Geb. 23.11. 1871 in Teschen (k.k. Österreich-Ungarn, heute Cieszyn, PL), gest. (ermordet) 3.3. 1943 im KZ Theresienstadt (Terežin). Frauenrechtsaktivistin, Feuilletonistin, Politikerin, Schriftstellerin.
Als G. Stern in eine jüdische Kaufmannsfamilie geboren, wuchs in gesicherten Verhältnissen auf und absolvierte eine Handelsschule, bevor sie um 1900 zunächst in der Administration der Zeitschrift Wiener Mode und ab 1905 ebendort auch journalistisch sich zu betätigen begann. 1902 wird sie, bereits vorher offenbar aktiv geworden, in die Preßkommission des Bundes österreichischer Frauenvereine (Vorsitz: Marianne Hainisch) gewählt (Blatt der Hausfrau, H. 43/1902, S. 5) und dabei als „Schriftstellerin“ ausgewiesen. Ab 1903 nahm sie auch im „Damenkomitee“ des Österreichischen Automobil Clubs („einem der vornehmsten unserer Metropole…“, Wiener Salonblatt, 21.3.1903, 8) an verschiedenen ‚gesellschaftlichen‘ Aktivitäten teil. 1907 gründete sie die Wiener Konsumentenliga und war wesentlich in die Organisation des Frauentags eingebunden (Die Zeit, 7.5. 1907, 13).
Materialien und Quellen:
Eintrag von Lydia Jammernegg auf: fraeuen in Bewegung: hier
geb. am 9.7.1891 in Linz – gest. am 4.11.1974 in Thonex (Schweiz); Schriftstellerin, Redakteurin, Literaturagentin
Das Porträtmodul von Veronika Hofeneder finden Sie hier.
Nach dem Besuch eines Lyzeums in Linz und eines
Gymnasiums in Zürich, beginnt U. ebendort Naturwissenschaften und Philosophie zu
studieren. Ihr Universitätsstudium bricht U. jedoch ab, als sich erste
schriftstellerische Erfolge einstellen, und sie übersiedelt 1909 nach Wien. In
rascher Folge ist sie zweimal kurz verheiratet und bald wieder geschieden, mit
der Schwester ihres zweiten Mannes, Mia (Maria) Passini, verbindet sie eine
lebenslange Freundschafts- und Arbeitsbeziehung. Passini redigiert die Arbeiten
der Freundin, begleitet U. auf deren Reisen und lebt bis zu ihrer eigenen
Heirat im Jahr 1945 mit ihr zusammen.
1911 erscheint U.s erste Publikation, der Sammelband Sehnsucht, zwei
Jahre später folgt dann der theoretisch-programmatisch ausgerichtete Band Wenn
die Weiber Menschen werden… Gedanken einer Einsamen (1913), der in direkter Anlehnung an O. Weiningers
Geschlechterdichotomie verschiedene Frauentypen konstruiert. Während des Ersten
Weltkrieges und in den ersten Nachkriegsjahren publiziert sie zahlreiche Texte
in Zeitungen und Zeitschriften vorwiegend deutschnationaler Ausrichtung, u.a.
in der Ztg. Freie Stimmen (Klagenfurt),
in denen sie völkisch-nationales und rassistisches Gedankengut formuliert. U.s
politische Einstellung ist stark durch ihr enges Verhältnis zu ihrem Vater
geprägt, der Anhänger der deutsch-nationalen Bewegung
Georg von Schönerers war. Dementsprechend ist sie dem völkisch-nationalen Lager dieser Zeit auch durch kulturpolitische
Aktivitäten eng verbunden: Sie veranstaltet Lesungen im „Deutschen Schulverein“,
einem Verband zum Schutz der deutschen Sprache, beteiligt sich an A. Trebitschs
Anthologie Deutscher Geist aus Österreich (1920) und verfasst ihre
völkisch-nationalen Romane Das andere
Blut (GU 1920), Die Auswanderer
(GU 1921) und Die goldene Peitsche
(GU 1922).
Us. Rolle im Wien der Zwischenkriegszeit ist jedoch so ambivalent wie vielseitig, denn ihr Engagement geht über das völkisch-nationale Lager hinaus: So verfasst die umtriebige U. auch wirtschaftswissenschaftliche und finanzpolitische Artikel (z. B. für die Österreichisch-Ungarische Finanz-Presse), schreibt Gedichte, Lied- und Operettentexte und betätigt sich als Kabarettistin. 1923 gründet sie gemeinsam mit R. Auernheimer, A. Schnitzlergeb. am 15.5.1862 in Wien - gest. am 21.10.1931 in Wien; Schriftsteller, Kritiker, Arzt Der älteste Sohn des angesehene..., S. Trebitschgeb. am 21.12.1868 (nach anderen Quellen 1869) in Wien – gest. am 3 6.1956 in Zürich; Schriftsteller, Übersetzer,&nb... und dem Verleger E. P. Tal die österreichische Sektion des internationalen P.E.N-Clubs und wird dessen Generalsekretärin. In dieser Phase relativer Liberalisierung entstehen auch ihre Romane Mirjams Sohn (1926) sowie Der wilde Garten (1927). Letzterer stellt das in den 1920er-Jahren provokative – und von U. selbst erlebte – Thema der lesbischen Liebe in den Mittelpunkt und begründet ihren Ruf als „unmoralische“ Schriftstellerin.
