeitalter gelangen,
das die materielle Lebenswohlfahrt des Individuums als naturgegeben voraussetzt
und nur die kulturelle Wohlfahrt der Menschheit als Aufgabe weist. Heute können
wir uns auch hier nur an die Trübungen der Empirie der Klassengesellschaft
halten.
Was
scheidet, unabhängig von jeder sozialen Ordnung, Mann und Weib? Wedekind hat
das einmal aphoristisch nicht übel ausgedrückt; der ungeheure Vorteil, den das
Weib vor dem Manne voraus habe, sei daß es seinen Körper als Tauschobjekt zu
Markte tragen könne, sein ungeheurer Nachteil gegenüber dem Manne, daß es
gebären müsse. Schärfer und [konziser] noch hat Otto Weininger den Gedanken
gefaßt und als das Essentielle und Funktionale des Weiblichen schlechthin
Mutterschaft und Dirnentum bezeichnet. Ob das Wesen des Weibes darin erschöpft
ist oder ihm noch andere Funktionen zugehören als die der reinen
Geschlechtlichkeit, gehört hier nicht zur Debatte. Soviel ist jedenfalls
sicher, daß die Mutter und die Dirne zwei ragende Pole weiblichen Seins
bedeuten.
Wenn
wir nun das Mütterliche als das Substantielle des Weiblichen erkannt haben, so
gelangen wir erst vollends zu der Würdigung des Sprachungeheuers:
„Mutterschaftszwang“. Das Weib wird also zu etwas gezwungen, was es, wenn und
weil es Weib ist, ohnedies schon sein soll. Das Weib wird „gezwungen“, es
selbst zu sein! Wenn es dazu gezwungen werden muß, so müsse offenbar
Hindernisse da sein, die ihm die funktionelle Erfüllung seines ureigentlichen
Wesens verwehren. Wir haben diese verwehrenden Hindernisse als das nationalökonomische
Gesetz der Ausbeutung kennen gelernt. Der Mechanismus eherner
Wirtschaftsgesetze, der zwangsläufige Gang der sozialen Entwicklung, die
historischen Kategorien der verschiedenen Formen von Klassenherrschaften
gebären aus sich heraus die Widerstände gegen die apriorischen Naturbedingungen
der menschlichen Existenz, und da auf diese Naturbedingungen doch nicht einfach
verzichtet werden kann, müssen sie auf irgendeinem Wege wieder künstlich
„eingeführt“ werden. Die organische Geltung der Natur wird durch den Tort einer
überlebten ökonomischen Epoche vergewaltigt und darnach durch einen trägen
Mechanismus menschlicher, allzu menschlicher Einrichtungen wieder notdürftig
zusammengeflickt. Das Funktionale des Weibes, seine Mutterschaft, wird durch
den Prozeß des ökonomischen Ausbeuterverhältnisses beeinträchtigt und durch
eben denselben Prozeß der Ausbeutung hernach mechanisch mit „Strafgesetzen“
einfach wieder „angeordnet“. Hier ist der Punkt, wo der Sprung aus der einen
Schnittfläche in die andere erfolgt, hier entspringt die Verwirrung, die ratlos
vor der „Unmoral“ des sich selbst nicht mehr getreuen Weibes und der ewigen
Naturgesetzlichkeit mit armseligen papierenen Normen zu Hilfe zu eilen sich
vermißt. Die gemarterte Natur aber läßt sich ihren Weg nicht durch Bürokratien
und Strafgesetze weisen, sie sammelt sich in den unterirdischen Kanälen der
bedrückten, ausgebeuteten, um ihr Naturrecht betrogenen Massen und vollzieht in
den sozialen Revolutionen den Prozeß ihrer Selbstbefreiung.
Daß
es ein Wort wie „Mutterschaftszwang“ gibt, spricht schon das Urteil über die
Wirtschaftsepoche, in der wir leben. Ein Weib zwingen, Weib zu sein, das hat
der Teufel dem Kapitalismus eingegeben. Was aber für die Arbeiterschaft das
Entscheidende ist, ist nicht so sehr die Geltung oder Aufhebung eines
Gesetzesparagraphen, als vielmehr die Erkenntnis der Unnatur des ganzen
geltenden Gesellschaftssystems, in dem jener Paragraph nur eine symptomatische
Erscheinung ist. Im einzelnen Paragraphen die Kulturwidrigkeit des Ganzen der bürgerlichen
Ordnung erkenne, im täglichen Kampf ums Einzelne sich nicht bloß als Reformer
und Verbesserer des Seienden fühlen, sondern darüber hinaus den revolutionären
Enthusiasmus empfangen, daß wir berufen sind, der Menschheit den Weg aus dem
Naturwidrigen zum Naturgemäßen zu weisen, dazu ist auch die Erörterung der
Frage des „Mutterschaftszwanges“ ein willkommener Anlaß. Das Schicksal dieser
einen Strafgesetznorm wird nicht viel an dem allgemeinen Schicksal der
Arbeiterklasse ändern, aber die Aufhellung des Klassencharakters dieser Norm
die Beleuchtung ihrer Kulturwidrigkeit ist von der belehrendsten Wirksamkeit
und verdient daher eine nach allen Seiten hin gründliche Betrachtung.
In: Der Kampf (1919), H. 39, S. 843-846.
Jacques Hannak: „Mutterschaftszwang.“ (1919)
In die von Parteileidenschaften, Hunger und Bitternis geschwängerte Atmosphäre unseres Gesellschaftslebens ist ein neues Schlagwort geschleudert worden, das an sich allein schon den Ton der Gehässigkeit zu charakterisieren vermag, mit dem ein jedenfalls sehr ernstes Problem von allgemeiner Kulturbedeutung behandelt wird. Hieß es vordem „Gebärstreik“ und bezeichnete damit immerhin die mehr subjektive, aktive Seite der Frage, so gibt uns das Wort „Mutterschaftszwang“ von vornherein den Begriff passiver, objektiver Einreihung in ein hoffnungsloses System mechanischer Notwendigkeiten.
So tritt man an ein Problem nicht heran, welches wie nur irgendein ganz großes Problem geeignet sein soll, uns den Sinn alles Lebens zu erschließen. Leidenschaftslose Beharrlichkeit allein kann erwarten, die spröde Materie zu meistern.
Die Schwierigkeit, vor der wir stehen, ergibt sich daraus, daß sich die Grundtatsachen des volkswirtschaftlichen Lebens mit Grundtatsachen des Seelenlebens kreuzen; der ökonomische Mensch gerät in Widerspruch mit dem psychischen Menschen, das Sein widerstreitet dem Bewußtsein, das Reich der Notwendigkeit fesselt das Reich der Frauen. Es sind zwei Sphären, die sich gegenseitig ausschließen, [der] Fehler der ganzen Betrachtungsweise bestand bisher darin, [von] der einen Schnittfläche auf die andere Sprünge zu machen, um je nach Bedarf, Idee und Erscheinung ineinander krempelnd, eines mit dem anderen „widerlegen“ zu können.
Der Tatbestand ist: dem Naturgesetz der Fortpflanzung und Vermehrung wird durch nationalökonomische Gesetze Einhalt getan. Da die Natur uns nicht auf die Lust zu verzichten gestattet, so richtet sich die Reagenz des nationalökonomischen Gesetzes nur auf die Folgen der Lust und schränkt nicht die Geschlechtlichkeit, sondern nur die Geburtenziffer ein. Der Klassenstaat aber, der nicht nur seine unterdrückten Klassen wirtschaftlich ausbeutet, sondern sie auch dazu verhalten will, ihm immer neue Generationen für neue Ausbeutung aus ihrer ausgemergelten Kraft heraus zu schaffen, also obendrein noch selber für die Verewigung ihrer Ausbeutung und Knechtschaft zu sorgen, der Klassenstaat, aus dessen Wesen das nationalökonomische Gesetz der Geburtenabnahme erfließt, erzwingt zugleich dem Widersinn eines papiernen Machtgesetzes von gegenteiliger Bedeutung Geltung, wonach die Unvermeidlichkeit des ökonomischen Gesetzes durch Strafsanktionen aufgehoben und beseitigt, das Gesetz mechanischer Kräfte also durch das bloße Menschenwort: „Ich will“ und just nur dadurch und schon dadurch in das Gegenteil gewendet werden soll. Wahrlich, der Kampf Don Quichottes mit den Windmühlen. Aber noch mehr: hier erhält sich uns das absolut Unethische dieses Kampfes, dieses vermessenen Endgegenstemmens individuellen Wollens einer einzelnen herrschenden Menschenklasse gegen die Windmühlen des sozialen Naturgesetzes. Der Klassenstaat ist notwendig als eine Erscheinungsform der Geschichte der Gesellschaft, eine Erscheinungsform, ohne welche sich der Entwicklungsgedanke der menschlichen Kultur historisch gar nicht denken ließe. Der Klassenstaat ist auch nicht eine Erscheinungsform, die sich durch Utopien, Idealisten, Prediger und Menschheitsapostel einfach sofort in die klassenlose Gesellschaft des Sozialismus wegbekehren ließe, sondern er ist auch in dem Sinne eine notwendige Erscheinungsform, als er erst aus sich selbst heraus jene Elemente voll ausreifen lassen muß, die ihn schließlich überwinden und kraft der Entwicklung wie von selber in die erlösende Gesellschaftsordnung der Zukunft hinüberleiten. Nicht also die Existenz des Klassenstaates ist das Unethische, sondern erst jeder Versuch der Verewigung dieser Existenz, jeder Versuch, dem ewigen Werden das absolute Sein des gerade Bestehenden abtrotzen zu wollen. Das Trägheitsgesetz ist das Substantielle des Klassenstaates, und das ist das Unmoralische an ihm, weil es ihn notwendig in Widerspruch und Widersinn treibt und also auch alsbald logisch ins Unrecht setzt.
