Leo Lania: Maschine und Dichtung

            Siebzig Jahre der europäischen Dichtung, erfüllt wie wenige Epochen vorher von Unruhe, rastlosem Streben nach Neuem, nach Sprengung der Form, Umsturz des Inhalts, Beute jäh auftauchender, scheinbar nur vom Zufall abhängiger Moden – diese letzten siebzig Jahre des Naturalismus, des Im- und Expressionismus, des Symbolismus, Futurismus, Konstruktivismus, der neuen Romantik und der neuen Sachlichkeit, sie stehen in Wahrheit von Anbeginn an nur unter dem einen Zwang: ein klares, richtiges Verhältnis zu finden zur Maschine. Die ist in das soziale und das individuelle Leben eingebrochen wie ein unerbittlicher Eroberer, hat sich den einzelnen, das Volk, die Kontinente unterjocht, gleichsam in das Bett unseres Lebensstromes Basaltblöcke gestürzt, an denen sich dieser immer wieder bricht, Und immer wieder den Anlauf nehmen muß, die Hindernisse zu überwinden: sei es, indem er sich in weitem Bogen umfließt oder unterspült, sein eigenes Bett verbreitert oder in wildem Jauchzen über sie triumphiert.

Als die Maschine geboren wurde, da gab es wohl niemanden, der bereit gewesen wäre, sie mit Jubelhymnen zu begrüßen. Untergang und Verderben schworen ihr die Weber ebenso wie die Fuhrleute, die Teppichknüpfer ebenso wie die Dichter. Die Maschine wurde zum Leben erweckt, aber der Tod schritt auf ihren Spuren: Hunger, Arbeitslosigkeit, verschärftes Elend und unbarmherzige Fröste, in den die ‚blaue Blume’ verdorrte und die Märchennachtigallen starben. Wenn schon die Maschine in ihren Flegeljahren solche furchtbares Medusenhaupt zeigte, welch schreckliche Geißel würde sie, erst groß und mächtig geworden, für die Menschheit sein! Und während sich also verzweifelte Arbeiter zusammenrotteten und mit Hämmern und Aexten auszogen, das Teufelswerk zu vernichten, saßen die armen Dichter in den Dachkammern und flüchteten in die Idylle des Handwerks und des Kleinbürgertums, und die weniger armen Dichter beschworen in eleganten Salons eine ferne Zukunft grauenhafter Sklaverei. […]

Es waren nicht viele, die fähige und gewillt waren, dieser durchdringenden Stimme zu lauschen.  Scharfe Augen mußte man haben, gute Ohren, einen klaren Kopf und ein weites Herz, vor allem aber die Entschlusskraft, sich einzuordnen in das gewaltige Heer der Armen und Kleinen, auf jede Sonderstellung zu verzichten und sich als Dienender zu fühlen, als ein bloßer Soldat der großen Arbeiterarmee.

Sehen was ist, aussagen, was ist, keine Herrin anerkennen neben der Wahrheit – das war das Ziel. Den Dingen ringsum ihre letzten Geheimnisse abzulauschen, die Maschine immer wieder abzutasten und zu durchleuchten, der Weg dorthin. Emile Z o l a  fuhr in die Gruben en und wanderte zu den Hochöfen hinaus, V e r h a e r e n  strich durch die Gassen der werdenden Großstadt und die Hallen der Fabriken und die beiden entdeckten auf diesen Streifzügen zum ersten Mal die Maschine für die Dichtung, indes Hauptmann, Ibsen und die anderen Bannerträger des europäischen Naturalismus ihre Entdeckungsreisen durch die S e e l e des Menschen noch nicht den Blick freigaben auf jene Stätten, wo der einzelne  seine Sonderstellung verliert und nur Leben und Bedeutung, Licht und Schatten empfängt als Diener am gemeinsamen Werke, als Arbeiter an der Maschine.

Daß die Maschine zuerst und am stärksten die französische Dichtung eroberte, daß die deutsche verhältnismäßig spät diesen Stoff aufgriff, ist natürlich kein Zufall. Die Arbeitsteilung im Zeichen des Fachmannes, in Deutschland zum leitenden Prinzip der Lebensorganisation des ganzen Volkes erhoben,  sperrte das große Gebiet der Technik und Industrie gleichsam hermetisch ab vor den profanen Blicken der Dichter, die sich selbst nur für die seelischen Gebilde zuständig erklärten. […]  Und so blieb es in Deutschland den Männern der Technik vorbehalten, den Ingenieuren wie Max E y t h und Arthur F ü r s t, der Maschine den Weg in die Dichtung zu bahnen […] Auf der anderen Seite waren es die Arbeiter selbst, die eine Industriedichtung schufen. Alfons Pe t z o l d, Max B a r t e l, Karl B r ö g e r, Heinrich L e r s c h, Paul Z e c h sind hier zu erwähnen.1 – aber es ist wieder kein Zufall, daß diese Dichter das Erlebnis der Maschine fast ausschließlich lyrisch zu bewältigen suchten,  also extrem persönlich, daß aus der Arbeiterdichtung das Epos der Maschine, das Drama der Industrie nicht erblühte. Um dieses zu gestalten, fehlte den Arbeiterdichtern die große Verbundenheit mit den allgemeineren Problemen der Zeit.

Diese innere Unverbundenheit der deutschen Dichtung mit der Maschine bereitete erst jene Bewegung vor, die, aus einem Extrem in das andere umschlagend, aus der billigen A e c h t u n g  der Maschine zu ihrer schrankenlosen A n b e t u n g führte. Der Siegeszug der Technik wurde nicht mehr in seinen inneren Voraussetzungen geprüft, die Maschine zum Selbstzweck erhoben […] Die Ekstase der expressionistischen Industriedichtung – mag sie nun auf der einen Seite in den Hymnen auf die Erlöserin Maschine, auf der anderen in der Tragödie Gas Georg K a i s e r s gipfeln – sie ist nur ein neuer Zweig am alten Baum der Romantik. Johann R. Bechers  Maschinenrhythmen nehmen eine Sonderstellung ein.

Der ‚Amerikanismus’ Deutschlands, heute schon so sehr Schlagwort, daß man sich meist der Mühe enthoben fühlt, damit einen klareren Begriff zu verbinden, ist kaum mehr als die Summe gewisser Aeußerlichkeiten, die ebenso wenig den Wesensinhalt Amerikas wie Deutschlands bestimmen. Amerikanismus, auf eine einfache Grundformel gebracht, ist gewiß nicht nur Anwachsen des Verkehrs, Verschärfung des Arbeitsrhythmus und Tempos, Sportbegeisterung, Rekordfieber und Jazz, sondern vor allem das sichtbare Wirken eines Kollektivbewußtseins, das aus den Quellen eines starken überschäumenden Lebensgefühls gespeist wird. So betrachtet, ist heute nur ein Land ‚amerikanisch’ – R u ß l a n d. Gewiß, ein Amerikanismus mit umgekehrten Vorzeichen, aber in seinem Verhältnis zur Technik, zur Maschine, zu den Dingen des täglichen Lebens, die nicht aus zweiter Hand durch die romantische Brille überkommener  Anschauungen nach dem Schema von einmal erprobten Erfahrungsgrundsätzen reguliert, sondern immer von neuem und immer neu erlebt werden – in seiner Weite und Traditionslosigkeit ist Sowjetrussland amerikanisch. In einem seiner geistreichen Essays schildert Ilja E h r e n b u r g den Taumel der Begeisterung für die Maschine, der Russland in den Monaten des Hungers und des Bürgerkriegs erschütterte: „Der Krieg war nötig, die Revolution, Hunger, Blockade und Typhusläuse, das Agonieröcheln von Transportzügen und auf den Rückseiten alter Rechnungen ausgefertigte Mandate, damit in dem finsteren heroischen Moskau die Poesie der Sache geboren wurde […] Majakowsky, der bedeutendste Vertreter des russischen Futurismus, der seine Begeisterung schüchtern hinter Ironie verbarg, verherrlichte die elektrodynamomagische Stadt, und bei Meyerhold, dem großen russischen Regisseur, vergaßen die Moskauer beim Anblick richtiggehender Lifts auf der Bühne die erschütternde Bedeutung der Heldenmonologe.“ Der russische Konstruktivismus war die Flucht in die Romantik einer Welt, die es nicht gab.

Mittlerweile hat die Realität des Lebens dieser Romantik das Lebenslicht ausgeblasen. Der Roman ‚Zement’ des jungen Gladkow ist jenseits alles Dichterischen vor allem bedeutsam als Dokument des russischen Alltags, des russischen Menschen von heute.2 Hier wird das Zementwerk einer Fabrik, zum Helden des Romans gemacht, die Maschine ist nicht mehr Hintergrund, sondern der eigentliche Träger der Handlung. Aber gleichzeitig wird dieses Werk mit allen seinen Bindungen und sozialen Voraussetzungen gestaltet; wie die Fabrik aus den Ruinen des Bürgerkriegs durch das kollektive Schaffen der Arbeiter zu neuem Leben erweckt, gegen alle Widerstände der Bureaukratie, gegen alle Sabotage der Zweifler und den offenen Kampf der Gegner ertrotzt wird. Hier sind die Schleier der Romantik gefallen, aber der Dichter bemüht sich auch nicht mehr mit der bloßen wahrheitsgetreuen Schilderung der Fassade, die S e e l e  d e r  M a s c h i n e  wird enträtselt und es zeigt sich, daß in dieser Seele der elektrische Strom der Technik mit den geheimnisvollen Strömen des sozialen Organismus zu einer Einheit zusammenfließt.

Man könnte Sinclair L e w i s’ Benzinstation ein Gegenstück zu Zement nennen, obwohl hier scheinbar nicht die geringsten Beziehungen bestehen. Aber wie Sinclair Lewis das Auto zum Helden seines Romans macht, es gleichsam als lebendes Wesen gestaltet, sachlich, überlegen, das illustriert besser als Hunderte von gelehrten Abhandlungen das innere Verhältnis, das jenseits des Ozeans das Volk in seiner Gesamtheit zur Technik und zur Maschine gewonnen hat. Zwischen dem zolaistischen Naturalismus Upton S i n- c l a i r s und der neuen Sachlichkeit Sinclair L e w i s’, zwischen König Kohle, dem Sumpf und der Benzinstation liegt die Epoche des Ford-Autos und der Siegeszug der amerikanischen Industrie.

Deutschland hat in seiner Epik der neuen Sachlichkeit eines Sinclair Lewis und eines Gladkow vorläufig nichts Aehnliches entgegenzusetzen. Womit gewiß kein Werturteil gefällt werden soll, sondern bloß eine soziale Erscheinung registriert sei. Ist doch dieses Verhältnis der Dichtung zur Maschine nichts anderes als ein Barometer, von dem die Z e i t g e m ä ß h e i t der Dichtung und ihr Einfluß auf die Formung der sozialen Probleme abzulesen sind. 

In: Arbeiter-Zeitung, 22.10.1927, S. 17f.


