Zemlinsky, Alexander

geb. am 14.10.1871 in Wien – gest. am 15.3.1942 in Larchmond/N.Y. (USA); Dirigent, Komponist, Opernleiter, Exilant.

Der Sohn eines zum sephard. Judentums übergetretenen vormals kathol. Angestellten, Schriftstellers u. Journalisten kam bereits im frühen Kindesalter mit der (Haus)Musik in Berührung. Seine Schulausbildung absolvierte er in der sephardischen Schule Midrasch Eliahu in der Novaragasse (2. Bez.) u. wechselte nach zwei Jahren in die öffentl. Volksschule. Als knapp 13jähriger wurde er in das Konservatorium d. Gesellschaft für Musikfreunde aufgenommen u. studierte dort Klavier u. Theorie, letzteres u.a. bei Robert Fuchs. 1887 erhielt er ein Rubinstein-Stipendium u. schloss seine Studien erfolgr. ab, um in den Folgejahren als Solist in Ersch. zu treten u. 1891 die erste Komposition im Musikverlag Breitkopf & Härtel (Leipzig) zu veröffentlichen. Seine symphon. Abschlussarbeit wurde im Konservatorium aufgeführt.

Aus: Der Morgen, 26.12.1910, S. 3

Wegen seiner geringen Körpergröße vom Militärdienst freigestellt konnte sich Z. voll dem Wiener Musikleben widmen. 1894 trat er in den Wiener Tonkünstlerverein ein, 1895 begr. er den Musikalischen Verein Polyhymnia, wo er Arnold Schönberg kennenlernte, dem er Privatunterricht erteilte. Zu dieser Zeit stellte er seine erste Oper, Sarema, fertig, die 1897/98 an der Münchner Hofoper mit Erfolg aufgeführt wurde. Im selben Jahr folgte eine weitere Symphonie (B-Dur, für die Z. den Beethovenpreis erhielt), 1899 die spätromantische Oper Es war einmal…, die von G. Mahler 1900 auf der Hofoper uraufgeführt wurde. Ebf. 1899 trat Z. aus der jüd. Kultusgemeinde aus; seine Schwester Mathilde folgte dem 1901 u. heiratete A. Schönberg. Um 1900 begann sich Z. vom trad. Harmonie- u. Tonart-Konzepten zu lösen u. entwickelte eine eigenständige Tonalität mit an die Grenzen gehenden Motivstrukturen, meist in d-Moll. Im Jahr 1900 lernte Z. die begabte wie attraktive Alma Schindler kennen u. lieben, die bei ihm Klavierunterricht nahm, eigene Kompositionen anfertigte sowie eine sehr präsente Salonniere war. Zur Ehe kam es nicht, weil Z. einen Rückzug Almas aus der Öffentlichkeit verlangte u. jene zugl. auch Gustav Mahler kennenlernte, den sie 1902 heiratete. Nach dem Tod seines Vaters musste Z. auch die Familie versorgen und nahm dazu die Stelle des Chefdirigenten am Carltheater an, wechselte dann aber bald an das Theater an der Wien und 1904 in die spätere Volksoper. 1905 verh. er sich mit Ida Guttmann. 1907 bot ihm Mahler nach mehreren gescheiterten Bewerbungen an größeren deutschen Opernhäuser eine Stelle an der Wiener Hofoper an, die er jedoch nur ein Jahr innehatte, weil danach Mahler von F. Weingartner abgelöst wurde und Z. wieder für einige Jahre an die Volksoper zurückkehrte. 1911 nahm er das Angebot an, Dir. des ›Neuen Deutschen Theaters‹ in Prag zu werden, dem er bis Mitte der 1920er Jahre verbunden blieb, obwohl er nach 1918 versuchte, nach Wien zurückzukehren. In Prag wandte er sich der Form von Operneinaktern und lyrischen Dramen  (nach Textvorlage von O. Wilde oder Rabindranath Tagore) zu u. arbeitete Ballettvorlagen von H. v. Hofmannsthal um. In den 1920er Jahren trat er auch internat. als Dirigent in Erscheinung, z.B. in Rom oder Barcelona, aber auch in Wien u.a. als Dirigent von G. Mahlers Lied der Erde 1919. 