Bienenfeld, Elsa

geb. am 23.8.1877 in Wien – gest./ermord. am 26.5.1942 im KZ Maly Trostinec bei Minsk; Musikwissenschaftlerin und -kritikerin

Als älteste Tochter des aus Krakau stammenden Advokaten Heinrich Bienenfeld und seiner Ehefrau Viktoria (geb. Schmelkes) besuchte B. zunächst das Mädchengymnasium in Wien und legte 1898 die Externisten-Matura am Akademischen Gymnasium Wien ab. Im Anschluss erfolgte ein Studium der Musikwissenschaft bei G. Adler an der Universität Wien, wo sie 1903 als erste weibliche Absolventin dieses Faches in Österreich auch promovierte. B. erhielt Privatunterricht in Musiktheorie und Komposition bei Alexander Zemlinsky und Arnold Schönberg. 1904 wurde B. Mitglied der Gesellschaft zur Herausgabe von Denkmälern der Tonkunst in Österreich (DÖT); ab 1906 arbeitete sie als erste Musikkritikerin (Rezensionen, Porträts, Glossen) beim Neuen Wiener Journal.

1908 schrieb sie zur Aufführung Schönberg-Quartetts und entgegnete damit dessen Kritikern: „In der Kunst gibt es keinen Stillstand ebensowenig wie es Revolutionen gibt. Diejenigen, die an der Hand konventioneller Redensarten die Meisterwerke der Vergangenheit zu hören gewohnt sind, sind die ersten, die bei der geringsten Änderung Todesgefahren wittern. Es sind noch jedesmal, sobald eine neue Erscheinung auftrat, die Genies vergangener Zeiten als beleidigte Götter aufgerufen worden.“ (Bienenfeld, in: Neues Wiener Journal, 25.12.1908, S. 25) B. setzte sich für die Zweite Wiener Schule ein und bekannte sich außerdem zur Reformpädagogik. Gemeinsam mit Schönberg und Zemlinsky unterrichtete sie zeitgenössische Musik und Musikgeschichte am Lyzeum von Eugenie Schwarzwald. Zwischen 1906 und 1918 hielt B. Vorträge an der Wiener Urania und im Wiener Fortbildungsverein. Ab 1932 war B. nur noch freiberuflich für die Neue Freie Presse und das Neue Wiener Tagblatt tätig. B. wurde am 20.5.1942 von Wien in das KZ Maly Trostinec deportiert und dort am 26.5.1942 ermordet. B.s Schwester Bianca (1879-1929) war Gynäkologin und starb 1929 bei einem Zugunfall in Loifarn. Elsa B., die sich gemeinsam mit ihrer Schwester auf der Rückfahrt der Salzburger Festspiele befand, wurde bei dem Unglück nur leicht verletzt. Ihr jüngerer Bruder Franz Rudolf (1886-1961) war seit 1915 als Rechtsanwalt in Wien tätig und offizieller Berater der österreichischen Regierung. Zu F.R B.s Freundeskreis zählten u.a. Arthur Schnitzler und Sigmund Freud. Das von ihm unter dem Pseudonym Anton van Miller verfasste Buch Deutsche und Juden galt als soziologischer Versuch, sich der nationalsozialistischen Ideologie zu widersetzen.

Kurt Sonnenfeld charakterisiert in Wiener Publizisten von heute (Wiener Montagspresse, 15.8.1921, S. 3f.; zit.n. E. Taudes, S. 103) Elsa Bienenfeld wie folgt: „Auf mädchenhaft zarten Schultern trägt Dr. Elsa Bienenfeld, die als Musikreferentin des NWJ und als Musikschriftstellerin wohl eine der bedeutendsten Erscheinungen innerhalb der Wiener Publizistik ist, die Last ihres verantwortungsvollen Berufes, der zwischen Wissenschaft und Kunst die Mitte hält. Sie verwaltet ihr kritisches Amt nicht, um Zensuren auszuteilen, sondern um der Kunst zu dienen, und läßt sich auch, was bei Frauen besonders anerkennenswert ist, niemals durch übel angebrachte Sentimentalität dazu beeinflussen, eine minderwertige künstlerische Leistung etwa aus Mitleid nachsichtiger zu beurteilen.“


