Brečka, Hans

geb. 2.1.1885 in Wien, gest. 7.10.1954 in Zelking b. Melk (NÖ); Journalist, Schriftsteller, Kulturfunktionär.

Ps.: Hans Stiftegger, Robert Ader, Hans Biederhofer, Hans Christoffer, Peter Steinlieb, Hans Zelkinger

Nachdem B. bereits während seiner Schulzeit in Wien mit ersten feuilletonist. Arbeiten aufgefallen war, wurde er nach seiner Matura bei der kath.-konservativen Tageszeitung Reichspost engagiert, für die er zw. 1903 u. 1938 als Kulturredakteur tätig war. B. fungierte insb. als Theaterkritiker (Burgtheaterreferent), was J. Beniston zufolge seinen Status als „an extremely powerful figure in the Viennese theatre scene“ (Beniston, S. 106) beförderte: Als Feuilletonist und v.a. auch als Leiter der im Frühjahr 1920 eingerichteten „Kunststelle für Christliche Bildung“ setzte sich B. mit Vehemenz für einen mit den christlichsozialen (Kultur-)Agenden kompatiblen Kanon ein. Während B. Das Apostelspiel seines Freundes Max Mell z.B. als kath. Pflichtprogramm pries, ‚mied‘ er in seinem Wirken als Kunststellen-Leiter Autoren wie Fr. Wedekind, A. Schnitzler, G. Büchner, G. Kaiser, E. Toller oder G. Hauptmann aufgrund ‚moralischer‘ bzw. ideologischer Vorbehalte. „[D]em Kino und dem Schundtheater den Wind aus den Segeln zu nehmen: nämlich an Stelle des Schlechten, vor dem gewarnt wurde, die bessere Tat zu setzen und das Unterhaltungsbedürfnis unseres Volkes selber auf edlere Art zu befriedigen“, hatte B. in dem von ihm verantworteten Kunststellen-Organ Der Kunstgarten (1923-31) als Aufgabe des Unternehmens, das mit der von D.J. Bach geleiteten „Sozialdemokratischen Kunststelle“ konkurrierte, definiert (zit. ebd., S. 104); am Ende der ersten Veranstaltungssaison gab er sich dann davon überzeugt, dass „unsere besondere katholische Note“ (zit. ebd., S. 107) durch die Kunststellen-Initiative mehr Durschlagkraft erlangt habe. Besondere Unterstützung erfuhr die Kunststelle v. Franz Herterich, 1923-30 Direktor des Burgtheaters. Gemeinsam mit Herterich u. Ferdinand Krejci wurde B. v. Katholischen Volksbund – eine „kirchliche Organisation, die als Arm des ‚politischen Katholizismus‘ und als eine Vorfeldorganisation der Christlichsozialen Partei fungierte“ (Janke, S. 209) – zudem mit der Durchführung von Festspielen im steir. Wallfahrtsort Mariazell beauftragt, die im Sommer 1923 mit Krejcis Spiel von Christi und Mariä Leid unter Herterichs Spielleitung eröffnet wurden; 1924 wurden F. Schreyvogls Mariazeller Muttergottesspiele u. Mells Apostelspiel, 1925 das niederländ. Spiel Mariens siebente Himmelfahrt in der Bearbeitung B.s aufgeführt, „ein Agitpropstück in dem Sinn, daß es für den Glauben warb und gegen die Gegner agierte“ (ebd., S. 216). Mangels finanz. Ressourcen u. Publikum wurden die Festspiele, die publizistisch (mit deutlich antisemit. Untertönen) v.a. als Gegenkonzept zu M. Reinhardts Inszenierungen („Spektakel“) für die Salzburger Festspiele lanciert wurden, nach 1925 nicht weitergeführt, das eigens für 1400 Zuschauer erbaute Festspielhaus aber für andere Aufführungen vermietet, für die B. 1926 als Dramaturg tätig war (vgl. ebd., S. 209f. bzw. 214).

