Emil Szittya: (Die Reinigungsarbeit) [hs]. Mein Erlaß an die kunstpolitischen Bewegungen[1]. (1919)

I. (Die Reinigungsarbeit.)

Es ist Trudbefreiung, daß die Kunst aufhört, ein abstraktes Problem zu sein. Problematisieren war auf dem Gebiet der Kunst schon vom Dilettantismus diskreditiert. Das Zergrübeln über die Kunst (die Lebensatmen sein sollte) wurde immer zweck- und geschmackloser und konnte sich (dort, wo es noch etwas war) nur zu einem unsagbaren Sichauflehnen jammern.

(Weil zuviele Larven von gestern den Sucher vermummen, konnte alle Erfahrung und jedes Praktischwerden sich nur in Hinfälligkeiten häufen.)

II. (Über das Schnüffeln)

Kunstforschung, wenn sie sogar zur Litteratur wird, ist eigentlich ein verkappter Kunstsnobismus, in dem sich die von der Kunsttat Abseitigen in Ästhetenentfliehungen verketten. Kusntsnoberei ist abscheulich, weil sie sich nur von Kunstscharlatanerie nähren kann.

III. (Fort mit der Kunstkritik)

Kunstkritik baut sogar in ihrer raffiniertesten Form auf die Geringschätzung der Gegenwart. Es ist ein vom ewigen Zurückgreifen-Afgezehrtsein. Kunstkritik erdreist sich, die Kunsttat immer in die Vergangenheit zurückschrauben zu wollen.

IV. (Die Unverständlichkeit)

Es fehlt die Freude an der Gegenwart. Man freut sich nicht über jene, die ein Übermaß der Hingabe von bisher (mit Unrecht) Unbeachteten zu vergeben haben. Man freut sich nicht darüber, daß es in der Kunst Wunderahner gibt, deren Lebensnerv sich im Giftlefzenfluidum zerwühlt. //

(Die fiebernden Formbildner müssen durch das Unverständnis, das man ihnen als Dank gibt in Unräumlichkeiten erstarren.)

V. (Kunstliebe.)           

Kunstkritik ist von vornherein von Mißtrauen geschweißt. Statt Kunstkritik muß Kunstregistrieren kommen, denn dort, wo Kunstregistrieren zur wirklichen Kunst sich entfaltet, ist es Kunstliebe. Kunstliebe ist ein Sichhineinbetten in die Vielheiten eines organisch sich aufbauenden Weltkomplexes.

VI. (Fort mit den Kunstschulen, wenn sie auch expressionistisch sind.)

Man darf nicht das trotzig wilde Streben nach dem Zentrum der schwindenden Höhen, die einen von den Kunstrevieren aus erfüllen, von dem Standpunkt einer Schule betrachten. Sogar die revolutionärste Kunstschule muß auf einer Grammatik des Schauens basieren und will verhindern, daß man die Grenzenlosigkeit des Zuständlichen anschaulich bewegliche. Die Schule war immer daran schuld, daß viele große Künstler sich von dem Effekt des Zufalles beeinflussen ließen, um wenigstens auf Augenblicke das Wunder zu besitzen.

VII. (Kunst und Sozialismus)                                                                                                                                                  

Die wirkliche Kunst ist Lebenkneten und nicht Vomlebengeknetetsein.

VIII. (Die traurige Einsamkeit des Künstlers.)

Es ist ein zum Verzweifeln bringendes Schicksal, daß der Künstler, der sich mit seinem Leben und Weltgeschehniskneten an die Menschheit anheimeln will, durch deren Unverständnis das Anheimeln (wenn er nicht sozialistischer Agitator ist) fortwährend in sich tilgen muß.

IX. (Die Kunsttat.)

Psychologische Zergliederungen sind nicht mehr nötig. Nicht auf kritische Spitzfindigkeiten kommt es noch an. Nötig ist: Eine wirkliche Entlarvung! Künstler! Gebt einmal Bewußtseinsdokumente über Euch! Es war genug von dem Gleichnissumpf! Kunst muß aufhören, eine verschleierte Gottheit zu sein. Rücksichtslosigkeit!, aber auch gegen sich selbst.

Nicht von Zeitereignissen gelähmt sein! Nicht das Wirren treibender Kräfte sein. Es war viel zu viel von der kleinbürgerlich-optischen Kunstpose! Bewegungsfähige hatten zu lange Ethosruhepunkte, aus dem Zagen die Gegebenheit verschwenden // ließ. Man muß sich aufraffen zur Selbsteinheit und jede Persönlichkeitsphilosophie wird sich  in Einheitsbewußtsein erformen.

Aktivität beginnt, an nichts vorüberzugehen.Tiefschürfendes erhellend auswirken und das Anschauliche, das durch den wirklichen Künstler bewußt geschieht, in ein Kulturganzes ausbreiten und mit eigenem Blutmitschwingen zum Wahrheitsgenießen verinnerlichen.

In: Horizont-Hefte Nr. 5/1919, S. 1-3.


[1] Die Streichungen sind in dem im Literaturarchiv Marbach erhaltenen Horizont-Hefte-Exemplar von Szittya handschriftlich offenbar nach dem Druck des Heftes Nr. 5 angebracht worden.

Max Eisler: Die Kunst in unserer Zeit (1930)

Im Oberstock des Künstlerhauses ist seit einigen Tagen eine Ausstellung zu sehen, die den Formenwillen unserer Zeit bis auf den Grund klarlegen möchte. Sie setzt sich also ein geistiges Programm. Denn es geht ihr nicht um das vollkommene Beispiel, sondern um Sinn und Weise der modernen Gestaltung. Was sie will, ist eine Klärung des Wirrwarrs, in dem wir gedankenlos vegetieren, eine Atempause der Selbst- und Weltbesinnung in dem überhitzten Tempo, von dem wir uns treiben lassen, also den Weg zur Erkenntnis der tieferen Beweggründe und der Einheit im Schaffen der Gegenwart.

Um das aufzuzeigen, werden – besonders innerhalb der Malerei – die Werke dreier Generationen, aber auch sehr verschiedene Betätigungen – etwa Erzeugnisse der heutigen Technik, sozial-ökonomisches Bauen und endlich Bilderkunst – miteinander konfrontiert. Die Gegenüberstellung der drei malenden Generationen – von Hans Tietze, dem verdienstvollen Urheber der Aufstellung, schon einmal versucht – erweist sich auch diesmal sehr fruchtbar. Aber schon bei den zwei Zimmern, welche die Einrichtung in den Jahren 1900 und 1930 charakterisieren sollen, wird man grundsätzlich Bedenken haben; denn der Raum vom Jahre 1900 ist kein rein charakteristisches Beispiel, sondern ein mit drastischer Absicht zusammengebrachter Auswuchs der Zeit, wie er sich auch für die Gegenwart leicht hätte finden lassen. Bedenklicher noch scheint uns die Zusammenführung so entlegener Dinge wie etwa eines höchst rationellen Staubsaugers und der neuesten Malwerke. Denn da werden, nach unserm Gefühl, Brücken gelegt, wo besser Grenzen gezogen werden müßten. So ist es z. B. heute bei weitem nicht mehr so wichtig, an dem und jenem die gemeinsame „Sachlichkeit“ nachzuweisen, als dieses arg mißbrauchte Schlagwort durch eine feinere Unterscheidung von Fall zu Fall zu entkräften und wesentlich richtigzustellen. Und das ist vielleicht nirgends so wichtig, wie bei der Bestimmung des Verhältnisses von neuer Bau- und neuer Bildkunst, die in ihren Gegensätzen weit gründlicher verstanden werden können als in ihren vorgeblichen Gemeinsamkeiten. Jedenfalls bringt die Anhäufung so vieler disparater Arbeiten im engen Raume die Gefahr mit sich, daß das Publikum – dieses sollte ja erzogen werden – statt des Zusammenhanges eine Verwirrung wahrnimmt. Und das wäre furchtbar schade.