Werke

Wolfgang Schmeltzl und sein Liederbuch (1544) und das Quodlibet des 16. Jahrhunderts. (= Phil. Diss.) Wien 1904

Quellen und Dokumente

Bienenfeld, Elsa: Anton Bruckner und die Wiener Universität. In: Neues Wiener Journal (NWJ), 8.10.1926, S. 3f, Außerordentliches Gesellschaftskonzert. In: NWJ, 25.11.1907, S. 4; Der Geiger. In: NWJ, 2.5.1921, S. 9; Die asketische Musik. Epilog zum „Modernen Musikfest“. In: NWJ, 5.11.1921, S. 2f; Die Ehe der Silben. In: NWJ, 1.8.1926, S. 11f; Die tote Stadt. In: NWJ, 11.1.1921, S. 3f; Engelbert Humperdinck. In NWJ, 29.9.1921, S. 3f; Ferruccio Busoni gestorben. Die künstlerische Persönlichkei. In: NWJ, 28.7.1924, S. 2; Goldmarks „Götz von Berlichingen“. In: NWJ, 19.5.1910, S. 1f; Konzerte. In: NWJ, 2.10.1922, S. 2; Musik. In: NWJ, 31.12.1923, S. 3; Musik des Wahnsinns. Donizettis dämonisches Schaffen. In: NWJ, 12.11.1927, S. 19f; Musikjahrmarkt. Epilog zur Wiener Musik- und Theatermesse. In: NWJ, 25.9.1921, S. 6; Paul Bekkers Mahler-Buch. In: NWJ, 1.3.1921, S. 3; Richard Mayr. In: NWJ, 3.4.1921, S. 5; Theater und Kunst. „Aschenbrödel.“ In: NWJ, 5.10.1908, S. 4; Theater und Kunst. Salzburger Festspiele. In: NWJ, 10.8.1927, S. 11; Zur Aufführung des Quartetts von Arnold Schönberg. In: NWJ, 25.12.1908, S. 24f;

Dozenten und Fächer der Fortbildungskurse. In: Jahresbericht des Mädchen-Lyzeums am Kohlmarkt, 1905, S. 51; Die Katastrophe von Loifarn. In: Reichspost, 23.8.1929, S. 6; Stein, W.: Anton van Miller: Juden und Deutsche. In: Die Stimme, 22.1.1937, S. 5;

Literatur

Fetthauer, Sophie: Elsa Bienenfeld. In: Maurer Zenck, Claudia/ Petersen, Peter (Hg.): Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit (2006), [Online verfügbar], Hilscher, Elisabeth Th.: Bienenfeld, Elsa. In: Flotzinger, Rudolf (Hg.): Oesterreichisches Musiklexikon (Bd. 1), S. 148; Kornberger, Monika: Bienenfeld, Elsa (Elza). In: Oesterreichisches Musiklexikon online; Opfersuche: Elsa Bienenfeld. In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Wiederstandes, online; Taudes, Eva: „Wien wir so unerträglich kleinstädtisch“. Elsa Bienenfeld (1877-1942). Werdegang und Wirken im kulturellen Wien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wien 2019, Wunberg, Gotthart (Hg.): Die Wiener Moderne. Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910 (1982), S. 696; o. A.: Bienenfeld, Elsa. In: Heuer, Renate (Hg.): Lexikon deutsch-jüdischer Autoren (Bd. 2), S. 428; o. A.: Bienenfeld, Franz Rudolf. In: Heuer, Renate (Hg.): Lexikon deutsch-jüdischer Autoren (Bd. 2), S. 428ff.

(MP)