Solchen Widerspruch und Widersinn entdecken wir an der Struktur des kapitalistischen Klassenstaates auch in seiner Stellung zum Mutterschaftsproblem. Und zwar noch in einem viel tieferen Sinn als im eben angeführten. Das Problem der Mutterschaft aufstellen, heißt ein anderes Problem, das dem der Mutterschaft zugrunde liegt, vorwegnehmen, und dies andere Problem ist das Problem des Weibes, das Problem der Geschlechter. Das ist so selbstverständlich wie nur irgend etwas. Nicht so selbstverständlich aber ist es der kapitalistischen Produktionsära. Denn diese denkt an die Produktion, nicht an den Produzenten, an die Maschine, nicht an den Menschen, an die Geburt, nicht an die Gebärende, an das Objekt, nicht an das Subjekt. So wird ihr denn auch das Mutterschaftsproblem nur eine quantitative, mechanisch-ökonomische Sorge, nur ein Rechenexempel, nur ein Mittel zum Zweck, und sie hat nur Zeit, sich um [?] umzuschauen, aber nicht um die – Mutter. Daher erfließt ihr die [Qual/Radikal]ität des Mutterschaftsproblems nicht aus dem Verhältnis der Geschlechter, sondern aus dem Verhältnis von Lohn[arbeit] und Kapital. Freilich, die Frage: Mann-Weib ruht mit [Ueber]ewicht nicht auf dem juristischen Boden etwa der Frage, ob [Gleich]stellung oder Ueber- und Unterordnung von Mann und Weib, was schließlich auch noch die kapitalistische Gesellschaftsordnung irgendwie lösen könnte, sondern auf dem ethisch-sozialen Boden der Möglichkeit, Mann und Weib als Mann und Weib, ungetrübt durch wirtschaftliche und soziale Nöten, voll ausleben zu lassen. Das freilich kann uns nur der Sozialismus bringen. Weil aber diese Voraussetzung in der heutigen Gesellschaftsform fehlt und die Frau in gleicher Weise als Weib wie als Mutter nur im Dienste einer bloßen Warefunktion steht, kann die heutige Gesellschaftsform gar nicht grundsätzlich ethisch-kritisch zur Frage der Mutterschaft Stellung nehmen und begnügt sich denn auch mit der konstruktiven Dogmatik einer konventionellen Moral, eines Systems von Pflichten, die dem Beharrungsvermögen der herrschenden Klassen in der heutigen Gesellschaft Rechnung tragen sollen, aber, wie wir ausführten, eben dadurch mit dem Weltgesetz des Werdens in Konflikt geraten und an diesem Widerspruch zerschellen müssen.
Eine Moral, die für alle Menschen Geltung haben soll, muß einer solchen Gesellschaftsordnung entspringen, die vom Werkzeug wieder auf den Menschen zurückgeht, die nicht mehr den Menschen als Mittel betrachtet, sondern als alleinigen Zweck, die nicht mehr Menschen in den Dienst von anderen Menschen und alle zusammen in den Dienst ihrer eigenen Einrichtungen und Maschinen stellt, sondern die ganze Menschheit zur Herrin ihrer selbst, zur Herrin ihres freien Willens und zum höchsten Selbstzweck erhebt. Erst eine Zeit, in der alle Menschen leben können, wird Zeit haben, sich um das Tiefste des Menschen zu kümmern, um – ihn selbst! Das sind keine Neuigkeiten, sondern alte Erkenntnisse, aber sie erhalten eine neue Beleuchtung unter dem Gesichtspunkt des Geschlechtsproblems.
Wir können heute nur durch die Empirie und die induktive Methode Kenntnisse über das „Ursein“ des Verhältnisses Mann-Weib zu gewinnen trachten, ohne daß uns der Gegenbeweis der Deduktion zustatten käme. Denn die Geschlechtsbeziehungen werden heute nicht nur von innen heraus durch metaphysische Substanzen geregelt und gelenkt, sondern von außen her durch die Dynamik der sozialen Ordnung entscheidend umgebogen. Das Reich der Notwendigkeit springt ins Reich der Freiheit, und so wird denn Sozialismus schließlich der religiöse Kampf des Metaphysischen im Menschen, zu sich selbst zu gelangen durch die Ueberwindung der sozialen Fesseln. Die Befriedigung der sozialen, ökonomischen Lebensbedürfnisse muß aufhören, Problem zu sein und muß Selbstverständlichkeit werden, damit endlich der Mensch an sich ausschließliches Problem werde.
Auch die Idee des Erotischen kann erst zu voller Klarheit in einem Zeitalter gelangen, das die materielle Lebenswohlfahrt des Individuums als naturgegeben voraussetzt und nur die kulturelle Wohlfahrt der Menschheit als Aufgabe weist. Heute können wir uns auch hier nur an die Trübungen der Empirie der Klassengesellschaft halten.
Was scheidet, unabhängig von jeder sozialen Ordnung, Mann und Weib? Wedekind hat das einmal aphoristisch nicht übel ausgedrückt; der ungeheure Vorteil, den das Weib vor dem Manne voraus habe, sei daß es seinen Körper als Tauschobjekt zu Markte tragen könne, sein ungeheurer Nachteil gegenüber dem Manne, daß es gebären müsse. Schärfer und [konziser] noch hat Otto Weininger den Gedanken gefaßt und als das Essentielle und Funktionale des Weiblichen schlechthin Mutterschaft und Dirnentum bezeichnet. Ob das Wesen des Weibes darin erschöpft ist oder ihm noch andere Funktionen zugehören als die der reinen Geschlechtlichkeit, gehört hier nicht zur Debatte. Soviel ist jedenfalls sicher, daß die Mutter und die Dirne zwei ragende Pole weiblichen Seins bedeuten.
Wenn wir nun das Mütterliche als das Substantielle des Weiblichen erkannt haben, so gelangen wir erst vollends zu der Würdigung des Sprachungeheuers: „Mutterschaftszwang“. Das Weib wird also zu etwas gezwungen, was es, wenn und weil es Weib ist, ohnedies schon sein soll. Das Weib wird „gezwungen“, es selbst zu sein! Wenn es dazu gezwungen werden muß, so müsse offenbar Hindernisse da sein, die ihm die funktionelle Erfüllung seines ureigentlichen Wesens verwehren. Wir haben diese verwehrenden Hindernisse als das nationalökonomische Gesetz der Ausbeutung kennen gelernt. Der Mechanismus eherner Wirtschaftsgesetze, der zwangsläufige Gang der sozialen Entwicklung, die historischen Kategorien der verschiedenen Formen von Klassenherrschaften gebären aus sich heraus die Widerstände gegen die apriorischen Naturbedingungen der menschlichen Existenz, und da auf diese Naturbedingungen doch nicht einfach verzichtet werden kann, müssen sie auf irgendeinem Wege wieder künstlich „eingeführt“ werden. Die organische Geltung der Natur wird durch den Tort einer überlebten ökonomischen Epoche vergewaltigt und darnach durch einen trägen Mechanismus menschlicher, allzu menschlicher Einrichtungen wieder notdürftig zusammengeflickt. Das Funktionale des Weibes, seine Mutterschaft, wird durch den Prozeß des ökonomischen Ausbeuterverhältnisses beeinträchtigt und durch eben denselben Prozeß der Ausbeutung hernach mechanisch mit „Strafgesetzen“ einfach wieder „angeordnet“. Hier ist der Punkt, wo der Sprung aus der einen Schnittfläche in die andere erfolgt, hier entspringt die Verwirrung, die ratlos vor der „Unmoral“ des sich selbst nicht mehr getreuen Weibes und der ewigen Naturgesetzlichkeit mit armseligen papierenen Normen zu Hilfe zu eilen sich vermißt. Die gemarterte Natur aber läßt sich ihren Weg nicht durch Bürokratien und Strafgesetze weisen, sie sammelt sich in den unterirdischen Kanälen der bedrückten, ausgebeuteten, um ihr Naturrecht betrogenen Massen und vollzieht in den sozialen Revolutionen den Prozeß ihrer Selbstbefreiung.
Daß es ein Wort wie „Mutterschaftszwang“ gibt, spricht schon das Urteil über die Wirtschaftsepoche, in der wir leben. Ein Weib zwingen, Weib zu sein, das hat der Teufel dem Kapitalismus eingegeben. Was aber für die Arbeiterschaft das Entscheidende ist, ist nicht so sehr die Geltung oder Aufhebung eines Gesetzesparagraphen, als vielmehr die Erkenntnis der Unnatur des ganzen geltenden Gesellschaftssystems, in dem jener Paragraph nur eine symptomatische Erscheinung ist. Im einzelnen Paragraphen die Kulturwidrigkeit des Ganzen der bürgerlichen Ordnung erkenne, im täglichen Kampf ums Einzelne sich nicht bloß als Reformer und Verbesserer des Seienden fühlen, sondern darüber hinaus den revolutionären Enthusiasmus empfangen, daß wir berufen sind, der Menschheit den Weg aus dem Naturwidrigen zum Naturgemäßen zu weisen, dazu ist auch die Erörterung der Frage des „Mutterschaftszwanges“ ein willkommener Anlaß. Das Schicksal dieser einen Strafgesetznorm wird nicht viel an dem allgemeinen Schicksal der Arbeiterklasse ändern, aber die Aufhellung des Klassencharakters dieser Norm die Beleuchtung ihrer Kulturwidrigkeit ist von der belehrendsten Wirksamkeit und verdient daher eine nach allen Seiten hin gründliche Betrachtung.
In: Der Kampf (1919), H. 39, S. 843-846.
Fritz Karpfen: Die Österreichische Kunstaustellung in Rom (1925)
Fritz Karpfen: Die Österreichische Kunstaustellung in Rom
Max Oppenheimers „Orchester“ – Der Wiener Faistauner-Gobelin
Die diesjährige „Biennale romana“, besonders feierlich eröffnet und veranstaltet, da das Heilige Jahr in Rom gefeiert wird, umfaßt die Kunstwerke von sieben Nationen. Im grandiosen Ausstellungspalaste in der Via nationale[recte: nazionale] sind alle Räume bis an die Decke hinauf mit Kunstwerken angefüllt, und zum ersten Male nach dem Kriege stellt auch Österreich in dieser größten aller modernen internationalen Kunstaustellungen aus. Der Wiener Bildhauer Gustinus Ambrosi wurde zum Kommissär für Österreich ernannt, er lud die prominentesten österreichischen Künstler ein – die Folge war ein beispielloses Quertreiben von seiten der verzopften Herrn, die es nicht verwinden konnten, daß das Ausland tatsächlich die modernen österreichischen Kunstwerke zur Ansicht bekommen sollte. Schließlich aber siegte doch die eiserne Zähigkeit Ambrosis, die österreichische Abteilung zählt zu den sehenswertesten der ganzen Ausstellung, und Ambrosi erhielt als Ausdruck der Anerkennung für seine Arbeit das Komturkreuz am rot-weiß-roten Bande, mit dem Titel eines Commendatore della corona d’italia ….