Denn die Ausstellung ist, trotz allem, eine ernsthafte und mutige Tat. Schon als geistiges Ereignis steht sie hoch über unserm normal lässigen Ausstellungsbetrieb, der sich im besten Fall von irgend einer Konjunktur inspirieren läßt. Hier endlich ist ein umgreifender Gedanke Antrieb der Veranstaltung gewesen und von den Mitarbeitern Tietzes mit junger, schöner Hingabe verwirklicht worden. Gewiß nicht mehr als ein Experiment. Aber, selbst in seinen Irrtümern derart interessant, daß man so leicht davon nicht loskann. (Auch wir wollen ein nächstesmal noch genauer darauf zurückkommen.)

Heute schon das: Man mag gegen den Aufbau des Problems seine Bedenken haben und deshalb auch bezweifeln, ob er in breiteren Kreisen zu der erwünschten rechten Einsicht führen wird – gewiß ist, daß durch diese Ausstellung, namentlich auf dem Gebiet der neueren und neuesten Malerei, der von allen pfahlbürgerlichen Geistern verrammelte Horizont des Wiener Kunstfreundes mit einem Male kosmopolitisch erweitert wird. Man begegnet hier namhaften Meistern der Zeit mit bedeutenden Werken, man sieht, was einem bisher zu sehen versagt und nur durch das Gerücht, meist durch ein übelwollendes Gerücht, bekannt geworden war – man erhält endlich wieder einen weltgültigen Gesichtskreis und darin die Möglichkeit, einen eigenen Standpunkt zu beziehen. Das ist das unbestreitbare Verdienst der Veranstaltung. Und schon das allein macht sie für alle aufrichtigen Freunde des Kunstlebens, ohne Unterschied ihrer Einstellung, wahrhaft sehenswert.

In: Der Morgen. Wiener Montagblatt, 31.3.1930, S. 8.

Robert Musil: Intensismus (1926)

             Verschwenden Sie nicht viel Zeit an die Kunst! Setzen Sie sich kurzerhand an die Spitze der Kenner! Ich gebe Ihnen dafür zwei Regeln.

             Erklären Sie ein Bild, das Ihnen nicht gefällt oder das Sie nicht verstehen, unter allen Umständen für veraltet. Fügen Sie nichts hinzu, was daraus schließen läßt, ob Sie es für zweites oder zwanzigstes Jahrhundert, für ein Aquarell oder einen Holzschnitt gehalten haben. Denn darüber läßt sich streiten.

             Zweitens, behaupten Sie, wenn man Sie nach den Gründen dieses Urteils frägt, die Malerei der Zukunft sei der Intensismus. Und wenn man Sie frägt, was das sei, verweigern Sie die Antworte und sagen, das verstände sich von selbst.

             So macht man es nämlich immer. So hat es der Impressionismus gemacht und der Expressionismus. Ich sage Ihnen natürlich nicht, was diese beiden Worte bedeuten; das geht Sie glücklicherweise nichts mehr an. Und wenn ich Ihnen über den Intensismus etwas mehr andeute, so geschieht es nicht, um Ihnen eine Vorstellung von ihm zu geben – denn wenn die Anhänger einer Bewegung eine klare Vorstellung von ihr hätten, so würde das jeden Schwung lähmen –, sondern weil Sie das Gefühl empfangen sollen, daß diese kommende Kunst die Malerei Ihrer Nerven, Ihres Willens, Ihrer Vitalität sein wird: diesen Beschluß müssen Sie bewahren, alles übrige vergessen.

             Man hat früher größere Bilder gemalt als heute. Das kam davon, daß damals die Wohnungen größer waren. Sie sehen, wie einfach Kunstregeln sind.

             Als man in Burgen wohnte, bedeckte man ganze Wände mit einem Bild. Später, als man ein Haus bewohnte, hatten die Bilder nur noch die Größe von höchstens 1,50 mal zwei Metern. Heute können selbst schwere Leute nur Wohnungen von ein paar Zimmern kaufen, die halb so hoch sind, als sie früher waren, und die Bilder haben demgemäß ein Format von bloß 1:0,8 Metern; und wenn, was vorauszusehen ist, die Bautätigkeit in Europa noch lange stockt so werden die Bilder noch kleiner werden.

             Sie sind aber im Verhältnis nicht billiger geworden. Daraus folgt, daß der Grund und Boden des Bildes teurer, die Bodenrente per Quadratzentimeter Bildleinwand größer geworden ist und die gleiche geistige Rentabilität eine intensivere Bewirtschaftung der Leinwand verlangt. Dies ist die eine Wurzel des Intensismus.

             Als zweites verlangt ihn die psychische Energie. Betrachten Sie eine Landschaft, so finden Sie gewöhnlich ein Drittel, wenn nicht die Hälfte des Bildes von Luft oder Wasser bedeckt. Solche Bilder sind gewissermaßen Brachland. Überdies ist nicht zu bestreiten, daß schon ein Quadratzentimeter, blau bestrichen oder gar mit einer Anmerkung versehen, vollauf genügt, um uns wissen zu lassen, daß Himmel oder Wasser beabsichtig sei; jeder Mensch weiß, wie sie aussehen, etwas Neues ist daran nicht zu zeigen, es handelt sich einfach um eine Verschwendung durch gewohnheitsmäßigen Schlendrian. Das gleiche finden Sie natürlich auch, wenn Sie ein Porträt betrachten. Der Maler füllt nicht das ganze Bild mit Ihnen aus, sondern spart sich einen Hintergrund aus, der mindestens die Hälfte ausmacht. Er könnte ja beispielsweise Sie zweimal malen oder Sie und dahinter Ihren Konkurrenten malen, wie Sie ihm den Fuß auf den Nacken setzen, den großen Tag, wo alle Effekten in die Höhe sprangen, oder den schwarzen Tag, wo alles schief lag. Scheuen Sie sich nicht vor solchen Forderungen; allen wahrhaft ursprünglichen Epochen der Kunst waren sie ganz natürlich. Denken Sie daran, daß man mehrere Bilder ineinander malen kann; aber ich will nicht vorgreifen, diese Kunst entwickelt sich bereits von selbst. Halten Sie also bloß still an dem Wunsch fest, daß sich die Malerei bald wieder Rennpferden, Jagdbildern, Automobilen, Flugzeugen und allem, was Sie wirklich schön finden, zuwenden möge und verlangen Sie vorläufig, daß mit den unausgenützten Geistflächen Schluß gemacht werde.

