geb. am 21.6.1903 in Treffen (Kärnten) – gest. am 8.2.1943 in New York; Schriftsteller, Politiker, Exilant

Der Sohn eines Kaufmanns und Landwirts besuchte zunächst das Stiftsgymnasium St. Paul im Lavanttal um danach einige Semester Jus in Wien zu studieren. Ab 1926 arbeitete Z. auch als Journalist, so z.B. wurde er im April 1927 zum „Schriftleiter“ der ›Kärntner Monatshefte‹ bestellt (Freie Stimmen, 4.4.1927). 1928 trat er der paramilitärischen Formation Steirischer Heimatschutz (unter dem Kommando von W. Pfrimer) bei und begann sich politisch zu exponieren; bereits 1929 wurde er Sekretär der Bundesführung der Heimwehren und ab 1930 im sog. Heimatblock, der von Mussolini mitfinanzierten politischen Wahlbewegung der Heimwehren, tätig, der bei den Wahlen im Nov. 1930 etwa 6% der Stimmen erzielen konnte.

Literarisch trat Zernatto erstmals 1930 mit einer Novelle in einem Sammelbd. junger österr. Schriftsteller in Gesellschaft mit F. Schreyvogl und K. H. Waggerl im Staackmann Verlag an die Öffentlichkeit. Kurz darauf wurde ihm der Lyrik-Preis der Zs. ›Die Kolonne‹ (Dresden) für Gedichte zugesprochen, die noch im selben Jahr in einem Bd. erschienen, der Z. endgültig als eigenständige Stimme etablierte, in Gelobt sei alle Kreatur. Z.s. politische Ausrichtung stand offenbar Kontakten mit den sozialdemokrat. Bildungsinstitutionen nicht im Wege: im Okt. 1930 las er z.B. in der VHS Ottakring aus eigenen Werken und wurde dabei von Th. Kramer vorgestellt. In der Zs. des Österr. Alpenvereins erschien zwischen Jänner 1931 und Februar 1932 der Roman Der Weg über den Berg als Fortsetzungsroman, und Radio Wien nahm Zernatto-Ged. fortan regelmäßig in sein literar. Sendeprogramm auf. Diese Resonanz führte wohl dazu, dass Z. 1932 in den Reclam- Deutscher Almanach für das Jahr 1933 mit zwei Ged. aufgenommen wurde. Im Febr. 1933 trat er gem. mit F. BrügelF. Th. Csokor, O.M. Fontana, Josef Luitpolt u.a. im Zuge einer Urania-Lesung an die Öffentlichkeit, im Nov. desselben Jahres mit dem Vortrag Mensch und Zeit in Radio Wien, auf den O. Koenig in der AZ verhalten kritisch reagierte. Im Okt. 1933 erschien schließl. der zweite bed. Gedichtband Die Sonnenuhr, diesmal im Staackmann-Verlag. 1934 wurde Z. wieder (kultur)politisch stärker tätig, u.a. durch die Ernennung zum Mitglied des ›Bundeskulturrates‹ in der autoritär-ständestaatlichen Regierung. Im Juli 1934 übernahm Z. die Leitung des Magazins ›Die moderne Welt‹, in der er auch selbst Beiträge veröffentlichte, vorwiegend Texte zum Verhältnis Mensch und Landschaft aber auch über die hochbegabte Roswitha Bitterlich (1920-2015). Auch in der Anthologie Österreichische Lyrik der Gegenwart (Saturn Verlag) war er vertreten; er wurde ferner in den Vorstand des ›Kulturbund‹ (NWJ, 6.10.1934) berufen, las wiederholt bei Veranstaltungen des ›Deutsch-österreichischen Schriftstellerverbandes‹ sowie des ›Volksbund der Katholiken Österreichs‹. Im Okt. 1934 wurde das Erscheinen seines Romans Sinnlose Stadt angezeigt, der auch in Form von Lesungen in Radio Wien vorgestellt wurde. 1935 vervollständigte sich die Integration Z.s. in den austrofaschist. Kulturbetrieb; er wurde u.a. Beirat der Kommission für Filmwissenschaft (neben R. Henz u. J. Nadler), war im Vorstand des ›Katholisch-deutschen Schriftstellerverband Österreichs‹, ferner in allen Almanachen u. Kalendern vertreten. Radio Wien räumte ihm breiten Raum für Vorträge u. Eigenlesungen ein, in deren Rahmen er von Erwin Rieger hymnisch vorgestellt wurde als einer, der „das herbe männliche Kärnten“ würdig vertrete: seine Gedichte wären zugleich „vom Besten […], was österreichische Lyrik in den letzten Jahren“ hervorgebracht habe. In einer Darstellung im NWJ unter dem Titel Ein österreichischer Bauerndichter präsentierte sich Z. weltgewandt, wies auf den „romanisch-slawischen Einschlag meines Wesens“ hin, nicht ohne das Deutsche als den zentralen zu bestimmen. Als Problemfelder seiner Dichtung nannte er das Grenzlandproblem, das Verhältnis Mensch und Landschaft sowie das Zeitproblem. Einflüsse wies er von sich, an anregenden Lektüren erwähnt er neben der Bibel Th. Haecker, K.-H. Waggerl, K. Hamsun u. A. Wildgans sowie die Klassiker Goethe u. Kleist, während er die Repräsentanten der (Wiener) Moderne, einschl. Hofmannsthal u. Rilke als artistisch und für seine Generation wenig bedeutend, kleinredete.

Im Juni 1936 wurde Z. nicht nur Generalsekr. der ›Vaterländischen Front‹ (VF), in der er sich für eine offensive Österreich-Ideologie und die Initiative ›Neues Leben‹ stark machte, sichtbar etwa in der Einrichtung der ›Österreichischen Länderbühne‹, die im Schönbrunner Schloßtheater mit einem (unbedeutenden) Volksstück ihre Tätigkeit aufnahm, sondern war bereits auch schon Staatssekretär der Reg. Schuschnigg und somit in vielen Feldern der Tages- wie der Kulturpolitik präsent. In diesen Funktionen führte er Verhandlungen mit dem nationalen und z.T. schon nationalsozialistischen Lager und versuchte publizistisch Vereinbarkeiten wie Grenzen zwischen der austrofaschistischen Österreich-Ideologie und dem NS auszuloten bzw. festzuschreiben. 1937 war Z. vor allem auf der propagandistischen Front der zunehmenden Infragestellung Österreichs gefordert; mehrere Reden gegen den Defaitismus sowie gegen Saboteure des Dollfuß-Kurses (!) vor VF-Funktionären, die zugleich die Schwäche der ständestaatl. Organisationsarbeit und des austrofaschist. Kurses anzeigen, zeugen davon. Dabei griff Z. ausgiebig auf das Medium Radio zurück, etwa in Form von sonntäglichen ‚Bundesappellen‘ der VF. Im Zuge der letzten Regierungsumbildung am 16.2.1938 avancierte Z. vom Staatssekr. zum Minister für die VF, womit Schuschnigg, wie die Zeitungskommentatoren festhielten, die enge Verbundenheit zwischen der Regierung und der VF auch nach außen hin signalisieren wollte. Z. war dabei keineswegs ein parteifreier Minister. Seine letzte Radioansprache datiert vom 9.3. 1938, gem. mit K. Schuschnigg; unmittelbar nach dem ›Anschluss‹ flüchtete Z. aus Österreich und traf über Ungarn, Jugoslawien und Italien im Frühherbst in Paris ein. Dort versuchte er in kathol. Exilkreisen Fuß zu fassen, veröffentlichte Die Wahrheit über Österreich(1938, frz. Typoskr. 1939) und anlässl. des Jahrestages des Anschlusses im konservat. Le Figaro auch einen Beitrag über das Ausbleiben des Widerstands und bekannte sich dabei nachdrücklich zu Dollfuß. 1940 gelang ihm die Flucht in die USA, wo er ab 1941 an der Fordham University Politikwissenschaft unterrichtete und umstrittene Beziehungen zu O. v. Habsburg und seinen Exilaktivitäten unterhielt. 1943 verstarb er infolge eines Herzinfarkts.