U.s Arbeitspensum ist bemerkenswert; neben ihrer beachtlichen belletristischen
Produktivität (bis 1943 erscheinen 32 Romane von ihr, die in rascher Folge hohe
Auflagen erleben) arbeitet sie als Pressechefin der Wiener Volksoper, betreibt
eine eigene Literaturagentur und gibt die Zeitschrift Roman der Millionen
heraus. Von 1925 bis 1928 ist sie Redakteurin für die linksliberale
Tageszeitung Der Tag, außerdem ist sie Mitarbeiterin des
antimarxistischen Neuen Wiener Journals. Privat pflegt sie sowohl
Kontakte zum nationalen Lager wie z.B. zu A. Trebitsch oder R. Hohlbaum als auch Freundschaften mit
liberalen, jüdischen und nichtjüdischen Schriftstellern wie z. B. mit R.
Specht, H. Walden und F. Salten.
Diese ideologische Ambivalenz manifestiert sich auch auf literarischer
Ebene; ihre in den frühen 1930er-Jahren erschienenen Erfolgsromane Eine Frau
erlebt die Welt (1931) und Karin und die Welt der Männer (1933)
lassen sich politisch nicht eindeutig festlegen. Eine klare Parteinahme für den
Nationalsozialismus erfolgt dann auf real-biographischer Ebene: Im Mai 1933 solidarisiert
sich U. beim internationalen P.E.N.-Kongress in Ragusa (Dubrovnik) als
österreichische Delegierte mit der gleichgeschalteten deutschen Delegation und
verlässt mit dieser aus Protest den Saal, als der internationale
P.E.N.-Kongress die Bücherverbrennungen in Deutschland verurteilen will. In
Folge der daraus resultierenden Auflösung des von ihr begründeten Wiener
P.E.N.-Clubs und der medialen Kritik an ihrer Solidarisierung mit der deutschen
Delegation sowie aus Furcht, in Österreich wegen ihrer Mitgliedschaft (seit
1932) und ihres offenen Engagements für die verbotene NSDAP in Österreich
strafrechtlich verfolgt zu werden, emigriert U. 1933 nach Berlin. Hier ruft sie
in Zeitungsartikeln und Radiointerviews zum Boykott jüdischer und anderer
liberaler österreichischer Schriftsteller auf und trägt damit wesentlich zu den
von der NS-Kulturpropaganda verhängten Publikationsverboten auf dem deutschen
Buchmarkt bei. Doch U. fällt auch in Deutschland bald in Ungnade: 1934 wird sie
gemeinsam mit ihrer Freundin Passini von der Gestapo verhaftet, ihre Romane
werden verboten und 1936 übersiedelt sie infolge einer anonymen Anzeige bei der
Berliner Gestapo, die Gerüchte über die jüdische Herkunft ihrer Mutter
aufgreift, nach Paris. Hier schreibt sie ihr nach Eigenaussage wichtigstes Buch, den historischen Roman Unsere
Liebe Frau von Paris (1938). Bei Kriegsausbruch befindet sich U. mit
Passini in der neutralen Schweiz, wo die Freundinnen eine Aufenthalts- und
Arbeitsbewilligung bekommen. Im Vergleich zu anderen exilierten SchriftstellerInnen
kann U. zunächst noch unbehelligt publizieren und sich damit ihren
Lebensunterhalt verdienen. Erst 1941 wird anlässlich des Erscheinens
ihres Romans Miliza, dem pazifistische Tendenzen vorgeworfen werden, ihr
Gesamtwerk auf die „Schwarze Liste“ der Nationalsozialisten gesetzt.
Auf die zunehmenden Schwierigkeiten im Dritten
Reich zu publizieren, reagiert U. nun mit bewusst „unpolitischen“
Unterhaltungsromanen, in denen sie sich zur Frankophilie, einer klaren Antikriegshaltung sowie einem internationalen
Europäertum bekennt. Explizit gegen den Nationalsozialismus stellt sich U., der
bis heute der Vorwurf des ideologischen Opportunismus anhaftet, jedoch erst,
als die Publikation ihrer Werke in Deutschland endgültig unmöglich geworden
ist: In Der große Traum (1942) sowie Der Mann Alexander
(1943) distanziert sie sich immerhin von jeglicher Form totalitärer Herrschaft.
Nach 1945 blendet U. ihr eigenes nationalsozialistisches Engagement völlig
aus und stilisiert sich mit der Berufung auf das Verbot ihrer Bücher und ihrer
Emigration als Verfolgte und Opfer des NS-Regimes. Sie lebt nun in der Schweiz
von den Einkünften ihrer wieder gegründeten Literaturagentur. An ihre
schriftstellerischen Erfolge kann sie jedoch nicht mehr anknüpfen; geplante
Buchprojekte im Desch Verlag scheitern aufgrund des Einspruchs von E.
Castonier, die auf U.s nationalsozialistische Vergangenheit hinweist. Am 4.11.1974 stirbt U., alkoholkrank und
fast blind, völlig vereinsamt in Thonex in der Schweiz.
Weitere Werke
(Auswahl)
Des Kaisers junge Soldaten. Gedichte (1915); Das
Jahr der Maria. Gedichte (1921); Masken der Liebe. Novellen (1922); Sekretärin
Vera (1930); Durch Himmel und Hölle (1932); Ursula und der Kapitän (1934); Heimkehr
zur Liebe (1935); Begegnung in Alassio (1937); Das Mädchen Alexa (1939); Es begann im September (1940).