             Intensivstes Leben im kleinsten Bildteil, nervöse Fläche, Einleitung der siegreichen Energie des modernen Lebens in den Bildrahmen: das ist der Intensismus! Wenn Sie irgendetwas sehen, das schon dahin weist, dann sagen Sie nichts als: Aber das ist ja intens! Wenn Ihnen das schwer fällt, so nehmen Sie immer Ihre Frau Gemahlin mit, die wird es treffen.

In: Prager Tagblatt, 17.12.1926, S. 3, Rubrik: Kunst und Leben

Ernst Fischer: Neue Kunst (1920)

             Bis zum Ekel haben Dichter, Maler, Musiker, Schauspieler, Künstler und Intellektuelle jedes Grades und jeder Schattierung versucht, immer wieder versucht, Kunst an sich, ohne jede Relation, als etwas Wertvolles, für sich Bestehendes, als rein formale Gestaltung, ohne weiteren Zweck, hinzustellen. Diese Tendenzen finden wir bezeichnenderweise immer in Zeiten, die zermürbt, aufgelockert, müde und verfallend sind, fröstelnde Abendröte morschender Kulturen vergehender Gesellschaften. Die Kunst starker latenter Zeitalter, scharfumrissener Gesellschaftsbildung, selbstbewußter Klassen ist nichts anderes als geschlossener, konzentriert geballter Ausdruck der Zeit, ist im Spiegel das Erlebnis der Zeit (denn jede Zeit hat ihr eigentümliches Erlebnis) und, in ihrer höchsten Form, Deutung, Verklärung der Zeit, Ausblick und Überschwang. Dies ist eine historische Tatsache; starke Zeitalter (Griechentum, Gotik, Renaissance in Italien, England, Spanien, Frankreich) haben starken, eigenwilligen Stil, haben eine Kunst, die in ihren Ideen, ihrer Logik, ihrem inneren Aufbau, ihren formalen Ausdrucksmöglichkeiten nichts ist als Information des Zeitalters, eines bestimmten Grundwillens, der sich gleicherweise ausspricht, in Staat, Gesellschaft, Religion, Philosophie, in allem Größten und Kleinsten.

Aus dieser historischen Tatsache erhellen unmittelbar Wesen und Zweck der Kunst. Ein Volk, eine Gesellschaft – oder, noch richtiger: die herrschende Klasse eines Volkes, einer Gesellschaft, die kräftigste, geschlossenste, bewußteste, die der ganzen Zeit ihr Gepräge gibt, will sich selber, ihr Wesen, ihr Wollen, ihren historischen Sinn im vereinfachten Bilde erkennen, aus diesem Erkennen sich selber steigern, sich selber bereichern, sich stärken an ihrem eigenen Wesen, sich entflammen zu dem, was ihre historische Sendung ist.

Wir nehmen ein typisches Beispiel. Die französische Tragödie um die Zeit Ludwigs XIV. Herrschende Klasse war der kriegerische Adel des Landes, der, erst kürzlich seiner unbändigen politischen Macht beraubt, sich allmählich umbildet in einen höflichen Adel. Der Dichter dieser Zeit ist Corneille. In seinen Dramen verherrlicht er alle starken, umgebrochenen Instinkte des Edelmannes, diese Instinkte zu Tugenden verklärend. Das Ideal der Zeit wird uns die Verbindung von Held und Hofmann. Mut, Entschlossenheit, Königstreue, Ritterlichkeit, eine gewisse Erhabenheit der Gesinnung – aus diesen formt sich das typische Erlebnis der Zeit. Man verstehe nun ferner, daß im Künstler stoffliches und formales Erleben untrennbar verbunden sind. An einem Hofe, der um ein Zentrum, den absoluten Monarchen, erst kürzlich gebeugte Fürsten, Grafen und Ritter vereinigt, ihre stolzen und störrischen Instinkte durch ein strenges Zeremoniell bändigend, konnte nur die Tragödie, das Drama herrschende Kunstform werben. Und zwar das klassisch geschlossene, starren Regeln unterworfene Drama, dessen strenge Form die starken Leidenschaften der Handlung bändigt. So fand das Publikum, bestehend aus den Herren des Hofes, sein Schicksal gespiegelt in den Dramen, die vor ihm aufgeführt wurden. Dieses formale Gestalten der Zeit erstreckt sich natürlich bis auf die Sprache, deren ursprünglich saftige Kraft in dem strengen und feierlichen Prunk des alexandrinischen Versmaßes erstarrt. So ergreift uns Ahnung der Lust, die jener Hofstaat angesichts jener Kunstwerke empfand.

Dies Beispiel ist eines von Tausenden. Ich möchte noch, zum besseren Verständnis, auf Zola verweisen, dessen Romane ich als bekannt voraussetze. Dieser gewaltige Künstler steht am Tor einer neuen Zeit, in ungeheuren Visionen ihr tiefstes Wesen erkennend. Das Erlebnis dieser Zeit ist das Eintreten der Urbereitschaft in die Geschichte, die, als innerlich stärkste Klasse, ihre historische Sendung beginnt. Das künstlerische Erlebnis dieser Zeit ist das Erlebnis der Masse, die sinonyme Kunstform der Romane. Nur im Roman ist es möglich, die Masse künstlerisch widerzuspiegeln, formal auszudrücken.

Diese beiden Beispiele mögen genügen, das Wesen einer starken Kunst zu erläutern. Alles andere, das diesen großen, historischen Gesetzen nicht entspricht, ist nur Literatur. Neben den wenigen Künstlern läuft immer das Pack unzähliger Literaten, die dann gefährlich werden, wenn sie Talent besitzen. Sie betrachten ihr Talent nicht als eine Verpflichtung, es der Gesellschaft nutzbar zu machen, sondern als einen Freibrief, ihr auch lästig zu fallen.

Und nun die Frage: Wie stellt sich unsere Zeit bar im Spiegel der Kunst?

Es ist wesentlich leichter, diese Frage für vergangene Epochen der Geschichte zu beantworten. Die Distanz ermöglicht es, zwingt uns sogar, nur das Große, Bedeutsame, Wesentliche zu betrachten, das Überflüssige zu vermeiden. In der Gegenwart kann es uns leicht geschehen, die Kunst über dem Wucherwerk der Literatur zu übersehen. Immerhin sind starke Stimmen vernehmbar, selbst durch das Gebrodel der hundert schwachen hindurch, wenn auch das Katzenkonzert der Literaten uns jedes Zuhören verekeln könnte. Eine weitere Schwierigkeit, ein klares Bild zu gewinnen, liegt darin, daß unsere Zeit überhaupt keine Zeit klarer Bilder ist.

Immerhin: wer sich etwas mit Kunst beschäftigt hat, erkennt zwei wesentliche Faktoren: Masse und Rhythmus. Und ich glaube, wir haben es hier tatsächlich mit den beiden Faktoren zu tun, die das typische Erlebnis unserer Zeit bedingen. Auf einer Seite das rasende Tempo der Schnellzüge, Automobile Aeroplane, der Maschinen und technischen Ungeheuer – der stählerne Pulsschlag fiebernden Blutes – auf der anderen Seite die Tatsache, daß sich die große Masse als Masse fühlt, daß jenes viel mißbrauchte Wort vom „sozialen Gewissen“ Wirklichkeit wird.