Quellen und Dokumente

Ein Kind ein Wunder. In: Moderne Welt 16 (1934), H. 3, S. 12f., Das große VF-Werk “Neues Leben”. In: Neues Wiener Journal, 2.7.1936, S. 3, Mondnachtlegende. In: Die Bühne (1936), H. 424, S. 47, Gegen alle Saboteure des Dollfuß-Kurses! Aktuelle Fragen der österreichischen Politik. In: Neues Wiener Journal, 9.4.1937, S. 3.

Anzeige zu: Die 7 Jungen aus Österreich. In: Anzeiger für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel (1930), H. 22, S. 136, Ankündigung einer Lesung in der Volkshochschule Ottakring. In: Arbeiter-Zeitung, 31.10.1930, S. 11, Felix Braun: “Gelobt sei alle Kreatur.” In: Arbeiter-Zeitung, 14.6.1931, S. 30, Emil Arnold-Holm: Moderne österreichische Lyrik. Guido Zernatto: “Gelobt sei alle Kreatur”. Erika Mitterer: “Dank des Lebens”. In: Neues Wiener Journal, 5.9.1931, S. 6, Ein österreichischer Dichter. Gespräch mit Guido Zernatto. In: Neues Wiener Journal, 9.10.1934, S. 4, Erwin Rieger: Guido Zernatto. Eigenvorlesung am Sonntag, 12. Mai. In: Radio Wien (1935), H. 33, S. 5, Karikatur der Woche. In: Der Morgen, 6.7.1936, S. 7, Der Aufgabenkreis der neuen Minister. In: Neues Wiener Tagblatt, 17.2.1938, S. 1, Zwei bedeutende Reden. In: Gerechtigkeit, 10.3.1938, S. 5, Die Habsburgerumtriebe in Amerika. In: London Information of the Austrian Socialists in Great Britain (1943), H. 1, S. 2f.

Literatur

Otmar Drekonja: Erinnerungen an Guido Zernatto. Unbekanntes aus der Schreibtischlade eines Österreichers aus Kärnten. Klagenfurt 1981; Ders.: Guido Zernatto. In: J.M. Spalek, J. Strelka (Hgg.): Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Bd.2: New York. Bern 1989, 997-1009; Karlheinz Rossbacher: Dichtung und Politik bei Guido Zernatto. In: F. Kadrnoska (Hg.): Aufbruch und Untergang. Österreichische Kultur zwischen 1918 und 1938. Wien-München-Zürich 1981, 539-559; Ingeborg Zimmer: Guido Zernatto, Leben und dichterisches Werk. Diss. Univ. Graz 1966, Klagenfurt 1970, erw. Neuaufl. 1993; Daniela Strigl: ‚Fremdheiten‘. Österreichische Lyrik der Zwischenkriegszeit: Jakob Haringer, Theodor Kramer, Wilhelm Szabo, Guido Zernatto. In: P.-H. Kucher: Literatur und Kultur der Zwischenkriegszeit. Bielefeld 2007, 179-193, bes. 189f.; Dies.: Anspruchsvolle Armut? Zur Lyrik von Theodor Kramer und Guido Zernatto. In: Elke Brüns (Hg.): Ökonomien der Armut Soziale Verhältnisse in der Literatur. München u. a. 2008, 173-188; Johannes Sachslehner: Guido Zernatto. In: Killy Literaturlexikon Bd. 12, Berlin-Boston 2011, 649-651.

(PHK)

geb. am 27.1.1902 in Wien – gest. am 3.11.1987 in Pressbaum; Schriftsteller, Verleger, Volksbildner

Z. studierte an der Universität Wien Germanistik und Anglistik und promovierte 1927. Bereits ab 1922 wirkte er im Volksbildungswesen des Roten Wien, bis 1942 als Sekretär des Vereins Wiener Volksheim; Z. leitete die Simmeringer Zweigstelle und trat vor allem ab 1930 u.a. zu literaturgeschichtlichen Fragestellungen als Vortragender in Erscheinung. Parallel dazu versuchte sich Z. selbst als Autor. Nach ersten Beiträgen in der Zs. Bildungsarbeit im Jahr 1923 erschien mit Ein Gedicht der Jugend 1927 ein Sprechchorwerk, 1928 zählte Z. neben David Josef BachElse FeldmannOskar Maurus Fontana, Paul A. Pisk und Otto Stoeßl zu den Beiträgern des von Luitpold Stern herausgegebenen Arbeiter-Jahrbuch. 1930/31 veröffentlichte Z. im Fiba-Verlag das Buch Wien. Heldenroman einer Stadt, das die Entwicklung Wiens nach 1918 nachzeichnet und das „neue rote Wien verherrlicht“ (Bildungsarbeit XVIII (1931), S. 89). Vereinzelt verfasste Z. auch Beiträge für das Feuilleton der Arbeiter-Zeitungsowie des Kleinen Blattes. Im Juni 1933 gestaltete er anlässlich der Bücherverbrennungen im nationalsozialistischen Deutschland eine Lesung mit dem Titel Bücher auf dem Scheiterhaufen.

Neben Z.s Engagement für die Wiener Sozialdemokratie trat er ab 1923 mit zahlreichen Arbeiten für den Alpinismus ein. Davon zeugen auch Texte in der Allgemeinen Bergsteiger-Zeitung, einschlägige Vorträge im Radio, an Volkshochschulen sowie für die Naturfreunde und eine Reihe von Buchpublikationen. 1936 erschien das mehrfach aufgelegte Werk Der Mensch und die Berge, dem Balmat oder Paccard. Ein Montblancromanvorangegangen war; dieser wurde auch von der Reichspostwohlwollend rezensiert.

Trotz des Verbots der Sozialdemokratie fand Z. in den Dreißigerjahren Publikationsmöglichkeiten, u.a. im Wiener Magazin, in dem  Vorarbeiten zum im Zeitalter des Biedermeier angesiedelten Wien-Romans Kyselak, 1940 veröffentlicht, abgedruckt wurden. Nach der Arbeit als Dolmetscher in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs engagierte sich Z. ab 1945 wieder im Bereich des Wiener Volksbildungswesens. Er übernahm die Aufgabe des Cheflektors des Europa-Verlags und wurde Direktor der Büchergilde Gutenberg, deren Ausbau er vorantrieb; als Autor publizierte er zahlreiche stadtgeschichtliche Werke und trat für das Werk Rudolf Brunngrabers ein. Für sein Wirken wurde Z. u.a. mit dem Preis der Stadt Wien für Volksbildung (1963) und dem Luitpold-Stern-Preis des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (1976) gewürdigt.


Weitere Werke

Unvergängliches Wien. Lebenskurve einer leidgeprüften Stadt (1947), Bilder und Beichten (1977), Ich war kein Held, aber ich hatte Glück (1977).

Quellen und Dokumente

Verständnis anstatt Kritik. In: Bildungsarbeit X (1923), H. 2/3, S. 15, Bilden im Wandern. In: Bildungsarbeit X (1923), H. 6, S. 48, Ohnmächtige. In: AZ, 5.7.1925, S. 19, Bau. In: AZ, 30.3.1927, S. 3f., Immerschnee. In: AZ, 23.12.1928, S. 17f., Licht in der Nacht. Die Volkshochschule. In: AZ, 26.2.1931, S. 6, Helden. In: AZ, 10.8.1931, S. 13, Kyselak vor dem Kaiser. In: Wiener Magazin 9 (1935), H. 5, S. 71-76, Der unbekannte Brunngraber. In: Die Zukunft 1971, H. 15/16, 52-56.