Christa Gürtler/Sigrid Schmid-Bortenschlager:
Grete von Urbanitzkygeb. am 9.7.1891 in Linz – gest. am 4.11.1974 in Thonex (Schweiz); Schriftstellerin, Redakteurin, Literaturagentin Das.... In: dies.: Erfolg und Verfolgung. Österreichische
Schriftstellerinnen 1918-1945. Fünfzehn Porträts und Texte. Salzburg u. a.
2002, S. 135–144; Ursula Huber: Die Frau als „Künstlerin“. „Klugrednerei“?
Fragen der weiblichen Identität und Macht in einigen Romanen Grete Urbanitzkys.
In: Zeitgeschichte 16, 11/12, 1989, S. 387–395; dies.: „Frau und doch kein
Weib“. Zu Grete Urbanitzky. Monographische Studie zur Frauenliteratur in der
österreichischen Zwischenkriegszeit und im Nationalsozialismus. Diss. Wien
1990; dies.: Grete von Urbanitzky – ungeliebte Parteigängerin der
Nationalsozialisten. In: L’Homme: Europäische Zeitschrift für Feministische
Geschichtswissenschaft 4, 1, Juni 1993, S. 74–88; Verena
Humer: Das vergessene Werk der Grete von Urbanitzky. Eine (Ausnahme-)Frau
zwischen Anpassung und Subversion. In: Aneta Jachimowicz (Hg.): Gegen den Kanon
– Literatur der Zwischenkriegszeit in Österreich. Peter Lang 2017, S. 315–326; Michaela Lehner: Das
Wort als Tat. Grete von Urbanitzky und Gertrud Fussenegger im Kontext
völkisch-nationaler und nationalsozialistischer Literatur. In:
„Kulturhauptstadt des Führers“. Kunst und Nationalsozialismus in Linz und
Oberösterreich. Weitra 2008, S. 185–196.
(VH)
http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png00litkultadminhttp://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.pnglitkultadmin2018-10-15 18:14:142021-03-28 01:01:08Urbanitzky, Grete von
Geb. 24.12.1895 in Wien (Favoriten), gest. 20. 2. 1962 in Wien. Fußballspieler, Trainer
Materialien und Quellen:
Josef Uridil: Was ich bin und wie ich wurde. Die Lebensgeschichte des berühmten Fussballspielers, von ihm selbst erzählt. Wien: R. LöwitDer Löwit-Verlag wurde 1883 mit Firmensitz in der Wiener Rotenturmstraße 22 von Richard Löwit (1854-1908) registriert... 1924.
(PHK, in preparation)
http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png00Primus-Heinz Kucherhttp://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.pngPrimus-Heinz Kucher2024-03-04 16:02:392024-03-04 16:02:40Uridil, Josef (Pepi)
geb. am 3.2.1896 in Prag – gest. am 2.11.1970 in Rom; Schriftsteller, Kritiker, Übersetzer, Kulturhistoriker, Exilant
Ps.: Hans Elmar
Urzidil, Sohn eines kathol. deutschsprach.
Eisenbahningenieurs u. einer urspr. jüdischen, zum Katholizismus konvertierten
Mutter (geb. Metzeles, verwitw. Steinitz) wuchs seit seinem vierten Lebensjahr
aufgr. neuerl. Verehelichung seines Vaters mit einer sprach- u.
nationalbewussten Tschechin zweisprachig auf, was sein späteres Werk und Wirken
wesentl. prägen sollte. Bereits 1913 veröffentl. U. (unter seinem Pseud.)
Gedichte im Prager TbBl., befreundete sich mit M. Brod, F. Kafka, P. Kornfeld,
F. Werfeleigentlich Franz Viktor Werfel, geb. am 10.9.1890 in Prag – gest. 26.8.1945 in Beverly Hills, USA; Schriftsteller... u.a. und frequentierte das Café Arco. Ebenfalls früh schloss er
Freundschaften zu tschech. Schriftstellern wie den Brüdern Čapek, P. Bezruč
u.a. und übersetzte Gedichte von O. Březina. Von 1914 bis 1918 studierte U. an
der deutschen Karlsuniversität Prag Germanistik, Slawistik u. Kunstgeschichte,
wurde 1916 kurz zum Militärdienst eingezogen, aber bald freigestellt.
Seit Nov. 1918 arbeitete U. als
Übersetzer für die Deutsche Botschaft und war auch Korrespondent des Prager
TgBl., ab 1921 auch noch für den Berliner Börsen Courier u. in der Folge für
weitere Zeitungen. 1919 erscheint im Verlag K. Wolff sein erster Ged.Bd. Sturz der Verdammten, der in die Reihe ›Der
jüngste Tag‹ aufgenommen wurde. 1922 ehelicht Urzidil Getrude Thieberger
(1898-1977), Tochter des bekannten Prager Rabbiners Karl Thieberger, die ab den
1930er Jahren auch als Lyrikerin tätig ist. Im Februarheft 1922 der Neuen
Rundschau ersch. sein Beitrag Deutsche
und Tschechen; U. tritt ab März dess. Jahres wiederholt in der Lesungsreihe
›Abend der Zwölf‹ auf, einem Kreis, dem u.a. die Schriftsteller Friedrich
Adler, Oskar Baum, Max Brodgeb. am 27.5.1884 in Prag – gest. am 20.12.1968 in Tel Aviv; Schriftsteller, Kritiker, Herausgeber, Dramaturg, Komponi..., Paul Leppin, Hugo Salus, Ludwig Winder u.a.