Die Arbeiterschaft, das Proletariat, ist die Waffe, die der Zeit ihr Gepräge gibt, die Revolution in jedem Sinne ist das entscheidende Ereignis.

In diesem Zusammenhange muß die moderne Kunst gewertet werden. Ihr Inhalt ist die Revolution, ihre Form ist ebenfalls – die Revolution. Und wenn wir, mit einer gewissen Skepsis vielleicht, das Aufschießen unzähliger neuer Kunstrichtungen beobachten, erkennen wir doch das eine: die Künstler fühlen, es hat eine neue Zeit begonnen. Diese neue Zeit verlangt gebieterisch neuen Ausdruck. Man mag über Expressionismus, Futurismus und wie diese -ismen alle heißen, denken, wie man will – eines darf man nicht unterschätzen: Es ist ein ehrlicher Wille, der hier, oft unter Krämpfen, oft unter Fieberzuckungen, um das Neue kämpft. Es sind die Geburtswehen einer neuen Kunst. Diese Kunst wird und muß, wenn sie erst klar in Erscheinung tritt, Spiegel der Revolution, Ausdruck des Proletariats, Information einer neuen Gesellschaftsordnung sein.

Dies wird geschehen, trotz aller Salonexpressionisten und Kaffeehausmystikern, trotz aller hysterischen Ästheten und Konjunktursozialisten trotz aller Literaten, die sich um neue „Kunstrichtungen“ raufen und sich redlich bemühen, die Kunst in Tinte zu ersäufen – dies wird geschehen, weil es geschehen muß.

Das Proletariat wird seine Kunst haben, wie es seinen Staat, seine Gesellschaftsordnung, seine Welt erkämpfen wird, weil es heute die einzige Klasse ist, die um Gestaltung einer neuen Idee ringt.

In: Arbeiterwille, 9.11.1920, S. 9.

Otto Groß: Orientierung der Geistigen (1919)

             Unmeßbar allgemein ist das dunkle und drängende Ahnen, erstickend beschränkt das klare Begreifen der Urgründe und Erfüllung des großen Geschehens, das kommen soll. Die schönste neue Erscheinung, die im Bereich extremst gerichteter revolutionärer Gruppierung erblüht, das fortan unverlierbare Erleben tiefsten Einssein und nicht mehr lösbare Waffenbrüderschaft der Proletarier und der Geistigen, ist auch das erste Zeichen bewußtseinsnäheren Erkennens der ewig menschlichen Motive der Revolution. Wo immer geistige Menschen heute noch abseits geblieben sind, wird man sich überzeugen können, daß ihnen jede Kenntnis von anderen Bestrebungen fehlt. Fast jeder Hinweis auf den Welt und Leben umfassenden Horizont der wirklichen Perspektive des Kommunismus – von deren Reichtum zu erfahren ihnen in der Tat nur in geringem Maße Gelegenheit geboten wird – vermag hier Wandlung zu schaffen.

             Verbindender und trennender als Rasse, Geschlecht, Kultur und Klasse ist der typische Gegensatz zwischen dem revolutionären und dem konservativen Menschen, sagt Grete Fantl.[1]

             Das elementare Prinzip in der menschlichen Seele, dessen quantitative individuelle Verschiedenheit, dessen // Ausreichen und Versagen also die Menschen in diese beiden Kategorien trennt und einteilt, dieses im höchsten Sinne Wert und Wesen bestimmende Prinzip ist die Widerstandskraft des einzelnen Menschen, besonders des Menschen im Zustande der Entwicklung, gegen die Suggestionen von außen her, gegen die aufgedrängten Gefühle, Werturteile und Normen: die Selbsterhaltungskraft des angeborenen Menschentums, das an der eigenen Individualität wie an der Freude und dem impulsiven Ja zu allem Individuellen in allen anderen ringsum, am unbeschränkten eigenen Sein wie an der unbeschränkten Liebe festhält und seinen Widerstand der Vergewaltigung entgegensetzt wie der Verführung, dem ewigen und ringsgeschlossenen Druck zur Anpassung an die Anderen…

[…]

             Die freie grenzenlose Entwicklung des Menschentums, der Liebe und des Geistes setzt eine Ordnung der Welt voraus, welche in Allem und Jedem tödlich ist für die Angepaßten an jene andere Ordnung, // welche bis jetzt die herrschende ist und immer und überall tödlich war für Menschentum, Liebe und Geist… Es ist darum stets und ausnahmslos Lüge von vornherein, was immer gesprochen wird von allmählichem Übergang und Ausgleichung der Interessen, von Mäßigung und Vergleich – Lüge ist Alles und Jedes, in dem ein einziges gemeinsames Interesse des Revolutionären und des Angepaßten als existierend oder auch nur möglich vorausgesetzt wird.

             Was jeweils die Vermittlungspolitik erreichen kann, das ist allein ein Kompromiß von Interessen von absolut nur wirtschaftlicher Narur – mit ewiger Erhaltung des Unzuänglichen sogar auf diesem Gebiete selbst, mit definitivem Verzicht auf alle Werte des Lebens außer dem abgrenzbaren der reinen Zahl… Hier ist der Boden, auf welchem die Revolutionen sich auflösen, in Verhandlungen zwischen den Parteien, hinter welchen kein Unterschied steht von Mensch und Mensch: Verhandlungen zwischen verschieden Situierten, ohne Voraussetzung überhaupt mehr von verschiedenen seelischen Typen und deren verschiedenen Ansprüchen auf das Sein. –

             Noch nie hat eine kämpfende Partei sich einen Namen gegeben, so sehr als Ausdruck eines seelischen Typus geprägt und das gemeinsam psychologische Moment in allen ihren schöpferischen Charakteren bezeichnend, als der der »Höchstes fordenden« – das ist Derer ohne Kompromiß.

             In Jedem, dem der Kommunismus innere Berufung ist, wirkt ein lebendiger, ursprungnaher, von einer Jugendzeit der Menschheit her im besten Blut noch fortgeerbter Urgeist: ein unmittelbares Wissen vom Unterschied zwischen Mensch und Mensch: ein selbstverständliches dort ewig heimatlos und hier zu Hause Sein, dort losgelöst und hier ins Leben eingegliedert vom dominierenden Element im eigenen Innersten, der revolutionären Menschheitseele, die jedem Menschen solcher Art den Dienst des unbe-//schränkten großen Lebens zur Schicksalsbestimmung macht: ein reflektorisches Sich-Distanzieren von Allem Angepaßten, der Anpassung and das Inferiore, an Macht und Unterwerfung, Besitz, Gewohnheit, Tradition und Sittefähigen.

             Deswegen ist uns nichts so wesensinnerlich cerhaßt, erscheint uns keine je noch aufgestellte Politik so furchtbar korrumpierend und gefährlich als diese heutige des Kompromißes, dieser realpolitische Sozialismus der Vielzuvielen, der für das Proletariat und die Bourgeoisie mit einander den Boden gemeinsamer Anpassung herzustellen erraten hat – gemeinsamer Anpassung an den Geist des Bisherigen, um den Preis materieller Auskommensmöglichkeiten ein Mithinüberschleppen alles Wesentlichen aus der alten Ordnung: mit reduziertem Flügelschlag nun auch der kapitalistischen Ideen ein Realisieren von Durchschnittsmassen in Allem und Jedem, aber basiert wie früher auf die Selbstverständlichkeit von Macht und Vormacht zwischen Allen, um jeden Einzelnen herum die endlose Einsamkeit.