In drei Sälen sind die österreichischen Kunstwerke zur Schau gestellt. Das große Freskobild Max Oppenheimers (Mopp) „Orchester“dominiert und kommt zu einer ungeahnten Wirkung. Es ist vielleicht das auffallendste Werk der ganzen Ausstellung, sicherlich aber das interessanteste. Anton Faistauer stellt zwei Entwürfe zur Morzger Kirche aus und die Wiener Gobelin-Manufaktur hat seinen Gobelin dazu gehängt. Faistauer und Mopp, zwei Gegensätze, wie man sie sich nicht krasser vorstellen kann, sind heute wohl, trotzdem, die beiden hervorragendsten österreichischen Maler…
Egge Sturm-Skrla hat eine Reihe von Porträts ausgestellt, einige Landschaftsbilder und graphische Arbeiten. Alfons Walde ist mit schönen Winterbildern und einem guten Porträt Alfons Petzolds vertreten, F. A. Harta sandte eines seiner besten Bilder, Paris Gütersloh, Robert Philippi, Kitt und Dobrowsky, Böhler, Schütt, Kubin, Zülow, Lang hängen in guter Beleuchtung mit hier schon bekannten Arbeiten. Eine Sonderschau der beiden toten Meister Klimt und Schiele rundet das Gesamtbild der österreichischen Malerei harmonisch ab. Der Opfernde Abel, eine monumentale Bronzestatue Gustinus Ambrosis sieht im optischen Mittelpunkt der Ausstellung, seine fabelhafte Büste Mussolinis erregt das Aufsehen aller Besucher, und seine Arbeit Der Mann mit dem gebrochenen Genick gehört heute schon zum europäischen Kunstbesitz. Auch Wilhelm Frass ist mit einer ganz ausgezeichneten lebensgroßen Bildhauerarbeit vertreten: Der sterbende Krieger. Prof. Barwig hat einige kleinere meisterhafte Skulpturen ausgestellt und Bildhauer Josephu einige Akte.
Schließlich muß noch die Wiener-Gobelin-Manufaktur erwähnt werden, die den Ruf Österreichs im Auslande um vieles besser hebt, wie die fragwürdigen regierungsamtlichen Versicherungen. Und das ist ja auch der Weg ins Freie, der einzige, der für uns gangbar ist: Durch unsere Kunst die verloren gegangenen Pfade wieder aufzusuchen, durch die Werke unserer lebenden Künstler der Welt zuzurufen: Wir sind!“
In: Die Bühne (1925), H. 25, S. 29.
Schlagworte: Kunstausstellung, Gustinus Ambrosi, Max Oppenheimer, Anton Faistauer
Fred Heller: Zwischen vorgestern und übermorgen (1919)
Der Zukunft kann man einstweilen noch nichts Gutes nachsagen.
Warum die Ein- und Zweikronennoten keinen Stempel erhalten? Armutszeugnisse sind stempelfrei.
Den Hungernden hilft’s wenig, wenn etliche des trockenen Tones satt werden.
Ein neuer Chamisso müßte dichten: Der B ü r g e r ist kein Spielzeug. Und er brauchte nicht erst ein Riesenfräulein bemühen.
Wieder höhere Anforderungen an das Publikum: die Theatersperre ist aufgehoben.
Das Alte vor der Welt schlecht machen, genügt nicht; man muß das Neue besser machen.
Es ist allerdings schwer, der Welt den Kopf zurecht zu setzten, während sie auf ihm steht.
Es hat alles seine Grenzen, Deutschösterreich aber hat noch ein paar mehr.
»Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« scheint noch nicht in alle Kultursprachen übersetzt worden zu sein.
Die Katz‘ für alles gewesen ist männlichen Geschlechts.
Mancher Held der Zeit gemahnt an einen Tragödiendichter: sich würde er gewiß nicht töten, wenn ihm das Malheur seines Helden passierte.
Die neue Ausrede: Ah was, v o r uns die Sintflut!…
In: Die Muskete, 6.3.1919, S. 10.
Ernst Fischer: Das große Welttheater. Von Hugo Hofmannsthal (1925)
In dieser Zeit der Skepsis und der Regie, der entfesselten Technik und der geknebelten Seele, der großen Maschinen und der kleinen Herzen, in dieser Zeit, die wie eine schreckliche Pause zwischen dem zu Ende gespielten Gestern und dem noch wenig erprobten Morgen ist, treten die Gaukler vor die Rampe, die Schlangenbeschwörer der toten Kultur, die wunderlichen Fakire des Geistes, die letzten Artisten der Alten Welt. Sie haben die Kunst der Steinzeit, die Plastik der Neger, die Malerei der Südseevölker, die Geheimlehren der Inder, die Gifte aller Mysterien und den Katholizismus entdeckt. Sie haben alle Gräber geplündert und von den Tafeln der Toten betäubende, erregende, nervenbeklemmende Dinge mitgebracht. Sie füllen die Pause, die schreckliche Pause zwischen gestern und morgen mit ihren grellen und müden Künsten.
Einer von diesen Gauklern und Schlangenbeschwörern ist Hugo von Hofmannsthal. Er hat uns die zarte und süße Musik empfindlicher Nerven gegeben, er hat mit kühlen, zuckenden Händen Elemente der Renaissance, der Antike, chinesische Märchen und barocke Geschichten, seltsame Anekdoten und katholische Mysterienspiele in leise Krankheit verwandelt und die große Skepsis und Müdigkeit zu sanften Ekstasen verführt. So hat der Meister des kleinen Welttheaters das große Welttheater des Katholizismus zu schattenhaftem Leben erweckt und ein geistliches Schauspiel Calderon de la Barcas, des genialen katholischen Dichters, durch eine ästhetische Injektion vergewaltigt. Reinhardt hat in den Salzburger Festspielen das Stück zur jüdischen und christlichen Sensation gemacht und der internationalen Halbwelt des Geistes und der Finanz zwischen Börse und Fußball die zauberhafte Regie der katholischen Kirche verabreicht.
Helmut Ebbs, der das Stück in Graz inszenierte, hat die Dichtung, in der Vergangenheit sich wunderlich mit Gegenwart paart, in der die Revolution und der Sozialismus neben dem christlichen Dogma lyrisch über die Bühne geistern, in der neben künstlicher Einfalt allzu kluge Worte vieldeutig aufleuchten, entkatholisiert und Hofmannsthals Flirt mit der Kirche weise gedämpft. Was unter seiner Regie sich formte, war wirkliches, starkes und buntes Theater. Es wurde kein Hochamt zelebriert, es wurde Theater gespielt, es wurde nicht in Katholizismus gemacht, es wurde eine Dichtung in Bild und Gebärde geformt. Nichts erinnerte an eine gotische oder barocke Kirche, in weite, mystische Landschaft öffnete sich die Bühne. Der Gott, der sein Werk, die Schöpfung, vollendet hat und nun, da alle Rollen verteilt und alle Stellen besetzt sind, nicht weiß, wie er sich die Zeit, die tolle Tochter der Ewigkeit, vertreiben soll, war keine körperlose Stimme aus dunklem Gewölbe, sondern ein Greis mit bronzenem Antlitz und strotzenden Muskeln, der christlicher, jüdischer oder heidnischer Konfession sein konnte und sich nicht in dogmatischen Abstraktionen aufgelöst hatte. Seine Musikantin, die „Welt“ der Dichtung, die das Menschenmaterial für die Spiele zu liefern hat, war zur braunen Erde und heidnischen Mutter geworden, die fahl und magisch beglänzt, in einer Höhle kauert und Lieder von Tod und Leben singt (ein Bühnenbild von ungewöhnlicher Schönheit), der Tod selber, der Bühneninspizient des Welttheaters, trat nicht als christliches Knochengerippe auf, sondern als einer „aus des Dionysos, der Venus Sippe,“ wie der junge Hofmannsthal ihn einst, als er noch bei Goethe, Nietzsche und der Antike zu Gaste saß, gestaltet hat. Ebbs spielte den Tod in grauer Seide, rot umblutet von seidenem Bande, mit weichem, lockenden Bariton und seltsamer Anmut der Bewegung.
Der Bettler, die eigenartigste und modernste Gestalt der Dichtung, wurde von Theodor Grieg dargestellt, der in der leidenschaftlichen, aus edlen Versen auflodernden Anklage gegen die Welt der Könige, der Händler und der Bauern zu wenig metallisch, in der heiteren Resignation und hohen Verklärung des Schlusses aber sehr wirkungsvoll war. Dieser Bettler ist mir behutsamer Überlegenheit du großer Klugheit gestaltet; der Ästhet Hofmannsthal berauscht sich an der erregenden Kraft der Revolution, wie er sich an der Antike oder am Katholizismus berauscht. Aber der Dichter denkt, doch dunkles Menschenschicksal lenkt seine Hand; der Bettler mußte, über die kühle Ruhe dessen hinaus, der ihn schuf, die stärkste Figur in diesem Welttheater werden. Sie alle sind meisterhaft aus der Zeit auf die Bühne gestellt, der Bauer, „ein Laib mit Brot mit zwei Füß“, der Reiche, der die Macht, und der König, der ihren Schein besitzt. aber sie alle sind fest und klar charakterisiert und begrenzt, nur der Bettler flammt über sich selber ins Grenzenlose hinaus. Er hebt das Beil gegen alle und einen Augenblick lang weiß niemand, weiß weder der König auf der Bühne noch das Publikum, der Engel und die Heiligen, ob das noch zur Rolle gehört oder ob das rebellische Improvisation ist. Das Stück, das zur Ehre und zur Lust Gottes aufgeführt wird, ist in Frage gestellt – dann aber geschieht das Wunder, das die Weisheit, die das traditionelle Gewand der Nonne trägt, das Herz des Rebellen erschüttert, weil sie nicht gegen ihn, sondern für alle Kreatur ist. Und die Weisheit schenkt ihm das Beil, da der Bettler sich weigert, ein Werkzeug zu führen, das nicht ihm gehört. Ist es des klugen Dichters Absicht, habe nur ich aus dieser Szene herausgehört, daß die Weisheit dem alten Besitzer den Produktionsapparat nimmt und ihn in die Hände des Proletariers legt, und daß nur so das Unheil und die Gewalt von dieser Welt abgewendet werden? Ist die Dichtung Hofmannsthals mehr als ein Zwischenspiel, grüßt der große Könner die Kommenden oder -?
Das ist es, was mir an dieser Inszenierung so gut gefiel: daß sie aus dem Scheine der Vergangenheit in das Sein der Gegenwart eine Brücke schlug, daß sie aus dem katholischen Mysterium den menschlichen Mythos schälte. Abgesehen von kleineren Störungen, die schwer zu vermeiden sind (der fatale Sprechchor, die Unzulänglichkeit der weiblichen Stimmen, die dem großen Raum nicht gewachsen sind), war die Aufführung ein Maximum des an unserer Bühne Möglichen, dank der wundervollen Regie, dank den Schauspielern, unter denen außer den schon genannten vor allem Hugelmann als meisterhaft gestalteter Bauer und Kreidemann als vortrefflicher Widersacher auffielen. Allerdings war die optische Wirkung stärker als die akustische, die Sinfonie der Farben bezwingender als die Sinfonie der Worte: so vollendete Bühnenbilder wie den Tanz der Glücklichen, das Lied der Erde, den rhythmisch gelösten Totentanz und die weiße Verklärung des Schlusses haben wir selten gesehen. Das Wort litt manchmal unter den Dimensionen des Opernhauses.
