N.N.: Die Jungfront

N.N.: Die Jungfront (1932)

Schuster (Wien): Die Jungfront will keine selbständige Organisation sein, sie will mit arbeiten im Namen der Partei. (Leb­hafter Beifall.) Die Jungfront hat nicht nur große organisatorische Aufgaben unter der Jugend unserer Partei, sondern auch politische Aufgaben. Es ist notwendig, gerade von Jugend zu Jugend politisch aufrüttelnd zu wirken, zu diskutieren und zu debattieren, nicht nur über die Fragen des politischen Alltags, son­dern vor allem auch über den großen Kampf des Sozialismus. Deshalb mögen die führenden Genossen nicht nervös werden, wenn manchmal irgendwo etwas heftig diskutiert wird. Über die organisatorischen Fragen der Jungfront, die der von Deutsch besprochene Antrag der Parteiver­tretung über die Wahl der Jungfrontfunktionäre behandelt, hat sich seit einiger Zeit unter der Jungfront ein heftiger Kampf entwickelt. Wir stehen auf dem Standpunkt der funktionellen Demokratie. Wir sagen: die eine besondere Funktion unter der Jugend haben, sollen ein Mitbestimmungrecht haben, wen sie als Führer wählen. Der Antrag des Parteivorstandes trägt diesem Wunsche Rechnung und ich glaube, im Namen der Mehrheit der Wiener Jungfrontler sagen zu dürfen, daß es uns freut, daß der Parteivorstand unserem Wunsche Rechnung getragen hat. Die Jugend soll nicht allein bestimmen, sondern sie hat im Rahmen der gesamten Partei mitzubestimmen, wir glauben aber, daß die Jungfront die Möglichkeit haben soll, ihre Vorschläge zu erstatten, wen sie wünscht. Haben Sie Vertrauen zu dieser Jugend und nehmen Sie vor allem diese Jugend ernst, denn dieser Jugend ist es auch ernst um die Sache der Partei und des Sozialismus.

Der Kern der Jugend ist gut; denn er ist revolutionär. Und wer diese Jugend wirklich hat, der hat die Zukunft. (Starker Beifall.)

Piperger (Wien): Es hieße, die Aufgabe der Jungfront völlig verkennen, wenn man meinen wollte, ihre Aufgabe sei lediglich eine organi­satorische oder administrative. Die Aufgabe, innerhalb der jungen Generation zu wirken, kann nur verstanden werden vor allem als politische Aufgabe von außerordentlicher Wichtigkeit. Der Streit der Meinungen hat sich an der Frage entzündet, ob die Jungfrontvertrauensleute ihre Funktionäre zunächst selbst bestimmen sollen und die Partei sie nachträglich bestätigen soll, oder umgekehrt, wie die Parteivertretung es dem Parteitag heute vor­schlägt, ob nicht die Gesamtheit der Partei, die Jungfrontreferenten in ihren Konferenzen wählen soll— natürlich im Einvernehmen mit den jungen Vertrauensleuten selbst. Ich glaube, wenn man alles Für und Wider abwägt, daß man schließlich doch dazu kommen wird, zuzu­geben, daß der zweite Weg der richtigere und zweckmäßigere ist. Die Lösung, die die Partei­vertretung dem Parteitag vorlegt, dient vor allem auch einem möglichst reibungslosen Generationswechsel in der Partei.

Es ist in den Diskussionen, die in Wien ins­besondere über diese Fragen geführt wurden, das Problem mit Recht einmal auf die Formel ge­bracht worden: bei dem Streit komme es darauf an, ob man an die Frage herangehe als Junger oder als Sozialdemokrat. Ich glaube, wenn man diese Frage durchdenkt, wird man zugeben müssen, daß sie gar nicht anders betrachtet werden kann als vom Gesichtspunkt der gesamten Partei. Erst Sozialdemokrat und dann Jungfrontler muß die Formel sein! (Leb­hafter Beifall.)

In: Arbeiter-Zeitung, 14.11.1932, S. 5.