             Es ist diese Demokratie des »letzten Menschen«, die Nietzsche prophetisch vorhergesagt hat und vor welcher die Diktatur des Proletariats  die Zukunft des Menschengeschlechtes erretten soll.

             Das Endziel alles Kommunismus ist ein Zustand, in welchem Niemand irgend eine Vormacht politischer, ökonomischer, autoritativer Natur über Irgendeinen erhalten kann. Wir wissen, daß es niemals eine Ordnung geben kann, die etwa garantierte, daß nur der seelisch Höhere über den niedriger Organisierten Macht bekäme; und würde eine solche Ordnung je gefunden, so brächte sie die Korruption der hohen Seelen… Allein die völlige Unmöglichkeit jedweder Vormacht Irgendeines über Irgendeinen gewährt die Sicherheit, daß nie ein Mensch, in dem der freie schöpferische Urgeist lebt, sich Elementen zweiten Ranges beugen muß. //

             Wir wollen die Macht den Machtlosen geben, den Räten der Armen, damit die Macht wieder ohne Sünde werde, ein Kollektivgefühl der Menschen miteinander und unpersönlicher Besitz des unpersönlichen Gesellschaftskörpers.

             Bis einst die Menschen noch einmal beginnen, als Ausdruck eines schrankenlosen Einander-Verstehens und ihrer Freude aneinander einen Turm in den Himmel hinauf zu bauen.

             Erst dieser Bau wird dann den Namen tragen dürfen: Kultur

In: Sowjet. Kommunistische Monatsschrift, Nr. 5, Nov. 1919, S. 1-5.


[1] Neue Rundschau, Berlin, 1919/3.

Robert Müller: Die neue Erregung. (Aktivismus) (1918)

Im Wesen der zeitläufigen Erregung liegt der unduldsame Trieb nach Vereinfachung. Man sucht nach klassischer Lebensführung. Der Mensch schüttelt wieder einmal alles ab, um sein Lebenshaus von Grund auf neu zu bauen, sich in die Mitte zu stellen und die Dinge nach dem Mittelpunkt seiner – Sternbewußtheit zu ordnen, ohne dem Dingzwang zu dienen. Was wir wollen ist die Schlichtheit, die Logik, die fühlbare Verbindlichkeit, die vom Leben selbst ausgeht. Diese Schlichtheit ist aber nicht Gemeinplätzigkeit, sondern sie ist das Schwerste für den ungeübten und vertrakten Bürger. Ob der Kunstausdruck solcher Schlichtheit ein Buch von Paul Adler oder ein Bild von Campendonck ist, wagt der Expressionistischste unter uns Allen am wenigsten zu entscheiden. Er bekennt sein Schlichtheits-Erlebnis und sich selbst in den ihm innensichtig dafür gewordenen Formen. Um einem Mißverständnis vorzubeugen, sei gleich erklärt, daß diese Schlichtheit als Formforderung nicht identisch ist mit Klischee oder Stereotyp, sondern das neue Formgebären aus der seherischen Einfalt herausgefordert.

             Die sichtbarste Form solcher Schlichtheit und Umweltbefreiung des neu gewonnenen Menschen ist der Wille, die Gesellschaft auf menschlichste Verkehrsimpulse zu zerlegen und neuerlich, nun nach dem Schlüssel: Mensch, zu gruppieren. Und damit sind wir bei den Aktivisten angelangt.

             Sie verwandeln die Erregung, indem sie auf die Straße, in das Kaffeehaus, auf den geistigen Markt eilen, in ein Pathos. […] Ihre Manifeste, Bücher, Essays sind lang, das ist noch ein Fehler, weil sie das Schlichte, es Unschlichten zu beweisen, oft verwickelt vertreten. In ihrer Absicht liegt die Komplikation nicht. Daß ihr Pathos ihre direkt eingreifenden Akte überwiegt, liegt an der Schärfe und Jugend des ganzen Ereignisses. Sie sind so vielversprechend exakt, gebildet und praktisch, daß sie in kurzer Zeit die prägsamsten Vertreter in die Legislaturen des Planeten gesendet haben werden. Die Tatsache ihres Pathos gibt ihnen Affinität zur politischen Einstellung des Romanen. Dessen gleichlaufende Erscheinung an ihnen abzumessen, wird eine unten folgende Konfrontation mit dem Futurismus ermöglichen.

             Alle radikalen »Strömungen« beunruhigen ihr Blut, dessen Erregung durch keine dieser allein genügend befriedigt ist. Sozialismus, Mutterschutz, Eugenik, Schulreform, Körperkultur, Kapitalsabbau, Legierung der Nationen, Abrüstung, Friedensorganisierung, Weltrasse-Schöpfung, Neureligiosität, Kunstmehrung und Genußsteigerung, Verbesserung der für den Erdstern noch viel zu provinziellen Technik, Beseelung der Politik zugleich mit der Entsumpfung der materiellen Ordnung von Gefühlsmiasmen, all das ist Punkt in ihrem großen Programm. Sie sind nicht Bolschewisten, sie gehen darüber hinaus. Ist es ein fünfter Stand nach den Arbeitern: der der Geistigen? Kündet sich einfach eine neue Schichtbildung an? Dieser Schluß ist eine historische Unart, ein Gewohnheitsdenkerschwips. Die »Geistigen« sind kein neuer Stand. Sie setzen nicht die in der französischen Revolution begonnene lineare Entwicklungsgeschichte der Revolutionen fort. Sie sind keine arithmetische Errechenbarkeit, die einmal auch »Faktor« sein wird. Sie sind Dimension. Aus der Fläche des Bürgertums, die sich in dem Sozialismus fortgesetzt hat, knicken sie förmlich als ein Raum hervor. Die Geistigen sind Bürger, darüber laßt uns, so ohrfeigenhaft das klingt, hinwegkommen. Die Geistigen sind nicht Ultraproletarier. Sie sind nicht noch um ein Stückchen revolutionärer, Pünktchen oder zwei programmatischer. Die Arithmetik der französischen Revolution kann, wie Rußland beweist, fortgeführt werden. Dort taucht hinter einer Schicht immer eine andere auf. Die Geistigen sind nicht eine Originalrevolution. Sie führen durchaus den bürgerlichen Gedanken fort, sie sind sein Ausreifen. Das zu leugnen, sich dessen schämen zu wollen, wäre sentimental. Gerade weil sie die bürgerliche Epoche durch diesen Seitensprung viel gründlicher negieren als der Sozialismus, sei der der Trotzkys oder der englischen Gewerkschaften oder der anorganischen Massenerhebung des amerikanischen Proletariats unter Gompers zugunsten des Wilsonschen Staatswolkenkratzers, gerade draum haben sie ihren Ursprung im Bürgerlichen nötig. Mit dessen Produktivität, dem Individualismus, sind sei näher verwandt als mit dem kommunistischen Binnenstaat. Der Sozialist liegt in der Fläche des Bürgerlichen mehr als er denkt, siehe einmal den deutschen Staatssozialismus. In die Raummöglichkeit des Bürgers entsprang der Geistige. Taktisch hat der Geistige mit dem Proletarier viel gemeinsam, prinzipiell nur den Menschen.