In: Arbeiterwille (Graz) 11.3.1925, S. 3-4.
Hermann Menkes: Romako, Kokoschka, Masereel (1924)
Drei Ausstellungen
Ein Malergenie und ein ganz besonderer tragischer Fall, das ist Anton Romako. Ein „verrückter Maler mit verrückten Bildern“, mit diesem Stigma verbrachte er in Wien die letzten unglücklichen Jahre seines Lebens. Und weit über seinen 1889 erfolgten Tod hinaus dauerte sein Bekanntsein, dieses uns jetzt unbegreifliche Unverständnis seiner offenkundigen Genialität gegenüber. Romako brauchte ungefähr ein Vierteljahrhundert nach seinem Dasein, um in der österreichischen Kunstgeschichte den Platz zu erreichen, der ihm schon während seiner ersten Schaffensperiode zugebilligt werden mußte. Jetzt bricht sich die Ueberzeugung durch, daß wir in ihm unser stärkstes malerisches Temperament besaßen, einen Koloristen von unerhörter visionärer Kraft, die ihn oft in die Nähe eines Tintoretto, aber auch der großen französischen Impressionisten brachte. Die Tragik seines Künstlertums lag in erster Reihe darin, daß er der Zeitgenosse von Makart war, dessen blendende Malerei die seine eine Zeitlang zu verdunkeln vermochte. So wurde Romako von den Kunstvereinigungen zurückgewiesen, vom akademischen Geist der tonangebenden Kritik abgelehnt, vom Publikum verhöhnt. Ein tragischer, aber auch ein beschämender Fall, der sich in Wien leider zu oft wiederholte. Romako war ein bahnbrechender Revolutionär, ein rastloser Sucher nach malerischen Ausdrucksmitteln und vor allem ein unsteter Geist, und das alles mußte er in schwerster Weise büßen. Ganz verzweifelt in grauenhafter Armut machte er seinem Leben durch Selbstmord ein Ende.
Dr. Oskar Reichel erzählt vom Auf und Ab dieses Lebens im Katalog zu der nahezu sechzig Werke umfassenden Ausstellung im Kunsthause Würthle. Vom glanzvollen Aufstieg Romakos während seines vieljährigen italienischen Aufenthaltes und den Pariser Auszeichnungen wird berichtet. Nach dieser glückvollen Episode und einem blühenden Schaffen kamen die Wiener Unglücksjahre. Sie begannen mit einer verfehlten Ehe und einem vergeblichen Ringen um die bescheidenste Anerkennung. Kein Mensch wollte seine Bilder kaufen, die er um fünf Gulden das Stück in einer von ihm selbst veranstalteten Auktion anbot. Seine Armut wurde so groß, daß er in einem Frack, dem einzigen Kleidungsstück, das er noch besaß, herumlaufen mußte. Und man versagte sich diesem früheren Porträtisten von Königen und Kirchenfürsten. Er war dem traditionellen Geschmack eben nur ein verrückter, neuerungssüchtiger Maler. Jetzt besitzt unsere moderne Belvederegalerie eine große Anzahl seiner Meisterwerke und vieles, vieles ist in Wiener Privateigentum übergegangen. Wenn Romako irrsinnig war, woran kein Mensch mehr glaubt, so war er ein verrücktes Genie. Und das wollte noch vor zwanzig Jahren in Wien kein Mensch zugeben.
Dieses Schaffen war für die verhältnismäßig kurze Lebensdauer Romakos ungewöhnlich reich. Sein Werk umfaßt ungefähr 1500 bis 2000 Bilder. Darunter selbstverständlich manches Minderwertige als Anpassung an den damaligen Publikumsgeschmack. Er, der den Impressionismus genial vorausahnte, blieb von einer vergänglichen Zeitmode nicht ganz unberührt. Aber nicht unbeeinflußt auch von Marées-Stimmungen, von Feuerbach und den Franzosen. Er war kein „bodenständiger“ Künstler, sondern als solcher ein Weltbürger. Und trotz mancher Verwandtschaft und Beziehung gab er im Besten seines Schaffens eine eigene Anschauung, eine ganz eigene, ganz starke Note. Er sah und erlebte in Farben von seltener Magie, verfügte über eine eben so starke Gestaltungskraft. Er war Romantiker wie lebensstrotzender Realist, konnte sich in die künstlerischen Geheimnisse der klassischen Meister Italiens wie in die Welt Rembrandts hineinfühlen, ahnte aber auch schon die späteren Entdeckungen eines Manet, Rivoir und Courbet in vielen Darstellungen voraus.
Man ist von der Sinnlichkeit seiner Farbe, seinen flimmernden Visionen und von all den Finessen und Schönheiten fasziniert, wenn man die Ausstellungsräume betritt. Er malt zu weilen ein menschliches Gesicht mit einer solchen Fülle von Vitalität, mit so blühendem Inkarnat, als ob er ein Nachkomme von Tizian wäre, mit einer solchen Einfühlungsfähigkeit wie ein nächster Verwandter Leibls. Man sehe sich daraufhin seine Schwabach-Bildnisse, das Porträt der Kaiserin Elisabeth, der Frau Stern, von Sophie und Luise Romako und eines Sängers an. Das klassische Italien ist in bezaubernden Farbenstimmungen und Linien in seinen Bildern wie in den eines Marées. Ruhevoll hier, ist er anderwärts von vibrierender Nervosität, immer ein Bekenner seines Phantasie- und Innenlebens, immer bezwingend, ob er in der Wirklichkeit sich bewegt oder über diese hinausgeht.
Oskar Kokoschka, von dem Werke aus verschiedenen Abschnitten seines Schaffens im Künstlerhaus, in der Sezession wie in einer ganz ihm gewidmeten Ausstellung in der Neuen Galerie zu sehen waren, hat sich eines bedauerlichen Vorfalls wegen in einem veröffentlichten Brief in etwas brüsker Weise von Wien und seinem Publikum losgesagt. Wohl ist es zu seinen Anfängen auch ihm gar arg in Wien ergangen. Aber er gehört längst nicht mehr zu den verkannten Oesterreichern, mag auch eine Beurteilung, die virtuoses Handgelenk oder gar nur zeichnerische Korrektheit mit Kunst verwechselt, auch jetzt noch ablehnend sich ihm gegenüber verhalten. Dieser eigenwillig neurasthenische Künstler hat das Verständnis auch dem Willigen schwer gemacht, wie seine eigene Entwicklung es gewesen. Kokoschka hat in schwerem Ringen durch Stile und künstlerische Zeiteinflüsse sich erst durchschlagen müssen, ehe er zu seiner harmonischen Synthese und zu einer rein persönlichen Kunst gelangte. Lange haben die verschiedensten Elemente vom Kubistischen bis zum Expressionismus seinem Schaffen den Charakter des Experiments verliehen. Ein pathologischer Einschlag, die Neigung zum charakteristisch Häßlichen, machte dem ästhetisch Befangenen seine Kunst nur schwer zugänglich. Kokoschka setzt jetzt noch alles Gestaltete ins Morbide um. Seine Reize fließen aus der Linie oder der Farbe. Mit dem koloristischen Medium hat er am längsten gerungen, ehe er zu seiner jetzigen Noblesse und Ausdrucksfähigkeit gelangte. Ein Beweis hiefür ist sein einst vielumstrittenes „Stilleben mit dem Hammel“, das noch in einem koloristischen und gegenständlichen embarras de richesse schwelgt und in dieser Nuancenüberfülle verwirrt. Aber wir wissen heute, daß er in seinen Bildnissen ein tiefgründiger Seelendeuter ist, auch wenn er aus eigener Verfassung vieles in seine Darstellung hineinfließen läßt; daß seine Malerei eine ungemein vergeistigte, seine Farbenvision von magischem Reiz ist. Oft erreicht seine Koloristik die große Noblesse eines Velasquez. Ueberaus geistvoll ist seine lineare Eleganz, so besonders in seinem mit vielen ornamentalen Wirkungen verbundenen „Irrenden Ritter“. Da, wie in einigen seiner eindrucksvollen wie reizenden Frauen- und Kinderbildnisse ist bereits der gefestigte, synthetische Stil eines ganz individuellen Meisters. Ein Glanz, den allerdings nur ein ebenso verfeinertes Auge wahrnimmt.
Frans Masereel, der niederländische Künstler, der mit einigen Bildern, vielen Zeichnungen und Holzschnitten im graphischen Kabinett der „Bukum“ jetzt repräsentiert wird, ist, wenn auch am hervorragendsten im Holzschnitt und im Zeichnerischen von einer Größe und Vielfältigkeit des Ausdrucks und einer fast religiösen Inbrunst, daß wir in ihm einen der großen europäischen Meister unserer Tage zu sehen gezwungen sind. Die Stärke und Innigkeit seines Gefühls ist wie aus der Welt Memlings, seines großen Vorgängers. Dieser jetzt sich in das tiefe Mitleid mit allen Beladenen und Mühseligen um und selbst das Laster wird unter seiner Hand zu reiner, leidender Menschlichkeit umgewandelt. Masereel gibt in seinen Holzschnitten und Zeichnungen die tragische Epopöe unserer an Elend so reichen Zeit. So überwältigend ausdrucksvoll ist seine bis ins Minuziöseste gehende Handschrift, daß er in einer textlosen Bilderfolge Lebensdramen und Romane zu geben vermag, wie in seiner soeben im Verlag Kurt Wolff, München, erschienenen „Passion eines Menschen“ (25 Holzschnitte), ein Werk, das man mit ebenso tiefer Ergriffenheit wie mit hohem künstlerischen Genuß durchblättert. Aber Masereel ist nicht nur der große Verkünder tiefen Menschenleids, er verfügt als Zeichner auch über die genial markante Linie eines Toulouse Lautrec. Es scheint, daß er bei einer erstaunlichen Produktion eine unerschöpfliche Phantasie besitzt, und seine Kunst ist gleich stark in der Darstellung des Intimen wie Monumentalen, in der Sphäre des Elends wie in einer mondänen Welt. Und sie ist in sparsamer Andeutung so großzügig und von technischer Brillanz, wie in seiner wundersam feinen und stilvollen Akribie. In seinen wenigen Bildern ist seine Farbe weniger Ausdrucksmittel als Ergänzung: ein noch äußerliches Element.
In: Neues Wiener Journal, 28.10.1924, S. 4-5.
