Europäische Revue
Deutschsprachige Monatsschrift (1925-1944), gegr. im April 1925 als Organ des Europäischen Kulturbundes. Als Hg. fungierte zunächst der Kulturbund-Initiator K. A. Rohan, der 1936 v. Joachim Moras abgelöst wurde; als Redakteure zeichneten u.a. Richard Hadl u. Erich Mayer, ab 1926 Max Clauss, ein Schüler der Heidelberger Hochschullehrer Alfred Weber, Arnold Bergsträsser u. E. R. Curtius, verantwortlich. Die ersten beiden Jgg. der E.R. erschienen im Leipziger Verlag Der Neue Geist; mit dem 3. Jg. 1927/28 wechselte die ZS zu Kurt Vowinckel (Berlin), mit dem 10. Jg. 1934 zur Deutschen Verlags-Anstalt (Berlin, Stuttgart).
Neben der Berichterstattung über Kulturbund-Aktivitäten stand in der E.R. die Propagierung eines sog. „realistischen Nationalismus“ als polit. Konkretisierung der v. Rohan u. (später) Hofmannsthal eingeforderten Konservativen Revolution zentral (vgl. Müller), eines, so Hofmannsthal 1925 in der Neuen Freien Presse, „übernationale[n]“ Europa-Begriffs, nicht zu verwechseln mit einem „pazifistischen Internationalismus“ (als „Betäubung oder Verwischung der nationalen Gefühle“).
Finanziert wurde die an die intellektuellen Eliten adressierte Unternehmung, die europaweit bis zu 2.500 AbonnentInnen fand, durch Zuwendungen v. dt. Banken und der dt. (Export-)Industrie, allen voran der IG-Farben. Nicht zuletzt dank Redaktionsabkommen zur gegenseitigen Vermittlung von AutorInnen mit maßgebenden europ. Kulturzeitschriften (André Gides Nouvelle Revuesiehe: Ausstattungs-Revue bzw. Politisches Kabarett Francaise, Ortega y Gassets Rivista del Occidente u. T.S. Eliots Criterion) konnte die E.R. Beiträge u.a. v. C. Capek, W. Churchill, B. Croce, E.R. Curtius, G. Duhamel, C. Edschmid, A. Gide, H.v. Hofmannsthal, A. Huxley, C.G. Jung, H.G. Keyserling, A. Kolb, S. Kracauer, Th. Mann, Ortega y Gasset, A. Paquet, L. Pirandello, R.M. Rilke, R. Rolland, F. Schreyvogl, A. Seghers, I. Seipel, G. Stresemann, H.H. Stuckenschmidt, P. Valéry, E. Vandervelde, J. Wassermanngeb. am 10.3.1873 in Fürth b. Nürnberg – gest. am 1.1.1934 in Altaussee, Steiermark; Schriftsteller, Essayist Aus:..., H.G. Wells, A. Zweig, St. Zweig präsentieren. Mit Blick auf das ideolog. heterogene AutorInnenspektrum benannte Hofmannsthal 1925 als maßgebendes Charakteristikum der E.R. das Prinzip der austarierenden „Wechselrede“, wies aber zugleich auf ein Übergewicht „ausgesprochen nationaler (im Tagesjargon: rechtsstehender) Gruppen“ bei den Beiträgern hin. Zu Beginn der 1930er Jahre, als die Redaktion durch einen aktivistischeren Tonfall auch eine studentische Leserschaft erreichen wollte, trat die politische Radikalisierung der E.R. „nach rechts“ inhaltlich immer deutlicher zutage: Hitlers an Brüning brieflich adressiertes Anbot zur Zusammenarbeit etwa nährte die Hoffnungen der Redaktion auf eine Verbindung zw. Katholizismus und Nationalsozialismus; Brüning wurde v. Rohan zur Verkörperung der Mission, „auf legalem Wege den deutschen Faschismus zu verwirklichen“, stilisiert (zit. bei: Müller). 1932 widmete die E.R. dem ital. Faschismus zum zehnjährigen Bestehen des Regimes ein ganzes Sonderheft, dem bald darauf auch eine – biologist.-rassist. aufgeladene – Nr. zur „Judenfrage“ folgte. Zu dieser Zeit wurde die E.R. bereits indirekt v. dt. Auswärtigen Amt unterstützt (in Form von Abonnementbezügen seit 1929). Seit 1933 war Hauptfinancier der Zeitschrift, in der J. Goebbels ein unauffälliges, da scheinbar unabhängiges und v.a. auch außerhalb Deutschlands gelesenes „Propagandaorgan“ entdeckt hatte, das NS-Propagandaministerium.
Quellen und Dokumente
Hugo v. Hofmannsthal: Europäische RevueDeutschsprachige Monatsschrift (1925-1944), gegr. im April 1925 als Organ des Europäischen Kulturbundes. Als Hg. fungie.... (Eine Monatsschrift, herausgegeben von Karl Anton Rohan.) In: Neue Freie Presse (25.9.1926), S. 1-3.
Literatur
Guido Müller: Europäische Gesellschaftsbeziehungen nach dem Ersten Weltkrieg. Das Deutsch-Französische Studienkomitee und der Europäische KulturbundDer Kulturbund wurde im Mai 1922 in Wien auf Initiative v. Karl Anton Rohan mit Unterstützung der Schriftsteller Friedr... (= Studien zur Internationalen Geschichte). München: Oldenbourg 2005. – Matthias Schulz: Der Europäische Kulturbund (2010-12-03), i.d.R. EGO | Europäische Geschichte Online, hg. v. Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG) in Mainz. (Online verfügbar) (Stand: Okt. 2015).
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