  1. Alfons Petzold (1882-1923): stammte selbst aus einer Arbeiterfamilie, seit 1910 literarisch tätig, gefördert u.a. durch Josef Luitpold Stern; verfasste v.a. Lyrik, aber auch zwei Romane: Erde (1913) und Das raue Leben (1920), litt und starb an Tuberkulose. Max Barthels ( 1893-1975), aus Arbeiterfamilie, früh in sozialistischen, ab 1919 in kommunistischen Organisationen tätig; Hg. der Internationalen Arbeiterhilfe; 1923 gemeinsam mit Willi Münzenberg in der Sowjetunion, mehrere Russland-Bücher in den 1920er Jahren, auch Romane, veröffentlicht, große Resonanz mit dem Bd. Arbeiterseele (1920); 1933 auf den Nationalsozialismus eingeschwenkt, sichtbar im Roman Das unsterbliche Volk und in Veröffentlichungen im Völkischen Beobachter; Propagandaarbeit für verschiedene NS-Einrichtungen, nach dem Krieg Flucht aus der SBZ (späterer DDR); Karl Bröger (1886-1944): ebf. bekannter Arbeiterdichter im Umfeld der SPD, Druchbruch mit Die singende Stadt (1914), pazifistische Lyrik während des Ersten Weltkriegs; in der Weltkriegserz. Die Flamme (1920) Akzent auf neue Technologien; stets auf Distanz zum NS, aber von ihm wiederholt vereinnahmt worden.
  2. Zur Wirkung dieses Romans auf die zeitgenöss. österreichische Diskussion vgl. auch: Maria Lazar: Tendenz und Propaganda. In: AZ, 6.11.1927, S. 21 oder Ernst Fischer: Wandlung des russischen Geistes. In: Der Kampf 1927, 499-507, bes. S. 503.

Rudolf Lothar: Der Dadaismus

Kubismus? Längst überwundener Standpunkt. Futurismus? Kunst von vorgestern, beinahe schon Philistergeschmack. Wir stehen schon viel weiter. Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag. Es sind die Ufer einer neuentdeckten Märcheninsel, und die Sonne, die sie bescheint, ist nicht etwa die gute, alte, brave, goldgelbe Sonne, sondern ist grün oder blau oder violett. Die Märchen aber, die auf der Insel erzählt werden, sind vorläufig noch allen Profanen unverständlich. Nur die Entdecker, die Eingeweihten, die Priester und Eroberer zugleich sind, deuten die Wunderrätsel.

Es ist zweifellos, daß der Dadaismus, der in Zürich seine Hochburg hat, vom Futurismus ausgegangen ist. Die ersten Gemälde, die man mit den Dadaistenausstellungen sah, bemühten sich, der Geometerie pittoreske Eindrücke nach futuristischem Rezept zu entlocken. Aber bald stürmten die Dadaisten über die bunte Fauna der aufs malerische angewendeten Geometerie hinaus und hißten das eigene Banner des Nochnichtdagewesenen. Vom Nochnichtdagewesenen kann man im Grunde genommen beim Dadaismus noch nicht sprechen. Denn die Wurzeln des Dadaismus – das muß man ihm einräumen – stecken in jedem Menschenleben.

Man kann es ohne Übertreibung sagen, daß jeder Mensch einmal ein Kind gewesen ist und als solches einmal „Dada“ gesagt hat. Nur blieb es der Zürcher Gemeinde vorbehalten, in diesem „Dada“ das Symbol heiligster Kunstäußerung zu erblicken. Der Dadaismus stellt sich uns also vor als die wahre Rückkehr zur äußersten Ursprünglichkeit, zur idealsten Primitivität. Lasset uns sein wie die Kinder! Im kindlichen Spiel erblicken die Dadaisten ehrfurchterschauernd die heiligsten Offenbarungen der Kunst. Und darum sind die Gemälde, Holzschnitte und Zeichnungen, die man in den dadaistischen Zeitschriften und auf den dadaistischen Ausstellungen sieht, nur den Malereien und Zeichnungen eines Kindes vergleichbar, das zum ersten Mal Tinte, Bleistift oder Farbe in die Hand bekommt. Ich habe lange darüber nachgedacht, welcher kindlichen Kunstäußerung die zehn Holzschnitte gleichen, mit denen H. Arp die „25 Gedichte von Tristan Tzara“ illustriert hat. Nun weiß ich es. Es ist die Technik der Klecksographien mit denen ein Justinus Kerner sich einst vergnügte. Man macht Tintenkleckse auf Fließpapier und legt dann das Blatt zusammen. Auf diese Weise kann man ein Raffael der Dadaisten werden. Die Dadaisten haben übrigens eine sehr entwickelte Kunsttheorie. Sie wollen die Überlieferungen der Negerkunst, der alten Ägypter und Byzantiner fortsetzen und vor allem die atavistische Empfindlichkeit ausrotten, die uns aus den hassenswerten Tagen der Renaissance im Blute stecken geblieben ist.

In erster Linie führen sie in ihrem Schrifttum einen erbitterten, ja geradezu berserkerhaften Kampf gegen Syntax und Interpunktion. Sie haben das prachtvolle Schlagwort vom „Antisyntarismus der freigelassenen Worte“. Und damit kommen wir dem Wesen ihrer Dichtungen nahe. Fort mit dem Unsinn der sinnvollen Sätze, fort mit der Schnürbrust des Satzbaues, fort mit den Eselsbrücken der Interpunktion! Worte, Worte, Worte in Freiheit! …  Ich könnte hier ins Unendliche fortschreiben, ohne meinen verehrten Lesern auch nur den leisesten Begriff dadaistischer Kunst beibringen zu können. Darum lasse ich die Dichter der dadaistischen Schule selber sprechen: Im September 1916 erschienen die „phantastischen Gebete“ von Richard Hülsenbeck. Das schmächtige Bändchen beginnt mit folgender Hymne:

Ebene

Schweinsblase Kesselpauke Zinnober cru cru cru

Theosophia pneumatica

Die große Geistkunst = poème bruitiste aufgeführt

zum ersten Mal durch Richard Huelsenbeck DaDa

oder oder birribum birribum saust der Ochs im Kreis herum oder

Bohraufträge für leichte Wurfminen-Rohlinge 7/6 cm Chauceur

Beteiligung Soda calc. 98/ 100%

Vorstehund damo birridamo holla di funga qualla di mango

damai da dai umbala damo

brrs pffi commencer Abrr Kpppi commence Anfang Anfang

sei hei fe da heim gefragt

Arbeit Arbeit

brä brä brä brä brä brä brä brä brä

sokobauno sokobauno sokobauno

Schikaneder Schikaneder

Schikaneder

Man darf aber ja nicht glauben, daß dieses Gedicht einen Höhepunkt der neuen Poetik bilde. Da kenne ich ganz andre Höhepunkte! Ich möchte am liebsten das ganze Büchlein zur Erbauung des Lesers abschreiben! Eine ganze Flut von neuen Bildern stürmt auf uns ein. Wortbildungen schießen vulkanisch aus den Hirnen der Dadaisten. Und man muß gestehen, in ihrem Bilderreichtum übertreffen sie alles, was Menschenkunst je geschaffen hat. Paraffinflüsse fallen aus den Hörnern des Mondes, der See Drizunde liest die Zeitung und verspeist dabei ein Beefsteak, über den Spiegel deines Leibes saust der Jahrhunderte Geschrei, zwischen den Intervallen deines Atems fahren die bewimpelten Schiffe, Luftschlangen und Flittergold sind in den Runzeln deiner Stirne, Larven von Wolkenhaut haben die Türme vor die blendenden Augen gebunden, Zylinderhüte riesige o aus Zinn und Messing machen ein himmlisches Konzert, usw. . . . Und wie überraschend in ihrer Plastik sind die Verse:

                vom Himmel fä-ällt das Bockskatapult, das

Bockskatapult

wir blasen das Mehl von der Zunge und schrei’n

und es wandert der Kopf auf dem Giebel

Aber in diesen „Gebeten“ ist immerhin noch eine Spur von Wortverbindungen. Es ist, als ob der Fluch des Satzbaues von der neuen Kunst wie eine Eierschale abgestreift werden müsste. Das ist restlos gelungen in dem unvergleichlichen Chorus Sanctus.

            a a o                      a e i                        i i i                          o i i
                u u o                      u u e                      u i e                       a a i       

ha dzk                   drrr bn                 obn br                  buß bum

ha haha                hihihi                    lilili                        leiomen

Dieser Chorus ist offenbar vierstimmig gedacht. Als Schlachtgesang der Dadaisten gilt aber, wie ich mir sagen ließ, der Cantus: Die Primitiven. Er lautet:

Indigo indigo

Trambahn Schlafsack

Wanz und Floh

Indigo indigai

Umbaliska
Bumm DADAI

Der richtige Dadaist dichtet in allen Kultursprachen. Mit Hülsenbeck um die Palme ringt ein junger französischer Poet Pierre Albert = Birot, der in Nr. 2 der Dadaistenzeitschrift einige Verse „Pour Dada“ veröffentlicht hat. Sie lauten:

AN         AN         AN          AN         AN         AN         AN         AN

AN         AN         AN

IIII          I              I

POUH-POUH POUH-POUH                          RRRA

si                            si                             si            

drrrrr                                                                   oum                      oum

AN         AN         AN          AN

Aaa                        aaaa                      aaa                        tzinn

UI                           I I I I

HA          HA          HA          HA          HA          HA          HA

rrrrrr      rrrrrrrrrrrrrrrrrrrr

Auf den Vortragsabenden der Dadaisten soll dieses Gedicht von Birot ganz besondere Wirkung geübt haben. Denn natürlich sind alle diese Verse, die ich eben zitierte, nicht nur für das Lesen im stillen Kämmerlein, vor dem Kamin und im blühenden Garten bestimmt, sondern, sie werden auch bei den Zusammenkünften der Dadaisten von Rhapsoden kunstvoll vorgetragen. Ich bin nur ein Laie im Dadaismus, und trotz aller Bemühungen ist es mir noch nicht gelungen, alle Feinheiten dieser Buchstabenlyrik und Begriffsphantastik zu enträtseln. Aber auch auf meine Philisterseele wirken die Verse Hülsenbecks, die unter dem Titel „Schalaben Schalabei Schalamezomai“ erschienen sind. Ist Tristan Tzara der Goethe der neuen Richtung, so ist Hülsenbeck das Haupt ihrer Romantik. Auch aus diesem Büchlein muß ich ein paar Verse anführen. Sie gehen mir nicht aus dem Kopfe, seitdem ich sie gehört habe. Und ich setzte sie hieher, auf die Gefahr hin, daß sie auch meine Leser nicht loslassen und sie bis in ihre Träume verfolgen werden:

der Phosphor leuchtet im Kopf der Besessenen

schalamezomai

und die Säue stürzen in den See der Lamana

heißt

schlage an deine Brust die aus Gumme ist laß

flattern

deine Zunge über die Horizonte hin
wedele mit deinen Ohren so die Eisgrotte zerbricht
ich sehe die Leiber der Toten über die Teppiche zerstreut

die Toten fallen von den Kirchtürmen und das

Volk

schreiet zur Stunde des Gerichts
ich sehe die Toten reiten auf den Baßtrompeten

am Tage des Monds

rot rot sind die Köpfe der Pferde die in der

Ebene schwimmen.

Mein lieber alter verstorbener Freund, der Dichter Heinrich Bulthaupt in Bremen, hatte einen Talisman gegen jeden Aerger. Es waren vier Verszeilen, die er dann vor sich hinsagte: „Con el ay, con el marabay, con el u, con el marabu.“ Ich habe das Rezept selbst oft angewendet und es hat seine Wirkung nicht verfehlt. Nun aber bin ich im Zweifel, ob nicht die Zauberformel Hülsenbecks noch bessere Dienste leistet:

Schalaben schalabai schalamezomai.

Man sage sich diese Formel, wenn man sich ärgert, ein paar tausendmal laut vor, und die aufgeregten Wogen des Gemütes werden sich glätten.

Die Dadaisten haben in Zürich ihre Zeitungen und Zeitschriften, sie veröffentlichen Bücher und halten Vorträge, sie veranstalten Bilderausstellungen. Es scheint, daß die Gemeinde sehr groß ist, denn manche dieser Bücher sind vollkommen vergriffen. So zum Beispiel das erste Heft der Monatsschrift „Dada oder La première aventure céleste de Mr. Antypirine“ von Tr. Tzara. Die Dadaisten dichten in mehreren Sprachen. Französisch, italienisch und deutsch. In Frankreich und Italien erscheinen auch Bruderorgane, Revuen, Wochen- und Monatsschriften. Sie alle kämpfen für die von Syntax und Kultur befleckte Reinheit der Buchstaben und Worte. Es wäre jammerschade, wenn man nicht auch in Wien von dieser Bewegung Kunde hätte. Die Zeiten sind düster und schwer, und ich weiß kein besseres Mittel, sich über das Chaos des Tages zu erheben, als eine Lektüre dadaistischer Kundgebungen.