Franz Blei: Das Geheimnis der Liebe (1928)
Erotisierung der Mode
Jemand hat bei der heutigen Frauenmode an eine, was die Verkleinerung der erotischen Oberfläche betrifft, ganz ähnliche Mode erinnert, die Sansculotte und das Directoire, die unmittelbar auf eine Mode folgten, die sich in der Vergrößerung der erotischen Oberfläche nicht genug tun konnte. Und er brachte diese verringerte Reizwirkung des weiblichen Körpers, von dem viele Partien als erotisch nicht mehr wirksam freigegeben werden, da und dort mit den Kriegen in Zusammenhang. Der Mann verliere im Kriege, also in bloßer Männergesellschaft, die Geduld, sich bei Kleiderbarrieren aufzuhalten, ebenso sehr wie die Sensibilität, die das Vorher verlange. Er werde stürmischer, brutaler, sexueller. Und die Frau folge dem Wink solcher andern männlichen Einstellung, gebe alle Außenposten wie Fuß, Fußknöchel, Wade, Arme, Nacken, Busen durch Unbedeckung als nicht mehr erotisch wirkend preis. Auch das Haar, das sie sich kurz schneide wie in der Directoirezeit. Es bleibt als das Bedeckte, weil allein noch Anziehende, nur mehr das Geschlecht und seine nächste vordere und hintere Umgebung übrig.
Vielleicht ist das so. Vielleicht ist die Krinoline, also ein Maximum an erotischer Oberfläche der Frau, friedlichen Zeiten eigentümlich, die Zeit haben, sich einer Erotisierung hinzugeben, wie es das Ancien régime tat und das zweite Kaiserreich. Gewiß ist der heutige Mann von zwanzig bis dreißig weit weniger mit der Frau und seiner erotischen Beziehung zu ihr beschäftigt, als er es zu irgendeiner Zeit war. Und umgekehrt, was aber nicht Rückschlag bedeuten muß. Es könnte die Frau aus Ermüdung an dieser etwas steril gewordenen Rolle ganz von sich aus das alte Kostüm abgeworfen haben, nicht weil sie Sport treibt oder einen Beruf ausübt oder aus sonst so praktischen pragmatischen Anlässen, sondern weil sie es einfach müde ist, oder weil sich nicht lohnt, oder aus Mangel an Phantasie, oder weil sie den raschen Wechsel des Genusses einer Dauer vorzieht, die einige Anstrengungen verlangt. Oder weil dieser merkwürdige Männerfall eines vierjährigen Krieges die Akten dieser ganzen Angelegenheit so in Unordnung gebracht hat, daß man besser die Geschichte so adamitisch von vorne anfängt, als es die Polizei erlaubt. Denn daß heute die Frau, setzte es die Mode gegen die Polizei durch, auch splitternackt gehen könnte, daran ist nicht zu zweifeln.
Wenn die Pfarrer aller Konfessionen genau wüßten, wofür sie da sind und was in ihren Theologien steht, müßten sie diese Enterotisierung des weiblichen Körpers, wie sie kürzester Rock und kurzes Haar ausdrücken, mit allen Sympathien begleiten. Wie es jeder saubere Mann und jede saubere Frau tut. Daß die Pfarrer das Gegenteil tun, verrät nur eine etwas trübe Sinnlichkeit, die immer in einer schwülen Wolke wandelt. Oder eine so große berufsmäßige Fremdheit, daß schon das bestrumpfte Knie einer Frau genügt, ihnen das Blut in den Kopf zu treiben. Aber schließlich sind nicht die meisten Menschen Pfarrer und leben in einem natürlicheren Ablauf ihres funktionellen und emotionalen Lebens. Schon die durchaus fehlende Kompetenz sollte jene, die aus Gelöbnis nie eine Frau berührt haben, noch berühren werden, davon abhalten, hier ein Urteil zu haben, außer ein ästhetisches. Aber man könnte auch sagen, es liege den Kirchen sehr viel an diesen erotischen Reizmitteln und sei nur ihr Wort falsch, wenn sie einem jungen Mädchen predigen, es sei sittlich, sich das Haar zu Zöpfen wachsen zu lassen. Und sei, was sie in Wahrheit meinen, dieses, daß die Frau keines ihrer Reizmittel aufgeben dürfe, um den Mann zum Geschlechtsakt zu bringen, mit Kinderfolge natürlich. Aber es dürfte eine vergebliche Predigt sein wie immer. Nach Vorstellungen, und seien sie auch von Händeringen begleitet und der Bedrohung mit Höllenstrafen, hat sich das Leben noch nie gerichtet. Weil es dann rational wäre, also nicht wäre.
Die Phantasie der Umarmung
Es ist in der sich verhüllenden und oft auch noch verhüllten Materie jener Affekte, welche man insgesamt die Liebe nennt, nicht zum Nachteil dieser Affekte, wenn sie in eine mentale Kohärenz mit den andern Äußerungen des Lebens gestellt werden oder mindestens der Versuch dazu immer wieder gemacht wird und von jedem. So verschieden sich auch ein jeder das Erlebnis der Liebe nach der Art seines geistigen Habitus integrieren wird, bleibt die Bedeutung dieses Erlebnisses, an dem immer zwei beteiligt sind, auch dann bestehen, wenn der Betroffene nachher nur dieses davon hat, daß er sagt: „Das ist alles?“
Wer mit diesem Sprung sich auf die Klippe seiner Geistigkeit rettet, der hat, ganz unsentimental geboren, keinerlei Anstrengungen gemacht, jenen lyrisch-pathetischen Mythus der Liebe zu schaffen, der rechtfertigt, daß sich das Fleisch in Nehmen und Geben ohne jede Scham gebärdet oder doch ohne jene soziale Scham, welche die falsche ist. Denn die echte Scham ist eine ganz geistige Qualität und unbesiegbar.
Die Schöpfung dieses rechtfertigenden Mythus der Liebe ist immer jedes Betroffenen eigenstes Werk. Die eigene Liebesangelegenheit wird man immer so logisch finden wie idiotisch die andere, die man mit kühlem Auge ansieht. Die Menschen wissen das und vermeiden es, sich vor aller Augen zu lieben. Auch alle Institutionen, die sich in Staat und Gesellschaft gegeben haben, sind wenig freundlich dem menschlichen Vergnügen gegenüber, außer in dem einen Falle, wo die Gesellschaft die Liebe anerkennt und mit den heute etwas komischen Formalien als Zeichen dieser Approbation begleitet. Welche Approbation die Liebespaare dennoch immer wieder suchen, weil sie, wie es scheint, erfreut und erschüttert sind, das ihnen nun die ganze große Gesellschaft alles erlaubt und sie dazu anfeuert, wo sie sonst verbietet. Aber selbst hier wird für den dritten das „junge Ehepaar“ immer etwas komische Vorstellungen auslösen. Und auch das Paar selber kommt sich etwas geniert und lächerlich vor, mitten auf dem ausgeräumten Platze zu stehen, den in weitem Kreise die Zuschauer umgürten. Aber ist ehrend zugleich.
Es gibt keine menschliche Umarmung, die ohne Phantasie zustande käme. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß die Ehelichkeit des Pares solche Phantasie-Bestandteile enthält und daß daraus ihre Dauer als Institut kommt, trotzdem die mißglückten Ehen oder was man die unglücklichen nennt, an Zahl die andern übertreffen dürften. Unter den vielen Gründen mißglückter Ehen ist nur ein einziger in Hinsicht auf die wesentlichen Konsituentien bemerkenswert: wenn sie aus sinnlichem Appetit, aber mit schwachen Sinnen geschlossen sind. Denn schwache Sinne werden diese nötige Phantasmagorie des Geistes nicht erzeugen, ohne welche der Mythus der Liebe nicht zustande kommt. Solche Liebesleute hätten richtiger getan, ganz auf ihre Sinne zu verzichten und aus nichts als praktisch-sozialen Gründen zu heiraten. Was sie da in ihrem dunklen Schlafzimmer treiben, ist so erbärmlich, wie das Kind, das sich solchem Schoß entwindet und auch bei geraden Gliedern eine Mißgeburt ist. Pastorsfrauen, die von der Vorstellung, daß ihre Sinne brennen sollen, schockiert sind, seien erinnert, daß sie sich doch mit dem Gebären und Aufziehen ihrer Kinder eine leidenschaftliche Arbeit machen – warum nicht mit dem Erzeugen?
Die kurzen Werke des Fleisches über das Geistige zu setzen – man hält das für antikisch und damit für das rechte und schöne Leben. Natürlich hat man in keiner Antike und in keinem Heidentum je so gelebt oder solches Leben als das rechte und schöne auch nur gedacht. Das sind so Rokoko-Vorstellungen. Wie in der Revolution der Brutus für das Sinnbild einer republikanischer Würde stand. Es gibt keinen Liebhaber, den nach getanem fleischlichen Werke die Küsse seiner Geliebten auch nur um eine Stunde länger zurückhalten könnten als er mag. Frauen, die sich das anders einreden lassen, werden um ein hysterisches Schmachten und Augenverdrehen jene Luzidität verlieren, die auch der Akt der Liebe bewahren muß, um effektiv zu werden. Diese trüben Spasmen der Bacchantin widersprechen der Eurhythmie eines schönen Leibes, und dem vollendeten Musikwerk des Aktes hat nicht das Geseufze und Gekratze der Instrumente zu folgen, – Noten, im Spiel vergessen und jetzt nachgeholt.
In: Die Bühne (1928), H. 206, S. 23f.
Else Feldmann: Hof im Allgemeinen Krankenhaus (1924)
Letzte Sonnentage. Wenn man von draußen kommt, von der Straße, von der Welt, fühlt man einen Augenblick die beklemmende Stille. Draußen geht das Leben weiter: man hört die Signale der Straßenbahn und der Autos, den Lärm und die Erregung der Menschen dringen durch das offene Tor herein, Zeitungen werden ausgerufen …
Hier, auf den Betten unter den Bäumen liegen die Kranken. Vielleicht der letzte Sonnentag!
Das Laub fällt langsam, zärtlich auf ein todbleiches Gesicht. Eine junge Frau sagt zur Krankenschwester: „Die Natur ist gut, die Natur ist gerecht: im Herbst muß alles sterben, alles geht zugleich zur Ruh. Das Leben der Menschen ist nicht gut, nicht gerecht: die einen müssen dahin, während die andern blühen und leben …“
Die Schwester gab ihr eine Injektion. – – – Das Leben der Menschen ist nicht gut. –
Eine alte Frau kam mit Blumen. Die Frau war noch gar nicht so alt, sie sah nur so unendlich traurig aus. Einen kleinen Strauß hatte sie in der zitternden Hand, draußen bei der Blumenfrau gekauft; eine ganz dunkelrote Rose, zwei gelbe, zwei rosa und zwei rote Nelken, eine große weiße Aster und ein wenig Farrenkraut; das Ganze war schändlich auf Draht gezogen.