             Der Aktivismus ist eine Partei, die noch keine Partei hat und nur eine nimmt; eine Partei, die noch keine gewählten, bloß geborene Vertreter und keine Körperschaften hat, in denen diese sprechen könnten. Um also von der Literatur in die forensische oder administrative Tat zu gelangen, wird der Aktivismus so ziemlich die gesamte bestehende Ordnung im Kern treffen müssen. Ob er es vermag, wird sich zeigen. Die Unsicherheit des Erfolgs ist für den Aktivisten keine Entschuldigung, den Versuch zu unterlassen.

             Der Aktivismus ist vorerst das Pathos zu einer Politik: er ist vorerst das Romanische zu etwas, das deutsch ausfallen soll.

             […]

             Die Aktivisten stellen sich der aktuellen Situation. Sie sind Journalisten mit Jahrhundert Wirksamkeit, nennen wir sie Säkularisten. Was am Tag Jahrhundert ist, bringt ihre Federn in Gang.

             Die Gegner des Aktivisten sind der Politiker und der Dichter. Der Dichter will das Subjekt ändern; er verzichtet auf die sofortige Änderung des Objektes. Der Politiker, der Sozialist oder Revolutionär etwa ändert nur das Objekt. Der Aktivist ändert das Objekt an Ort und Stelle, um die Änderung des Subjektes zu ermöglichen, zu beschleunigen. Der Zweifrontenkrieg reibt ihn auf. Viele geben ihm darum keine Chance. So muß er sie ergreifen. Wird er sich zum politischen Akt im gegebenen Momente bekennen?

             Verwandte Bewegungen laufen in Frankreich und Italien. Es hat keine die Höhe des Notwendigen erfaßt, wie der deutsche Aktivismus, sie sind alle politischer, aber sie sind ebenso menschlich stark. Das Futuristenorgan in Mailand „Italia Nuova“ stellt folgendes Programm auf:

             „Die politische Partei der Futuristen, die wir heute gründen, will ein freies starkes Italien, auf dem nicht mehr der Druck seiner großen Vergangenheit, des allzu sehr geliebten Fremden und der allzu sehr geduldeten Priester lastet: ein Italien, ohne Vormundschaft, in jeder Hinsicht eigener Herr seiner Kräfte, ein Italien, das stets den Blick auf seine große Zukunft gerichtet hat.“

             In den Einzelheiten des futuristischen Programmes steht an der Spitze das Problem der Erziehung. Sie soll vor allem patriotisch sein. Abgeschafft wird ein großer Teil der vielen unnötigen Universitäten sowie der klassische Unterricht. An seine Stelle tritt ein Obligatorium in technischen Fächern, Freilichterziehung, Sport ec. Der bisherige rhetorische Antiklerikalismus soll ersetzt werden durch einen Antiklerikalismus der Tat. Das Parlament soll umgewandelt werden im Sinne einer gleichmäßigen Anteilnahme der Industrie und der Handelswelt an der Regierung des Landes. Wählbar ist jeder Italiener, der das 22. Jahr erreicht hat, Möglichster Ausschluß der Advokaten (stets Opportunisten) und Professoren (stets „Rückblickler), Aufhebung des Senates. Wenn dieses vernunftgemäße und praktische Parlament sich nicht bewähren sollte, so ist eine technische Regierung ohne Parlament zu schaffen. Sie wird aus zwanzig, nach allgemeinem Stimmrecht gewählten Technikern bestehen. […]

             Dieses Programm nimmt hauptsächlich auf die bestehenden Verhältnisse Italiens Rücksicht, es will „Welt“ nach Italien bringen und die Fremden, auch die Bewohner früherer Jahrhunderte und ihre Wahrzeichen ausmerzen. Im Verhältnis dazu ist das aktivistische Programm elastischer und geistiger, es steht ohne Zweifel höher, aber es ist auch nicht so unmittelbar.

             Die Forderungen, die der Aktivist an Staat und Gesellschaft stellt, quellen aus den natürlichen menschlichen Bedürfnissen und haben keine Nation zur Voraussetzung, legen überhaupt kein Gewicht auf äußere Kraftentfaltung seiner Wunschgesellschaft, sondern allein auf deren Intensität. Sie verlangen persönliche Freiheit, eine Art Habeas-corpus-Akte für seiner Sinne Fähigen; freie Liebe und Ehereform; Rückführung der Erziehung auf die natürlichen Instinkte des Menschen; also kalokagathistische Ausbildung an Körper und Seele, das klassische Ideal; Abschaffung aller politischen Formalitäten, Weltstaatlichkeit, komplexe Menschheitspolitik, durch Bundesformen erreichbar; der politische Apparat müsse (ohne näher zu sagen, wie das geschehen kann) in die Hände der Auslese aus den Besten übergehen; also ein geistiger Aristokratismus. Verpönt sind Krieg, Wirtschaft um ihrer selbst willen, andererseits auch Ästhetizismus von nur Verfeinerten; die Gesellschaft soll möglichst so gebildet sein, daß sie ein Leben in geistigen Erregungen gestattet und fördert, weil nur auf diesem Wege der Mensch sich wesentlich ändern und hinaufbilden kann. […]

             Wir mußten historisch und genetisch vom Expressionismus ausgehen, um den Aktivismus erfassen zu können. Der Expressionismus ist eine Erregung; Aktivismus der letzte Effekt dieses endemischen Willens unter Geistigen, die Welt nicht mehr beschaulich zu zerlegen und zu bewissenschaften, sondern sie geistig zu bewirtschaften. Der Aktivismus ist Geistwirtschaft am Erdball. Die Parteinahme des postanalytischen schöpferischen Menschen gegenüber dem Gegenstande, dessen Ordnung nach einem Ausdrucksprinzip, das im Künstler liegt, hat notgedrungen zur Parteinahme gegenüber dem sinnfälligsten Totalgegenstand, unserer sozialen Umwelt, führen müssen.

Die Aktivisten haben eine Zeitschrift in Zürich, „Das Zeitecho“, herausgegeben von Ludwig Rubiner. In Leipzig steht ihnen der Verlag „Tätiger Geist“ zur Verfügung, in dem soeben das zweite der „Ziel“-Jahrbücher erschienen ist. Wenn ein gebildeter und objektiver Ausländer, sagen wir ein Engländer oder ein Amerikaner aus dem Wilsonkreis, sich über die Entwicklung der deutschen Mentalität unter dem jungen Geschlecht unterrichten wollte, müßte man ihm dieses Buch, das von den ersten Schriftstellern geschrieben ist, darunter auch Heinrich Mann, in die Hände spielen. Und man würde dort draußen sehen, daß man mit Deutschland noch immer als dem Mittelpunkt der geistigen Welt rechnen kann.