N.N.: Das Arbeiter-Jahrbuch 1928. In: Die Unzufriedene, 26.11.1927, S. 6f., Hans Maurer: K. Z.: Balmat oder Paccard. Ein Montblancroman. In: Reichspost, 12.1.1931, S. 7, hlk.: Karl Ziak. Wien. Heldenroman einer Stadt. In: Bücherschau. Beilage zur Bildungsarbeit XVIII (1931), S. 89, Wien. Heldenroman einer Stadt. In: Tagblatt, 28.8.1931, S. 10, smk.: Der Roman einer Stadt. In: Das Kleine Blatt, 13.4.1932, S. 14, Alfred Zohner: „Kyselak“. In: Das interessante Blatt, 12.3.1941, S. 22.

Literatur

Eintrag bei wien.gv.at, Eintrag im Nachlassverzeichnis der ONB.

(ME)

geb. am 8.3.1879 in Bistritz/Bystice pod Hostynem (heute Tschech. Rep.) – gest. am 15.2.1929 in Wien; Schriftsteller, Diplomat, Journalist

Der aus Mähren gebürtige Z. wuchs zunächst dort mit drei Geschwistern auf und kam im Zuge der Übersiedelung der Familie nach Wien. Einen Teil der Schulausbildung und des Studiums (Jus und Philosophie) absolvierte er in Paris. Nach seiner Rückkehr nach Wien schloss er sich den jungwiener Autoren an, insbesondere H.v. Hofmannsthal u. A. Schnitzler. Die erste deutschspr. literar. Arbeit war Das Märchen des Lebens, das als Feuilleton 1899 in der AZ erschien. 1902 folgte der novellenartige Roman Der kleine Gott der Welt, der im slawischsprachigen Umfeld der Karpathen angesiedelt ist und von M. Foges im Neuen Wiener Journal (NWJ) als eine Art Gemeindekind-Erzählung mit zwar anstrengenden, aber auch Talent anzeigenden Seiten gewürdigt wurde. 1905 trat Z. eine Advokaturkandidaten-Stelle in Wien an, aus der er 1906 wieder austrat. 1907 erschien von ihm eine Übertragung von Versen einer russischen Revolutionärin, die im Grazer Arbeiterwillen (1.1.1907) zum Abdruck kamen. Im April 1907 unternahm er seine erste Amerikareise, die Anlass zu Reisefeuilletons für das NWJboten. Einer dieser Beitr. liefert interessante statist. Daten zur Amerikaemigration aus Österreich-Ungarn. Z.s. Positionierung im umstrittenen Pariser Fall Steinheil (1909) in der NFP trug ihm wüste antisemit. Polemik ein, z.B. durch die Reichspost.

Ab 1910 erschienen regelmäßig feuilletonist. Texte in der NFP, oft mit französ. Bezügen. Zu diesen zählen auch Z.s. Übersetzungen, z.B. des Frühwerks von Flaubert, aber auch zu R. Auernheimer, dem er fortan freundschaftl. verbunden blieb oder zu den russ.-jüd. Erzählungen von Ossip Dymow sowie zu St. Zweig. Sein Nov.Bd. Das Kleid des Gauklers (1911) stieß auf Anerkennung, u.a. in der Jüdischen Volksstimme oder im Pester Lloyd; 1912 veröffentl. Z. in der NFP eine Besprechung  von A. Schnitzlers Novellenband Masken und Wunder, 1913 eine zu Th. Manns Der Tod in Venedig. Im März 1914 gelangte im Dt. Volkstheater sein dramatisches Gedicht Die helle Nacht, gemeins. mit St. Zweigs Einakter Der verwandelte Komödiant zur Uraufführung. Zum Kriegsausbruch äußerte sich Zifferer kaum bzw. zurückhaltend, er nahm jedoch an Benefizveranstaltungen als Mitwirkender teil, bevor er nach Albanien als Kriegsberichterstatter entsandt wurde bzw. in Wien an verschiedenen Aktivitäten der Kriegsfürsorge mitwirkte. Seine (wenigen) Kriegsfeuilletons erschienen ab 1915 vorwiegend in der NFP; ähnlich jenen Hofmannsthals, mit dem ihm seit 1910 ein beachtl. Korrespondenzaustausch verband, waren sie von österr.-patriotischer Gesinnung geprägt, enthielten sich aber nationalistischer Töne und Übersteigerung. 1916 erschien bei S. Fischer Z.s. in Mähren angesiedelter Roman Die fremde Frau, den auch Hermann Menkes im NWJ begrüßte u. der auch in dt. Ztg. auf positive Resonanz stieß. 1917 wird Z. als Herausgeber der von Hofmannsthal begründeten Zs. Revue d’Autriche tätig, die v.a. Richtung Frankreich kulturpoltisch-propagandistisch wirken sollte.

Noch vor dem offiz. Ende d. Krieges war Z. im Okt. 1918 wieder in Paris u. zwar als Presseattaché der im Aufbau befindl. diplomat. Mission der Republik Österreich [!]; 1919 veröffentl. er die Erz. Das Feuerwerk, die seine Albanien-Erlebnisse zusammenfassen. Die Resonanz blieb diesmal unter den Erwartungen, ebenso im Zuge des 1923 ersch. Romans Die Kaiserstadt, den u.a. Moritz Scheyer im NWJ besprach. 1925 vertrat Z. den Zentralrat der geistigen Arbeiter Österreichs bei seinem Internat. Treffen in Paris, 1926 in Wien und ebf. im Juni 1926 bildete er, gemeins. mit R. Auernheimer u. F. Dörmann, die österr. Delegation auf dem Weltkongress der dramatischen Schriftsteller und Komponisten in Paris. Im März 1925 lud Z. Hofmannsthal zu einer Reise nach Marokko ein, die H. dann in seinen Bericht Reise im nördlichen Afrika (1925) einmünden ließ. 1927 brachte die NFP den wieder bei S. Fischer im selben Jahr ersch. Roman Der Sprung ins Ungewisse im Vorabdruck; ebf. 1927 wurde Z. der Titel eines Chevalier der Französ. Ehrenlegion verlieren; 1928 erkrankte er an Nierenkrebs, an dem er im Februar 1929 verstarb.


Weitere Werke

Pariser Cantilenen (1904); Die Geisterfalle (Übersetzung von Le Piège, Rachilde); König Davids Saitenspiel (1917); Hugo von HofmannsthalPaul Zifferer. Briefwechsel. Hg. von Hilde Burger (1983)

Quellen und Dokumente

Das Märchen des Lebens. In: Arbeiter-Zeitung, 10.12.1899, S. 11, Vor dem Tod. In: Arbeiterwille, 1.1.1907, S. 2, Die Amerikareise des Wiener Männergesangsvereines. New York – Philadelphia – Baltimore. In: Neues Wiener Journal, 24.5.1907, S. 5f., Madame Steinheil freigesprochen! In: Neue Freie Presse, 14.11.1909, S. 2, Die neuen Bücher Raoul Auernheimers. In: Neue Freie Presse, 12.6.1910, S. 32f., Das Tagebuch einer russischen Familie. In: Neue Freie Presse, 22.1.1911, S. 33, In Feindesland. In: Neue Freie Presse, 8.11.1912, S. 1-3, Das neue Buch von Arthur Schnitzler. In: Neue Freie Presse, 19.5.1912, S. 31f., Der Tod in Venedig. In: Neue Freie Presse, 6.8.1913, S. 31, Beim Vormarsch in den Karpathen. In: Neue Freie Presse, 4.2.1915, S. 1-4.

Toni Mark: Ein spannender Roman aus Mähren. [Rez. zu P. Z.: Die fremde Frau]. In: Mährisches Tagblatt, 7.8.1916, S. 2f., Karl Marilaun: Gespräch mit P. Z. In: Neues Wiener Journal, 14.10.1919, S. 5, Moriz Scheyer: Die Kaiserstadt [Rez.] In: Neues Wiener Tagblatt, 16.1.1924, S. 11.

