Malik-Verlag

Durch den Erwerb einer Schülerzeitschrift gelang Wieland Herzfelde und seinem Bruder John Heartfield (d.i. Helmut Herzfeld) 1916/17 die Herausgabe der pazifistischen Zeitschrift Neue Jugend, die sich als bedeutendes Organ des Expressionismus positionieren konnte. Nach ihrem Verbot wurde am 1.3.1917 wurde der Malik-Verlag (MV, angelehnt an eine Romanfigur Else Lasker-Schülers nach hebräisch Melech: Prinz, Anführer) als Gemeinschaftsprojekt von Herzfelde, Heartfield und George Grosz, alle Anhänger der Ende 1918 gegründeten KPD, geschaffen. Der aktive Einsatz für die Arbeiterschaft und die Nähe zur Berliner Dada-Bewegung wurden ebenso zum Markenzeichen wie die von Grosz und Heartfield besorgte künstlerische Ausgestaltung der Publikationen und dabei in erster Linie der kurzlebigen, von der Zensur bekämpften Zs. Jedermann sein eigner Fußball (1919) und Die Pleite (1919). Letztere ging in der Programmzeitschrift Der Gegner (1919-1922/24) auf, in der u.a. Erwin Piscator seinen programmatischen Text Über Grundlagen und Aufgaben des proletarischen Theaters sowie Herzfelde den Fortsetzungsabdruck Gesellschaft, Künstler und Kommunismus publizierten und die sogenannte ‚Kunstlump‘-Debatte um Grosz, Heartfield, Oskar Kokoschka und Gertrud Alexander 1920 ihren Ausgang nahm. Im selben Jahr führten Veröffentlichungen Raoul Hausmanns und Richard Huelsenbecks im MV zur zunehmenden Politisierung des Berliner Dadaismus (vgl. auch Dada-Prozess 1920).  Mehrmals waren die Leitfiguren des MV von Haftstrafen bedroht bzw. in Prozesse verwickelt, etwa 1921 im sog. Reichswehr-Beleidigungsprozess oder 1928 im sog. Gotteslästerungsprozess; v.a. Werke Grosz‘ fielen regelmäßig der Zensur zum Opfer.

Trotz wiederholter Finanznöte und ideologischer Nähe verfolgte der MV ein von der Kulturpolitik der KPD relativ unabhängiges Verlagskonzept. Zu ihm gehörte auch eine Preispolitik, die breiten Schichten den Zugang zu Literatur verschaffen sollte (vgl. Buchpreis-Debatte u.a. mit Kurt Tucholsky und Ernst Rowohlt 1928). Zunächst auf Zeitschriften fokussiert, dominierten 1920-26 v.a. international ausgerichtete Reihen wie die Kleine revolutionäre Bibliothek, die Rote Roman-Serie, die in Zusammenarbeit mit Piscator geschaffene Sammlung revolutionärer Bühnenwerke, Unten und Oben mit einer Erzählsammlung des österreichischen Kommunisten Peter Schnur, die Kinderbuchreihe Die Märchen der Armen und die Malik-Bücherei das Programm, das den MV zum wichtigsten Vermittler sowjetischer Literatur im deutschsprachigen Raum machte. Gedruckt wurden u.a. Martin Andersen Nexø, Isaak Babel, Sergej Tretjakow, Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Walter Bauer, Willi Bredel, Franz Jung, F. C. Weiskopf, Karl August Wittfogel und Herymnia Zur Mühlen, die auch Übersetzungen aus dem Französischen und v.a. aus dem amerikan. Englischen (Sinclair) besorgte. Ab Mitte der Zwanziger erschienen Werkausgaben von Upton Sincair, dessen sozialkritische Romane prägend für die linke Literaturbewegung, jedoch von Sinclair selbst auch argwöhnisch verfolgt wurden. Dies führte u.a. dazu, dass es zum Bruch mit Zur Mühlen kam, die 1927 durch Elias Canetti kurzfristig ausgetauscht wurde. Werke von Ilja Ehrenburg, Maxim Gorki und Leo Tolstoi rundeten das Programm ab. Die Pläne einer bereits angekündigten Lenin-Ausgabe wurden Mitte 1924 kurzfristig durch das Moskauer Lenin-Institut vereitelt, die einzige autorisierte Ausgabe erschien wenig später beim Verlag für Literatur und Politik in Wien. Als künstlerische Impulsgeber fungierten die Anthologien Dreißig neue Erzähler des neuen Rußland (1929, u.a. mit Konstantin Fedin und Alexandra Kollontay) sowie Dreißig Neue Erzähler des neuen Deutschland (1932, u.a. mit Erich Kästner, Ernst Fischer sowie BPRS-Mitgliedern).

Anfang März 1924 entstand vor allem wegen der geringeren Bedrohung durch die Zensur – in Berlin wurden die viele Publikationen als „unsittliche Kunst“ und wegen „Hochverrats“ verboten – eine von Herzfelde geleitete Niederlassung des MV im ersten Wiener Bezirk. Dort erschienen 1924-25 insgesamt zehn Titel, darunter Bechers Am Grabe Lenins, Georg Lukács Lenin. Studie über den Zusammenhang seiner Gedanken und Leo Lanias Gewehre auf Reisen. Bereits im Mai 1926 wurde die Zweigstelle wieder aufgelassen, mit 1.1.1929 aufgelöst und am 17.1.1930 aus dem Handelsregister gelöscht.

1925 zur AG umgewandelt, publizierte der Verlag bis 1933 über 350 Buchtitel mit bis zu 125.000 Exemplaren, daneben Kunstmappen von Grosz und fünf Zeitschriften. Von März 1933 bis Ende 1938 existierte der MV als Exil-Verlag in Prag (u.a. mit Oskar Maria Graf, F. C. Weiskopf, Ernst Ottwald), ab Juni 1934 pro forma auch unter englischer Lizenz in London. Als Nachfolgeunternehmen fungierte 1944-47 in New York der Aurora-Verlag, der eine Gemeinschaftsgründung Bertolt Brechts, Ernst Blochs, Ferdinand Bruckners, Alfred Döblins, Lion Feuchtwangers, O. M. Grafs, Heinrich Manns, Berthold Viertels, Ernst Waldingers und F. C. Weiskopfs war.


Literatur

Doris Danzer: Zwischen Vertrauen und Verrat. Deutschsprachige kommunistische Intellektuelle und ihre sozialen Beziehungen (1918-1960) (2012), v.a. 161-174, Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918-1938. Bd. 2 (1986) (Online verfügbar), Jo Hauberg et al. (Hg.): Der Malik-Verlag 1916-1947. Chronik eines Verlages (1986) [Mit vollständiger Bibliographie aller erschienenen Titel], Frank Hermann: Malik – Zur Geschichte eines Verlages 1916-1947 (1989), Wieland Herzfelde: Der Malik-Verlag 1916-1947. Ausstellungskatalog (1967), Susanne Schulz: Malik-Verlag. In: Simone Barck (Hg.): Lexikon sozialistischer Literatur. Ihre Geschichte in
Deutschland bis 1945 (1994), 311-314, Germaine Stucki-Volz: Der Malik-Verlag und der Buchmarkt der Weimarer Republik (1993), Hermynia Zur Mühlen / Upton Sinclair: Werter Genosse, die Maliks haben beschlossen … Briefe 1919-1950 (2001)

(ME)