Spira, Bil

eigentlich Wilhelm Spira, geb. am 25.6.1913 in Wien – gest. im August 1999 in Puteaux bei Paris; Karikaturist, Zeichner, Journalist

Ps.: bil, Bill Freier, Willy Freier, fifty, Capra

S. sandte gegen den Willen des Vaters, Prokurist der sozialdemokratischen Druckerei Vorwärts, 16-jährig erste Karikaturen an Das Kleine Blatt. Daraus resultierte die ständige Mitarbeit als politischer Karikaturist und Theaterzeichner am sozialdemokratischen Boulevardblatt sowie an der Arbeiter-Zeitung, in der er auch die Rubrik Zwischenrufe links mitgestaltete. Im Feuilleton illustrierte S. u.a. Texte von Karel Čapek, Arnold Höllriegel, Adele Jellinek und Jakob Meth, insbesondere zu Jura Soyfer entwickelte er rasch eine enge Beziehung. Nach dem Schulabschluss studierte S. zwischen 1932 und 1935 bei Wilhelm Müller-Hofmann an der Wiener Kunstgewerbeschule. Von Müller-Hofmann unterstützt wirkte S. an einem Zeichenfilm, einer Carmen-Parodie, mit, die ihm 1935 ein dreimonatiges Engagement bei der Produktion des Films „Der falsche Mustapha“ in Paris ermöglichen sollte.

Nach dem Februar 1934 vorübergehend arbeitslos, lud ihn der Fotograf Hans Oplatka zur Mitarbeit am Wiener Tag ein. Zunächst illustrierte S. die Sonntagsbeilage Sonntag, nach der Rückkehr aus Paris 1936 gestaltete er als „zeichnender Reporter“ (Spira) mit Soyfer gemeinsam Reportagen und fungierte als Umbruchsredakteur. Weiters fertige S. Illustrationen für Die Stunde und in seiner eigenen Rubrik „Der bissige Bleistift“ für die Mittagsausgabe des Neuen Wiener Tagblatts an. Auf Vermittlung des Tag-Journalisten Hans Margulies wurde S. Bühnenbildner des Cabaret ABC im Regenbogen und für Literatur am Naschmarkt. Parallel dazu entstanden die Skizzenblöcke BratislavaPrag und Paris.

Nach dem „Anschluss“ kurzzeitig in der Wiener Karajangasse inhaftiert, emigrierte S. nicht mit seiner Familie nach Schweden, sondern kehrte im August 1938 nach Paris zurück, wo er mit Leonhard Frank, Hermann Kesten, Egon Erwin Kisch, Walter Mehring, Soma Morgenstern, Hans Natonek und Joseph Roth verkehrte. S. arbeitete für die Zs. Le Rire und Nebelspalter sowie gemeinsam mit Friedrich Torberg für die Österreichische Post. Nach Kriegsbeginn als „feindlicher Ausländer“ zunächst festgenommen, diente S. in einer Waffenfabrik in Montluçon, wo er sich einer einer Gruppe ausländischer Widerstandskämpfer um den amerikanischen Journalisten Varian Fry, von Eleonore Roosevelt und Erika Mann in Diensten des Emergency Rescue Committee nach Europa entsandt, anschloss; S. übernahm als Bill Freier die Arbeit des Passfälschers. 1941 nach Verrat verhaftet, überlebte S. mehrere Konzentrationslager und kehrte nach Kriegsende trotz eines Angebots der Arbeiter-Zeitung nach Paris zurück.


Werke

Die Legende vom Zeichner (1998), Pariser Impressionen (1998)

Quellen und Dokumente

Autobiographische Skizzen: Kurze Selbstdarstellung. In: Mit der Ziehharmonika 8 (1991), H. 2, S. 20, Ein kleiner Lebensbericht. In: Die Welt des Jura Soyfer, S. 36- 43 (1991).

Ausgewählte Illustrationen: Adele Jellinek: Einer. In: Das Kleine Blatt, 3.8.1930, S. 3, Karo: Geschichte der Juden in nationalsozialistischer Beleuchtung. In: Arbeiter-Zeitung, 12.6.1932, S. 17, Arnold Höllriegel: Ein Prophet predigt. In: Das Kleine Blatt, 11.8.1932, S. 3.

Ausgewählte Karikaturen: Dollfuß sucht eine Lösung … In: Arbeiter-Zeitung, 21.5.1932, S. 4, Hitler, der Friedensengel. In: Arbeiter-Zeitung, 21.5.1933, S. 4, Preßfreiheit, die ich meine. In: Arbeiter-Zeitung, 14.6.1933, S. 7, Gasschutz-Musterstall. In: Arbeiter-Zeitung, 6.9.1933, S. 3, Deutsche Wahl 1933. In: Arbeiter-Zeitung, 10.11.1933, S. 3.

Ausgewählte Porträts: Richard Beer-Hofmann und Raoul Aslan. In: Das Kleine Blatt, 2.3.1932, S. 9, Hans Moser. In: Das Kleine Blatt, 17.3.1932, S. 7Ernst Krenek. In: Das Kleine Blatt, 22.6.1932, S. 10, Egon Friedell und Gustav Waldau. In: Das Kleine Blatt, 28.12.1932, S. 9.

Zwei karikierende Porträts Joseph Roths, entstanden 1939: Link.

Literatur

Oliver Bentz: B. S.: Künstler, Fälscher, Menschenretter (2013), Claude Bessone: B. S. Vom Roten Wien zu den französischen Internierungslagern (2011, deutsche Übersetzung 2016), Kurt Flemig: Karikaturisten-Lexikon, S. 23f. (1993), Eckart Früh: B. S. (1999/2001), Marion Neumann: Karikaturist und Passfälscher: B. S. In: Angelika Meyer (Red.): Ohne zu zögern, S. 260-267 (2007), Vladimir Vertlib: Wien – Paris: mit Umwegen und Zwischenstationen. Über den Zeichner, Cartoonisten, Bühnenbildner und Redakteur B. S. In: Mit der Ziehharmonika (14) 1997, H. 2, S. 22-24.

Oliver Bentz: Zeichner und Fälscher. In: Wiener Zeitung, 23.10.1998, O. B.: Zeichenkunst und Humanität. In: Wiener Zeitung, 21.6.2013, Ulrike Diethart: B. S. Die Legende vom Zeichner [Rezension.]. Literaturhaus.at (1998), Rosa von der Schulenburg: Ein Dreigroschendasein. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.03.1998, Konrad Holzer: Rez. zu. Claude Bessone: B. S.Vom Roten Wien zu den französischen InternierungslagernAustrianposters.at (2017).

Rosa von der Schulenburg: Eintrag bei exilarchiv.de.

(ME)