Zur Mühlen, Hermynia

geb. am 12.12.1883 in Wien – gest. am 20.3.1951 in Radlett (GB); Schriftstellerin, Übersetzerin

Ps.: Franziska Maria Rautenberg, Traugott Lehmann, Lawrence H. Desberry

ZM. entstammte dem österr.-ungarischen Hochadel, wurde 1883 in Wien als Hermine Isabelle Marie Gräfin Folliot de Crenneville geboren und wuchs bei ihrer liberal gesinnten Großmutter in Gmunden auf. Ermöglicht durch die diplomatische Tätigkeit ihres Vaters genoss sie eine polyglotte, standesgemäße Erziehung, wuchs in verschiedenen Ländern Europas und Nordafrikas auf und bereiste früh auch weitere Länder, u.a. Vorderasiens.

Nach dem Ende ihrer kurzen 1908 geschlossenen (1918 geschiedenen) Ehe mit dem baltischen Baron Victor von Zur Mühlen, durch das sie ihre Mitgift verlor und sich von nun an selbst versorgen musste, begann Ihre literarische Karriere nach ihrer Übersiedelung nach Frankfurt/M. 1919 zunächst im Umfeld der Roten Fahne sowie im Malik-Verlag. Später trat sie dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller in Deutschland bei. Ab 1921 war sie als Übersetzerin (u.a. von Upton Sinclair) tätig und feierte mit dem in mehrere Sprachen übersetzten proletar. Kinder- und Jugendbuch Was Peterchens Freunde einander erzählen (1921) ihren ersten literarischen Erfolg. Politisches Engagement manifestierte sich einerseits in ihrer Mitgliedschaft in der KPD von 1919 bis 1927 und andererseits in gesellschaftskritischen Romanen und Erzählungen wie Der Tempel (1922), Der blaue Strahl (1922) oder Schupomann Karl Müller (1924), der ihr eine Klage wegen Hochverrats einbrachte, von der sie jedoch 1926 freigesprochen wurde.

Nach der NS-Machtergreifung kehrte M. mit ihrem zweiten Ehemann Stefan Isodor Klein nach Österreich zurück, wo sie versuchte, mit ihren Werken dem herrschenden gesellschaftspolitischen Klima entgegenzuwirken, etwa in dem in der AZ in 40 Folgen 1933 erschienenen Roman Die Vierzehn Nothelfer und v.a. mit dem Roman Unsere Töchter, die Nazinen (1935), gegen den die deutsche NS-Regierung durch ihren Gesandten Franz von Papen in Wien ein Verbot anstrengte. 1938 emigrierte sie zunächst in die Tschechoslowakei und dann nach Großbritannien, wo sie trotz unermüdlicher literarischer Produktivität mit prekären finanziellen Verhältnissen zu kämpfen hatte. Neben englischsprachigen Romanen, wie We poor shadows (1944) oder Came the stranger (1946) entstand unter dem Titel Kleine Geschichten von großen Dichtern eine Reihe von Prosaminiaturen über österreichische Schriftsteller, die entweder in Vergessenheit geraten oder vom NS ideologisch vereinnahmt wurden, wie Sauter, David, Grillparzer oder Stifter.

1951 verstarb M. verarmt und in Vergessenheit geraten, nachdem auch ihre 1947 aufgenommenen Bemühungen, über Viktor Matejka zumindest literarisch nach Österreich zurückzukehren, gescheitert waren, in Radlett, Hertfordshire.


Weitere Werke

Das Schloß der Wahrheit. Ein Märchenbuch, 1924; Der rote Heiland. Novellen, 1924 (Neuaufl. 1989), Die weiße Pest (unter Ps. T. Lehmann, 1926, Neuaufl. 1987); Ende und Anfang. Ein Lebensbuch, 1929; Das Riesenrad, 1932; Nora hat eine famose Idee, 1933; Ein Jahr im Schatten, 1935; Unsere Töchter, die Nazinen, 1935; We poor shadows, 1944; Little Allies. Fairy and Folk Tales. Forteen Nations, 1944; Came the Stranger, 1946; Guests in the House, 1947

Quellen und Dokumente

Eintrag von Doris Hermanns in: fembio.org; Eintrag in H. Exenberger-Archiv-TKG;

Beiträge Z. M.s: Müde. In: Die Rote Fahne, 14.1.1920, S. 3, Das Lied der Treppen. In: Die Rote Fahne, 29.1.1921, S. 3, Die Mauer. In: Die Rote Fahne, 27.1.1922, S. 2, Wer zahlt? In: Die Rote Fahne, 11.1.1924, S. 5, “Lina”. Erzählung aus dem Leben eines Dienstmädchens. In: Die Rote Fahne, 15.4.1926, S.6, Vierzehn Nothelfer. In: AZ, 16.7.1933, S. 18, als Lawrence H. Desberry: Das Martyrium des Zensors. In: Die Rote Fahne, 15.9.1926, S. 6, Abenteuer in Florenz. In: Die Rote Fahne, 1.1.1927, S. 8.

Otto Koenig: Lebenserinnerungen. (H. z. M.: Ende und Anfang, S. Fischer Verlag, Berlin). In: AZ, 12.8.1929, S. 3.

Literatur

Karl-Markus Gauß: Hermynia zur Mühlen oder Kein Weg zurück aus Hertfordshire. In: Ders.: Tinte ist bitter. Literarische Porträts aus Barbaropa. 2. Aufl. Klagenfurt-Salzburg: Wieser 1992, 160-173; Altner, Manfred: Hermynia Zur Mühlen: Eine Biographie. (1997); Dirk Wiemann: Exilliteratur in Großbritannien 1933-1945, 103-135 (1998); Upton Sinclair, Wieland Herzfelde, Hermynia Zur Mühlen: Werter Genosse, die Maliks haben beschlossen… Briefe 1919-1950 (2001); Primus-Heinz Kucher: Literarische Modernität – Hermynia Zur Mühlens Roman „Unsere Töchter die Nazinen“ (2001) [Online verfügbar]; Ders.: Engagement, Form und Experiment: Zur den frühen Exilromanen Die vierzehn Nothelfer und Unsere Töchter die Nazinen von Hermynia Zur Mühlen. In: TRANS 2004 [Online verfügbar]; Andrea Hammel: Every Day Life as Alternative Space in Exile Writing. The Novels of Anna Gmeyner, Selma Kahn, Hilde Spiel, Martina Wied and Hermynia Zur Mühlen, 39-72 (2008); Sabine Schmidt: von Revolution und Resignation, Licht und Dunkel, Individuum und Gemeinschaft. Hermynia Zur Mühlens ‚Propagandaerzählungen‘ Licht und Der Tempel (1922). In: U. Kittstein, R. Zeller (Hg.): „Friede, Freiheit, Brot!“ Romane zur deutschen Novemberrevolution, 103-137 (2009); Alisa Wallace: Hermynia Zur Mühlen: The Guises of Socialist Fiction (2010);

Werkausgabe:

Hermynia Zur Mühlen: Werke. Bd.1-4. Im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Wüstenrot Stiftung, ausgewählt, kommentiert und mit einem Porträt von Ulrich Weinzierl. Mit einem Essay von Felicitas Hoppe. Wien: P. Zsolnay Verlag 2019.

Eintrag bei austria-forum.org, bei Exilarchiv.de, bei stifter-haus.at, bei theodorkramer.at, bei Penn Libraries.

(MA)