angehören. Neben seiner Tätigkeit als Pressebeirat der Deutschen Botschaft ist
Urzidil gelegentl. auch als Kritiker oder Feuilletonist tätig. Anlässl. der
Trauerfeier für F. Kafka in der Prager ›Kleinen Bühne‹ am 19.11.1924 sprachen
Brod u. Urzidil Worte des Gedenkens (M. Brod, Streitbares Leben). 1925 wird er
zum Geschäftsführer des ›Schutzverband deutscher Schriftsteller‹ in der
Tschechoslowakei gewählt (PTBl. 8.5.1925). 1926 verf. U. einen neuen Text zu
Beethovens Die Ruinen von Athen, die
im Nov. dess. Jahres am Neuen Deutschen Theater in Prag unter der Leitung von
A. Zemlinskygeb. am 14.10.1871 in Wien – gest. am 15.3.1942 in Larchmond/N.Y. (USA); Dirigent, Komponist, Opernleiter, Exilant. ... uraufgeführt u. von der Universal Edition in ihr Programm
aufgenommen werden. Im Mai 1929 widmet Radio Prag erstmals Urzidil
Aufmerksamkeit, als im deutschsprach. Programm seine Novelle Schicksal im Walde gelesen wird; noch im
selben u. im darauffolgenden Jahr kam es zu weitere Lesungen u. Vorträge, u.a.
auch zu kunstgeschichtl. Themen. 1930 wurde U. in seiner Funktion als
Geschäftsführer des Schutzverbandes, dessen Präsident F. Adler war, bestätigt. 1930 erscheint auch sein
zweiter Ged.bd. Die Stimme. Anlässl.
der Goethefeiern 1932 in Marienbad hielt U. die Festrede u. legte die erste
Fassung seiner Studie Goethe in Böhmen
vor. Am 28.2. 1932 war U. erstmals auch in Radio Wien mit einem Vortrag über Goethe, Beethoven, Mozart, Kleist und andere
zu hören.
Im Zuge der Machtergreifung des
Nationalsozialismus verlor Urzidil seine Stellung an der Deutschen Botschaft u.
seine weiteren Verdienstmöglichkeiten bei deutschen Zeitungen und Radiosendern.
In den Folgejahren widmete er sich vorwiegend kunstgeschichtl. Studien sowie
Vortragstätigkeiten für Radio Prag. 1939 flüchtete Urzidil mit seiner Frau via
Italien nach Großbritannien, wo er in Kontakt zur tschech. Exilregierung unter
Präs. E. Beneš kam. 1941 emigrierten die Urzidils in die USA weiter, wo sie in
bescheidenen Verhältnissen lebten u. U. selbst u.a. als Lederkunsthandwerker
tätig wurde (und sein musste), was er später auch in Essays beschrieb. 1945
ersch. in New York die A. Stifter gewidmete Erz. Der Trauermantel.
Ab 1951 arbeitete U. für die
Österreich-Abteilung des Senders ›Voice of America‹. Ab Ende der 1950er Jahre
erscheinen schließlich eine Reihe von Erzählungen, Essays und Romane, darunter Die verlorene Geliebte (1956), Prager Triptychon (1960), in dem sich
„Altes mit revolutionären Ausdrucksformen vermischte“ (Magris, 307) oder Da
geht Kafka (1965), die seinen Nachruhm als „Troubadour jenes für immer
versunkenen Prag“ (M. Brod) begründet hat. Von Urzidil stammt auch die
Selbsteinschätzung als „hinternational“.
Weitere Werke (Auswahl)
Wenceslaus
Hollar. Der Kupferstecher des Barock (1936, engl. Ausg. 1942). Zeitgenössische
Maler der Tschechen: Čapek, Filla, Justitz, Špála, Zrzávy (1936); Über das
Handwerk (1954); HinterNational –
Johannes Urzidilgeb. am 3.2.1896 in Prag – gest. am 2.11.1970 in Rom; Schriftsteller, Kritiker, Übersetzer, Kulturhistoriker, Exilant.... Ein Lesebuch von Klaus Johann und Vera Schneider, m. Audio-CD
(2019)
G. Trapp: Die Prosa Johannes Urzidils. Zum Verständnis eines literarischen Werdegangs vom Expressionismus zur Gegenwart. Franfkfurt/M.-Bern 1965; C. Magris: Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur. Salzburg 1966; J. Lachinger, A. Schiffkorn, W. Zettl (Hgg.): Johannes Urzidil und der Prager Kreis. Vorträge des röm. J. Urzidil-Symposiums 1984; Linz 1986; A. Schiffkorn: Böhmen ist überall. Int. J. Urzidil-Symosium in Prag; Linz 1999; K. Johann: Bibliographie der Sekundärliteratur zu Johannes Urzidil. In: Brücken. Germanistisches Jahrbuch Tschechien-Slowakei N.F 13/2005, 383-428; A. Bischof: Funktion und Bedeutung von Erinnerung im erzählerischen Werk Johannes Urzidils. Hamburg 2012; St. Höhne, K. Johann M. Nĕmec (Hgg.): Johannes Urzidil (1896-1970). Ein „hinternationaler“ Schriftsteller zwischen Böhmen und New York. Wien-Köln-Weimar 2013; G. Trapp: Jüngste Forschungsergebnisse zum Werk von J. Urzidil. In: Brücken, Bd. 23(2105), 315-320.