Literatur

Eintrag bei Literarische Landkarte der deutschmährischen Autoren.

(PHK)

geb. am 11.8.1891 in Wien – gest. am 11.3.1944 in Oakland (CAL/USA); Pseud.: Rudolf Richter; Pädagoge, Philosoph, Soziologe, Volksbildner, Exilant.

Nach dem Besuch des Franz Josephs Gymnasiums studierte der drittgeborene Sohn des jüd. Rechtsanwalts Dr. Jakob Zilsel von 1910 bis Juni 1915 an der Universität Wien Philosophie, Mathematik und Physik und wurde am 28.6. 1915 mit seiner Dissertation über das ‚Gesetz der großen Zahlen und seine Verwandten‘ promoviert. Nach Anstellungen im Bereich der Versicherungsmathematik erwarb er im Nov. 1918 die Lehrbefähigung für die Fächer Mathematik, Physik und Naturlehre. Im selben Jahr legte er seine erste wiss. Schrift über den Geniebegriff vor, die er 1923 unter dem Titel Beiträge zu einer Methodik des Geniebegriffs zu einer Habilitationsschrift ausarbeitete, welche jedoch von der Phil. Fakultät der Univ. Wien abgelehnt wurde. 1926 erschien diese unter dem wiederum modifizierten Titel Die Entstehung des Geniebegriffes. Ein Beitrag zur Ideengeschichte der Antike und des Frühkapitalismus im renommierten Verlag Mohr (Tübingen). Seit 1924 war er dann Mitglied des Wiener Kreises, positionierte sich dort am linken Flügel, wurde in der Volksbildung sowie im Umfeld der Schulreformbewegung tätig und publizierte regelmäßig im Kampf. 1934 wurde er kurz inhaftiert und verlor seine Berechtigung, in der Volksbildung tätig zu bleiben. Bis 1938 unterrichtete er dann Mathematik, Physik und Naturlehre. Nach dem Anschluss gelang ihm mit seiner Familie die Flucht in die USA, wo er als Privatgelehrter und Rockefeller Fellow versuchte Fuß zu fassen, trotz äußerst prekärer Verhältnisse auch erstaunlich viel publizierte, jedoch in soziale Isolation geriet und 1944 den Freitod wählte. Dennoch entstand in diesen Jahren sein wichtigstes Werk, wenngleich dieses Fragment geblieben ist: The Social Origins of Modern Science, die in deutscher Übersetzung 1976 bei Suhrkamp erschienen als Die sozialen Ursprünge der neuzeitlichen Wissenschaft (hg. von Wolfgang Krohn).

Materialien und Quellen:

Eintrag in: dasrotewien.at;

Eintrag von G. Sanders in Science.orf (2018) über Zilsels Studien zur ‚Geniereligion‘: https://science.orf.at/v2/stories/2951285/

Forschungsliteratur:

Donata Romizzi, Monika Wulz, Elisabeth Nemeth (Hgg.): Edgar Zlsel. Philosopher, Historian, Sociologist. = Vienna Circle Yearbook 2022; online: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-030-93687-7; Johann Dvořák: Edgar Zilsel und die Einheit der Erkenntnis. Aktualis. Neuauflage. Wien: LIT 2023

(PHK, in preparation)

geb. am 20.5.1905 in Wien (Lemberg?) – gest. am 4.7.1994 in Berlin; Schriftstellerin, Kabarettistin, Regisseurin

Ps.: Elisabeth Frank, Hannchen Lobesam, Hedda

Z. wuchs als Tochter eines tschechoslowakischen Staatsbeamten in Wien auf, wo sie gegen den väterlichen Wunsch 1923-25 an der Schauspielakademie studierte und Elevin am Raimundtheater wurde. Nach ihrem Debüt in Wien folgten Engagements u.a. an der Stuttgarter Volksbühne, in Baden-Baden, Wilhelmshaven, Bunzlau und Zwickau, bei denen sie ihren späteren Ehemann, den Schriftsteller Fritz Erpenbeck, und den in der KPD aktiven Schriftsteller Ludwig Renn kennenlernte, der sie ideologisch nachhaltig beeinflusste. Z. ließ sich 1929 in Berlin nieder und schloss sich als Reaktion auf die Polizeigewalt gegen Menschenrechtsaktivisten der KPD, dem Bund der proletarisch-revolutionären Schriftsteller Deutschlands um Johannes R. Becher und der Arbeiterkorrespondenzbewegung an. Sie arbeitete als Reporterin für die Berliner Rote Fahne, die Arbeiter-Illustrierten-Zeitung (AIZ), Welt am Abend, die Arbeiterstimme sowie für die Zs. Weg der Frau und Magazin für alle und veröffentlichte Erzählungen, Gedichte und Songs, die sie auf Arbeiterversammlungen selbst ebenso vortrug wie Texte des für sie prägend wirkenden Satirikers Erich Weinert. Neben Arbeiten über Verelendung und Massenarbeitslosigkeit vertrat Z. prononciert antifaschistische Positionen (z.B. Ballade vom großen TrommlerPG Äpfelchen). Eine Reihe von Texten erschien auch im Feuilleton der Wiener Roten Fahnesowie in der Illustrierten Roten Woche.

Nach der Machtübernahme Hitlers emigrierte Z. im März 1933 über Wien und Prag, wo ihr Mann als Herausgeber der AIZ im Exil fungierte. Z. publizierte nun unter dem Pseudonym Elisabeth Frank u.a. in der Neuen Weltbühne und baute in Prag ab Mai 1933 das politische Exilkabarett Studio 1934 auf, für das sie drei Programme verfasste und dem u.a. der Regisseur Hanuš Burger und Albin Stübs angehörten. 1935 übersiedelte sie mit ihrem Mann, der als Korrespondent weiter für die AIZ arbeitete, in die Sowjetunion, wo beide in Gustav von Wangenheims Exilfilm Kämpfer (1936) vor der Kamera standen. Im selben Jahr, in dem er auch die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, erschien mit Unter Dächern Z.s erster Gedichtband, dem 1939 mit Das ist geschehen ein zweiter folgte. Ebenfalls 1939 entstand ihr Dramendebüt Caféhaus Payer, das eine Wiener Familie nach dem „Anschluss“ zeigt. 1941 überarbeitet, wurde es im Juni 1945 in Rostock uraufgeführt.

Neben den literarischen Arbeiten betätigte sich Z. im Exil vorrangig als Redakteurin der Deutschen ZentralzeitungZwei Welten und Internationale Literatur sowie als Hörspielautorin und Sprecherin für den Moskauer Rundfunk, für den sie ab dem Herbst 1941 auch am Aufbau von illegal nach Deutschland sendenden Rundfunkstationen in der Stadt Ufa im Ural vorantrieb. Im Juni 1945 kehrte sie nach Berlin zurück, wo sie sich der SED anschloss, die Spielleitung im Haus des Rundfunks übernahm und u.a. Ernst Fischers Das Märchen von singenden Knöchlein sowie ihre zweite Gedichtsammlung Das ist geschehen, erschienen 1939, ebenso wie Anna Seghers‘ Das siebte Kreuz und Johannes R. Bechers Winterschlacht als Hörspiel realisierte. Als staatstreue und hochdekorierte Vertreterin der DDR-Literatur publizierte Z. bis zu ihrem Tod. Ihr Sohn ist der Physiker und Autor John Erpenbeck (*1942), dessen Tochter die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck (*1967).