 In: Die Wage, 30.9.1918, S. 615-619;(KS, II, 214-218)

Robert Müller: Bilanz des Aktivismus (1920)

             Der Aktivismus hat natürlich keine Saison. Als praktisches Ressort unseres modernen Geisteslebens, zu dem er sich seit Jahren herausgewachsen hat, ist er aber an den Rhythmus des allgemeinen Geschäftsgangs angeschlossen und hat mit ihm die Cäsuren, Abschnitte, Pausen und Kulminationen gemeinsam. Es ist also nur geschäftstechnisch zu verstehen, wenn wir mitteilen, daß ein Arbeitsjahr abgeschlossen hat und wie es abgeschlossen hat; und daß wir, die Bilanz des Gelernten und Getanen ziehend, uns ein Motto und eine Strategie fürs Kommende zurechtlegen.

             Wort und erster bewußter Inhalt des Aktivismus stammen aus der geistigen Atmosphäre der ungeheuer intensiven, amerikanisierten, apparatlich vehementen Kapitale des neudeutschen Reiches, Berlin. Daß die Kontemplation der immerhin geistig bleibenden Europäers sich der Dynamik der sprengkräftigen, kochenden Großstadt nicht entziehen können werde, hatten einige von uns vorausgesehen; wir sahen es voraus, weil wir hofften, es war der Wunsch Vater der Erkenntnis. Wenn jemand sich der sogenannten Ruf-Hefte erinnert, die im Jahre 1913/14 in Wien von damals allerjüngsten Studenten, Schriftstellern und Künstlern herausgegeben wurden und zum erstenmal sensationell eine neue Generation nach der Gerhart Hauptmann-Hermann Bahrschen anzukündigen schienen, so wird er in ihnen vieles von dem geahnt und empfunden vorfinden, was heute daran ist, sinnliche Gestalt zu werden. Ungefähr zur selben Zeit erschien in Deutschland Kurt Hillers Buch Weisheit der Langeweile, das ebenfalls schon die aktivistische Klaue verrät. In den Weißen Blättern des René Schickele war dieselbe deutsch-europäische Erscheinung als selbstständiges Symptom zum Ausdruck gekommen.

             Inzwischen hatten schlagfertige, aber durch die Erleichterung eines Initiative-empfindlichen technischen Verkehrsapparats auch schlagkräftige Berliner die ersten Organisierungsversuche unternommen. Eine literarisch-kulturpolitische Partei war gegründet, sie nannte sich „Die Aktivisten“. Die motorische Kraft der Bewegung dürfte schon damals der phantastisch konzeptive Kurt Hiller gewesen sein. Die Genesis und den weiteren historischen Verlauf möge er selbst erzählen, er hat eine bedeutende Fähigkeit, Ordnung in aktuelle Zusammenhänge und Relationen zu bringen. […] //

             Möglich, daß sich ein Dutzend Programme des Aktivismus in den nächsten Jahrzehnten auf den Kopf stellt; die Köpfe selbst werden, dürfen nicht aus ihrer Lage geraten. Sie gewährleisten, daß Programm-Revolutionen nicht frivol, zusammenhanglos und antilogisch vor sich gehen; vielmehr; daß sich ein solches Programm in seine stete und stetige Verbesserung verkehre.

             Nur auf diesem Wege, nicht auf dem einer dogmatischen Gesinnungsgleichheit haben sich die heutigen europäischen Aktivisten unterwegs getroffen. […] In Wien war der Aktivismus wie anderswo latent in voraktivistischen Gemeinschaften und Strebungen vorhanden. Er war mit ein Grund, daß die Revolution ausbrach; allerdings keiner, daß sie so ausbrach und einbrach. Das synthetische Element, das die nicht durch Bedürfnis, sondern Hunger und Autoritätslosigkeit entstandene allgemeine Tagesbericht-Revolution mit fortschwemmte, als sei es eine reaktionäre Erscheinung, flüchtete sich in ihn. Die Aktivisten in Wien waren die ersten und gründlichsten Umordner, nicht Unordner; ihre Programme griffen so radikal zu, daß sich die Wirtschaftsrevolutionäre, Marxisten und Klassenkämpfer in den ursprünglich breit gesteckten Debatten dialektisch überhaupt nicht halten konnten, sie verloren, aus ihrem volksversammelten Wortschatz gerissen, den Atem und, feuerfeste Ideologen, die sie damals waren, überschütteten sie uns mit Mißtrauen in unsere auf Seelenumwälzung losgehenden Sachpläne. Damals entstand eine Spaltung zwischen den Materie-Ideologen (Marxisten) und den Ideo-Materialisten. Die ganz brutalen Marxisten blieben weg; die feinen, die landauernden Intellektuelle des Sozialismus, möchte man sagen, hielten ihre personelle Affinität zur aktivistischen Gemeinschaft selbst unterm Druck des Dogmatischen, dem sie verschrieben sind, aufrecht. Es bildeten sich die persönlichen Respekte und Sympathien, diese geistige Erotik (das ist nur eine Metapher), die für den Aktivismus charakteristisch geworden sind und sein historisches Schicksal formen werden, denn der Aktivismus besteht nur mit seinen genuinen Trägern, außerhalb ihrer, als Dogma, als Lehre, als Massen-Entzückung gar nicht.

             Dies alles ereignete sich mit den Umsturztagen – es war kein Umsturz, sondern eine Schwankung von rechts nach links – im „Bund der geistig Tätigen“, nachdem ein einschichter Versuch, ein Raritätenkabinett von Königen ohne Portefeuille, von Ministern ohne politisches Kleingeld zu bilden, an seiner wunderschönen kristallenen Einsamkeit verschollen war. „Die Katakombe“ hatte exklusiv begonnen, um sich, wenn möglich, dem pragmatischen Leben zu inkludieren. Aus der Zusammenarbeit sehr vornehmer Intellekte ergaben sich geistige Wohlstandsbulletins, die eine Unsumme von Philologität in sich aufgespeichert haben; Wortliebhaberei für die Sprachreiniger. Ich kann heute darüber gut gelaunt sein; aber ich muß gestehen, daß mir die geistige Alm, auf die wir uns verstiegen hatten und von der es dann Abschied nehmen hieß, damals, als die Weltanschauungsberge ihre Opfer forderten und einer nach dem anderen abstürzte, als ein vorbildliches Fiasko sehr zu Herzen ging. Es waren ihrer nicht viel; und das Aussterben ging schnell. Daß ich so heiter geworden bin: Man sieht schon, daß ich noch einen Rest Traurigkeit zu vertuschen habe. Ich begrabe einen Lieblingsplan.//

             Im „Bund der Geistigen“ ging es flott. Die Aktivisten genieren sich nicht, amerikanische Worte in den Mund zu nehmen. Es ging flott. Ihr seid dabei gewesen, Freunde. Es beginnt eine neue – Saison. Seid wieder dabei!

             Über das Ergebnis hat der „Strahl“ an anderer Stelle (Chronik) berichtet. […]

             Die Bedeutung des engen Verhältnisses Berlin-Wien zeigt sich in der europäischen Resonanz. Nachdem zwei Manifeste, die wir an Henri Barbusse und die nachmaligen Pariser Clartisten gerichtet hatten, unbeantwortet geblieben waren, […] erlangten wir, von Hiller unterstützt, den gewünschten Kontakt. Victor Cyril fordert uns auf, in Wien eine lokale Sektion der „Internationale de la Pensée“ zu begründen. Wir sind daran, diese ehrende europäische Aufgabe zu erfüllen.