In: Neues Wiener Tagblatt, 3.10.1918, S. 2-3.

Otto Neurath: Absage an Spengler

Die Wirkung von Spenglers „Untergang des Abendlandes“ ist in Österreich nicht so verderblich wie in Deutschland. Der feuilletonistische Geist des Österreichers ist zwar natürlich auch durch die Theorie, die Spengler heute nicht mehr als pessimistisch gelten lassen will, angezogen worden, aber die Vorteile seiner Nachteile haben sich doch bewährt: der wienerische Skeptizismus leistete einer tieferen Einflußnahme Spenglers Widerstand. Nicht so in Deutschland. Dort hat Spengler wirklich ein im Innersten aufgewühltes Geschlecht noch mehr gelähmt, noch hoffnungsloser gemacht. In dieser Hinsicht ist das Buch Otto Neuraths „Anti-Spengler“ (bei Georg Callwey in München erschienen) eine Tat. Neurath entkleidet Spenglers Trivialität ihrer hieratischen Hoheit, er weist das Schwankende und Nebulose seiner vielgerühmten Methode auf, er geht den Unzulänglichkeiten seiner willkürlich aufgebauten Argumente nach. Mit der Erlaubnis des Autors geben wir im nachstehenden aus dem „Der Gestaltenden Jugend gewidmeten“ Buche einen Teil der Einleitung wieder.


            Dio von Prusa rief Wehe über sein Zeitalter und verglich Athen dem Scheiterhaufen des Patroklos, der nur auf die Flammen warte, die ihn entzünden; Wells malte bald im Stile bisheriger Erfahrung, bald ins Groteske gesteigert Bilder unserer Zukunft; Oswald Spengler dagegen beschwört lehrhaft deutelnd die überlieferte Wucht der Einsicht, statt als Dichter und Seher vor das Volk zu treten. Er will durch Methode und Beweis Zustimmung erzwingen, will Geschichte systematisch „vorausbestimmen“, die Zukunft des Abendlandes „berechnen“ und von vornherein feststellen, was man in Hinkunft an Kunst und Wissenschaft, Technik und Politik novj erfolgreich in Angriff nehmen dürfe. Drängende Notwendigkeit mag bewirken, daß wir uns für ein ungenügend begründetes Zukunftsbild als Grundlage unseres Tuns entscheiden. Vielleicht muß unsere Pädagogik, unsere Verfassung, unser Recht zum Ausdruck bringen, ob wir mit dem „Untergang“ oder mit einer anderen Stufe unserer Entwicklung rechnen. Aber darüber keine Täuschung: eine Entscheidung ist kein Beweis. Wer sich als Prophet oder Prophetenschüler für eine Prophezeiung beharrlich einsetzt, mag die Richtigkeit der Prophetie durch die Beeinflussung der Wirklichkeit erweisen. Die Prophetie wird zur Ursache ihrer eigenen Verwirklichung! Aber mit „Berechnen“ und „Beweisen“ hat das nichts zu tun. Spengler widerspricht durch sein Bestreben, alles zu berechnen, alles zu beweisen nicht nur dem Wesen des Prophetischen, sondern auch eigenen Anschauungen über die Aufgabe! „Natur soll man wissenschaftlich traktieren, über Geschichte soll man dichten. Alles andere sind unreine Lösungen.“ Ist sein Werk eine Dichtung? – Nein. Was denn? – Nach Spenglers eigenem Spruch: Eine unreine Lösung.

            Ein Werk über die Zukunft der Menschheit unterliegt von vornherein nicht dem Maßstab für Einzelforschungen. Bedenklichste Annahmen, kühne Lückenfüllungen, ja ungenügend begründete Abänderungen festgefügter wissenschaftlicher Lehren muß man fallweise zulassen, soll nicht das Gesamtgebäude verhindert werden. Wo mehrere Konstruktionen gleich möglich sind, vermag menschliche Enge oft nur eine auszuführen, man wird sie auch in dieser Vereinzelung dankbar begrüßen, ebenso eine bildhaft-bestrickende Schilderung als Ersatz strengen Beweises, froh, endlich ein umfassendes Bild an Stelle zerstreuter, unverknüpfbarer Einzelstücke zu besitzen. Wir fordern aber Schritt für Schritt einen klar erkennbaren Charakter solcher Darstellung; wir wollen wissen, wo Vermutungen, wo gründliche Beweise vorliegen, wollen wissen, ob die mitgeteilten Tatbestände als gesichert gelten, wollen wissen, was bloße Lückenfüllung, was wohlbegründetes Einzelergebnis reifer Forschung ist.

            Durch grundsätzliche Erörterungen über seine Methode sucht Spengler den oft unklaren Darlegungen, die überdies in sich widerspruchsvoll sind, höchste Beweiskraft beizulegen. Wo der Prophet, der Führer eine Zukunft, ein Ziel abschildern mag, müssen bei Spengler flüchtig gezimmerte Methoden dies Ergebnis liefern und den Leser in die Knie zwingen, auch wenn dabei das vielfältig verknüpfte Gewebe unserer gesamten Erkenntnis in Fetzen ginge. Wer nicht mitgeht, wird nach bewährten Mustern für verständnislos erklärt. Wie in Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern wird mancher, wo nichts Greifbares ist, Prunkgewänder und heroische Gestalt zu sehen vorgeben.

            Nicht die falschen Einzelergebnisse, nicht die falschen Tatsachen, nicht die falschen Beweise machen Spenglers Buch so ungemein gefährlich, sondern vor allem seine Methode, Beweise zu führen, und seine Darlegungen über Beweisführungen überhaupt. Dagegen muß man sich zur Wehr setzen. Wer hoffend und strebend eine frohe Zukunft gestalten will, der soll wissen: keiner der Spenglerschen „Beweise“ reicht aus, ihn daran zu hindern; wer sich aber mit dem Gedanken an den „Untergang“ befreunden will, der soll wissen, daß er es auf Grund eines Entschlusses, nicht eines Beweises tut!

            Wenige Bücher stellen so hohe Anforderungen an das hingebende Vertrauen des Lesers. Wer kann auf allen Gebieten, die Spengler berührt, nachprüfen, zumal Hinweise auf Quellen fehlen? Und doch zahlreiche grobe Irrtümer, die aus Nachschlagewerken berichtigt werden können, Irrtümer, die Träger bedeutsamer Beweisketten sind. Derlei wird durch die Größe der Aufgabe nicht gerechtfertigt. Daß altbewährte Erkenntnisse und Fachleuten vertrautes Handwerkszeug als alles umwälzende Neuheiten Spenglerscher Prägung auftreten, beurteile jeder nach Geschmack! Auf welcher Höhe glaubt sich aber Spengler, daß er sich zu Sätzen vorwagt, wie: „Ich frage mich, wenn ich das Buch eines modernen Denkers zur Hand nehme, was er – außer professoralem oder windigem Parteigerede vom Niveau eines mittleren Journalisten, wie man es bei Guyau, Bergson, Spencer, Dühring, Eucken findet – vom Tatsächlichen der Weltpolitik, von den großen Problemen der Weltstädte, des Kapitalismus, der Zukunft des Staates, des Verhältnisses der Technik zur Zivilisation, des Russentums, der Wissenschaft überhaupt ahnt?“ Solchen Maßlosigkeiten ist auch der weniger Vorgebildete gewachsen, nicht aber andauernd verächtlichen Äußerungen über geschichtliche und sonstige gelehrte Forschung; es wird nicht jeden sofort klar, daß Spengler einen Denker gegen den anderen ausspielt, überspitzte Äußerungen noch überspitzend.

            All diese Bedenken dürfen uns aber darüber nicht täuschen, daß es Spengler gelungen ist, ein das gesamte Menschentum umfassendes Gebäude zu skizzieren, in dem verschiedensten Richtungen entstammende Erkenntnisse vereinigt werden – unzulänglich, widerspruchsvoll, vielfach in sinnloser Verzerrung, aber doch einigen Leitgedanken untergeordnet. Es ist denkbar, daß Gedanken dieses Buches wertvolle Anregungen geben werden – sie tun es sicher durch den ausfordern –; aber das darf nicht den Sinn für die unerhörte Vergewaltigung abstumpfen, die in diesem Buch dem Denken zugefügt wird. Vor den auflösenden Wirkungen auf das Denken muß sich auch der schützen, welcher gewissen Anschauungen zustimmen mag.

            Das Buch befriedigt ein heute stark vorhandenes Sehnen nach geschlossener Weltanschauung. Ist es nur Zufall, daß es in derart unzulänglicher, unkritischer, anmaßender, zersetzender Weise befriedigt wird? Auf die Dauer hilft da kein Tadeln, nur Bessermachen. Es wäre tragisch, wenn die, welche solch ein Gebäude fester fügen könnten, gerade durch ihre höhere Kritik und Besonnenheit gehemmt würden, ein Werk zu schaffen, das unbekümmertes Vorwärtsstreben, Hinnehmen notwendiger Unzulänglichkeiten voraussetzt.

            Immer häufiger rächt sich das übertriebene Spezialistentum der letzten Jahrzehnte, jene bewußte Abkehr vom Ganzen der Weltanschauung. Als ob nicht aus dem Ganzen allein alle Einzelforschung letztlich Anregung und Ziel erhielte! Die Einzelwissenschaften bedürfen eines Weltbildes, sonst sind sie der Skepsis oder dem Übermut ausgeliefert, welche Spenglers Schrift zu absonderlicher Gemeinschaft verknüpft.

            Viele fühlen sich durch Spengler befreit. Wir wollen von Spengler befreien, von jener Art Geist, die lockend und vergewaltigend Klarheit des Urteils und Schärfe des Schließens zur Selbstbesinnung führenden Widerspruch, welchen sie herzernichtet, Fühlen und Schauen verzerrt.

(Vollständiger Text des Buchessays in: O. Neurath: Gesammelte philosophische und methodologische Schriften Bd. 1, Hg. von Rudolf Haller und Heiner Rutte, Wien: Höder-Pichler-Tempsky 1981, S. 139-196; der Auszug ist wortident, ausgenommen die unterschiedliche Schreibweise von herzernichtet in der Zs. Wage und zernichtet in der Werkausgabe)

In: Die Wage, 2.7.1921, S. 292-293.

Leo Kofler: Sozialistische Unterhaltung und Kultur

In einer Diskussion über das Tanzen in der Jugendbewegung sind Gedanken ausgesprochen worden, die festzuhalten im folgenden versucht werden soll.

Der Drang nach Neugestaltung der Welt hat die Jugendbewegung geschaffen. Mag sie zuerst in ihren bürgerlichen Formen bloß verneinend gewesen sein, so ist sie als proletarische Jugendbewegung bestrebt, ihr ganzes Wollen und Handeln dem sozialistischen Befreiungskampfe unterzuordnen.

In dieser bedingungslosen Unterordnung besteht ihre Leistung. Dadurch gerade unterscheidet sie sich in erster Linie vom erwachsenen Proletariat, das mehr oder weniger dem Einfluß der bürgerlichen Menschenbeherrschung unterlegen ist und von dem wir jene vollkommene Unterordnung unter das sozialistische Weltbild nicht erwarten können. Und es ist gerade die Jugend, die dank ihrer Eigenart diese Lücke auszufüllen am meisten bereit und verpflichtet ist.