„Dort liegt Ihre Marie“, rief ihr die Schwester zu. Sie ging zu dem Lager der Marie. Die schrie leise auf. Das war nicht mehr ihr Kind, so mager, so dünn, so bleich, ein ganz kleines bläulichweißes Gesicht; nur die blonden Haare waren noch jung und lebendig. Die Mutter legt die Blumen auf das Bett in die bleichen, papiernen Hände, und sie weint nicht, sie sieht nur immer auf ihr Kind und sagt: „Marie, aber Marie …“
Zwei Ärzte gehen vorüber in weißen Mänteln, rauchen Zigaretten, plaudern. Auf den Bänken sitzen junge Burschen, Kinder mit amputierten Beinen; die Krücken stehen neben ihnen.
Der Wagen mit dem Essen fährt die Allee hinauf.
Der Herr Professor ist im Auto angekommen, begibt sich in seinen Saal. Aus der Ambulanz hört man kurze, durchdringende Schreie. Man sieht durch das offene Fenster Blut und Knochen.
In der Herzabteilung ist es ruhig, lautlos. Die Kranken liegen unter Decken, das Atmen ist ihre schwerste Arbeit. Ihre Augen sind wie weltentrückt. Wenn Besuch kommt, ein Vater, eine Mutter, ein Sohn, ein Bruder, schweigen sie meist – Reden strengt sie an und die Mutter oder der Vater sagt sogleich: „Sag‘ mir nichts sei nur still.“
Im Park vor der Augenklinik stehen die armen galizischen Flüchtlinge, mit der schweren ägyptischen Augenkrankheit, dem Trachom. Ein alter Jude, fast blind, steht angelehnt an einem Laternenpfahl. Er ist aus Sadogora und ganz allein. Er trägt einen breiten grünen Schirm; seine Augen sind rettungslos verloren.
Und noch ein paar aus dem Kriege sind da. Nachzügler. Sie schleppen sich seit Jahren von Spittal zu Spittal. Nimmer können sie genesen. Jetzt, da sie die Sonne sehen, die sie warm anscheint, sind sie übermütig. Sie haben eine Mundharmoniker, einer hat eine Okarina, sie spielen, pfeifen, trällern Lieder und machen das schönste Konzert – aber nur gedämpft – alles ist hier gedämpft, ein Krankenhaus – stille – Kinderlein, still. Wollt ihr lachen, ihr genesenen Soldaten, obgleich ihr starken Schaden genommen habt? Bei dem einen sieht man die Schulter-, bei dem andern die Kopfprothese … Ein Vorübergehender hat ihnen die heutige Zeitung geschenkt. Welch ein Geschenk! Der eine liest lachend vor: „Drohender Eisenbahnerstreik in England.“ Er wirft die Zeitung hin. Alle schauen einem Dienstmädchen nach, das mit ihren Milchkannen dahintänzelt, sich umdreht und lacht.
„Habt ihr gesehen,“ fragt der eine, „wie sie gelacht hat?“
„Was willst?“ sagt der mit der Schulterprothese – „wir sind Krüppel.“
Am sonnigsten Platz, mitten im trockenen Herbstrasen sitzen auf den kleinen Klappsesselchen die Schwangeren. Sie leben hier in den Tag hinein und warten auf die Geburt. Dienstmädchen, ledige Frauen; manche sind hübsch und sorglos, der Leichtsinn der Jugend schaut ihnen aus den Augen. Andere aber wieder sitzen da in Schwermut und Verzweiflung. Eine ist ganz zerknirscht und weint den ganzen Tag. Sie fragt immer, ob kein Brief für sie da sei. Drüben geht das Sterbeglöcklein – die Schwangere seufzt, sie weint. Dunkel ist der Tod – dunkel ist das Leben …
In: Freie Stunden. Beilage zu „Die Frau“, Nr. 10, 1924, S. 1.
Joseph Gregor: Mayerhold (1927)
Joseph Gregor: Mayerhold
Die Erscheinung des Theaters von Mayerhold – zweifellos die bedeutendste des ganzen modernen russischen und vielleicht europäischen Theaters – ist nicht frei von Ironie. Mayerholds Vorstoß, um zu den reinen Elementen des Theaters zu gelangen, ist noch weit energischer: führte der Tairoffs ins Barocktheater zurück, der Wachtangoffs ins Shakespeare-Theater, so befinden wir uns bei dem Mayerhold in der Gegend des klassischen Theaters und des Mimus. Seine Räumigkeit des Theaters ist die größtmöglichste: für ihn ist jedenfalls auch Tairoffs Raumkonstruktion nur Kulisse und so spielt er ohne Vorhang vor dem leeren Bühnenhause. Man denke aber nicht, daß damit auf die verschiedenen Raumwertigkeiten, wie sie die Bühne gewährt, verzichtet sei: Ausgangsebene ist meist eine kreisförmige oder oblonge Orchestra („Der Lehrer Bubus“, „Mandat“, „Der Revisor“), die eine Rückwand besitzt (im ersten aus Stäben, im zweiten und dritten aus politierten* Flächen). Durch diese Maßnahme wird endlich erreicht, den Schauspieler tatsächlich räumlicher, von verschiedenen Seiten beschaubar zu machen. In der Tat erlauben sogar schon die hier beigebrachten Figuren, sich von der großen Plastik der menschlichen Erscheinungen und Gruppen jedenfalls der größten, die je auf einer Bühne erreicht würde, zu überzeugen. Wird nur das Bühnenhaus mit seinen Rohwänden verwendet („Der Wald“, „Die Erde bäumt sich“, „Tarelkins Tod“, „Die Morgenröte“), so dient ein konstruktiver Aufbau auf der Bühne dazu, die in Gefahr stehenden Raumwertigkeiten wieder zu gewinnen. Öfters so deutlich, daß er in einem Anlauf vom Proszenium bis hoch über die Bühne führt („Der Wald“) oder daß praktikable Gerüstaufbauten errichtet werden („Die Erde bäumt sich“), auf denen sich Vorgänge abspielen können. Es ist also in jedem Falle vorgesorgt, keinen Teil des an sich leeren Bühnenraums unbeschäftigt, ungespielt zu lassen. Doch mehr als das. Die von Mayerhold angewandten Konstruktionen sind im Gegensatze zu den in dieser Untersuchung mehrfach genannten nicht fix, sondern beweglich. Die ganze Fallenkonstruktion in „Taraelkins Tod“ ist fahrbar, die Maschinerie in „Der großmütige Hahnrei“ ist in Gang zu setzen, im „Revisor“ fährt die ganze geneigte Spielfläche mehrmals auf die Bühne hinaus und verschwindet wieder. Bewegliche Wände, („Trust D. E.“), Flächen, die eigentlich Drehtüren sind, die Verwendung allerlei wie immer gearteten Vehikels ist keine Seltenheit. Zu dieser außerordentlichen Beweglichkeit und turnerischen Grazie seiner Schauspieler – was nicht wundernehmen kann, da sie so stark im Blicke stehen – gesellt sich die bewegte Dekoration. Es herrscht ein wahrer horror quietatis, ein Abscheu vor der Ruhe, das Theater in Bewegung.
Man kann nicht annehmen, daß dieses System nur zufällig sei oder einer billigen Sensation entsprechen würde. Dagegen spricht seine ganz außerordentliche starke Wirkung und der hohe Ernst seines Autors. Es ist vielmehr nichts Geringeres beabsichtigt, als den Ausdruck des Spiels statt im Bilde und in der Stimmung, statt in der Rede und in der Beleuchtung in der Bewegung zu finden, motorischer Symbolismus. Für dieses Theater wäre beispielsweise eine Abendstimmung nicht in den üblichen Beleuchtungsszenarien zu suchen, sondern in den Reihen der müde aus den Fabriken heimgehenden Arbeiter, eine Morgenstimmung im machtvollen Ausschreiten eines zuversichtlichen, erwartungsvollen Chores. Tatsächlich ist beides bei der Inszenierung der „Morgenröte“ Verhaerens in dieser Weise aufgefasst worden. Chorischer Ausdruck ist also die notwendige Ergänzung des tänzerisch-turnerischen des Schauspielers, wird in dieser ein Prinzip des Minus, so in jener gewiß eines der leider verloren gegangenen mimischen Anweisungen des antiken Chores erreicht.
Es wird sich lohnen, eine ganze Inszenierung Mayerholds auf diese Prinzipien zu untersuchen, um deren wechselweise Anwendung und Anschaulichkeit kenntlich zu machen. Wir wählen einen Fall, von dem als einer Art, Gradmesser der russischen Bühne schon mehrfach die Rede war, den „Revisor“, und gehen das Stück analytisch auf die eben genannten Elemente ebenso durch, wie sie nacheinander zum Bewußtsein des Beschauers treten.
Mayerhold spielt den „Revisor“ vor der genannten Wand hochglanzpolitierter Türen. An Stelle des eliminierten Vorhangs tritt das Licht; nach akustischen Anfangszeichen erfolgt das Aufleuchten der meist ungedeckten Scheinwerfer, es erscheint, auf Rollen hereingeschoben, die kleine, geneigte Spielfläche, mit der für alle im Interieur spielenden Szenen das Auslangen gefunden wird. Einige Möbelstücke, Kasten, Chaiselongue, Fußschemel, stellen auf dieser Spielfläche für diesen Fall den Eindruck eines Zimmers der gewünschten Zeit her. Die außerordentliche Enge, die insbesondere bei der Verwendung größerer Gruppen entsteht, ist deutlicher räumlicher Symbolismus, in ihr findet die Begriffsenge des Milieus ihren, wenn auch sehr naiven, immerhin aber für die große Masse schlagkräftigen Ausdruck. Aus dieser Kleinformung der Szene ergreift aber der Regisseur jeden sich bietenden Anlaß, um zu der gewohnten Großformung zu greifen; als erster bietet sich die Heimkehr Chlestakoffs nach dem Frühstück dar, die als Freilichtszenerie, über die ganze Breite der Szene, längs einer hereingeschobenen Barrière gespielt wird, auf deren einer Seite der falsche Revisor, auf deren anderen die devoten Begleiter in fortwährendem Auf und Nieder begriffen sind. Natürlich liegt der Ton auf diesem motorischen Moment. Desgleichen wird, im fortwährenden Alterieren mit der engen Interieurszene – ein Motiv besonderer Wirkung – natürlich auch die Übergabe der Gesuche und das Vertreiben der Bittsteller des Städtchens sehr breit motorisch durchgeführt. Schließlich sogar die Bestechungsszene, mit dem gespensterhaften Motiv der vielen Türen, aus denen immer wieder Personen sichtbar sind, Hände mit zerknüllten Banknoten greifen usw. Damit übergeht für Mayerhold das Stück schon von dieser Szene an in die pathologische Atmosphäre, die für den Schluß auch dem Autor nicht unerwünscht war. Nach der Schlußrede des Polizeimeisters an das Publikum beginnen die Figuren des Stückes Hand in Hand, in langer Reihe, von der Szene hinab ins Publikum zu schwirren, umkreisen turbulent das ganze Haus, bis der Zuschauer gewahr wird, daß sie verschwunden und auf der Szene eine Reihe von Wachspuppen übrig geblieben sind, verfallen, abgetötet, aber genau im Kostüm und den Haltungen der Darsteller.