eigentlich László, geb. am 19.8.1877 in Eger (Kgr. Ungarn, Österreich-Ungarn) – gest. 10.3.1933 in Berlin; Drehbuchautor, Theaterregisseur, Dramaturg
Vajda begann als Schauspieler auf Bühnen der ungar. Provinz und arbeitete dann als Journalist in Budapest für das illustr. Wochenmagazin Tolnai Világlapja. Ab 1908 war er als Regisseur am Ungarischen Theater tätig, 1920 als dessen künstlerischer Direktor. Er verfasste einige Theaterstücke, ab 1916 auch Drehbücher; so kam im Jänner 1917 im Nationaltheater das mit A. Kárpati verf. Drama Kömüves Kelemen zur Aufführung (Pester Lloyd, 5.1.1917, 11). 1918 bearbeitete er wichtige Autoren bzw. Texte aus der ungar. Literatur für den Film, u. a. Romane von M. Jókai wie Der Goldmensch oder Molnars Stücke Liliom bzw. Der Gardeoffizier, bei denen Alexander (Sándor) Korda die Regie führte. 1919, zur Zeit der Ungarischen Räterepublik, war Vajda in dem die Filmpolitik bestimmenden Filmrat tätig, trat aber auch als Regisseur von Bühnenstücken, z.B. von F. Karinthy, in Erscheinung. Ende 1921 emigrierte er nach Wien, wo er bis 1924 für mehrere Produktionen der Sascha-Film die Drehbücher schrieb, beginnend mit dem Monumentalfilm Sodom und Gomorha (EA 16.10.1922) über Der junge Medardus bis hin zu Harun al Raschid, Die Lawine u.a.m. (Script, alle 1923-24) . Bei den meisten dieser Filme führte M. Kértesz (später: M. Curtiz) Regie und G. Ucickyeigentl. Učický, geb. 6.7.1899 in Wien, gest. 27.4.1961 in Hamburg; Kameramann, Regisseur G. Ucicky gilt als Sohn der ... die Kamera. Anfang 1925, bereits in Berlin ansässig, hatte er im RaimundtheaterDie Gründung des Raimundtheaters ging auf eine Initative von rund 500 Wiener Bürgern zurück, die sich 1890 zum „Wie... die Regie für M. Lengyels Lustspiel Antonia inne, dessen ungar. UA in Budapest ebf. von ihm stammte. 1927 verfasst er Scripts zu Unterhaltungsstummfilmen wie Madame will einen modernen Mann (Die BühneGegründet 1924 durch den umstrittenen Zeitungsunternehmer Emmerich Bekessy, erschien die Zs. ab 6.11.1924 als Wochenzei..., H. 123/1927, 29) oder Heute tanzt Mariette und wurde enger Mitarbeiter von G. W. Papst in dessen Stumm- und frühen Tonfilmen. Gemeinsam mit R. Leonhard verf. er für ihn auch die deutsche Bearbeitung von Ilja Ehrenburgs Die Liebe der Jeanne Ney, die in den Wirren des russ. Bürgerkriegs angesiedelt ist. 1928 folgte mit Abwege ein, wie die Kritik einhellig meinte, „meisterhaft“ inszeniertes Ehedrama. Einen auch internat. Achtungserfolg erzielte er 1929 mit dem Bergfilm Die weiße Hölle vom Piz Palü (mit L. Riefenthal in der Hauptrolle); als gehaltvoll galten auch die Bearbeitung von Wedekinds Die Büchse der Pandora (F. Rosenfeldgeb. am 5.12.1902 in Wien – gest. am 27.12.1987 in Sussex (GB); Journalist, Film- und Literaturkritiker Ps.: Frie... in der Rubrik Der gute Film) und jene für Eine Frau, nach der man sich sehnt… von M. Brodgeb. am 27.5.1884 in Prag – gest. am 20.12.1968 in Tel Aviv; Schriftsteller, Kritiker, Herausgeber, Dramaturg, Komponi... (mit M. Dietrich u. F. Kortner in den Hauptrollen). 1930 folgten Zwei Krawatten (nach G. Kaiser) mit Songs von Robert Gilbert, das aufsehenerregende Antikriegsdrama Westfront 1918 sowie das strittige wie filmgeschichtlich wegweisende Vorhaben der Verfilmung von Brechts Dreigroschenoper (am Drehbuch wirkten auch B. Balázsals Herbert Bauer geb. am 4.8.1884 in Szeged - gest. am 15.7.1949 in Budapest; Drehbuchautor, Filmkritiker und -theoreti... u. L. Laniaeigentl. Hermann Lazar, geb. am 13.8.1896 in Charkow - gest. am 9.11. 1961 in München; Journalist, Schriftsteller ... mit). Neben Drehbüchern und Scripts für Papst arbeitete Vajda gelegentlich auch mit Robert Wiene zusammen, z.B. für dessen Film Der Liebesexpreß (1931). Im selben Jahr legte er mit dem Manuskript für Kameradschaft den Grundstein für einen hochpolitischen Film von Papst, der die Solidarität der deutschen und französischen Bergarbeiter zum Thema macht und von Rosenfeld als „pazifistisches Manifest“ gewürdigt wurde.
Weitere Scripts, Drehbücher und Bearbeitungen (Auswahl):
Rutschbahn
(1928); Die sieben Sünden einer schönen Frau (1929); Nur Du! (1930); Die Herrin
von Atlantis (1932)
Geb. 8.7. 1873 in Wien, gest. 10.6. 1949 in Krems (Niederösterreich). Beamter, Minister, christlichsozialer Politiker.