Was soll unter dieser Unterordnung verstanden werden? Gestaltung der Freizeit durch Überwindung der bürgerlichen und Schaffung einer sozialistischen Kultur. Das Fehlen einer die proletarische Bewegung durchdringenden sozialistischen Kultur kann unter Umständen ein Hemmnis für den Fortschritt des Sozialismus werden. Es soll nicht verkannt werden, daß weite Schichten von aktivem Kampf und Gestaltung der Freizeit überzeugt sind, wie die Existenz der „Kunststelle“ und der verschiedensten „Arbeitergemeinschaften für proletarische Kultur“ es beweisen. Aber trotzdem besonders die Jugend sich diesen Grundsatz zu eigen gemacht hat, haften in der Praxis Unklarheiten an den Vorstellungen sogar geschulter und weitblickender Funktionäre.

Diese Unklarheiten haben ihre Wurzel in der bürgerlichen Auffassung von der Unterhaltung, von der verlangt wird, daß sie wie die Kunst tendenzlos sei und bloß dazu diene, durch Ablenkung das Einerlei des Lebens erträglicher zu machen. So wie die Bildung für das nachrevolutionäre Bürgertum zum Selbstzweck geworden ist, gerade so die „Unterhaltung“, die in Wirklichkeit nichts anderes ist als ein raffiniertes Aufsichwirkenlassen von allen erdenklichen „Annehmlichkeiten“, wenn auch zum Teil reaktionär gefärbt. Angefangen von den Gladiatorenkämpfen der alten Römer bis zum modernen Tanz ist Streben nach Tendenzlosigkeit der Unterhaltung symptomatisch für eine degenerierte, dem Untergang geweihte Klassengesellschaft, der als Gesamtheit die über sich selbst hinausfahrende Zielsetzung fehlen muss; für die herrschende Klasse ist daher Freizeit Flucht aus der Wirklichkeit ins Eigenartige (mag es sinnlich grausam oder romantisch sein).

Nur das Proletariat kennt jene revolutionäre Zielsetzung, die allein zur sinngemäßen Gestaltung der Freizeit und somit der Unterhaltung führt und nur die proletarische Jugend kann in der Übergangszeit die Wächterin eines Ideals sein, das verwirklicht sozialistische Kultur sein wird. Niemals haben sich neue Formen der Kunst, der Erziehung und der Geselligkeit durchgesetzt, die nicht auch sonst im revolutionären Wollen zum Neuen verwurzelt waren, und jede dem Untergang geweihte Gesellschaftsordnung hat, um sich zu betäuben, Lebensformen hervorgebracht, die tendenzlos, das heißt zwecklos waren.

Die gewaltige Einheit von Leben und Lebensgestaltung, die nichts anderes in sich schließt als zwei Seiten des revolutionären Wollens, darf nicht durchbrochen werden durch Kompromisse, zumindest dort nicht, wo ihre Notwendigkeit von vornherein nicht gegeben ist – bei der Jugend.

Es ist unrichtig, daß man sich hie und da bei einer Tanzunterhaltung „ausruhen“ und „entspannen“ muß; man kann sich bei einem revolutionären Kinostück sehr gut ausruhen. Sport und Wandern bieten die nötige Entspannung. Es ist ebenso unrichtig, daß man Tanzunterhaltungen für die Jugendbewegung propagandistisch auswerten könne, denn hier gilt am meisten das Wort, daß es richtiger ist, Sozialdemokraten zu erziehen, als Stimmen zu gewinnen.

Erziehen wir Sozialdemokraten, indem wir der Jugend Stätten bauen, in denen sie erkennt, daß alles im Leben, auch die Unterhaltung, nicht für sich bestehen kann, „der Jugendliche muß aufgehen in einer Welt, die viel größer ist als sein ärmliches Ich.“ (Engelhardt: „Der Mann in der Jugendbewegung.“)

In: Bildungsarbeit, 1931, H.1, S. 7.

Leo Lania: Der Feldherr als Aesthet

In einem kleinen Hotel im Berliner Westen machte ich seine Bekanntschaft. Ganz zufällig. Der Mann fiel mir auf: Ein Hüne. Scharf geschnitztes Gesicht, vorspringende Backenknochen, breiter Mund mit vollen Lippen – der Typus eines slawischen Bauern. Doch der runde, kahlgeschorene Schädel, ein gewisser lauernder Ausdruck in den harten Augen, die sich plötzlich verschleiern und dann so rührend träumerisch ins Leere blicken, unbeherrschte, hastige Bewegungen, vor allem dies eigentümlich Gespannte in seinem Wesen – er sieht wie ein entlaufener Sträfling aus, dachte ich unwillkürlich. Das ist Majakowski, der bedeutendste Vertreter des russischen Futurismus, einer der Großen der jüngsten russischen Dichtkunst, „das gewaltige Talent“, wie ihn Alexander Block genannt hat. Wir kommen ins Gespräch. Und dann sitzen wir oben in seinem Hotelzimmer und debattieren über die neue Kunst, über Rußland und die Revolution.

„Haben Sie Trotzkis letztes Werk über die russische Literatur gelesen?“ Majakowski weist auf ein dickes, zerlesenes Buch, das auf dem Tische liegt.

„Ich habe es gelesen. Allerdings nur einen Auszug, der vor kurzem in deutscher Uebersetzung erschienen ist. (Trotzki: Literatur und Revolution. Verlag für Literatur und Politik, Wien.) Ein ganz eigenartiges, ein erstaunliches Buch. Erstaunlich in doppelter Hinsicht: Wegen der Person des Verfassers und wegen des Stoffes, der hier in einer neuen Art behandelt wird.

                                               *

Trotzki, der Schöpfer der Roten Armee, als Aesthet? Manch einer wird wohl mit gemischten Gefühlen dies Büchlein in die Hand nehmen. Und wird nach wenigen Seiten völlig im Banne dieser einzigartigen Persönlichkeit stehen. Denn in keiner seiner zahlreichen historischen und nationalökonomischen, seiner militärischen und marxistisch theoretischen Schriften tritt uns das innerste Wesen Trotzkis so klar entgegen. Welche Energie, welche Arbeitskraft muß diesen Menschen auszeichnen, der auf einem der exponiertesten Posten der russischen Revolution, im Drang der Politik und der auftreibenden Tagesarbeit, die schon an die physischen Kräfte der Führer übermenschliche Anforderungen gestellt hat, noch Zeit und die innere Bereitschaft findet, um sich so völlig in kulturelle und literarische Probleme zu vertiefen. Trotzkis Buch räumt mit den Thesen und Edikten der zünftlerischen revolutionären Literaturhistoriker auf. „Das Proletariat wird die Schaffung einer neuen, das heißt sozialistischen Kultur und Literatur in Angriff nehmen können, nicht mit Laboratoriumsmethoden auf der Grundlage unserer jetzigen Armut, Knappheit und Unwissenheit, sondern durch weit ausholende, gesellschaftlich wirtschaftliche und kulturfördernde Methoden. Die Kunst braucht Wohlleben, bedarf des Ueberflusses. Dazu gehört, daß die Hochöfen heißer glühen, die Räder rascher surren, die Schiffchen flinker tanzen, die Schulen besser arbeiten… Es ist grundfalsch, der bürgerlichen Kultur und der bürgerlichen Kunst die proletarische Kultur und die proletarische Kunst entgegenzustellen…

Denen, die das Ultraradikale, den Appell zum Bruch mit der Vergangenheit und zur Liquidation der Tradition erschallen lassen, antwortet Trotzki sehr fein: „Die Arbeiterklasse hat es nicht nötig und kann mit der literarischen Tradition brechen, denn sie schmachtet nicht in den Fesseln der Tradition. Sie kennt die alte Literatur nicht, die muß sie erst kennen lernen, sie muß erst Puschkin noch erfassen, ihn aufsaugen und ihn dann auch überwinden. In der übertriebenen futuristischen Ablehnung der Vergangenheit steckt ein Nihilismus der Boheme, aber kein proletarischer Revolutionalismus.“

Aus dieser Einstellung der wahren Achtung vor jeder schöpferischen Kulturleistung kommt dann Trotzki zu seiner Forderung der Duldsamkeit: „Das Gebiet der Kunst ist nicht das Feld, wo die Partei zu kommandieren berufen ist.“ Das soll nun nicht heißen, daß Trotzki der Ansicht ist, die Regierung, bzw. die regierende Partei der Bolschewiki habe sich jeder Einmischung und jeder kritischen Stellungnahme in Fragen der Kunst zu enthalten und dürfe keine Kulturpolitik treiben: „Es ist vollkommen klar, daß auch auf dem Gebiete der Kunst die Partei nicht einen einzigen Tag dem liberalen Prinzip: laisser faire – laisser passer, frönen darf. Die ganze Frage besteht nur darin, in welchem Punkte die Einmischung beginnen soll und wo ihre Grenzen sind. Trotzki sieht viel klarer und schärfer als so manche ‚Berufenen’ die Schwierigkeiten, die Kompliziertheit der Probleme. Dieser Dogmatiker verleugnet nie, daß er ein Realpolitiker ist. Er ist nicht nur ein Meister im dialektischen Denken, sondern auch ein Beobachter von verblüffender Schärfe […] Mit leichter Ironie, mit einer milden Skepsis lächelt er über jene, die da glauben, die neue kommunistische Kunst gebrauchsfertig in einer Retorte erzeugen zu können. Er blickt um sich und sieht Ansätze, tastende Versuche, mehr oder weniger gelungene Experimente – keine Erfüllung. Und was den ‚Proletkult’ betrifft, so sind solche Ausdrücke wie ‚proletarische Kultur’ und ‚proletarische Literatur’ gefährlich, weil sie die Zukunft der Kultur fiktiv in den engen Rahmen des Heute hineinzwängen, die Perspektiven verfälschen, – den sehr gefährlichen Dünkel kleiner Kreise kultivieren. Wir wollen vereinbaren, daß ‚Proletkult’ soviel bedeutet wie ‚proletarischer Kulturismus’, das heißt, den zähen Kampf um die Hebung des kulturellen Niveaus der Arbeiterklasse.

[…]

            Was aber diese proletarische Literatur betrifft – so sind das literarische Werke begabter oder talentierter Proletarier, aber keineswegs proletarische Literatur. Und Trotzki warnt davor, „mit großen Worten zu spielen. Es ist nicht wahr, daß es einen proletarischen Stil gibt. Wo ist er? Zweifellos, selbst farblose und schwache, sprachlich unbeholfene Gedichte können den Weg des politischen Wachstums eines Dichters und einer Klasse markieren und dadurch eine unermeßliche kultursymptomatische Bedeutung haben. Aber schwache Gedichte – bilden noch keine proletarische Dichtung, denn sie sind überhaupt noch keine Dichtkunst. Auf dem Gebiete der Kunst hat eben das Proletariat noch kein Kulturmilieu geschaffen, während die bürgerliche Intelligenz ein solches Milieu – ein gutes oder schlechtes – besitzt. Also? Lernen! Man muß lernen, wenn auch die Lehrzeit – notgedrungen beim Feind – nicht ganz ungefährlich ist. Man muß lernen!“

                                                           *

Und Majakowski? Er lächelt: „O, er hat mit vielem recht, der gute Trotzki. Obwohl er ein gefährlicher ‚Rechtler’ ist.“

In: Prager Tagblatt, 9.7.1924, S. 3.

N.N. [Otto Bauer]: Die Weltrevolution.

4. Die historische Funktion des Bolschewismus.

            Die Kommunisten betrachten die Rätediktatur nicht als eine vorübergehende Phase, sondern als die abschließende, endgültige Form der Weltrevolution. Die Rätediktatur werde die Bourgeoisie „erdrosseln“, alles Privateigentum an Produktionsmitteln aufheben, die Spaltung der Gesellschaft in besitzende und besitzlose Klassen aufheben, die sozialistische Gesellschaftsordnung aufrichten, und sobald dieses Werk getan sei, werde der Staat überhaupt absterben, da es einer öffentlichen Gewalt nicht mehr bedürfe, sobald es keine unterdrückten und keine unterdrückenden Klassen mehr gibt. Die Rätediktatur, in einem Lande aufgerichtet, führt die Rätediktatur in den anderen Ländern durch die Macht ihres Beispiels herbei; nach wenigen Jahren werde der Kapitalismus in aller Welt überwunden sein.