Wir leugnen nicht, daß sich die hier verbergende Symbolik, die für den Leser unserer Untersuchungen jetzt schon bereits Schritt für Schritt erkannt werden wird – bildlicher, räumlicher, motorischer Symbolismus – recht naiv ist, daß sie gar keinen Vergleich aushält mit hohen optischen oder akustischen Symbolismus einer Aufführung Stanislawskis; sie ist aber, insbesondere wenn an ein Massenpublikum gedacht wird, wirksam und theatralisch richtig. Auch die Symbolik des antiken Theaters war naiv, auch bei diesem der Wunsch, auf eine zu Tausenden zählende Zuhörerschaft zu wirken, für die jede andere als eine deutliche, gegenständliche Aktion unverstanden geblieben wäre. Naiv und motorisch ist ferner der Symbolismus der ganzen simultanen Spielweise des Mittelalters, wo an einer Spielstraße, an Häusern, denen bescheidener Raumsymbolismus anhaftet, – Haus des Kaiphas, Ort der Dornenkrönung usw. – in fortdauernder Bewegung gespielt worden ist.
Diese Bemerkung müssen leider genügen, um die fortschreitende Analyse erkennen zu lassen, die auch das Theater Mayerholds bietet. Mit dem Wegfall der Bühne ergab sich die Notwendigkeit des Aufsuchens anderer symbolischer Kategorien, die geschichtlich ganz folgerichtig in einer Zeit gefunden worden sind, die gleichfalls keinen dreiseitig begrenzten Bühnenraum kannte. Die Rückkehr Mayerholds zum Mimus, also einer Theaterform der hellenistischen Zeit, ist oft bemerkt worden, es führt jedoch nur ein Schritt zur Rückkehr zu den Tänzen und Bewegungen des Chors, also zu einem Element der klassischen Zeit selbst. Ebenso sind die Aufbauten der Bühne beweglich gestaltet – man vergleiche im Gegenteil die fixen Aufbauten Tairoffs, zum Beispiel des „Gewitter“ – um auch darin keinen „toten Punkt“ und die weitestgehende Möglichkeit der Raumausnützung zuzulassen. Auch werden diese Aufbauten technisch einfacher gehalten, Räder, Anläufe, Kreisel, Gitter, durchbrochene Treppen, um überall ihren symbolischen, flüchtigen Charakter zu betonen und nirgends eine die motorische Freiheit der Szene sperrende Verbauung zuzulassen. Das räumliche Symbol wird also als gefährlich befunden und in strenger Antithese zu Tairoff abgelehnt, die Bühnenumrahmung, der „Guckkasten“, nach mehr als vielhundertjähriger Geltung vom offenen Theaterraum wieder abgelöst.
Aus dem im Amalthea-Verlag erscheinenden Werk über die russische Theaterkunst von Joseph Gregor und Renée Fülöp-Miller.
In: Die Bühne (1927), H. 163, S. 24ff.
Jonny, der Jazz, die Opernbühnen und die Menschen (1927)
Jonny, der Jazz, die Opernbühnen und die Menschen
Ein Gespräch mit Ernst Krenek
Wir sitzen im menschenleeren Spielzimmer eines Ringstraßen-Cafés, von fern klingt das einförmige Geräusch des Betriebs in die ‚Einsamkeit‘. „Sehen Sie“, sagt Krenek, „diese Selbstverständlichkeit, mit der wir hier unseren Kognak trinken, diese unkomplizierten Vorgänge, wie der Kellner uns bedient, wie wir zahlen, wie wir aufstehen, wie wir von unseren Mitmenschen behandelt werden, die innere Zweckmäßigkeit, die unseren Alltag durchpulst, war es vor allem, die in mir die Idee des Jonny reifen ließ. Vier Jahre sind es her, als die ersten Umrisse der Handlung in meinem Innern sich verdichteten, als die Figuren aus dem ungeformten Nichts in meine Welt traten. Ich habe eine große Wandlung, eine grundlegende Umstellung meines Ich, meines Empfindens, meiner Anschauungen über Kunst, Leben und Menschen durchmachen müssen, ehe ich an die Ausführung des Werkes schritt. Und von da an bis zum Abschluß der Dichtung und der Komposition war noch ein weiter Weg.
Ein Wust von Mißverständnissen hat den weiten Weg des ‚Jonny‘, der über neunundfünfzig Bühnen innerhalb eines Jahres gegangen ist, begleitet. Und weniger die wenigen ablehnenden Stimmen, als vielmehr die der Wohlwollenden, der ehrlich Begeisterten, haben dazu beigetragen, dieses Werk und meine Einstellung zu ihm, überhaupt meine ganze Einstellung als Komponisten, vor der breiten Öffentlichkeit in ein durchaus falsches Licht zu rücken. Man stempelte mich kurzerhand zu einem Erfolgskomponisten, zu einem Artisten, der, mit besonderen Bühnenkenntnissen ausgerüstet, eine Revue geschrieben hat, in der es nicht um ein Erlebnis, sondern nur um den Publikumserfolg geht.
Das ist falsch. Aber ich kann mich gar nicht darüber erregen, wenn ich die Dinge betrachte, wie sie gekommen sind. Denn auch ich war vor meinem Pariser Aufenthalt1 der einen entscheidenden Einschnitt in meinem Leben bedeutet, auf einem ähnlichen Standpunkt, wie das deutsche Publikum und – auch die Kritik bis zu den ersten Musikschriftstellern hinauf. Auch für mich war früher die Idee eines Kunstwerkes das Primäre, dem sich alle anderen Faktoren, der Theaterapparat und die Menschen, zu beugen hatten. Das ist deutsch.
Nach jenem erwähnten Pariser Aufenthalt aber, als ich zum Theater kam und Kapellmeister und Dramaturg in Kassel und später in Wiesbaden wurde, als ich an der lebendigen Theaterarbeit teilnehmen durfte, als ich die unsagbaren Klüfte zwischen den Werken und den tatsächlichen Erfordernissen der Bühne sah, und weiters die Divergenz zwischen dem Resultat der Bühnenwirkung und der tatsächlichen Empfindungswelt des naiven Publikums, empfand ich den Wunsch, ein Werk zu schreiben, dessen Anlage von vornherein all diesen Hindernissen Rechnung trug, sie ausschloß. So ist mein ‚Jonny‘ förmlich auf der Bühne entstanden, das Erlebnis von früher ist durch das spätere abreagiert.
Ich habe viel und oft über die Jazzattrappe dieser Oper sprechen und schreiben müssen. Erlassen Sie es mir diesmal. Jeder Einsichtige wird erkennen müssen, daß in einer Welt der Selbstverständlichkeit, der Einfachheit und Zweckmäßigkeit, in der meine Oper spielt – und wozu sollte ich auch eine fremde, griechische oder orientalische, oder historische Atmosphäre aufbieten, um vom Publikum ein unnötiges Plus an Umstellung zu verlangen? – der Jazz ein Bestandteil ist wie ein Tisch, ein Smoking und andere Requisiten.
Aber der deutsche, so stark im Spekulativen, im Theorem befangene Geist hat eine Weltanschauungssache aus dem Ganzen gemacht. Schlagworte, nichts als Schlagworte, die mich begleiten!
Dieser Hang zum Schweren, Gründlichen, Ethischen, zur Doktrin, zur Philosophie, hat bekanntlich auch das deutsche Theaterwesen gründlich infiziert. So haben gerade mittlere Opern und kleine Opernhäuser wie Leipzig, Hamburg, Mainz, Mannheim, Frankfurt, Wiesbaden usw. mein Werk glänzend herausgebracht, weil man ohne viel Spekulation die sehr wichtigen Regievorschriften beachtet hat. In Berlin hingegen, an einer der größten Bühne
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des Reichs, tat der Regisseur zu viel des „Guten“ und das Resultat war eine Überinszenierung, die der ganzen Aufführung schadete. In Kassel wurde ‚Jonny‘ gerade während einer Lohnbewegung aufgeführt. Um die Theaterarbeit zu sabotieren, beschädigte jemand die Waberlohe in der ‚Walküre‘, sodaß der ganze Feuerzauber verdorben wurde. Am nächsten Tag mußte meine Oper daran glauben. Denn jemand durchschnitt das Seil, an dem der Expreßzug im letzten Bild bewegt werden sollte.
‚Jonny‘ liegt hinter mir. Es ist der Ausfluß, sagen wir die Abreaktion einer Epoche, die hinter mir liegt, wie der große Gegensatz zwischen Romantik und Gegenwartsgefühl, den die großen Massen im Begriff sind zu überwinden. Und es bedeutet mir reine Freude, wenn ich den Theaterapparat, die Sänger, das Orchester, den Kapellmeister und den Regisseur glatt und reibungslos an meinem Werke arbeiten sehe. Wie speziell die großen Sängerpersönlichkeiten an der Wiener Staatsoper, wie Vera Schwarz, Elisabeth Schumann, Alfred Jerger, Hans Duhan und Pataky, aus ihrer persönlichen Auffassung immer mehr in die meinige, hier durch den glänzenden Regisseur Dr. Wallerstein2 verkörpert, hineingeraten. Ich freue mich schon auf die Orchesterproben mit Kapellmeister Heger, auf die fabelhaften Dekorationen von Professor Strnad, die ich zwar noch nicht gesehen, aber aus ihrer Andeutung bei den Proben im Prinzip als sehr richtig angelegt erkannt habe.
Ich hoffe, daß diese Aufführung nicht nur mir, sondern auch den Wienern ein frohes, heiteres Erlebnis bedeuten wird.
Argos
In: Der Tag, 18.12.1927, S. 12.