Der Sohn eines Juweliers wollte nach seinem Einjährig-Freiwillenjahr zunächst Berufsoffizier werden, wurde aber als untauglich befunden und schlug danach eine Beamten- und (bald) Politikerlaufbahn bei der Christlichsozialen Partei ein. Im Ersten Weltkrieg übernahm er nach kurzem Front-Einsatz die Leitung von Werkstätten im Hinterland, v.a. in Scheibbs, brachte es aber dennoch bis zum Rang eines Rittmeisters. Diese Erfahrung qualifizierte ihn nach kurzer Tätigkeit als Stadtrat der Gemeinde Wien (1918-20) für Höheres: ab 1921 wurde er fast durchgehend der Heeresminister der Ersten Republik (in fünfzehn Kabinetten). Sein Hauptanliegen war dabei die Neutralisierung der Volkswehr-Ausrichtung in die eines traditionellen hierarchisch-konservativen Heeres. Im Dez. 1930 wurde er Bundeskanzler.
Materialien und Quellen:
(PHK, work in progress)
http://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.png00Primus-Heinz Kucherhttp://litkult1920er.aau.at/wp-content/uploads/2018/06/body.pngPrimus-Heinz Kucher2023-03-18 15:39:302023-03-18 15:39:30Vaugoin, Carl
auch Dsiga Wertow, eigentl.: Dawid Abelewitsch Kaufmann; geb. am 21.12.1895 in Bialystock – gest. am 12.2.1954 in Moskau; sowjetDie Zeitschrift Sowjet erscheint in vier Jahrgängen von Mai 1919 bis Dezember 1922 und ist grundsätzlich als kommunist.... Filmemacher
Aufgewachsen als ältester Sohn eines Buchhändlers im multikulturellen, jedoch jüdisch-jiddisch dominierten Bialystock, das um 1900 zugleich als das ‚Manchester Russlands’ (N. Leskov) galt und bei rund 80.000 Einwohnern auch fünf Kinos und fünf Büchereien besaß, besuchte Vertov ab 1914 das Bechterev-Institut für Psychoneurologie in St. Petersburg. Seit Ausbruch der russisch- bolschewistischen Revolution 1917 wird V. aktiv im Bereich des neuen sowjetischen Kinos tätig, zunächst im Bereich der Wochenschau und des Agitations- und Propagandafilms (Kinopravda). V. vertrat dabei experimentelle Positionen und entwickelte die Montagetechnik als tragendes Prinzip seiner Filmästhetik. Als bedeutende, international wahrgenommene Produktionen gelten Kino-Auge (Kinoglaz, 1924) sowie vor allem Der Mann mit der Kamera (1929), in dem das Leben in einer sowjetischen Großstadt mit der Geschichte der Kameralinse parallelisiert wird. Überhaupt galt der Bewegung V.s. Aufmerksamkeit, wobei er seine zahlreiche Reisen ebenfalls als Material in die Filmarbeit integrierte und diese über mobile Kino-Züge (agit poezda) und transportable Projektoren auch an ein Publikum brachte, das keine Kinoinfrastruktur hatte. Daraus entwickelte V. das Genre der >Kino-Fahrt< (kino-probeg) und einen räumlich experimentellen, ambitionierten Film: Šestaja čast’ mira (1926, ein vergleichender Streifzug durch Sowjetrussland und einem Land des Kapitals). Im Zeichen der Bewegung steht auch der Film Entuziasm (1930) mit starken simultanen Einstellungen und Effekten. In mehreren z.T. nicht realisierten Projekten rückte V. die moderne sowjeitische Frau in den Vordergrund, z.B. im Filmprojekt über einen Non-Stop-Flug von Moskau in den Fernen Osten durch Pilotinnen. Weitere Filme waren: Die Donbaß-Sinfonie (1930), Drei Lieder über Lenin (1934) sowie sein letzter realisierter Film über Kasachstan Tebe, front! (1943). V. lehnte den Spielfilm strikt ab, geriet aber mit seiner Vorstellung von der Montagetechnik auch in Kollision mit der sich durchsetzenden Realismus-Konzeption und dem Stalinismus.
In Wien fielen die meisten Vertov-Filme der Zensur zum Opfer und damit auch ein geplanter Aufenthalt im Jahr 1930, während Vertov 1929 in Berlin und München Vorträge halten konnte. Erst 1932 gelang es Josef Szende, einem kommunistischen Aktivisten, Entuziasm unter dem Titel Das Lied vom Aufbau als „Wahlpropagandafilm“ durch die Zensur zur Aufführung zu bringen, die sofort eine scharfe Reaktion in der konservativen Presse (Reichspost, 21.5.1932) mit Aufrufen zur Störung der Filmvorführung zur Folge hatte.
Quellen und Dokumente
N.N.: Der Sowjet-Tonfilm startet und übernimmt die Führung. Das bürgerliche “Berliner Tagblatt” zur Auslandspremiere des Tonfilmes “Enthusiasmus”. In: Die Rote Fahne, 30.8.1931, S. 8, N.N.: Enthusiasmus / Das Lied vom Aufbau. In: Die Rote Fahne, 15.5.1932, S. 9, N.N.: Gottlosenpropaganda in einem Wiener Kino. Ein aufreizender russischer Film / Verspottung des christlichen Glaubens. In: Reichspost, 21.5.1932, S. 5, Hans Maiergeb. als Johann Mair am 27.3.1881 in Ottensheim – gest. am 22.3.1945 in Wien; Schriftsteller Ps.: Hamay, Hans&nbs...: Aufbau – konfisziert. In: Die Rote Fahne, 5.6.1932, S. 8.