            Daß in allen besiegten Ländern starke Tendenzen zur Diktatur des Proletariats ganz unvermeidlich entstehen, unterliegt keinem Zweifel; ob aber die Diktatur des Proletariats wirklich jene Wirkungen herbeizuführen vermag, die die Kommunisten von ihr erhoffen, ist eine ganz andere Frage. Die Geschichte aller Revolutionen zeigt, daß sehr oft die objektiven historischen Wirkungen der Revolution ganz andere sind als die subjektiven Vorstellungen, Absichten und Hoffnungen ihrer Urheber und Träger.

            Der Versuch des Proletariats, seine Alleinherrschaft aufzurichten und sich alle anderen Klassen zu unterwerfen, führt zunächst den Bürgerkrieg herbei. Selbst in Rußland kann sich die kommunistische Diktatur nur in ständigem blutigen Kriege gegen die konterrevolutionären Klassen erhalten; dieser Krieg gegen die Kornikow und Kaledin, die Denikin und Koltschak dauert nun schon mehr als anderthalb Jahre und sein Ende ist nicht abzusehen. Greift der Bolschewismus auf Mitteleuropa über, so wird er hier einen noch viel gewaltigeren, noch viel blutigeren Bürgerkrieg zu bestehen haben:  denn hier würde ihm eine viel breitere, zahlreichere, widerstandsfähigere Bourgeosie und vor allem eine viel selbstbewußtere, viel besser organisierte und viel konservativere Bauernschaft gegenüberstehen als in Rußland. Der Bürgerkrieg zerstört aber die Produktivkräfte des Landes, er macht den Wiederaufbau der Industrie, die Wiederherstellung der Verkehrsmittel, die Wiederbelebung der Landwirtschaft unmöglich. Er bereitet dem Aufbau der Organisation des Proletarierstaates und der Organisierung der sozialistischen Produktion unüberwindliche Schwierigkeiten. Infolge der Desorganisation, die die Folge des Bürgerkrieges überhaupt und der passiven Resistenz der Bauernschaft im besonderen ist, ist die Rätediktatur nicht imstande, die Großstädte zu ernähren; selbst Moskau, das doch die Hauptstadt des größten und fruchtbarsten Agrargebietes Europas ist, hungert, selbst Budapest, die Hauptstadt der getreide- und viehreichen ungarischen Ebene, ist heute schlechter versorgt als Wien. Und aus denselben Gründen stockt in den Sowjetrepubliken auch die industrielle Produktion; infolge der Unmöglichkeit, die Zufuhr von Roh- und Hilfsstoffen zu organisieren, stehen in Rußland die meisten Fabriken still und die Arbeiter sind teils in die Bauerndörfer zurückgekehrt, teils in die Rote Armee eingetreten.

            Trotzdem kann sich die Rätediktatur behaupten, wo sie aus den Erzeugnissen des eigenen Landes wenigstens notdürftig den dringendsten Bedarf an Lebensmitteln und Rohstoffen zu decken vermag. Ganz andere Schwierigkeiten würden ihr in Ländern erwachsen, die, wie Deutschland und Deutschösterreich, die Zufuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen aus überseeischen Ländern nicht entbehren können. Wenn wir unsere Bevölkerung ernähren, unsere Fabriken und Eisenbahnen betreiben wollen, müssen wir Getreide, Fett, Fleisch aus überseeischen Ländern, Kohle aus der Tschecho-Slowakei und aus Polen, Rohstoffe aus aller Welt einführen. Und alle diese Waren können wir nur auf Kredit bekommen; denn da wir vorerst nichts auszuführen vermögen, können wir die einzuführenden Waren nicht bezahlen. Kredit aber können wir nur von den Ländern bekommen, die allein nach Kriege kapitalstark geblieben sind; vor allem also von England und von Amerika. Die englischen und die amerikanischen Kapitalisten werden aber keinem Lande Kredit gewähren, das ihnen nicht die notwendigen Sicherheiten zu bieten vermag. Sie werden nicht einem Lande kreditieren, in dem der Bürgerkrieg wütet. Sie werden nicht einem Land Kredit gewähren, das heute durch dieses, morgen durch jenes Dekret das Privateigentum aufhebt und die privaten Rechtsansprüche für nichtig erklärt. Die Räterepublik, unfähig, den Kredit der weltbeherrschenden kapitalistischen Länder zu erlangen, ist damit auch unfähig, ihre Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, ihre Industrie  mit Rohstoffen zu versorgen. Die Folge ist gesteigertes Massenelend, verschärfte Hungersnot, fortschreitende Desorganisation des ganzen Wirtschaftslebens.

            Selbst im besten Falle also, selbst wenn die kapitalistischen Länder nicht zu offener Feindseligkeit gegen die Proletarierdiktatur übergehen, sondern ihr nur den Kredit verweigern, für den sie den Kapitalisten keine hinreichende Sicherheit zu bieten vermag, selbst in diesem Falle muß die Räterepublik in unüberwindliche Schwierigkeiten geraten, die ihr der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung schier unmöglich machen müssen. Aber alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß es dabei nicht sein Bewenden haben wird, daß die kapitalistischen Weltmächte vielmehr gegen jede Räterepublik zum offenen Angriff übergehen werden, ganz so wie sie es gegen Rußland und gegen Ungarn getan haben. Denn die kapitalistischen Mächte fühlen durch die Existenz jeder Räterepublik ihre Interessen bedroht. Die besiegten Länder sind Schuldner der Sieger; ihr Staatsbankerott, ihre Einstellung der Schuldenzahlungen, ihre Expropriation des Privateigentums bedeutet daher den Versuch, den Siegern den geschuldeten Tribut zu verweigern. Die Rätediktatur in den besiegten Ländern bringt durch ihr Beispiel auch die kapitalistische Ordnung in den benachbarten kleineren Ländern in Gefahr, die die Sieger als ihre Vasallenstaaten aufgerichtet, als ihre wirtschaftlichen Interessenssphären und als Stützpunkte ihrer politischen Macht geschaffen haben: in Polen, in der Tschecho-Slowakei, in Jugoslawien und Rumänien. Und die Verbreitung der Proletarierdiktatur vom Osten nach dem Westen über immer weitere Teile Europas erschüttert schließlich auch die kapitalistische Ordnung in Italien, in Frankreich, in Belgien und gefährdet damit jene ungezählten Milliarden, die die angelsächsischen Länder diesen ihren Verbündeten geborgt haben. So widerstreitet die bloße Existenz der Räterepubliken den stärksten Interessen der herrschenden Klassen der weltbeherrschenden Staaten; deshalb suchen sie die Räterepubliken durch Blockaden zu erwürgen, durch materielle Unterstützung der Konterrevolutionäre niederzuwerfen. Der unvermeidliche Zusammenstoß zwischen den kapitalistischen Weltmächten und den proletarischen Räterepubliken treibt allerdings die soziale Entwicklung in den noch kapitalistischen Ländern weiter: denn die englische Arbeiterschaft ist erbittert über den Feldzug der englischen Herrenklassen gegen die Räterepubliken und die englische Bourgeoisie muß sie daher durch Zugeständnisse zu gewinnen, durch Beschleunigung der Demokratisierung und Sozialisierung in England selbst zu beruhigen und zu besänftigen suchen. Aber andererseits wird die Not der Räterepubliken durch den Angriff von außen furchtbar verschärft; und wenn auch große Agrarländer wie Rußland, die vom Ausland relativ unabhängig  und von außen her schwer angreifbar [gesperrt gedr.] sind, sich des Angriffs der kapitalistischen Mächte zu erwehren vermögen, so müßten Industrieländer wie Deutschland und Deutschösterreich, die amerikanischen Lebensmittel und Rohstoffe, amerikanischen und englischen Kredit, amerikanischen und englischen Schiffsraum nicht entbehren können, diesem Angriff bald und unvermeidlich erliegen.

            Die Verwüstung der Volkswirtschaft durch den Bürgerkrieg im Innern, die Verweigerung der Kredit- und Rohstoffhilfe durch das kapitalistische Ausland, schließlich gar der feindliche Angriff kapitalistischer ausländischer Mächte machen es den Räterepubliken unmöglich, die wirtschaftliche Lage der Arbeitermassen zu verbessern. Der Begeisterung der Arbeitermassen für die Diktatur des Proletariats folgt daher sehr bald die bittere Enttäuschung, die sich gegen die Rätediktatur, gegen ihre unvermeidlichen Begleiterscheinungen, wie den Terror, wie die Aufhebung des Streikrechtes, der Preß- und Versammlungsfreiheit, wie der Rekrutierung zur Roten //Armee, kehrt. Die Diktatur des Proletariats führt schließlich zur Auflehnung des Proletariats gegen die Diktatoren. In Rußland stand im Oktober 1917, in Ungarn im März 1919 sicher das ganze Proletariat hinter der Diktatur: heute sind da wie dort unzweifelhaft schon breite proletarische Schichten in Gegensatz gegen die Räterepublik geraten und der Terror der Diktatoren richtet sich nicht nur mehr gegen die Bourgeoisie und Bauernschaft, sondern auch gegen die opponierenden Schichten des Proletariats. Von außen bedrängt, im Innern von der Bourgeoisie und der Bauernschaft leidenschaftlich bekämpft, schließlich auch von immer breiteren Schichten des darbenden, hungernden, kriegsmüden Proletariats verlassen, verwandelt sich die Diktatur des Proletariats in eine reine Militärdiktatur, die sich auf nichts mehr stützt als auf die Bajonette der durch eiserne Disziplin zusammengehaltenen, durch wirtschaftliche Begünstigungen befestigten Roten Armee. Aber die alte Wahrheit, daß man auf Bajonetten nicht sitzen könne, gilt auch für Räterepubliken. Sobald das Proletariat von den Wirkungen der Diktatur enttäuscht ist und sich gegen die verschärfte Hungersnot und den erneuten Krieg auflehnt, ist die Rätediktatur verloren und die Militärdiktatur der Roten Armee wird abgelöst von der Militärdiktatur der Konterrevolution. 

            Auch die Kommunisten wissen sehr wohl, daß die Rätediktatur scheitern muß, wenn sie auf die besiegten Länder beschränkt bleibt. Aber sie glauben, daß die Diktatur in den besiegten Ländern sehr bald die Revolution in den Ländern der Sieger auslösen werde, und darauf stützen sie ihre Hoffnungen. Diese Hoffnung ist trügerisch. Selbst wenn die soziale Revolution wirklich über die besiegten Länder hinaus greifen, selbst wenn sie auch Frankreich und Italien erfassen, auf dem ganzen europäischen Festland triumphieren sollte, selbst dann wäre der Kommunismus nicht gerettet. Denn alle wirtschaftliche Macht ist jetzt in den angelsächsischen Ländern, in England und Amerika, konzentriert; diese Länder allein verfügen über die Rohstoffe, über die Lebensmittel und über den Schiffsraum, die das ganze Festland braucht, und gerade in diesen Ländern fehlen die Voraussetzungen der Revolution. Die soziale Revolution der besiegten, der ohnmächtigen und abhängigen Länder scheitert unvermeidlich an der ungebrochenen Macht des Kapitals in den Ländern, die den Sieg errungen haben und die Welt beherrschen.