Werke (Auswahl)

Alltag eines nicht alltäglichen Landes (1950), General Landt (1950/51 als Hörspiel, 1957 als Drama), Der Teufelskreis (1953), Nur eine Frau (1954), Ravensbrücker Ballade (1961), Ahnen und Erben (1968-73), Selbstbefragung. Erinnerungen (1986)

Quellen und Dokumente

Kunst- und Denkmalschutz. In: Die Rote Fahne, 3.8.1930, S. 5, Die streitbare Kirche. In: Die Rote Fahne, 24.8.1930, S. 7f, „… uff eenmal wie umjewandelt“. Interview der Genossin Hedda mit einer Siemens-Metallarbeiterin. In: Die Rote Fahne [Berlin], 23.11.1930, S. 12, Die Gräfin lächelte milde. In: Die Rote Fahne [Berlin], 29.11.1930, S. 11, Schämen sie sich nicht? In: Die Rote Fahne, 21.2.1932, S. 9, Frauen kämpfen. In: Illustrierte Rote Woche 1 (1932), H. 15, S. 12.

Literatur

Lexikon sozialistischer deutscher Literatur, 563-565 (1964), Killy Literaturlexikon Bd. 12, 688f (2011), Simone Barck: Z., H. In: S. B. (Hg.): Lexikon sozialistischer Literatur. Ihre Geschichte in Deutschland bis 1945, 517-519 (1994), Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft: 18. bis 20. Jahrhundert. Bd. 1, 1519 (2002), Bernd-Rainer Barth, Peter Erler: Zinner, Hedda. In: Wer war wer in der DDR? (2010) [Onlinefassung], Jana Rahders: Kann man sein Leben lang die Wahrheit verleugnen? Das sozialistische Weltbild der DDR-Autorin Hedda Zinner. In: Siegfried Lokatis (Hrsg.): Vom Autor zur Zensurakte. Abenteuer im Leseland DDR, 73-80 (2014).

Lilli Ruks: Hedda Zinner. Eintrag bei Traum und Trauma. Die Sowjetunion als Exilland für deutsche Schriftsteller (1933-45).

Sowjetzone. Der Anti-Teufelsgeneral [Rez. zu General Landt]. In: Der Spiegel 27 (1957), Die Schriftstellerin Hedda Zinner ist 89jährig gestorben. Von der Schauspielerin zur politischen Schriftstellerin. In: Berliner Zeitung, 5.7.1994, Hedda Zinner. Zu ihrem 20. Todestag. Die Linke online (2014).

(ME)

eigentl. Otto Friedländer-Zoff, geb. am 9.4.1890 in Prag – gest. am 14.12.1963 in München; Dramaturg, Schriftsteller, Feuilletonist, Bohèmien, Emigrant

Aus einer Beamtenfamilie kommend, die 1892 nach St. Pölten u. anschließend nach Hainfeld übersiedelte, absolvierte Z. seine schulische Laufbahn in Wien, wo er bereits 1906 das Studium der Kunst- u. Literaturgeschichte aufnahm u. 1914 promovierte. 1912 trat Z. in der Zs. Brenner mit Ged. u. Erzählungen, z.B. Dina (H.22/1912) hervor u. veröffentl. 1913 seinen ersten Roman Das Haus am Weg. Den Ersten Weltkrieg verbrachte er, journalistisch tätig, in Berlin, wo er u.a. für das Berliner Tageblatt, den Berliner Börsen-CourierMärz, die Neue RundschauBeitr. verfasste u. 1916-17 Lektor des S. Fischer Verlags war. Für die ›Österreich-Bibliothek‹ bei Insel war Z. auch als Hg. des patriot. Bändchens 1809. Dokumente aus Österreichs Krieg gegen Napoleon tätig. Seit 1917 arbeitete er als Dramaturg an den Münchner Kammerspielen, wo er ab 1919-23 die stv. Direktion innehatte. 1918-20 partizip. Z. an der express. Bewegung, u.a. mit dem Trauerspiel Kerker und Erlösung (1919). In den 1920er Jahren überwogen, z.T. sehr erfolgreich, dramat. Bearbeitungen literar.Vorlagen, z.B. 1923 Die Freier nach J.v. Eichendorff, Das Kaffeehaus nach C. Goldoni,  Die Andacht zum Kreuz (1925) nach Calderon oder Die ungöttliche Komödie nach Krasinski (1927). Sein Schauspiel Maria Orlowa (UA 1926), mit Max Ophüls in einer Rolle, wurde dagegen reserviert bis ablehnend, für A. Polgar im Morgen „peinliches Theater“,  aufgenommen. Seit 1926 wurden regelmäßig Texte von ihm auch in versch.  Radioprogrammen (Wien, Breslau, München) gesendet; Radiodramen wie z.B. die freie Nachdichtung von Calderons Die Locken des Absalon (1929), Hörspiele wie Revolution in China (1930) u. Prosa, die Z. als ›Mikrophon-Feuilletons‹ ( z.B. 1932  über Die Elevin) bezeichnete. 1929 erschien sein vielleicht wichtigster Roman, Die Liebenden, der recht kontrovers aufgenommen worden ist als ein Roman mit teils neusachlichen, teils reißerisch-konventionellen Zügen. Seit 1931 lebt Z. häufig in Italien, 1933 ehelicht er Liselotte Kalischer, mit der er, nachdem seine Bücher auf die Verbotsliste gekommen waren, nach Italien flüchtet. Dort trifft er sich oft mit Guido v. Kaschnitz u. versucht sich mit Glücksspiel durchzuschlagen, erhält aber ab 1936 wieder die Möglichkeit in deutschen Verlagen zu publizieren, z.B. 1937 seine histor. Darstellung Die Hugenotten. 1940 trifft sich Z. mit geflüchteten dt. Intellektuellen wie W. Benjamin an der Riviera u. versucht ein Visum für die USA zu erhalten. Dieses besorgt ihm der Ex-Gatte seiner Frau, der in New York lebt, sodass beide 1941 in die USA einreisen können. Obwohl Z. in New York Kontakte und Freundschaften wie zum Verleger K. Wolff, zu Hermann Kesten oder Bertolt Brecht (in erster Ehe mit einer Schwester Z.s. verh.) reaktivieren konnte, vermochte er literar. kaum mehr Fuß zu fassen. In der Nachkriegszeit nimmt Z. Korrespondentenarbeit für versch. deutsche Zeitungen an. Erst Ende der 1950er Jahre gelingen ihm mit Nachdichtungen, z.B. König Hirsch (1959), wieder gelegentliche Erfolge.


Weitere Werke

Der Schneesturm (Trauerspiel, 1919); Der Winterrock (Roman, 1919); Tizian (1922); Das Leben des Peter Paul Rubens (1923); Die Stegreifkomödie (1926); Rosen und Vergißmeinnicht (Komödie, 1933); Franz Schubert. Das wahre Gesicht seines Lebens (1939); Die Glocken von London (frei nach Ch. Dickens, 1960); Tagebücher aus der Emigration (1939-1944; 1968);

Quellen und Dokumente

Theaterreise durch Deutschland. In: Neues Wiener Journal, 1.5.1924, S. 8f,; Urias [Erzählung]. In: Österreichische Illustrierte Zeitung, 25.8.1929, S. 8-10,; Negersage. In: Wiener Bilder, 3.3.1935, S. 17f.

Hermann Menkes: Neue Erzählungen. E. v. Keyserling: „Feiertagskinder.“ – O. Z.: „Der Winterrock. In: Neues Wiener Journal, 1.8.1919, S. 3, -zel: [Rez. zur Aufführung von Die Freier in Klagenfurt]. In: Arbeiterwille, 17.2.1925, S. 12Hans Brecka: Akademietheater. „Maria Orlowa“. Ein Schauspiel von O. Z. In: Reichspost, 6.2.1926, S. 6Alfred Polgar: Theater. „Maria Orlowa“. In: Der Morgen, 8.2.1926, S. 4.

Nachlass: Literaturarchiv Marbach (15 Briefe); Zu weiteren Beständen: Kalliope.