Literatur
Thomas Tode, Alaxandra Gramatke (Hg.): Dziga Vertovauch Dsiga Wertow, eigentl.: Dawid Abelewitsch Kaufmann; geb. am 21.12.1895 in Bialystock - gest. am 12.2.1954 in Moskau...: Tagebücher/Arbeitshefte (2000), Wolfgang Beilenhoff (Hg.): Poetika Kino. Theorie und Praxis des Films im russischen Formalismus (2005), Klemens Gruber: Kinopravda Nr. 16. Serialität bei Vertov. In: Daniel Winkler, Martina Stemberger, Ingo Pohn-Lauggas (Hg.): Serialität und Moderne. Feuilleton, Stummfilm, Avantgarde, S. 193ff. (2018), Österr. Filmmuseum, Thomas Tode, Barbara Wurm (Hg.): Dziga Vertov. Die Vertov-Sammlung im Österreichischen Filmmuseum (2006)
geb. am
28.6.1885 in Wien – gest. am 24.9.1953 in Wien; Schriftsteller, Kritiker,
Dramaturg, Theater- und Filmregisseur
Der Sohn des aus Tarnow zugewanderten Möbelhändlers Schlomo V. und der Inhaberin eines Schirmgeschäfts begann nach seiner Schulausbildung am k.k. Gymnasium Mariahilf in Wien u. nach einem fluchtartigen Ausbruch nach Paris mit seinem Freund Karl Adler, einem Sohn von Viktor Adler, sowie 1903 in Zürich abgelegter Matura an der Univ. Wien das Studium der Philosophie, das er jedoch zugunsten einer Laufbahn als Regisseur und Schriftsteller 1910 abbrach. Im selben Jahr veröffentl. er sein erstes Gedicht in der Fackel von Karl Kraus, dem er bereits 1905 anlässl. der Erstaufführung von Frank Wedekinds Büchse der Pandora vorgestellt worden war. Er trat in den Kreis der von ihm geförderten jungen Autoren ein, befreundete sich mit Peter Altenberg u. Alfred Polgar u. inszenierte ab 1911 an der Freien Volksbühne Stücke von Goethe, Sternheim, Strindberg, Turgenjew sowie Fontana. Den Ersten Weltkrieg übersteht er als (Reserve)Offizier in einer Versorgungs- und Traineinheit in Galizien, wird Augenzeuge von Choleraepidemien, Überlebensprostitution und Hinrichtungen. Zugleich schreibt er für die Schaubühne und den Simplicissimus, heiratet im April 1918 die Schauspielerin Mea Steuermann, genannt Salka, erlebt die Rückkehr von Thomáš G. Masaryk nach Prag u. die Gründung des tschechoslowak. Staates als Augenzeuge ebenso mit wie die Proklamation der Räterepublik in München. Im Juni 1918 nimmt V. das Angebot zur Leitung des Hoftheaters in Dresden an, das im Nov. 1918 in das ›Sächsische Staatstheater‹ umbenannt und nach dem Rätemodell kollektiv geführt wird, u.a. auch von Kurt Wolff. Bis 1921 kommen dort unter seiner Regie achtzehn Ur- und Erstaufführungen zustande, insbes. von naturalist. und expressionist. Stücken, aber auch zeitgenössischen wie z.B. August Stramms Drama Die Haidebraut oder Friedrich Wolfs Das bist du. 1920 veröffentlicht V. mit Vom Regisseur aus gesehen einen programmat. Beitrag zur mod. Regiearbeit, legt mit Die Bahn seinen zweiten Gedichtband sowie 1921 die Kraus-Hommage Karl Kraus: Ein Charakter und Die Zeit vor. St. Großmann lobt Viertels Arbeit (bes. die Judith-Inszenierung) 1922 im Tage-Buch und bezeichnet ihn als einen „Regisseur, der in der höchsten Atmosphäre der Dichtung heimisch ist“, als demütigen Arbeiter, „der sein Werk, nicht sich, inszenieren will“ (TB, 12/1922, 458). Im April 1922 übersiedelt V. dann auch nach Berlin, wo er schon im Jänner 1922 am ›Deutschen Theater‹ R. Rollands Die Wölfe und anschließend genau die von Großmann gerühmte Judith Hebbels inszeniert hatte und zog danach an der ›Jungen Bühne‹ mit Vatermord von Arnolt Bronnen nochmals die Aufmerksamkeit der Kritik, „ein Ereignis, das nicht ohne Folgen bleiben kann“ (H. Ihering), sowie jene von Max Reinhardt auf sich. 1922 hatte V. mit Nora auch sein (Stumm)Filmregie-Debut. Mit dem genossenschaftlich organisierten, 1923 aus der Berliner Theaterkrise hervorgegangenen Ensemble Die Truppe erlebte er nach weiteren wegweisenden Inszenierungen u. einer letzten grandiosen Ibsen-Aufführung am ›Staatstheater‹ jedoch finanziell herbe Rückschläge, die ihn 1926 ein Engagement am Düsseldorfer Schauspielhaus annehmen lassen.