            Aber wenn die Diktatur des Proletariats in dem großen Prozeß der Weltrevolution nur eine vorübergehende Phase ist, so ist sie darum doch keine bedeutungslose Phase. Der Krieg hat die Gesellschaft mit ungeheuren Schulden belastet; über den realen Produktivkräften, die den Reichtum der Gesellschaft erzeugen, ist ein ungeheures Gebäude papierener Rechtstitel getürmt. Wo dieser Ueberbau so drückend geworden ist, daß er mit den gesetzlichen Mitteln der Demokratie nicht mehr abgetragen werden kann, dort wird der Bolschewismus unvermeidlich. Er vernichtet alle die papierenen Rechtstitel und zerreißt alle die papierenen Schuldverpflichtungen. Und wenn dann sein Herrschaftssystem wieder zusammenbricht, dann lebt nicht wieder auf, was er zerstört hat. Die Gesellschaft, von der Last jener unerträglichen Schuldverpflichtungen, die der Krieg ihr zurückgelassen hat, befreit, kann nach dem verheerenden und vernichtenden, aber auch reinigenden Sturme darangehen, ihr Wirtschaftsleben von neuem aufzubauen. Der Bolschewismus ist nicht imstande, die sozialistische Gesellschaft aufzubauen; aber wenn einem Lande unerträgliche Last aufgebürdet wird, die dem Wiederaufbau im Wege steht, dann kann er der eiserne Besen sein, der die Last hinwegfegt und dadurch den künftigen Wiederaufbau erst ermöglicht.

            Der Bolschewismus ist ein Nachfahre des Jakobinertums vor 1793. Als die Jakobiner die Macht eroberten, glaubten sie durch den Terror des Pariser arbeitenden Volkes eine ewige Gesellschaft der Freiheit und Gleichheit aufrichten und durch ihr Beispiel alle Länder zur Nachahmung zwingen zu können. Darin haben sie sich getäuscht. Die Jakobiner haben kein tausendjähriges Reich der Freiheit und Gleichheit aufzurichten vermocht, und ihr Beispiel ist von den anderen Ländern nicht nachgeahmt worden. Aber wenn die Jakobiner nicht das erreicht haben, was sie zu erreichen hofften, so hat ihre Herrschaft doch anderes erreicht, wovon nichts ahnten: ihre Schreckensherrschaft hat nach Marxens berühmten Worte mit eisernem Besen alle Ueberbleibsel der feudalen Gesellschaftsordnung hinweggefegt und dadurch die Basis geschaffen, auf der nach ihrem Sturze das neue kapitalistische Frankreich aufgebaut worden ist. So wird auch der Bolschewismus nicht das erreichen, was er zu erreichen wähnt; er wird nicht das tausendjährige Reich einer kommunistischen aufzubauen vermögen. Aber wo unerträgliches Kriegsergebnis und unerträgliche Friedensbedingungen der Gesellschaft ein Erbe hinterlassen, das sie zu erdrücken droht, dort wird seine vorübergehende Herrschaft dieses Erbe hinwegfegen, um den Boden zu reinigen, auf dem erst nach seinem Zusammenbruch in planmäßiger demokratischer Arbeit die neue soziale Ordnung wird aufgebaut werden können.

In: Arbeiter-Zeitung, 28.6.1919, S. 1f.

Robert Neumann: Zum Problem der Reportage

Jede Zeit krankt an einer besonderen Art von Maßlosigkeit. War es vorgestern noch ein Überschuß an Formdrang, dem nicht genügend neuen Stoffgehaltes sich darbot – unsere heutige, unsere besondere Maßlosigkeit liegt im Stoff, der in seinem Überquellen nicht mehr gefasst und geformt werden kann. Niemals drang eine solch beklemmende Fülle rein stofflichen Geschehens rufend, winkend, // fordernd, gestikulierend, hämmernd mit Hämmern auf den einzelnen ein. Das tragisch groteske Megaphon dieser Stofflichkeit ist die Zeitung. Der sie macht, ist nicht Diener am Wort und nicht Diener am Geist – er ist Diener am Stoff.

Es geht also um das Problem der Stoff-Jagd. Wo das noch mit Telegraph, Telephon geschieht, wo die Nachricht durch Technik entmenschlicht und vervielfältigt wird, wo sie schon nicht mehr blutet, sondern schon Präparat ist, Sache = Sache, die man gewissermaßen in die Hand zu nehmen, zu schneiden, zu appretieren vermag, ist sie vergleichsweise schon gefahrlos geworden. Aber der, der die Zeitung macht, gibt sich mit dem Stoff nicht zufrieden, der auch einem andern Zeitungsmacher in gleicher Form auf den Schreibtisch fliegt. Und der, für den die Zeitung gemacht wird, der Tänzer, für den getanzt wird, der Treibende, für den sie es treiben, er, der den Stoff frisst, bis er von ihm gefressen wird: der Leser also gibt sich nicht zufrieden mit dem leergebluteten Stoff-Präparat. Hört er von einem Bergwerksunglück in Yorkshire – die Ziffer der Erschlagenen genügt ihm nicht mehr. Zucken muß er sie sehen. Und der ausgeschickt wird, diese Zuckungen zu belauschen, ist der Reporter.

Reportage ist also ein Sachbericht, der – umgekehrter Weg wie beim Kunstwerk – im Typischen das Besondere, im Eisenbahnunfall das Besondere d i e s e s Eisenbahnunfalls, das Speziale, das Einmalige sucht und darstellt. (Ihr publizistischer Gegenpol ist die ‚Schmucknotiz’, das Entrefilet, das bemüht ist, den einmaligen Vorgang zu verwischen, zu typisieren, ihn gewissermaßen zu paraphrasieren mit Weltanschauung.)

Nun aber: wenn früher gesagt wurde, die Reportage spüre der Sache nach, so ist das in einer tieferen Schicht nicht mehr richtig. Die Sache darzustellen, ist Sache des Kunstwerks (und war es immer trotz „neuer Sachlichkeit“). Sein Mittel ist das Bildhaft-Bedeutende, das Sinn-Bild, sein Weg ist Eklexis, Auswahl des Wesentlichen. Anders die Reportage. Sie operiert nicht eklektisch, ihr fällt kein Detail unter den Tisch – und so stößt sie zum Sach-Kern zunächst nicht durch. Sie rafft an Stofflichem auf, was am Wege liegt, Materie, Material, Tatsachen mit einem Wort, wie man ja ganz allgemein die Tatsache// als Surrogat der Sache bezeichnen könnte. Dem Reporter wie dem Reportagenleser setzt sich Sachlichkeitsfanatismus alsbald um in Tatsachenhunger. Und so erfährt man schließlich von Napoleon erst in zweiter Linie, daß er die Schlacht bei Waterloo geschlagen hat, und in erster, was er an jenem Tage zum Frühstück zu sich nahm.

Das sei hieher gesetzt, ohne daß damit eine Wertung verbunden wäre. Reportage ist also etwas Wesensanderes als Kunstproduktion – und muß es sein. Was wir vom Tatsachenbericht verlangen, ist nicht Welt, geläutert durch das Filter einer Persönlichkeit, sondern so etwas wie eine geschriebene Menschen-Landkarte. Und eine Landkarte schätzen wir um so höher, je mehr Details in ihr verzeichnet sind. Eine, die, den Grundtypus, die ‚große Linie‘ des Amazonas herauszuarbeiten, seine Nebenflüsse unterschlüge, fände nicht unseren Beifall.

Es geht also um eine Sachlichkeit in sehr oberflächlicher Schicht. Und wie die systematische Logik lehrt, daß der Abstraktionsakt der Begriffsbildung ersetzt werden kann durch eine enumeratio, eine planvolle und vollständige Aufzählung, so nähert sich die Reportage der Sach-Erfassung um so erfolgreicher, je mehr sie uns ‚aufzählt‘. Das wird in dem Maße gelingen, als Impressionismus, Subjektivismus, mit einem Wort: die Person des Berichtenden eliminiert werden kann. Damit umschreibt sich Sinn und Kern der Reportage als: unpersönlicher Tatsachenbericht von einem Sonderfall.

In: Die Literatur. Monatsschrift für Literaturfreunde. Begründet von Dr. Josef Ettinger. Hg. von Dr. Ernst Heilborn. 30. Jg. Okt. 1927-Okt. 1928, Stuttgart-Berlin, DVA, S. 3-6.

Richard v. Schaukal: Die Idee Österreichs

V o r b e m e r k u n g   d e r   S c h r i f t l e i t u n g: Die Zollunion Deutschland-Österreich ist verboten worden. Sie wäre auch in der Form der ersten Pläne kaum durchzuführen gewesen, denn zu verschieden sind die Verhältnisse und Lebensbedingungen der österreichischen Volkswirtschaft von der reichsdeutschen. Aber auch sonst wäre eine bloß auf das Nationale gestellte Union, selbst wenn sie eine politische würde, keine Lösung. Die Endlösung des deutschen bzw. österreichischen Problems ist nicht ein Nationalstaat mit unmöglicher Grenzgestaltung, die Endlösung heißt: das föderierte Mitteleuropa. Und je mehr heute von der Weltpolitik Gräben aufgerissen werden zwischen Deutschland und Österreich, um so mehr mag letzteres Vorarbeit für das künftige Mitteleuropa leisten durch Ausbau von Beziehungen vor allem mit seinen bisherigen engeren Weggenossen im Rahmen der altösterreichischen Monarchie. Das ist wohl der tiefere Sinn des folgenden Bekenntnisses eines hervorragenden Dichters und Denkers von Österreich.


    Der Österreicher, der als österreichischer Mensch seiner Herkunft und Natur gemäß fühlt und denkt, muß vor allem einen „Anschluß“ wünschen: den an seine Vergangenheit, die Österreich heißt, also an das Landgebiet, das ihn in Wechselwirkung seit Jahrhunderten bestimmt hat. Österreich, das von den schlecht beratenen Siegern in den Friedensverträgen auf das grausamste verstümmelt worden ist, aber in seiner Hilflosigkeit die zähe Lebenskraft seines Selbstvertrauens bewahrt hat, muß wieder zu sich selbst auferstehen als das vielfarbige, vielstimmige Reich der Mitte, zu dem es sein Schicksal ausersehen hat. Seine Entwicklung, die seine Geschichte ausmacht, war nichts weniger als Willkür, sondern gesetzmäßiges Wachstum aus den eigenen weitverzweigten Wurzeln. Diese Entwicklung ist gewaltsam unterbrochen worden, aber ihren Sinn kann Willkür nicht Lügen strafen. Daß sich die in der Monarchie vereinigten Völker, die kurzsichtige Regierungs- und Verwaltungsanschauung nach dem zerstörerischen Freiheitstaumel des Jahres 1848 durch ungeschickte Versuche gegeneinander getrieben statt wieder zusammengebracht hatte, auf den Trümmern des Reiches selbständig gemacht haben, ist mitnichten ein dauerndes Hindernis wohlbedachten, weil dem auseinandergerissenen Ganzen zuträglichen Zusammenschlusses. Die äußere Form ist fast gleichgültig: es kommt auf die innere Gestalt an, die sich in der Vereinigung ausdrückt. Um die Donau und ihre Nebenflüsse hat sich ein Gefüge zu erneuern, das in seiner Vielfalt eine Einheit bildet. Künstliche Schranken zwischen den zusammenstrebenden Teilen sind widersinnig. Die Alpen und ihre südlichen Ausläufer sind ein Ganzes, ebenso wie das von Randgebirgen abgegrenzte böhmisch-mährische Becken zum österreichischen Strom als ein Ganzes herniedergeht, wie die ungarische Tiefebene von diesem Strom aus bis an ihre Berge als ein Ganzes verbreitet. Und die Völker, die in diesem Mittelraum – man mag ihn bis an die „Vorlande“, die schwäbische Alp, den Bodensee erstrecken – seit mehr als einem Jahrtausend sich zusammenfanden, haben, ebenso wie der Boden, den sie besiedelten, seinen natürlichen Verlauf zeigt, sich von einander nicht gesondert, sind in einander über-, in einander aufgegangen. Es ist ein österreichisches Volk entstanden, in das der Österreicher, unbefangen sich selbst darangebend, wohl auch den Ungarn aufnimmt, der sich dagegen sträubt. Die Ostmark ist aus dem Herzogtum Bayern als Siedlung hervorgegangen. Als Rudolf von Habsburg, schwäbischer Herkunft, den Przemysliden Ottokar besiegt und sein gewaltiges Reich zur Grundlage der österreichischen Hausmacht bestellt hatte, ist das Österreich entstanden, von dem es am Ausgang des Mittelalters hieß, es werde zuletzt in der Welt sein. Viele Kronen hat sein Herrscher in seinem „großen Titel“ vereinigt. Der Weltkrieg hat sie zerschlagen. Aber was sie versinnlichten in ihrem stolzen Gefüge, die Zusammengehörigkeit des Zusammenhangenden [sic], in einander Verwachsenen und Verschlungenen, das hat er im Gedächtnis der Überlebenden nicht zu tilgen vermocht. In der Vergangenheit besitzt der Österreicher sein Vater- und Mutterland: daß er wieder erwerbe, was sein bleibt, hofft er von der Zukunft. Denn die Wandlungen der Geschichte können, was als Idee wirklich ist, verwischen und verdunkeln, nicht auslöschen.

