Winter, Ernst Karl

Geb. 1.9. 1895 in Wien, gest. 4.2. 1959 in Wien. (Kultur)Politiker, Publizist, Philosoph, Soziologe, Exilant und Remigrant.

Der aus bürgerlichen Verhältnissen kommende E.K. Winter – der Vater war Jurist und Schriftstellerin, die Mutter, Tochter des Verlegers Gsur und ebenfalls schriftstellerisch tätig – begann nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, den er als als Einjährig Freiwilliger bei den Tiroler Landesschützen mitmachte und wo er E. Dollfuß kennenlernte, an der Universität Wien das Studium der Rechtswissenschaften und Soziologie, u.a. bei Hans Kelsen, Max Adler und Otmar Spann, das er 1922 mit einer Promotion erfolgreich beendete. Bereits in den Gymnasialjahren für die katholische Jugendbewegung rund um Anton Orel tätig, wandte er sich auch nach dem Studium publizistisch-politischer Tätigkeiten in der katholischen Kultur- und Sozialpolitik zu. So trat er ab 1924 in der Leo-Gesellschaft als Vortragender in Erscheinung, aber auch in der stärker national und tendenziell antisemitisch ausgerichteten Zeitschrift Das Neue Reich sowie ab 1925 auch in der von J. Eberle davon abgespaltenen Zs. Schönere Zukunft. 1927 fungierte er, gemeinsam mit dem kathol. Sozialreformer August Maria Knoll, dem Publizisten Alfred Missong und dem Juristen und Publizisten Hans Karl von Zessner-Spitzenberg als Mitbegründer der Vereinigung Katholische Aktion. Über diese versuchte programmatische Vorschläge zu einer zeitgemäßen österreichischen Identität zu formulieren aber auch sich in den Folgejahren als Brückenbauer hin zur Sozialdemokratie zu positionieren, was oft auf Skepsis sowohl in dieser als auch in der Christlichsozialen Partei und Presse stieß. Jedenfalls würdigte die Arbeiter-Zeitung 1928 einen Beitrag Winters über die Wohnbaupolitik des Roten Wien, der zunächst jedoch nicht in Österreich, sondern nur in einer amerikanischen kathol. Zs. erscheinen konnte (1931 schließlich in der Zs. Hochland), wie die AZ sarkastisch festhielt (AZ, 8.10.1928, 5). In jenen Jahren arbeitete Winter auch an einer Habilitationsschrift, die allerdings bereits im Vorfeld scheiterte, jedoch als Buch unter dem Titel Die Sozialmetaphysik der Scholastik (1929) erschien, weil er angeblich nicht bereit war, einen Beitrag in einer deutschnational ausgerichteten Zeitung zu publizieren. Dieser Arbeit folgte 1930 eine weitere über Das Soziologische in der Ideenlehre bei Platon. Im selben Jahr übernahm er auch die Leitung des Gsur-Verlags gem. Eintrag ins Handesregister vom 14.3.1930 (s. Wiener Ztg. 27.3.1930, S. 18), der als einziger im Austrofaschismus auch ‚linke‘ Autor:innen wie Theodor Kramer und Hermynia Zur Mühlen verlegte. 1933 profilierte sich Winter wiederum in der schwierigen Lage nach der Ausschaltung des Parlaments (15.3. 1933) als Brückenbauer, was auch die AZ in einem Leitartikel Der Marxismus und der Staat als vorbildlich anerkannte, um schon bald danach, am 7.9. 1933 in einer Glosse Der Katholizismus am Scheideweg wenig Bereitschaft seitens der Christlichsozialen Parteiführung im Aufbau einer gemeinsamen Abwehrfront gegen Faschismus und Nationalsozialismus trotz des Einsatzes von katholischen Intellektuellen wie Kolnai und Winter erblicken zu können. Denn bereits die erste Nummer der von Winter begründeten Zeitschrift Wiener politische Blätter wurde wegen der darin enthaltenen ‚Offenen Briefe‘ an den Bundespräsidenten, welche für die Rückgängigmachung des Rechtsbruches im Zuge der Parlamentsauflösung plädierten, umgehend konfisziert. Entsprechend überrascht und irritiert reagierte die bereits geflüchtete Sozialdemokr. Parteileitung (und Exil-AZ), als Winter nach der blutigen Niederwerfung des Februaraufstandes das Amt des Wiener Vizebürgermeisters annahm und sich – weitegehend vergeblich – um die Gewinnung der Arbeiterschaft als nun sichtbarer Exponent des Regimes bemühte. Sichtbarer Ausdruck des Widerstands gegen die austrofaschistische Demontage der Volksbildungseinrichtungen war z.B. die (letzte freie) Generalversammlung der VHS Ottakring im Sept. 1934, auf der u.a. E.K. Winter Hausbetretungsverbot erhielt. (AZ, 29.9.1934, S.3)

Materialien und Quellen:

N.N. Ein katholischer Wissenschafter über die die Wiener Wohnbaupolitik. In: AZ, 3.6.1931, S. 9; E. K. Winter: Das österreichische Problem. In: Der österreichische Volkswirt, 5.8. 1933, S. 13-15; N.N.: Demonstrationen. In: AZ, 30. 4. 1934, S. 3; N.N.: Klassenkampf und Einheitsgewerkschaft. In: Der Tag, 19.4. 1934, S. 2.

(PHK, in Vorbereitung)