             Wie in den verschiedenen Regionen deutscher Zunge spontan, gleichzeitig und voneinander unabhängig die geistvereinenden Ideen auftauchten, so entwuchsen sie auch der französischen Mentalität. Die Frage ist nicht mehr, ob „Aktivismus“ oder „Internationale de la Pensée“, sondern in welcher Struktur. Die Gegensätze sind keine Epigramme, der Kooperativ-Instinkt ist es, der seinen Triumph feiern will, und nicht Grundsätze, sondern Menschen mit einigermaßen berechenbaren Lebensäußerungen sind es, die sich finden wollen. „Clarté“, „Zieljahrbücher“ und „Der Strahl“ sind Instrumente des Verständigungsvorganges, den Europa in reinster und reichster Form erleben will.

             Es will es.

             Europa ist keine Landkarte, sondern eine Geistkarte.

In: Der Strahl, H. 2/1920, S. 5-10 (auch in KS, II, 425-428)

Alfred Polgar: Dada. (= Teil 2 des Artikels: Ein paar Tage in Berlin) (1919)

             Den Dadaisten gehörte meine große Zuneigung. Sie schienen mir der Schrei und Geste gewordene Widerspruch gegen bürgerliche Vernunft und Vernünftigkeit. Sie pfiffen den gigantischen Unsinn des Lebens aus und selbst das „befreiende Gelächter“ noch verlachten sie. Sie setzten dem scheußlich-behaglichen Kulturbau aus Zeitungspapier und Ziegelsteinen, inklusive seiner heiligsten, geist-gestrichenen Räumlichkeiten und seiner Kunstkabinette mit esoterischer Wasserspülung, den roten Hahn der Verneinung aufs Dach. Sie störten die Comédie humaine-divine durch erquickend bübisches Dazwischenspielen und deckten die Szene mit einem Regen fauler Witze zu. Sie spieen ihren Haß in die Fratze der Zivilisation und nahmen überhaupt menschliche Beflissenheit als das, was sie ist: als dadaistische Angelegenheit.

             So schien es aus der Ferne. In der Nähe – bei einer Berliner Sonntags-Dada-Matinee – verblaßte der Zauber einigermaßen.

             Die Ordnung der Welt ist schlecht: also muß sie verrückt werden. Hierfür sorgt Dada. Lettern, Zahlen, Striche, Formen, Farben, Begriffe, Kausalitäten, Heiligkeiten, Betisen: alles stürzt, purzelbaumt durcheinander. Weiter als bis zu diesem Durcheinander ist Dada noch nicht gekommen.

              Der Wirrwarr hat manchmal, einfach dadurch, daß er vorhanden, etwas faszinierend Höhnisches, das leere oder lug- und mistgefüllte Innere der Ordnung unbarmherzig Aufspaltendes. Vor den Trompetenstößen der Dadaisten stürzen die kunstbeklexten Mauern der Kulturmenschensiedlungen, und Gestalten im Nachthemd, häßlich, aller Würde bloß, fallen der Lächerlichkeit zur Beute.

             Aber solche dadaistische Groß-Augenblicke hatte die Sonntagsmatinee keine. Sondern ein paar junge Leute machten allerlei Stegreif-Jux, verulkten ihre Zuschauer, trampelten, schrieen, pfiffen, telephonierten, warfen einander hinaus und herein, fistelten und brüllten, zogen einen gutmütigen Vorhang auf und zu, klatschten sich, quietschend vor Unsinnswollust, auf den Podex und sagten beiläufig: Ecce homo! Oder auch: Ecce ars!

             Sozusagen: „munteres Anarchistenvölkchen“.

             Es war erschreckend langweilig. Wenn man ihnen das aber sagte, würden sie antworten: Eben; wir sind gegen „Unterhaltung“. Und wenn man ihnen sagte: Aber warum so gottserbärmlich geistlos gegen Unterhaltung?, würden sie antworten; Eben; wir sind gegen „Geist“. Und wenn man ihnen sagte: Aber warum so jammervoll witzarm in der Verneinung von Geist?, würden sie antworten: Eben, wir sind gegen „Witz“.

             Man hat’s nicht leicht mit ihnen.

             Denn dies ist, scheint es, ein Wesentliches des Dadaismus: er ist gegen. Was immer in die Schußlinie dieses Gegen kommt, wird Zielobjekt und angeknallt.

             Dem Erlegten ziehen sie die Haut ab und treiben Schindluder mit dem armen Fell und verarbeiten es zu Dada.

             Und als höherer Sinn der Welt offenbart sich ihre tiefe Sinnlosigkeit. Oder auch umgekehrt.

             Es war die Pointe – (…wir sind gegen „Pointe“…) – der Sonntags-Matinee, als ein beleidigter dicker Bürger die Bühne berannte und von den Dadaisten, die sich die Röcke ausgezogen hatten und in Hemdsärmeln fochten, unter ungeheurem Getöse zurückgeschlagen wurde. //

             Frauen traten leider keine auf.

             Unter den Berliner Dadaisten gibt es ein Genie, einen Zeichner. Er arbeitet für zwei ultraradikale Blätter, für den „Blutigen Ernst“ und die „Die Pleite“. Seine Menschenbilder bestehen aus Kontur und Luft. Aber sei nehmen den Gesichtern und Bäuchen die Eingeweide heraus. Es sind Zeichnungen mit dem Apachen-Messer.

             Der schreckliche Mensch heißt George Groß.

             Ansonsten ist das Berliner Dada eine durchaus dadaistische Angelegenheit.

In: Der neue Tag, 25.12.1919, S. 3-4 (KS 4, 228-230).

Günther Hirschel-Protsch (Hirspro): Konstruktivismus und Dynamik (1925)

             Konstruktivismus ist die formale Ausdrucksweise körperlicher Starre nach logischen Gesetzmäßigkeiten. Dynamik ist das Prinzip bewegter Ruhe in der Übertragung von Raum auf Zeit, Fläche auf Raum, Fläche auf Zeit. Der Zusammenhang von Konstruktivismus und Dynamik ist nur durch Vitalität, Rotation und Mechanik lösbar. Sonst bleiben der Raum, Fläche, die Zeit pathetisch, bewegt erscheinend, so „als ob“. Die Gesetzmäßigkeit von Raum, Fläche, Zeit liegt begründet in ihrem gegenseitigen, zwingenden Verhältnis.

             Die Elektromechanik Lissitzkys ist der erste Schritt zur Überwindung des toten Raums. Auch Tatlins Versuche (Denkmal der 3. Internationale) müssen als Synthese der drei Polaritäten an dieser Stelle genannte werden. Die Forderung, welche Kurt Schwitters durch die „Merzbühne“ stellt, gehört in begrenzten Stellen ebenfalls hierher.

GEDICHT

ich sitze verquer durch den raum

baumloses astet und gilbt

ich lasse den raum

und schüttle den raum

und bebe den raum

und höhe den raum

leere stöhnt

leere weitet

leere fruchtet

Angst

In: MA, H. 3/1925, S. 7.