Sonnenfeld, Kurt

geb. am 5.11.1893 in Wien – gest. am 15.3.1938 in Wien (Freitod); Journalist, Schriftsteller

S. stammte aus einer jüdischen Wiener Handelsfamilie (Rohprodukte, Vater Michael S. auch wirtschaftspolitischer Fachmann) und studierte an der Univ. Wien Jura, Medizin und Philosophie, wobei er in allen drei Fächern mit einer Promotion abschloss. 1914 veröffentlichte S. einen ersten Gedichtband Traum und Rausch, der ihm trotz patriotischem Pathos einige Beachtung eintrug, u.a. durch Max Nordau. Seit 1916 bewegte sich S. im Kreis von Arthur Schnitzler, dessen Werk er aufmerksam verfolgt und im direkten Gespräch kommentiert. Schnitzler vermerkt diese Treffen im Tagebuch, wobei er sich auch ironisch und kritisch über ihn äußert, z.B. seinen Verkehr mit E.E. Kisch oder seine Teilnahme an „communistischen Versammlungen“ 1918/19. Anfang der 1920er Jahre tritt S. in den Kreis der Mitarbeiter der Neuen Freien Presseein, für die er Kritiken und Skizzen zu verschiedensten Themen (Film, Reisen, Literatur, Theater, Psychologie) verfasst und ab 1922 als Redakteur im angesehenen Feuilletonbereich tätig wird. 1923 legt S.  seinen ersten Roman Hände. Die Geschichte einer Absonderlichkeitvor, das mit dem Untertitel Das Drama einer Leidenschaft als Theaterstück in Wien, Budapest und Prag auch zur Aufführung kam und die Frage des Fetischismus in seiner sexuellen wie wienerischen Komponente aufgreift sowie an Otto Weiningers typologische Kontrastzeichnung in Geschlecht und Charakter anküpft. Die dramatisierte Fassung wurde durchwegs in den Besprechungen von der Arbeiter-Zeitung bis zur Reichspost, aber auch zur Vossischen Zeitung als beachtliche Talentprobe kommentiert. 1927 folgte im Verlag M. Salzer mit dem schmalen Roman Der Rote Schleier jener Band, der ihn nachhaltig zum skandalträchtigen Dirnen- und Asphaltliteraten stempelte, obwohl nicht wenige zeitgenössische Kritiken diesen Roman über eine Prostituierte und Mutter im Spannungsfeld von Alltags-Milieustudie und psychologisch scharfer Charakterzeichnung als „erstaunliches Buch“ (Grete Urbanitzky) begrüßten, das zudem ein Schicksal auch in der „Struktur unserer Gesellschaft“ aufzuspüren  versuche, so z.B. Fritz Rosenfeld.

1929 veröffentlichte S. den Roman Eros und der Wahnsinnige, dem Untertitel nach Ein Großstadtroman, zu dem Felix Salten ein Vorwort beisteuerte, in dem er auf die journalistische Arbeit als „reiches Material interessanter Gestalten“ verwies, die es ermögliche, „in die Tiefen der der Großstadt und in die Tiefen menschlicher Verirrung“ zu blicken. In der Tat behandelt der Roman in episodischer Gliederung kontrovers diskutierte Themen wie Sexualität und (illegale) Schwangerschaftsabbruch-Praxis, politische Polarisierungen vor allem im Bereich der Linken im sog. Roten Wien. 1930 folgte mit Fräulein Narziß. Roman einer Schönheitskönigin im Wiener Saturn-Verlag ein Text, der das Genre der Unterhaltungs- und Inszenierungskultur aufgriff; 1933 Die Ehen des Doktor Wang. Seine letzte Buchpublikation 1936 widmete S. der kritischen Verteidigung der durch den Nationalsozialismus vereinnahmten deutschen Philosophie in Form eines Traktates: Schopenhauer heute. Versuch einer Zeitkritik, – ein Thema, das er bereits in Feuilletontexten der 1920er Jahre zur Diskussion gestellt hat.


Quellen und Dokumente

Beiträge K. S.s: Mißbrauchte Kinder. Kinderprostitution in Wien. In: Der Morgen, 25.7.1921, S. 4, Bei den Armen im Geiste. Leben und Treiben in Steinhof. In: Der Morgen, 19.9.1921, S. 4f., Was ich als Bettler erlebte. In den Straßen Wiens. In: Der Morgen, 15.5.1922, S. 3, Der Eintritt ins Leben. In der Sprechstunde der Berufsberatung. In: NFP, 7.7.1923, S. 11f., Der durchsichtige Mensch. Bilder von der Hygieneausstellung. In: NFP, 6.5.1925, S. 11, Jugend am Pranger. In: NFP, 4.1.1929, S. 14.

Literatur

Th. Venus: Sonnenfeld, KurtEintrag in ÖBL; Karl Markus Gauß: Großstadtpflanzen, wie sie auf dem Asphalt gedeihen – Kurt Sonnenfeld. In: Ders.: Die Vernichtung Mitteleuropas. Essays (1991), 93-106, wieder abgedr. In: K. Sonnenfeld: Der rote Schleier [EA 1927] Hg. von Michael Grimm (2009), 152-164.

(PHK)