Literatur

U. Keller: Otto Zoffs dramatische Werke: vom Theater zum Hörspiel (Diss. 1986 Wien, publiz. 1988); P. Engel: Repräsentant einer versunkenen Welt. Der Erzähler u. Dramatiker O. Zoff. In: H. Binder (Hg.): Brennpunkt Berlin (1995), 291-317.

Eintrag bei verbrannte-und-verbannte.de.

(PHK)

Geb. 13.4. 1864 in Wien, gest. 16.10. 1945 in Paris.

Publizistin, Salonière, Schriftstellerin, Übersetzerin, Vermittlerin, Exilantin.

Berta (urspr. Bertha) Szeps wuchs als Tochter des Hg. des Neuen Wiener Tagblatts in einer weltoffenen, liberalen jüdischen Familie auf; aufgrund der Unmöglichkeit höhere öffentl. Schulen zu besuchen wurde sie von angesehenen Privatlehrern unterrichtet, darunter dem Kunsthistoriker Albert Ilg. 1886 ehelichte sie den Anatomen Emil Zuckerkandl, zog mit ihm für zwei Jahre nach Graz, wo er lehrte, und kehrte danach nach Wien zurück, wo sie bald einen Salon eröffnete. Diesen frequentierten u.a. F. Th. Csokor, E. Friedell, H. v. Hofmannsthal, G. Klimt, M. Reinhardt, A. Schnitzler, ferner Wissenschaftler wie E. Mach oder J. Tandler. Freundschaften pflegte sie u.a. mit J. Hoffmann, A. Loos oder G. Mahler. Ihre Schwester Sophie war mit Georges Clemenceau verheiratet und unterhielt in Paris ebenfalls einen Salon, in dem B. Z. u.a. Maurice Ravel und Auguste Rodin kennenlernte. Während des Ersten Weltkriegs aber auch danach stellte sie ihre Paris-Verbindungen für verschiedene polit. Vermittlungstätigkeiten zur Verfügung; so soll sie z.B. in die Bemühungen um einen Separatfrieden mit Frankreich (Sixtus-Affäre, 1917) eingebunden gewesen sein und 1918-19 wiederholt, auch auf Ersuchen von O. Bauer, für die Einrichtung einer interalliierten Lebensmittelkommission interveniert haben. Nach dem Tod ihres Gatten (1910) bezog sie eine Wohnung im Gebäude des Café Landtmann, also in allernächster Nähe sowohl zum Burgtheater als auch zu den politischen Machtzentren des Reiches bzw. der Republik.

Materialien und Quellen:

Olga Kronsteiner: Zuckerkandl-Nachlass. In: Der Standard, 2.9. 2016.

(in preparation/in Vorber.)

geb. am 12.12.1883 in Wien – gest. am 20.3.1951 in Radlett (GB); Schriftstellerin, Übersetzerin

Ps.: Franziska Maria Rautenberg, Traugott Lehmann, Lawrence H. Desberry

ZM. entstammte dem österr.-ungarischen Hochadel, wurde 1883 in Wien als Hermine Isabelle Marie Gräfin Folliot de Crenneville geboren und wuchs bei ihrer liberal gesinnten Großmutter in Gmunden auf. Ermöglicht durch die diplomatische Tätigkeit ihres Vaters genoss sie eine polyglotte, standesgemäße Erziehung, wuchs in verschiedenen Ländern Europas und Nordafrikas auf und bereiste früh auch weitere Länder, u.a. Vorderasiens.

Nach dem Ende ihrer kurzen 1908 geschlossenen (1918 geschiedenen) Ehe mit dem baltischen Baron Victor von Zur Mühlen, durch das sie ihre Mitgift verlor und sich von nun an selbst versorgen musste, begann Ihre literarische Karriere nach ihrer Übersiedelung nach Frankfurt/M. 1919 zunächst im Umfeld der Roten Fahne sowie im Malik-Verlag. Später trat sie dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller in Deutschland bei. Ab 1921 war sie als Übersetzerin (u.a. von Upton Sinclair) tätig und feierte mit dem in mehrere Sprachen übersetzten proletar. Kinder- und Jugendbuch Was Peterchens Freunde einander erzählen (1921) ihren ersten literarischen Erfolg. Politisches Engagement manifestierte sich einerseits in ihrer Mitgliedschaft in der KPD von 1919 bis 1927 und andererseits in gesellschaftskritischen Romanen und Erzählungen wie Der Tempel (1922), Der blaue Strahl (1922) oder Schupomann Karl Müller (1924), der ihr eine Klage wegen Hochverrats einbrachte, von der sie jedoch 1926 freigesprochen wurde.

Nach der NS-Machtergreifung kehrte M. mit ihrem zweiten Ehemann Stefan Isodor Klein nach Österreich zurück, wo sie versuchte, mit ihren Werken dem herrschenden gesellschaftspolitischen Klima entgegenzuwirken, etwa in dem in der AZ in 40 Folgen 1933 erschienenen Roman Die Vierzehn Nothelfer und v.a. mit dem Roman Unsere Töchter, die Nazinen (1935), gegen den die deutsche NS-Regierung durch ihren Gesandten Franz von Papen in Wien ein Verbot anstrengte. 1938 emigrierte sie zunächst in die Tschechoslowakei und dann nach Großbritannien, wo sie trotz unermüdlicher literarischer Produktivität mit prekären finanziellen Verhältnissen zu kämpfen hatte. Neben englischsprachigen Romanen, wie We poor shadows (1944) oder Came the stranger (1946) entstand unter dem Titel Kleine Geschichten von großen Dichtern eine Reihe von Prosaminiaturen über österreichische Schriftsteller, die entweder in Vergessenheit geraten oder vom NS ideologisch vereinnahmt wurden, wie Sauter, David, Grillparzer oder Stifter.

1951 verstarb M. verarmt und in Vergessenheit geraten, nachdem auch ihre 1947 aufgenommenen Bemühungen, über Viktor Matejka zumindest literarisch nach Österreich zurückzukehren, gescheitert waren, in Radlett, Hertfordshire.


Weitere Werke

Das Schloß der Wahrheit. Ein Märchenbuch, 1924; Der rote Heiland. Novellen, 1924 (Neuaufl. 1989), Die weiße Pest (unter Ps. T. Lehmann, 1926, Neuaufl. 1987); Ende und Anfang. Ein Lebensbuch, 1929; Das Riesenrad, 1932; Nora hat eine famose Idee, 1933; Ein Jahr im Schatten, 1935; Unsere Töchter, die Nazinen, 1935; We poor shadows, 1944; Little Allies. Fairy and Folk Tales. Forteen Nations, 1944; Came the Stranger, 1946; Guests in the House, 1947

Quellen und Dokumente

Beiträge Z. M.s: Müde. In: Die Rote Fahne, 14.1.1920, S. 3, Das Lied der Treppen. In: Die Rote Fahne, 29.1.1921, S. 3, Die Mauer. In: Die Rote Fahne, 27.1.1922, S. 2, Wer zahlt? In: Die Rote Fahne, 11.1.1924, S. 5, “Lina”. Erzählung aus dem Leben eines Dienstmädchens. In: Die Rote Fahne, 15.4.1926, S.6, Vierzehn Nothelfer. In: AZ, 16.7.1933, S. 18, als Lawrence H. Desberry: Das Martyrium des Zensors. In: Die Rote Fahne, 15.9.1926, S. 6, Abenteuer in Florenz. In: Die Rote Fahne, 1.1.1927, S. 8.

Otto Koenig: Lebenserinnerungen. (H. z. M.: Ende und Anfang, S. Fischer Verlag, Berlin). In: AZ, 12.8.1929, S. 3.