In: Schönere Zukunft. Nr. 2, 11.10.1931, S. 30-31.

Richard von Kralik: Kulturpolitische Exkurse

 […]

Kultur und Barbarei.

Kultur ist Tradition. Aufgeben der Tradition ist Barbarei. Die „Wilden“ haben keine oder wenig Tradition. Die große einheitliche Kultur beruht auf der zusammenhängenden Tradition von Homer an durch das ganze Griechentum und Römertum bis ins Christentum hinein. Gefährliche Auswüchse der Tradition wurden immer durch „Wiedergeburten“ oder Regenerationen, Restaurationen, Restitutionen, „Reformationen“ im richtigen Sinne auf die richtige Bahn der Tradition zurückgelenkt. Ich meine etwa die Reform von Cluny usw., nicht die des Luther-Jahrhunderts. Selbst das Wort und der Begriff „Revolution“ bedeutet, richtig gefaßt, die Umwälzung zum Ausgangspunkt zurück. Kultur ist Konservatismus in diesem Sinn. Fortschrittlichkeit ist Entfernung von der Kultur. Darum hat der Syllabus von 1864 schon im Sinne der Kultur sehr recht, wenn er den prinzipiellen Fortschritt, den „Progressus“ als Irrtum verdammt. Fortschrittlicher Katholizismus z. B. wäre das Fortschreiten, das Hinwegschreiten aus dem tatsächlichen Katholizismus zu einer neuen Sektierung. Luther war in dieser Bedeutung ein fortschrittlicher Katholik, denn er bildete sich ein, reiner katholisch werden zu müssen, „integraler“ als der Papst. Wir kirchlichen Katholiken sind zufrieden, genau so katholisch sein zu können wie der Papst. Seinerzeit wollte das „Junge Deutschland“ über Goethe und Schiller hinausgehen; unser Grillparzer hat mit Recht gesagt, es wäre schon viel, schon genug geleistet, dort stehen bleiben zu können, wo Schiller und Goethe stand. Impressionisten, Expressionisten dachten neue Standpunkte in der Kunst einnehmen zu können; Nazarener, Präraffaeliten verstanden es besser, wenn sie versuchten, zum Heil der gefährdeten Kultur an die wunderbare Kunst der Vorzeit anzuknüpfen. Grillparzers Prinzip hat sich bewährt. Es ist das Prinzip der immerfort neu und doch gleich Entzückendes schaffenden, und darum unerschöpflichen Natur.

Großstadt und Kultur.

Ich schätze sehr die Heimatkunst, die Heimatkultur, die Dialektdichtung, die so mannigfaltig, köstliche Provinzkultur. Ich bin selbst auf dem Land, im Urwald geboren, dann in der Landstadt Linz aufgewachsen. Mein Herz hat sich immer erweitert, wenn ich durch die Gassen Innsbrucks, über die Grazer Plätze, durch Klagenfurt und Villach schreiten konnte, aber je älter ich wurde, um so deutlicher mußte ich einsehen, daß ein Schaffen in größerem Stil, eine nationale Kunst, eine freierer Wissenschaft nur in der Großstadt möglich ist. Schon die Athener haben erkannt und es ausgesprochen, daß ein Themistokles, Aristides nicht in einem ländlichen Dorf zur vollen Entfaltung gekommen wären. Das ist ja für den Politiker, den großen Staatsmann selbstverständlich, aber auch der Mann stiller geistiger Arbeit findet nur in der Großstadt heutzutage den Nährboden seiner Ideen. Vor mehr als 100 Jahren konnte eine „Allgemeine Zeitung“ in Augsburg, der alten Reichsstadt, erscheinen; bald ward ihr aber selbst die Übersiedlung in die bayrische Hauptstadt zu einem nur unzulänglichen Vorteil. Augsburg, München, und andere Mittelstädte haben für die Kultur ihre unleugbare, unersetzliche Bedeutung; aber eine Weltanschauung im Sinne der großen Weltgeschichte können sie nicht so leicht schaffen, wie Großstädte mit ihrem weiteren traditionsreichen Gesichtskreis, ihren wissenschaftlichen und staatlichen Instituten. Kant, der wohl eine Weltansicht erarbeitet hatte, rühmt dafür sein Königsberg, das vielleicht zu seiner Zeit im geistigen Sinn mehr Weltstadt war als Berlin. Auf die Einwohnerzahl kommt es ja gewiß nicht an: New York ist doch nur eine große Handelsbude. Ohne andern bedeutenden Städten zu nahe zu treten, möchte ich doch meine Überzeugung nicht verhehlen, daß man z. B. von Wien aus größere Kulturpolitik treiben kann als etwa von Tripstrill.

Poesie und Politik.

Die nahe Verwandtschaft von Poesie und Politik kann nicht stark und oft genug betont werden. Die altgriechische Staatskunst beruhte zumeist auf Poesie. Homer wurde sowohl von Lykurg wie von Solon als festeste Stütze der hellenischen Staatswesen anerkannt. Die Vorlesung oder Rezitation der Homerischen Gedichte von Staatswegen zu festen Zeiten galt wohl in Sparta wie in Athen als ein Fundament des den Staat tragenden Nationalgefühls. In gleicher tiefer Erkenntnis ließ Augustus durch Vergil das römische Staatsepos, die Aeneis, verfassen, durch Ovid den staatlichen Festkalender (die Fasten) dichterisch besingen, durch Horaz seine Taten und die Feste des Staates in Oden verherrlichen. Karl der Große zeigte dieselbe politische Einsicht durch seinen Auftrag, die deutschen Heldensagen zu sammeln und zu erhalten. Im gleichen Sinne habe ich vor 20 Jahren mein „Deutsches Götter- und Heldenbuch“ abgeschlossen und herausgegeben, und noch vorherein Prinz Eugen-Epos, nicht bloß als Spielerei zum Zeitvertreib, sondern auch als eigensten Ausdruck gesamtnationalen Geistes und Zusammenfassung einer nationalen Arbeit von 14 Jahrhunderten (seit Theoderich dem Großen). Ich bin der Überzeugung, daß die Freiheitskriege von 1813 bis 1815 nicht so glänzend ausgegangen wären, wenn sie nicht die Poesie der Zeit als sieghaften Genius hinter sich und vor sich gehabt hätten – der Freiherr von Stein hat das selber als führender Politiker der Zeit zugestanden. Andrerseits scheint mir der Mißerfolg des Weltkrieges bereits durch das skandalöse, rein negativ gehaltene Festspiel G. Hauptmanns von 1913 sozusagen mitbedingt. Schlechte oder gute Poesie, echte oder Antipoesie wirkt sich in aller Politik aus. Was ist denn der Kommunismus seit St. Simon und Fourier, seit Marx und Lassalle anderes als eine Abirrung der allen Seelen notwendigen Poesie auf eine falsche Bahn? So muß und kann uns nur echte Poesie auf rechten Wegen auch der Politik einer schöneren Zukunft zuführen.

[…]

In: Schönere Zukunft I, 1925, S. 3-5.

Richard v. Schaukal: Studentenrecht und Judenfrage. Tatsachen und Grundsätzliches

In Österreich geht gegenwärtig ein Kampf um das Studentenrecht, welches durch das Bedürfnis studentischer Selbstverwaltung notwendig gemacht wird. Dabei wird eine Gliederung auf volksbürgerlicher Grundlage angestrebt, da nur homogene Gruppen arbeitsfähig erscheinen; da andererseits die Studentenschaft in Österreich insoferne recht vielgestaltig ist, als an einzelnen Hochschulen beinahe zwei Drittel der Studentenschaft Nichtösterreicher sind und an allen Hochschulen die Zahl der Nichtdeutschen verhältnismäßig sehr groß ist. Gegen solche Gliederung der Studenten nach volksbürgerlichen Gesichtspunkten läuft nun das Judentum Sturm, weil seine Studentenkreise sich in einer eigenen Gruppe zu organisieren hätten, wobei die übermäßig starke Position des Judentums im Vergleich zu seinem Zahlenanteil an der Bevölkerungsziffer allzu sichtbar in Erscheinung treten würde. Das zum Verständnis der folgenden Darlegungen. Wir geben sie wieder als das beachtenswerte Bekenntnis einer berühmten Schriftstellerpersönlichkeit, ohne die dabei gebotene Behandlung der Judenfrage als erschöpfend zu betrachten.

                                                                               Die Schriftleitung.

Der Sturmlauf der jüdischen Presse gegen das durch ein Gesetz zu erneuernde Studentenrecht hat begonnen. „Zweierlei Volk in Österreich“ überschreibt die „Neue Freie Presse“ einen Leitartikelsatz, der sich nicht entblödet, von „einer künstlichen Scheidewand“ zu verkünden, die zwischen Angehörigen des deutschen Volkes 1 aufgerichtet werden solle, und zu erwägen, daß „sich die ganze Aktion gegen die jüdischen Angehörigen des deutschen Volkes richtet, jedenfalls gegen jenen Teil, der sich durch Erziehung, Erlebnis und Schicksal mit der deutschen Nation untrennbar verbunden fühlt“. (Der andere Teil sind offenbar die Zionisten, also die Juden, die so ehrlich sind, sich als Juden, als Angehörige des jüdischen Volkes zu bekennen.) Die „Wiener Sonn- und Montagszeitung“ bringt gar einen – von der „Neuen Freien Presse“ alsbald übernommenen – Aufruf, der mit Riesenbuchstaben „Ein Hitler-Gesetz in Österreich“ in drohende Aussicht stellt und gegen den „schmachvollen Entwurf des neuen Studentenrechtes“ in bunter Reihe Sozialdemokraten und Landbund, den Kardinalfürsterzbischof von Wien, die „tonangebenden“ Christlichsozialen, den Altbundeskanzler Dr. Seipel, Minister Dr. Dollfuß als „den Führer der katholischen Studentenschaft“, „das freiheitliche Bürgertum“, Kanzler und Vizekanzler und endlich gar die Mütter, ja den Friedensvertrag von Saint-Germain nebst den Staatsgrundgesetzen und der Moral  zu Hilfe ruft gegen „freche Hakenkreuzbuben“.

„Wir sind unter keiner Bedingung geneigt, von unserer Forderung“ – „daß diese Studentenordnung …endgültig verschwinden muß“ – „abzugehen, und wir werden, auch wenn das Haus in Trümmern gehen sollte, niemals zulassen, daß dieser Entwurf zum Gesetz erhoben wird.“ Ein „Kupon“ ist angeschlossen, der um Unterschriften zum „Protest gegen ein auf dem Rassenprinzip aufgebautes Studentenrecht“ wirbt.