1920 wirkte Z. auch am Wiener Musikfest in Form von Dirigaten mit u. wurde zum artist. Leiter der Deutschen Akademie für Musik u. Darstellende Kunst in Prag berufen. Mitte 1927 wechselte er als Erster Kapellmeister (unter dem jüngeren Otto Klemperer) an die sog. Krolloper nach Berlin, einem experimentell ausgerichteten Musiktheater, an dem Z. wieder stärker zur Kompositionstätigkeit finden konnte. So überarb. er dort die Wiener Fassung der Oper Kleider machen Leute (nach G. Keller, die bereits in Wien David J. Bach als Oper, die „neue Wege“ einschlage, gewürdigt hat; 1910/1922) stellte die Oper Der Zwerg, seine Aufarb. der Bez. zu Alma 1921 fertig u. zugleich ein Versuch, Oper zeitgemäß zu fassen, was 1923 anlässl. der Wiener Staatsopernauff. zu kontroversen Reaktionen führte, nicht zuletzt aufgr. der umstrittenen Nachdichtung der Wildschen Vorlage durch G. C. Klaren. Für die Spielsaison 1929-30 war Z. als Leiter der Leningrader Staatsoper nominiert (Der Tag, 21.8.1929, 6), trat aber diese Stelle nicht an. Nach der Schließung der Krolloper (1931) infolge der Wirtschaftskrise nahm Z. wieder seine Dirigentenarbeit auf (häufig in Wien u.a. von Beethoven-, Mahler- oder Smetana-Werken), vollendete 1932-33 Der Kreidekreis (nach Klabund) u. begann 1933 mit K. Weill die Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny einzustudieren, als der Machtantritt des Nationalsozialismus sein Verbleiben in Berlin bzw. Deutschland verunmöglichte. Noch im Frühjahr kehrte Z. nach Wien zurück, inzwischen, nach dem Tod seiner Frau Ida (1929) mit Louise Sachs, die in der Prager Zeit bei ihm Gesangunterr. genommen hatte u. bald seine Geliebte wurde, verheiratet. In Wien pflegte Z. freundschaftl. Bez. zu Alban Berg u. schuf eine Reihe von symphon. u.a. Werken, darunter 1935-36 auch die Oper Der König Kandaules (nach einer Vorlage von A. Gide). Kaum hatte sich die Lage des neuen Ehepaares Z. stabilisiert (u.a. war es ihnen möglich, ein Haus zu erbauen), zerstörte der Anschluss von 1938 die weiteren Lebenspläne, die auch zu schweren gesundheitl. und psychischen Krisen führte. Im Sept. 1938, nach Entrichtung von über 27.000 RM sog. Reichsfluchtsteuer, konnte das Ehepaar Z. mit US-Visen ins Exil abreisen u. erreichte am 23.12.1938 New York. Im Exil auch zu Gelegenheitskompositionen gezwungen erlitt er 1939 einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr wirklich erholen konnte, und verstarb bald nach der Übersiedelung in ein Landhaus bei New Rochelle.


Quellen und Dokumente

Theaterzettel zu Es war einmal … vom 22.1.1900David Josef Bach: Volksoper [Rez. zu Kleider machen Leute]. In: Arbeiter-Zeitung, 3.12.1910, S. 8Elsa Bienenfeld: Volksoper [Rez. zu Kleider machen Leute]. In: Neues Wiener Journal, 3.12.1910, S. 1f., Richard Batka: Kleider machen Leute. Komische Oper nach Gottfried Keller von Leo Feld. Musik von Alexander Zemlinsky. In: Prager Tagblatt, 7.12.1910, S. 1f., Elsa Bienenfeld: Konzert des Musikfestes. Schönberg – Zemlinsky – Hausegger. In: Neues Wiener Journal, 7.6.1920, S. 3, David Josef Bach: Der Künstler und die Welt. (“Der Zwerg” von Alexander Zemlinsky. Zur Aufführung der Staatsoper.) In: Arbeiter-Zeitung, 2.12.1923, S. 8f., “Der Kreidekreis”. Oper von Alexander Zemlinsky. Zur Übertragung aus Graz. In: Radio Wien (1934), H. 19, S. 13.

Literatur

Biographie auf zemlinsky.at.

(PHK)