Literatur

Karl-Markus Gauß: Hermynia zur Mühlen oder Kein Weg zurück aus Hertfordshire. In: Ders.: Tinte ist bitter. Literarische Porträts aus Barbaropa. 2. Aufl. Klagenfurt-Salzburg: Wieser 1992, 160-173; Altner, Manfred: Hermynia Zur Mühlen: Eine Biographie. (1997); Dirk Wiemann: Exilliteratur in Großbritannien 1933-1945, 103-135 (1998); Upton Sinclair, Wieland Herzfelde, Hermynia Zur Mühlen: Werter Genosse, die Maliks haben beschlossen… Briefe 1919-1950 (2001); Primus-Heinz Kucher: Literarische Modernität – Hermynia Zur Mühlens Roman „Unsere Töchter die Nazinen“ (2001) [Online verfügbar]; Ders.: Engagement, Form und Experiment: Zur den frühen Exilromanen Die vierzehn Nothelfer und Unsere Töchter die Nazinen von Hermynia Zur Mühlen. In: TRANS 2004 [Online verfügbar]; Andrea Hammel: Every Day Life as Alternative Space in Exile Writing. The Novels of Anna Gmeyner, Selma Kahn, Hilde Spiel, Martina Wied and Hermynia Zur Mühlen, 39-72 (2008); Sabine Schmidt: von Revolution und Resignation, Licht und Dunkel, Individuum und Gemeinschaft. Hermynia Zur Mühlens ‚Propagandaerzählungen‘ Licht und Der Tempel (1922). In: U. Kittstein, R. Zeller (Hg.): „Friede, Freiheit, Brot!“ Romane zur deutschen Novemberrevolution, 103-137 (2009); Alisa Wallace: Hermynia Zur Mühlen: The Guises of Socialist Fiction (2010);

Werkausgabe:

Hermynia Zur Mühlen: Werke. Bd.1-4. Im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Wüstenrot Stiftung, ausgewählt, kommentiert und mit einem Porträt von Ulrich Weinzierl. Mit einem Essay von Felicitas Hoppe. Wien: P. Zsolnay Verlag 2019.

Eintrag bei austria-forum.org, bei Exilarchiv.de, bei stifter-haus.at, bei theodorkramer.at, bei Penn Libraries.

(MA)

geb. am 28.11.1881 in Wien – gest. am 23.2.1942 in Petrópolis, Rio de Janeiro, Brasilien; Schriftsteller, Übersetzer, Kritiker, Exilant

Stefan Zweig stammte aus einer wohlhabenden assimilierten jüdischen Familie (Vater Moriz war Textilfabrikant, Mutter Ida, geb. Brettauer, Tochter eines Geschäftsmanns) und wuchs im ersten Gemeindebezirk Wiens auf. Angeregt durch das kulturelle Milieu im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts (obwohl Zweig eine Generation jünger war, gibt es biographische und literarische Verbindungslinien zu den Protagonisten des Fin de Siècle) veröffentlichte Zweig schon im Alter von 15 Jahren unter dem Pseudonym Ewald Berger in der Münchner Zeitschrift Die Gesellschaft sein erstes Gedicht. Seit etwa 1897-98 widmete sich Zweig intensiv der Literatur und begann bereits als Schüler, eine Autographensammlung anzulegen (die später mehr als 1000 Autographen umfassen sollte, u. a. von Schiller, Lessing, Goethe Kleist, Büchner). Nach der Matura am Gymnasium in der Wasagasse belegte Zweig an der Universität Wien das Studium der Philosophie und Literaturgeschichte. Als Student verfasste Zweig Erzählungen (seine erste Novelle Vergessene Träume wird im Juli 1900 in der Berliner Illustrierten Zeitung veröffentlicht), Gedichte (sein erstes Buch Silberne Saiten erscheint im Verlag Schuster & Löffler, Berlin), veröffentlicht Rezensionen und übersetzt Lyrik vom Französischen ins Deutsche (von Paul Armand Silvestre, Charles Baudelaire und Paul Verlaine). Die frühen Veröffentlichungen Zweigs wurden meist vom Prager Illustrator und Kunstpädagogen Hugo Steiner (1880-1945), einem Schüler des Jugendstilmalers Franz v. Stuck graphisch gestaltet. 1902 erfolgte ein längerer Aufenthalt in Berlin, Zweig lernte zahlreiche Dichter kennen und verkehrte im Literatenkreis „Die Kommenden“. Auf Vermittlung von Theodor Herzl folgten die ersten Veröffentlichungen Zweigs in der Neuen Freien Presse. Im August 1902 kam es in Brüssel zum ersten Treffen mit Emile Verhaeren; Zweigs Übersetzungen ausgewählter Gedichte des belgischen Dichters sollten zwei Jahre später gleichfalls bei Schuster & Löffler in Berlin veröffentlicht werden. 1904 wurde Zweig mit einer Arbeit über Die Philosophie des Hippolyte Taine zum Doktor der Philosophie promoviert, ab Mitte Oktober hielt er sich für sechs Monate in Paris auf. Noch im selben Jahr erschien zudem der Erzählband Die Liebe der Erika Ewald. Ab 1905 erschienen die erste (Reise)Feuilletons in der NFK (Zweig unternahm Reisen nach Frankreich, Spanien, Algerien, Italien) und Dichterportraits in der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung, wieder bei Schuster & Löffler wird Zweigs erste literarische Biographie Verlaine veröffentlicht. 1906 wird ihm, gemeinsam mit E. Handel-Mazzetti, H. Salus, F. K. Ginzkey u.a. der Bauernfeld-Preis (1000 Kr.) zugesprochen. Zweigs Gedichtsammlung Die frühen Kränze wurde als erste Publikation Zweigs im Insel Verlag in Leipzig veröffentlicht, der Pester Lloyd (PL) attestierte Zweigs Gedichten ein „schmerzlich weiche[s] Adagio“, feinen Sinn für „Wortmusik“ und eine „skeptische Distanz zum bewegten Leben (PL, 28.4.1907). 1907 wurde im Insel Verlag schließlich Zweigs erstes Theaterstück Tersites. Ein Trauerspiel in drei Aufzügen veröffentlicht. In den Folgejahren betätigte sich Zweig auch vermehrt als Literaturkritiker, u.a. für die NFP, beginnend mit einer Bilanz des Roman-Literaturjahres 1908, in dem er nicht nur die neuen Romane von A. Schnitzler, J. Wassermann, F.K. Ginzkey (der seinen Roman Jakobus und die Frauen Stefan Zweig gewidmet hat) u. E. Lucka, sondern vor allem den Roman Die Haindlkinder von R.H. Bartsch als einen „unbändigen, glühenden Hymnus auf Österreich“ auffällig hervorhebt, fortgesetzt mit einem Verhaeren-Porträt in der Zs. Der Merker 1909. Die ebenfalls 1909 abgeschlossene dreibändige Verhaeren-Ausgabe, der 1910 eine von ihm eingeleitete Dickens-Ausgabe folgte, festigte den Kontakt zu A. Kipperberg und dem Insel Verlag in Leipzig. 1911 kam Verhaerens lyrisch-dramatisches Gedicht Das Kloster in der Übertragung durch Zweig am Deutschen Volkstheater zur Aufführung. Im Februar 1911 traf Zweig in Paris erstmals Romain Rolland und veröffentlichte seinen zweiten Erzählband Erstes Erlebnis. Vier Geschichten aus Kinderland. 1912 unternahm Zweig Vortragsreisen durch Deutschland und Österreich, besuchte in Breslau die Uraufführung seines Einakters Der verwandelte Komödiant, der A. Ehrenstein im PL an Hofmannsthals Gestern erinnerte. Am 26. Oktober feierte Zweig mit Das Haus am Meer sein Burgtheaterdebut. H. Leoster kritisiert das Stück als „konstruiert“ und „mühselig“, auch Felix Salten konnte ihm nicht viel abgewinnen: Es habe zwar schöne Verse, sei jedoch eine Arbeit ohne „innere Notwendigkeit“, ein „Stück voll Handlung und dennoch leer“.