Die Juden fühlen sich, wie man aus diesen Drohungen ersieht, trotz ihren Jammer- und Hilferufen sehr stark und rechnen mit der leisetreterischen Feigheit, die sie uns so hat über den Kopf wachsen lassen. Wer den Dreyfushandel in der aktenmäßigen Darstellung von Henri Dutrait-Crozon („Précis de l’Affaire Dreyfus“, Edition définitive. Paris, Nouvelle Librairie Nationale 1924) gelesen hat, wer sich an Hilsner und Halsmann erinnert, wer die Schnitzler-Apotheose und eben erst die lächerliche Stephan Zweig-Huldigung über sich hat ergehen lassen, ja wer nur einen Blick ins tägliche „führende“ Blatt wirft, um dort Finanz- und Kunstwelt, Geschäft und Vergnügen, Bildung und Erziehung von Juden beherrscht, verwaltet und nach ihrem Bild erstellt zu sehen, der kann sich nicht mehr darüber wundern, daß man im Lager der Weltüberwinder diese herausfordernde Sprache führt. Worum handelt es sich? Daß die „Deutsche Studentenschaft“, richtiger und deutlicher gesagt, die nach Abstammung und überlieferter Kultur dem deutschen Volk zuzuzählende Studentenschaft, ihre Volkszugehörigkeit zu bewußtem Volkstum zu erbilden, dieses ihr Volkstum in gemeinsamer Arbeit zu pflegen und zu stärken, befugt und in der Lage sei. Dasselbe Recht soll allen anderen Volksgemeinschaften auf akademischen Boden zustehen. „Reinliche Scheidung“, jawohl: klare, aller Vermischung und Verwischung sich widersetzende Gestalt ist das sittlich-ernste und notwendige Ziel des „Studentenrechts“. Sittlich-ernst, denn es geht um die Selbsterhaltung des dem Menschen bestimmenden leiblich-seelischen Erbes; notwendig, denn dieses// Erbe ist bedroht. Von wem bedroht? Von den „jüdischen Angehörigen“ nicht des „deutschen Volkes“ – das ist ein Widersinn und eine bewußte Falschmeldung – sondern der „Nation“, das ist der durch Bekenntnis zu deutschen Sprache und Staatsbürgertum in einem der zwei deutschen Staaten, dem deutschen Reich und dem österreichischen Bundesstaat als „Staatsvolk“, richtiger als Staatsbevölkerung festgestellten „Einheimischen“. Die Überflutung der Hochschule druch den stetigen Zustrom nicht so sehr von „Ausländern“ wie von einheimischen Juden ist eine nicht zu bestreitende Tatsache. Ich habe seit dem Kriege durch viele Jahre an der philosophischen  Fakultät der Wiener Universität als Hörer verschiedener Fächer, insbesondere der alten und der neueren Sprachen, den Vormittag verbracht, zwei meiner Kinder haben innerhalb dieser Zeit ihre akademischen Studien, in Jus und Philosophie, vollendet. Ich spreche also aus Erfahrung, nicht vom Hörensagen. Es gibt zumal auf dem Gebiete der Literaturgeschichte, Vorlesungen, in denen die jüdischen Besucher, in auffallender Weise die jüdische Weiblichkeit, überwiegen. Ähnlich ist es in der Rechtswissenschaft bestellt, und daß die medizinische Fakultät  schon seit geraumer Zeit ein ausgesprochen jüdisches Gepräge zeigt, ist bekannt. Wer die Gegend der Hochschule für Welthandel betritt, erhält schon auf der Gasse denselben, man darf wohl sagen, „befremdenden“ Eindruck. Ja, es ist nicht zu leugnen, daß das massenhafte Auftreten von Juden – wie auf akademischen Boden so an allen Stätten der Erholung und der Unterhaltung, Badeanstalten und Badeorten, Theatern, Konzertsälen, Tanzräumen, Kaffeehäusern, Hotels – auf den Nichtjuden, der sich zwischen seinen Wänden in eine fremdartige und nicht eben einnehmende Welt verschlagen dünkt, mehr als peinlich, daß es bedrohlich wirkt. Mag er Erwägungen darüber anstellen, daß diese bereits als Verjudung zu bezeichnende Inanspruchnahme eines großen, ja des im Bereiche städtischen Daseins größeren Teils des Verkehrslebens, der öffentlichen  Geselligkeit vor fünfzig, ja noch vor dreißig Jahren nicht als möglich gegolten hätte, daß das Emporkommen der Juden aus einer bescheidenen Teilnahme am allgemeinen Zustand zu solcher den Anblick dieses Zustands verwandelnden Ausbreitung einem Wohlwollen, einer Nachsicht, einer Duldung zu Lasten geschrieben werden müsse, die es sich nicht verhehlen können,  ausgenützt, mißbraucht worden zu sein; mag er, nachdenklich, dem Geist einer empfindsamen und verwaschenen „Menschlichkeit“ , wie sie seit den bürgerlichen Revolutionen allenthalben eben die Juden im Munde führen, die Schuld beimessen an einer nachgerade unausstehlichen Vorherrschaft freisinnig-aufklärerischer Wendungen, denen sich, eingeschüchtert, die Kenntnis- und Urteilslosigkeit der Halbgebildeten allzu leichtgläubig unterworfen hatte; mag er sich, ohne solche Betrachtungen anzustellen, nur dem Eindruck hingeben einer ebenso aufdringlichen wie abstoßenden Menge, wie sie ihm allüberall als der zu Erwerb und Genuß durch Anlage, Trieb und Gelegenheit bevorrechtete Stock seiner Mitmenschen entgegenwogt; er fühlt sich an den Rand unbefangenen Gehabens geschoben, ja aus seinen vertrauten Grenzen gedrängt, um die Heimat betrogen durch eine rücksichtslos ihrer Begehrlichkeit fröhnende Schar, die er, unwillig über die Unbilde solcher Behelligung, grollend über seine Wehrlosigkeit gegenüber der geschlossen vorstoßenden, zähen und geschmeidigen Körperlichkeit der Eindringlinge, unwillkürlich als seinen Feind empfindet.2

Das ist die Lage, die die „Judenfrage“ geschaffen hat, eine der wichtigsten, vielleicht die wichtigste Frage unserer Zeit, der Welt des 20. Jahrhunderts. Der Jude hat die Herrschaft über die europäische Gesellschaft angetreten, der jüdische Geist – der Inbegriff des wühlenden Intellektualismus, der zersetzenden Kritik, zugleich der hemmungslosen Sinnlichkeit und Stofflichkeit – verseucht das schlecht verteidigte, diesem Geist in vielen Vorwerken bereits ausgelieferte Abendland. Es gilt, ihm, dem unersättlichen, zerstörungslustigen, Einhalt zu tun, wo man ihm noch aus ungetrübter Besinnung Widerstand zu leisten fähig ist. Das ist vor allem dort der Fall, wo ungebrochene Jugendlichkeit, wahrhaftiges Selbstbewußtsein des zu sich selbst Wachsenden gedeihen: in der Studentenschaft. Man lasse sie nicht durch übelangebrachte Bedenken wehleidiger „Gerechtigkeit“ – die  Juden berufen sie immer nur für ihre Zwecke –, gar durch die von haßerfüllten Schreiern heuchlerisch beschworenen „Grundsätze der Religion“, der „Moral“ am klar erkannten Ziel irre machen. Es handelt sich hier nicht um Religion und „Konfession“, nicht um Nachbarlichkeit, Gastrecht und wie die Schlagworte sonst lauten mögen, es handelt sich nicht – eine freche, kniffige Bezichtigung – um einen Verstoß gegen die sogenannten Friedensverträge: es handelt sich um die eigene Haut, um die eigene Seele, um das unzweifelhafte Recht, auf eigenem Boden zu stehen, in ihm wurzeln zu dürfen, sich ihn nicht unter den eigenen Füßen wegziehen zu lassen, es handelt sich darum, die Zukunft, die düstere Zukunft auszuharren, zu retten, was noch zu retten ist an erbeigentümlicher Art, an volks- und stammestreuer Geistigkeit, kurz an dem, was einen Staat, soll er nicht eine Karawanserei vorstellen, ausmacht: ein sich aus sich selbst erneuerndes, in Boden, Blut und hergebrachter – bei uns also der christlichen – Kultur dauerndes  Staatsvolk.

In: Schönere Zukunft, Nr. 13, 27.12.1931, S. 303-304.


Vgl. dazu den Originalartikel, der hier von Schaukal tendenziös zusammengefasst und kommentiert wird: Neue Freie Presse, 13.12.1931, S. 1.


  1. Alle kursiv gesetzten Textstellen sind im Original gesperrt gedruckt und somit eigens hervorgehoben.
  2. Jeder, der jüdische Freunde hat – ich bekenne mich gern, treu und dankbar für ihre Anhänglichkeit, zu einer Reihe bewährter jüdischer  Jugendgenossen, ebenso wie  ich mich gern, treu und dankbar bekenne zu einer Reihe jüdischer und ‚halbjüdischer‘ Schöpfer, Denker und Künstler, Montaigne, Proust, Bizet, Marées, Offenbach, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Cézanne, Altenberg, Kraus – , jeder, der jüdische Freunde und schätzbare Bekannte hat, weiß, unterscheidend zwischen dem einzelnen und der Gesamtheit, zwischen den eben als einzelne in der Gemeinschaft von Erziehung, Gepflogenheit, Erinnerung aufgegangenen alteingesessenen Angehörigen dieses von uns grundverschiedenen Volkes und dem als Ganzes seine Verschiedenheit, seine Gegensätzlichkeit nur um so stärker betonende Volke selbst, daß es sich bei der unvermeidlichen, der aufgenötigten Auseinandersetzung mit dem Judentum als Fremdkörper um Ideen, Grundgefühle und Grundsätze, um Weltanschauungs- und Machtfragen, nicht aber darum handelt, ob einem im besonderen Fall etwa ein Jude oder ‚Judenstämmling‘ – was bei der Beharrlichkeit des jüdischen Blutes dasselbe deutet – aus triftigen Gründen und ehrlichen Empfindungen angenehmer, lieber sei als so mancher sei es rasseloser oder rassereiner ‚Arier‘. Auch wird kein Unbefangener leugnen, daß dem jüdischen Volke neben unleidlichen in hohem Grade Eigenschaften zumal der Vernunft zugutekommen, die es vor anderen auszeichnet. Was wir als jüdisch erachten und bekämpfen, ist ein Verhalten und  Zusammenhalten, das sich, auch in scheinbarer Anlehnung, immer wieder auf unverkennbare Weise gegen uns und unsere Selbstbestimmung kehrt. – Man lese, was die „Neue Freie Presse“ im Leitaufsatze vom 13.12.31 gegen die „widerwärtige Sophistik“ der Verteidiger des Studentenrechtes auf volksbürgerlicher Grundlage ins Treffen führt bei „Bestrebungen, die auf eine Monopolisierung des Deutschtums hinausläuft (sic, statt = „laufen“) in den Händen der Rassenjünglinge…“ Es sollen nach der N.F.P. alle „Mißliebigen“ aus der (deutschen) „Studentennation“ ausgeschlossen werden, „auch wenn sie sich aus vollem Herzen und nach ihrer ganzen Gemütsverfassung zum Deutschtum bekennen“. Unter den Beispielen, welche Bekenner, lebten sie heute, von dieser Gewalttat betroffen würden, marschiert an erster Stelle „der Dichter der Loreley“ auf, „der Schöpfer des neuen Stils der deutschen Sprache (!), Heinrich Heine…Wann wäre wohl das Wort Sophistik besser angebracht als  bei der Beschwörung dieses Kronzeugen für deutsche „Gemütsverfassung“!