Leo Lania: Maschine und Dichtung (1927)
Siebzig Jahre der europäischen Dichtung, erfüllt wie wenige Epochen vorher von Unruhe, rastlosem Streben nach Neuem, nach Sprengung der Form, Umsturz des Inhalts, Beute jäh auftauchender, scheinbar nur vom Zufall abhängiger Moden – diese letzten siebzig Jahre des Naturalismus, des Im- und Expressionismus, des Symbolismus, Futurismus, Konstruktivismus, der neuen Romantik und der neuen Sachlichkeit, sie stehen in Wahrheit von Anbeginn an nur unter dem einen Zwang: ein klares, richtiges Verhältnis zu finden zur Maschine. Die ist in das soziale und das individuelle Leben eingebrochen wie ein unerbittlicher Eroberer, hat sich den einzelnen, das Volk, die Kontinente unterjocht, gleichsam in das Bett unseres Lebensstromes Basaltblöcke gestürzt, an denen sich dieser immer wieder bricht, Und immer wieder den Anlauf nehmen muß, die Hindernisse zu überwinden: sei es, indem er sich in weitem Bogen umfließt oder unterspült, sein eigenes Bett verbreitert oder in wildem Jauchzen über sie triumphiert.
Als die Maschine geboren wurde, da gab es wohl niemanden, der bereit gewesen wäre, sie mit Jubelhymnen zu begrüßen. Untergang und Verderben schworen ihr die Weber ebenso wie die Fuhrleute, die Teppichknüpfer ebenso wie die Dichter. Die Maschine wurde zum Leben erweckt, aber der Tod schritt auf ihren Spuren: Hunger, Arbeitslosigkeit, verschärftes Elend und unbarmherzige Fröste, in den die ‚blaue Blume’ verdorrte und die Märchennachtigallen starben. Wenn schon die Maschine in ihren Flegeljahren solche furchtbares Medusenhaupt zeigte, welch schreckliche Geißel würde sie, erst groß und mächtig geworden, für die Menschheit sein! Und während sich also verzweifelte Arbeiter zusammenrotteten und mit Hämmern und Aexten auszogen, das Teufelswerk zu vernichten, saßen die armen Dichter in den Dachkammern und flüchteten in die Idylle des Handwerks und des Kleinbürgertums, und die weniger armen Dichter beschworen in eleganten Salons eine ferne Zukunft grauenhafter Sklaverei. […]
Es waren nicht viele, die fähige und gewillt waren, dieser durchdringenden Stimme zu lauschen. Scharfe Augen mußte man haben, gute Ohren, einen klaren Kopf und ein weites Herz, vor allem aber die Entschlusskraft, sich einzuordnen in das gewaltige Heer der Armen und Kleinen, auf jede Sonderstellung zu verzichten und sich als Dienender zu fühlen, als ein bloßer Soldat der großen Arbeiterarmee.
Sehen was ist, aussagen, was ist, keine Herrin anerkennen neben der Wahrheit – das war das Ziel. Den Dingen ringsum ihre letzten Geheimnisse abzulauschen, die Maschine immer wieder abzutasten und zu durchleuchten, der Weg dorthin. Emile Z o l a fuhr in die Gruben en und wanderte zu den Hochöfen hinaus, V e r h a e r e n strich durch die Gassen der werdenden Großstadt und die Hallen der Fabriken und die beiden entdeckten auf diesen Streifzügen zum ersten Mal die Maschine für die Dichtung, indes Hauptmann, Ibsen und die anderen Bannerträger des europäischen Naturalismus ihre Entdeckungsreisen durch die S e e l e des Menschen noch nicht den Blick freigaben auf jene Stätten, wo der einzelne seine Sonderstellung verliert und nur Leben und Bedeutung, Licht und Schatten empfängt als Diener am gemeinsamen Werke, als Arbeiter an der Maschine.
Daß die Maschine zuerst und am stärksten die französische Dichtung eroberte, daß die deutsche verhältnismäßig spät diesen Stoff aufgriff, ist natürlich kein Zufall. Die Arbeitsteilung im Zeichen des Fachmannes, in Deutschland zum leitenden Prinzip der Lebensorganisation des ganzen Volkes erhoben, sperrte das große Gebiet der Technik und Industrie gleichsam hermetisch ab vor den profanen Blicken der Dichter, die sich selbst nur für die seelischen Gebilde zuständig erklärten. […] Und so blieb es in Deutschland den Männern der Technik vorbehalten, den Ingenieuren wie Max E y t h und Arthur F ü r s t, der Maschine den Weg in die Dichtung zu bahnen […] Auf der anderen Seite waren es die Arbeiter selbst, die eine Industriedichtung schufen. Alfons Pe t z o l d, Max B a r t e l, Karl B r ö g e r, Heinrich L e r s c h, Paul Z e c h sind hier zu erwähnen.1 – aber es ist wieder kein Zufall, daß diese Dichter das Erlebnis der Maschine fast ausschließlich lyrisch zu bewältigen suchten, also extrem persönlich, daß aus der Arbeiterdichtung das Epos der Maschine, das Drama der Industrie nicht erblühte. Um dieses zu gestalten, fehlte den Arbeiterdichtern die große Verbundenheit mit den allgemeineren Problemen der Zeit.
Diese innere Unverbundenheit der deutschen Dichtung mit der Maschine bereitete erst jene Bewegung vor, die, aus einem Extrem in das andere umschlagend, aus der billigen A e c h t u n g der Maschine zu ihrer schrankenlosen A n b e t u n g führte. Der Siegeszug der Technik wurde nicht mehr in seinen inneren Voraussetzungen geprüft, die Maschine zum Selbstzweck erhoben […] Die Ekstase der expressionistischen Industriedichtung – mag sie nun auf der einen Seite in den Hymnen auf die Erlöserin Maschine, auf der anderen in der Tragödie Gas Georg K a i s e r s gipfeln – sie ist nur ein neuer Zweig am alten Baum der Romantik. Johann R. Bechers Maschinenrhythmen nehmen eine Sonderstellung ein.
Der ‚Amerikanismus’ Deutschlands, heute schon so sehr Schlagwort, daß man sich meist der Mühe enthoben fühlt, damit einen klareren Begriff zu verbinden, ist kaum mehr als die Summe gewisser Aeußerlichkeiten, die ebenso wenig den Wesensinhalt Amerikas wie Deutschlands bestimmen. Amerikanismus, auf eine einfache Grundformel gebracht, ist gewiß nicht nur Anwachsen des Verkehrs, Verschärfung des Arbeitsrhythmus und Tempos, Sportbegeisterung, Rekordfieber und Jazz, sondern vor allem das sichtbare Wirken eines Kollektivbewußtseins, das aus den Quellen eines starken überschäumenden Lebensgefühls gespeist wird. So betrachtet, ist heute nur ein Land ‚amerikanisch’ – R u ß l a n d. Gewiß, ein Amerikanismus mit umgekehrten Vorzeichen, aber in seinem Verhältnis zur Technik, zur Maschine, zu den Dingen des täglichen Lebens, die nicht aus zweiter Hand durch die romantische Brille überkommener Anschauungen nach dem Schema von einmal erprobten Erfahrungsgrundsätzen reguliert, sondern immer von neuem und immer neu erlebt werden – in seiner Weite und Traditionslosigkeit ist Sowjetrussland amerikanisch. In einem seiner geistreichen Essays schildert Ilja E h r e n b u r g den Taumel der Begeisterung für die Maschine, der Russland in den Monaten des Hungers und des Bürgerkriegs erschütterte: „Der Krieg war nötig, die Revolution, Hunger, Blockade und Typhusläuse, das Agonieröcheln von Transportzügen und auf den Rückseiten alter Rechnungen ausgefertigte Mandate, damit in dem finsteren heroischen Moskau die Poesie der Sache geboren wurde […] Majakowsky, der bedeutendste Vertreter des russischen Futurismus, der seine Begeisterung schüchtern hinter Ironie verbarg, verherrlichte die elektrodynamomagische Stadt, und bei Meyerhold, dem großen russischen Regisseur, vergaßen die Moskauer beim Anblick richtiggehender Lifts auf der Bühne die erschütternde Bedeutung der Heldenmonologe.“ Der russische Konstruktivismus war die Flucht in die Romantik einer Welt, die es nicht gab.
Mittlerweile hat die Realität des Lebens dieser Romantik das Lebenslicht ausgeblasen. Der Roman ‚Zement’ des jungen Gladkow ist jenseits alles Dichterischen vor allem bedeutsam als Dokument des russischen Alltags, des russischen Menschen von heute.2 Hier wird das Zementwerk einer Fabrik, zum Helden des Romans gemacht, die Maschine ist nicht mehr Hintergrund, sondern der eigentliche Träger der Handlung. Aber gleichzeitig wird dieses Werk mit allen seinen Bindungen und sozialen Voraussetzungen gestaltet; wie die Fabrik aus den Ruinen des Bürgerkriegs durch das kollektive Schaffen der Arbeiter zu neuem Leben erweckt, gegen alle Widerstände der Bureaukratie, gegen alle Sabotage der Zweifler und den offenen Kampf der Gegner ertrotzt wird. Hier sind die Schleier der Romantik gefallen, aber der Dichter bemüht sich auch nicht mehr mit der bloßen wahrheitsgetreuen Schilderung der Fassade, die S e e l e d e r M a s c h i n e wird enträtselt und es zeigt sich, daß in dieser Seele der elektrische Strom der Technik mit den geheimnisvollen Strömen des sozialen Organismus zu einer Einheit zusammenfließt.
Man könnte Sinclair L e w i s’ Benzinstation ein Gegenstück zu Zement nennen, obwohl hier scheinbar nicht die geringsten Beziehungen bestehen. Aber wie Sinclair Lewis das Auto zum Helden seines Romans macht, es gleichsam als lebendes Wesen gestaltet, sachlich, überlegen, das illustriert besser als Hunderte von gelehrten Abhandlungen das innere Verhältnis, das jenseits des Ozeans das Volk in seiner Gesamtheit zur Technik und zur Maschine gewonnen hat. Zwischen dem zolaistischen Naturalismus Upton S i n- c l a i r s und der neuen Sachlichkeit Sinclair L e w i s’, zwischen König Kohle, dem Sumpf und der Benzinstation liegt die Epoche des Ford-Autos und der Siegeszug der amerikanischen Industrie.
Deutschland hat in seiner Epik der neuen Sachlichkeit eines Sinclair Lewis und eines Gladkow vorläufig nichts Aehnliches entgegenzusetzen. Womit gewiß kein Werturteil gefällt werden soll, sondern bloß eine soziale Erscheinung registriert sei. Ist doch dieses Verhältnis der Dichtung zur Maschine nichts anderes als ein Barometer, von dem die Z e i t g e m ä ß h e i t der Dichtung und ihr Einfluß auf die Formung der sozialen Probleme abzulesen sind.
In: Arbeiter-Zeitung, 22.10.1927, S. 17f.