Zum Kriegsausbruch 1914 veröffentlichte Zweig in der NFP das bezeichnende Feuilleton Heimfahrt nach Österreich. Nach seiner Rückkehr aus Belgien am 30. Juli wurde Zweig zunächst dem k.u.k. Trainzeugsdepot in Klosterneuburg zugeteilt, ab 1. Dezember in das Kriegsarchiv in der Stiftskaserne Wien versetzt. Noch im selben Jahr erschien Zweigs Novelle Brennendes Geheimnis, Vorlage für die erste von zahlreichen Zweig-Verfilmungen (1923 unter der Regie von Rochus Gliese), als selbstständige Publikation im Insel Verlag. Ende 1917 wurde Zweig von seinem Dienst im Kriegsarchiv freigestellt und reiste danach in die Schweiz, wo er bis zum Frühjahr 1919 blieb und zahlreichen europäischen Intellektuellen und Dichtern wie Frank Wedekind, Iwan Goll oder James Joyce begegnete. Am 27. Februar 1918 kam Zweigs Jeremias, der in der Jüdischen Korrespondenz als „biblische Kriegsdichtung“ bezeichnet wurde, am Stadttheater Zürich zur Uraufführung. Obwohl Zweig 1919 nach Österreich zurückkehrte, um in Salzburg ein Haus am Kapuzinerberg zu beziehen, bildet der Erste Weltkrieg eine Zäsur in seiner Biographie, an der er sich bis zu seinem Lebensende abarbeiten sollte. Zweigs Glaube an Europa und den „habsburgischen Mythos“ (Magris) mag auch durch seine familiäre Herkunft begründet sein (seine Mutter entstammte einer jüdischen Vorarlberger Familie, war in Italien geboren und aufgewachsen, sein Vater stammte aus Mähren). Jedenfalls sollte Zweig gegen alle nationalistischen Tendenzen, die die europäischen Staaten erfassten, bis zuletzt für eine Einigung Europas plädieren (noch 1936 hält Zweig eine Rede mit dem Titel Die geistige Heimat Europas). Am 28. Januar 1920 heiratete Zweig Friderike von Winternitz, im selben Jahr erfolgte die Veröffentlichung des Essaybands Drei Meister. Balzac, Dickens, Dostojewski im Insel Verlag sowie die Biographie Romain Rolland. Der Mann und das Werk (im Verlag Rütten & Loening). Zweigs Biographie des französischen Nobelpreisträgers wurde unter anderem von der schwedischen Reformpädagogin Ellen Key rezensiert (Marie Franzos Übersetzung der Rezension von Key erschien in der NFP am 11. März 1923). Zweigs Beschäftigung sowohl mit zeitgenössischen als auch mit den großen Autoren des 19. Jahrhunderts steht in engem Zusammenhang mit seinem Interesse für den künstlerischen Prozess und Fragen nach künstlerischer Kreativität; das ›Geheimnis‹ der Produktivität ist eines der zentralen Themen im Oeuvre Zweigs (der Titel eines Vortrags, den er 1938 in Amerika halten wird, lautet: Das Geheimnis des künstlerischen Schaffens). 1922 nahm Zweig in Paris an der Gründungsversammlung des ›Cercle littéraire‹ (später P.E.N.-Club) teil. Anlässlich der Veröffentlichung des Prosabands Amok bezeichnet Julian Sternberg Zweig in der Zeitschrift Moderne Welt im Februar 1923 (Jg 4, H. 9) als „den unstreitig bedeutendsten unter der jüngeren deutschen Dichtergeneration“. 1924 erschien im Insel Verlag unter dem Titel Die gesammelten Gedichte eine Auswahl von Zweigs lyrischem Werk. Am 6. November 1926 erfolgte die Uraufführung von Zweigs Volpone, einer Bearbeitung von Ben Johnsons Volpone, or The Fox (1605/1606) im Wiener Burgtheater; Hans Liebstöckl reagierte auf den Erfolg des Stücks in Die Bühne am 18. November 1926: „Das Burgtheater hat ein neues Kassenstück“. 1927 erschien der Bd. Sternstunden der Menschheit, der in der ersten Ausgabe fünf historische Miniaturen enthielt, in den weiteren Auflagen sukzessive erweitert wurde. Fritz Rosenfeld (Salzburger Wacht, 9.12.1927) klassifizierte das Buch als „eine Art poetische Geschichtsschreibung, dichterisch gesteigerter, aus dem Einmaligen das Allgemeingültige herausschälender Wirklichkeitsbericht“. 

In den folgenden Jahren veröffentlichte Zweig eine Reihe historischer Biographien, zunächst Joseph Fouché. Bildnis eines politischen Menschen (1929), Marie Antoinette. Bildnis eines mittleren Charakters (1932) und 1934 Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam. Am 19. Februar fand in der Villa am Kapuzinerberg eine polizeiliche Hausdurchsuchung statt, durch die sich Zweig gezwungen sah, Österreich zu verlassen. Zweig reiste im Februar 1934 über Paris zunächst nach London, von wo aus er in den folgenden Jahren Reisen unter anderem in die Schweiz, nach Frankreich, nach Brasilien, in die USA, nach Portugal und eine letzte Reise nach Österreich (November 37) unternehmen sollte. 1938 erfolgte die Scheidung von Friderike, Mitte Dezember desselben Jahres reiste Zweig mit Lotte Altmann (Hochzeit am 6. Sept. 1939) nach New York und begab sich bis März 1939 auf Vortragsreise durch die USA. Zweigs erster (und zu Lebzeiten einziger) Roman Ungeduld des Herzens erschien in Zusammenarbeit der beiden Exilverlage Bermann-Fischer und Allert de Lange in Stockholm und Amsterdam. Im März 1940 erhielten Lotte und Stefan Zweig die britische Staatsbürgerschaft, verließen das europäische Festland am 25. Juni mit der Abreise von Liverpool nach New York kurz darauf aber dennoch endgültig. Im Jahr 1941 erschien Brasilien. Ein Land der Zukunft in deutscher Sprache bei Bermann-Fischer, Zweig hielt sich mehrmals in den USA und Brasilien auf, ließ sich im September schließlich in Pétropolis nieder und versendete im November von dort aus das Manuskript von Die Welt von Gestern an mehrere Verlage. Am 22. Februar nahmen sich Stefan und Lotte Zweig mit einer Überdosis Veronal das Leben, die Sterbeurkunde weist als Todestag den 23. Februar aus; posthum erscheinen noch im selben Jahr Amerigo. Geschichte eines historischen Irrtums, Schachnovelle und Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers.


Quellen und Dokumente

Abendaquarelle aus Algier. In: Neue Freie Presse, 27.4.1905, S. 1f., „Die Haindlkinder“. In: Neue Freie Presse, 27.9.1908, S. 31f., Heimfahrt nach Oesterreich. In: Neue Freie Presse, 1.8.1914, S. 1f., Die schlaflose Welt. In: Neue Freie Presse, 18.8.1914, S. 1-3.

Hans Bergmann: Silberne Saiten. In: Montags-Revue aus Böhmen, 29.4.1901, S. 5, Hermann Leoster: Burgtheater. („Das Haus am Meer“. Ein Schauspiel in zwei Teilen von Stefan Zweig.) In: Der Morgen, 28.10.1912, S. 6, Felix Salten: Burgtheater. „Das Haus am Meer“, ein Schauspiel in drei Aufzügen von Stefan Zweig. In: Pester Lloyd, 27.10.1912, S. 1f., Albert Ehrenstein: Stefan Zweig: Der verwandelte Komödiant. In: Pester Lloyd, 12.10.1913, S. 21,

Literatur

Arturo Larcati, Klemens Renoldner, Martina Wörgötter (Hg.): Stefan-Zweig-Handbuch. Berlin, Boston: de Gruyter 2018.

(PK)