1927 ergibt sich nach erster Zusammenarbeit mit Fox Europa, für die er den Film Die Abenteuer eines Zehnmarkscheins nach dem Drehbuch von Bela Bálazs inszeniert und mit Carl Mayerdas Drehbuch zu Friedrich W. Murnaus Four Devils verfasst hatte, die Möglichkeit, nach Hollywood zu gehen, um die Filmregiearbeit bei Fox, dann bei Paramount und zuletzt bei Warner Brothers weiter zu entwickeln, mit mäßigem Erfolg trotz neun realisierter Projekte, wie er in seiner Autobiographie festhält. Er erlebt dabei mit, wie das beinahe fertige Mexiko-Projekt von Sergej Eisenstein abgesetzt wird und welche Macht der Broadway auf die Regiepraxis ausübt. Im Juli 1932 kehrt V. nach der Trennung von Salka nach Europa zurück, zuerst nach Paris u. verhandelt dort mit Alexander Korda Filmprojekte, besucht anschließend seinen gelähmten Vater, bevor er wieder nach Berlin geht, um an der Verfilmung von Hans Falladas Kleiner Mann was nun? mitzuwirken u. diese Arbeit angesichts des erstarkenden NS-Drucks abbrechen zu müssen. Mitte Februar 1933 flieht Viertel über Prag nach Großbritannien, wo er 1934 mit Christopher Isherwood eines seiner bekanntesten Filmprojekte realisiert: Little friends.
Bis 1936
folgen weitere Filme, die es ermöglichen, in Europa zu bleiben, neue
Freundschaften im Umfeld der jungen engl. Schriftstellergeneration des ›New
Writing‹ (Isherwood, John Lehmann, W. H. Auden, Stephen Spender) zu
schließen u. in maßgebl. Exilzeitschriften wie Das Neue Tagebuch oder Die
Neue Weltbühne wichtige Essays zu den durch den Nationalsozialismus u.
das Exil veränderten kulturell-künstlerischen Arbeitsbedingungen zu
publizieren. In London, wo er mit L. Feuchtwanger, O. Kokoschka, H. Mann
u. St. Zweig dem Präsidium des 1938 gegr. ›Freien Deutschen
Kulturbundes‹ angehörte, inszen. V. bis 1939 auch engl. Stücke von Rosamund
Lehmann oder Max Catto u. begann sich, knapp vor seiner Abreise in die USA,
mit Brechts Furcht und Elend des Dritten Reiches zu befassen,
das 1942 in New York auf Deutsch und 1945 bei Piscator auf Englisch aufgeführt
wurde. In den USAarbeitet V. an wichtigen Exilzeitschriften wie Der
Aufbau oder Austro- American Tribune mit u. stellt
seine Kontakte, z.B. zu Charlie Chaplin, Greta Garbo, Arthur Miller, Upton
Sinclair, Dorothy Thomson u.a. zur Rettung bedrohter Künstler aus Europa sowie
zur Unterstützung von Exilprojekten zur Verfügung. 1944 war er mit Ernst
Bloch, Ferdinand Brucknereigentlich Theodor Tagger, geb. am 26.8.1891 in Sofia - gest. am 5.12.1958 in Berlin/West; Schriftsteller, Dramatiker, K..., Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann, Ernst
Waldinger u.a. Mitbegründer des ›Aurora Verlags‹. 1947 wurde er von
der BBC als Radioregisseur verpflichtet u. zu einer Reportagereise
ins Ruhrgebiet geschickt. Zugleich bemühte sich die Burgtheaterdirektion um
eine Rückkehr V.s., die unter schwierigen Rahmenbedingungen im Dez. 1948
zustande kam. 1949 heiratete V. die Schauspielerin Elisabeth Neumann; daneben
musste er den ehemal. NS-Star Werner Krauß in einer
Strindberg-Inszenierung beschäftigen, arbeitete mit Brecht am ›Berliner
Ensemble‹ zusammen u. unterstützte das von (R)Emigranten und der KPÖ gegr.
›Neue Theater in der Scala‹ in Wien, was ihm mehrere Denunziationen eintrug u.
die Wiedererlangung der österr. Staatsbürgerschaft erst nach persönl.
Intervention durch Bundespräsident Theodor Körner möglich machte.
Werke
Das
Gnadenbrot (Roman, 1927), Der Lebenslauf (Ged. 1946), Studienausgabe Bd.
1-4 (1989)
Stefan Großmann: Berthold Viertelgeb. am 28.6.1885 in Wien – gest. am 24.9.1953 in Wien; Schriftsteller, Kritiker, Dramaturg, Theater- und Filmreg.... In: Tagebuch H. 12/1922, S. 456-458; Salka Viertel: Das unbelehrbare Herz. Ein Leben in der Welt des Theaters, der Literatur und des Films. (1970); S. Bolbecher, K. Kaiser, P. Roessler (Hgg.): Traum von der Realität. Berthold Viertel. = Zwischenwelt Bd.5 (1998); J. Holzner: Berthold Viertels ‚Kalifornien‘-Gedichte. In: J. Thunecke (Hg.): Deutschsprachige Exillyrik 1933 bis zur Nachkriegszeit (1998), 171-180; N. Weiß (Hg.): Berthold Viertel zum Hundertzwanzigsten Geburtstag. = Signum Sonderheft 2005; P. Roessler, K. Kaiser: Berthold Viertels „Überwindung des Übermenschen“. In: K. Kaiser: Ohnmacht und Empörung. Schriften 1982-2006 (2008), 143-167; K. Prager: Berthold Viertel und die Möglichkeiten einer biographischen