Sich selbst als Theaterautor zu profilieren, gelang B. nicht: „Das Volksstück ‚Die Rax‘ (1921) konnte sich bei den ungesunden Theaterverhältnissen auf der Bühne nicht behaupten“, ist in der kompendiösen Deutsch-Österreichischen Literaturgeschichte von Castle 1937 zu lesen (Castle, S. 1495). Ein Blick auf zeitgenöss. Kritiken zeigt, dass die (Theater-)Verhältnisse für B.s Volksstück durchaus ‚gut‘ waren, wenn etwa in der Neuen Freien Presse B.s Stück als Fortsetzung der „Tradition des österreichischen Volksstücks in schlicht empfundener Weise“ tendenziell wohlwollend besprochen wurde (vgl. P. W[ertheimer]) oder der Rezensent der Wiener Zeitung sich im Angesichte dieser „gute[n] Heimatkunst“ hoffnungsfroh gab, dass B. „der Mann sei, uns das zeitgemäß erneuerte wirkliche Wiener Volksstück […] endlich zu geben“ (vgl. [A.] O[rel]). „Seine ‚Rax‘ ist im besten Sinne des Wortes ein Volksstück und knüpft würdig an Anzengruber an“, war in der erwartungsgemäß hymnischen Reichspost
-Besprechung über B.s Versuch, die österr. Vormachtstellung bei der laut dem Rezensenten im Verschwinden begriffenen Gattung Volksstück („Raimund, Nestroy, Bäuerle, Karlweis, Anzengruber, in gewissem Sinne auch Schönherr u.a.“) wiederherzustellen. Angetan war der Reichspost-Kritiker auch von dem „Stifterische[n]“ bei B. („Einlenken ins Idyllische“, „unsägliche Zartheit“, „Ernst der Empfindung“) fernab von „Artisterei“ und v.a. von dessen Darstellung des „Volk[es] dort […], wo es am tüchtigsten ist, bei der Arbeit“, ohne dass die Geschichte, in der „zwei arme Lohnsklaven“ (Buchhalter Prantl u. Sekretärin Anna) zentral stehen, zu einem „Tendenzstück“ gerate. „[W]irr durchquert von falsch verstandener Sittlichkeit […], von Sozialismusersatz durch wirkungslose Raunzerei, von Unsittlichkeit im Ausgang“ und durchsetzt von „erbärmlichster Naivität“ zeigte sich die B.‘sche „Unmöglichkeit“ für O. Koenig (Arbeiter-Zeitung), der sich „die Frage stellen muß, ob dieses künstliche Produkt nicht etwa überhaupt nur vom Standpunkt des ‚christlich-germanischen Schönheitsideals‘ beurteilt werden sollte“. Die Neutralität vorschützende Rax-Kritik R. Musils („Man muß mit reiner Seele von diesem Stück berichten.“) ist grosso modo eine auffallend ausführliche Zusammenfassung d. Inhalts, „damit man weiß, was ein Volksstück ist, das Zeitungen eine tiefe und reine Offenbarung nennen. Ich füge dem höchstens noch hinzu: Das ‚[Deutsche] Volkstheater‘, welches dieses Stück spielt, ist die größte Privatbühne Wiens, die führende.“ Nicht nur auf dramaturgisch-‚handwerkliche‘ Verfehlungen des Theaterautors B. weist [no-lexicon]Musil in seinem Handlungsaufriss hin: Zum Ausflugsziel Rax, auf der (der typ. Wiener Kleinbürger) Prantl seine Sonntage zubringt, verzeichnet er „die Annahme des Arierparagraphen im D. Oe. Alpenverein“ (R. Musil)[/no-lexicon], der 1921 alle „nicht-arischen“ Mitglieder ausgeschlossen hatte (vgl. Beniston).

Bei K. Kraus finden sich weitaus weniger subtile Invektiven gegen völkische Sentiments beim „deutsch-christliche[n] Bretschka“ ([no-lexicon]K. Kraus[/no-lexicon], zit. ebd., S. 106) und dessen reaktionäres „christlich-germanische[s] Schönheitsideal“ (ders.: Nestroy und das Burgtheater, S. 16). Um „das vaterländische Fühlen des Deutschösterreichers“ zu befördern war laut J. Weingartner bereits B.s erste eigenständige lit. Veröffentlichung, der in der von der Verlagsanstalt Tyrolia (Innsbruck) herausgegebenen Reihe „Bücherei des Oesterreichischen Volksschriftenvereins“ erschienene Sammelband Unter den Fahnen Prinz Eugens (1912), besonders geeignet – auch, um „das immer wachsende Lesebedürfnis weiter Volkskreise auf gesunde und einwandfreie Art zu befriedigen“. Als „volkstümlich“ wurde B. in seinem Stammblatt zudem anlässl. seiner ersten Lesung in der Wr. Urania 1914 präsentiert, und dabei ein über das ‚Stiftersche‘ hinausgreifendes „Eigenes“ angeführt: der „Sinn und Jubel des Sportfreundes neuester Betätigung“ ([no-lexicon]Reichspost[/no-lexicon] 20.3.1914), was B. etwa mit Prosa-„Bildern aus dem Tiroler Kriege“ Die donnernden Alpen in einer vaterländ. Frontberichterstattung von der „blutgetränkte[n] Hochebene von Vielgereut[h]“ (ebd. 22.8.1915) zur Anwendung brachte. Mit seinen Feuilletons, Erzz., Kurzgeschichten aus dem bäuerlichen  Milieu fand B. bei Castle 1937 als Exponent der „katholischen Literaturbewegung“ Berücksichtigung, der mit „einfühlende[r] Naturschilderung“ und „sorgfältige[r] Sprachbehandlung“ etwa in den „besten Jugendversuchen“, d.i. der Smlg. v. 1912, und den „Bauernerzählungen“ der Smlg. Geliebte Scholle (1930) das von dem Ps. [no-lexicon]Stiftegger[/no-lexicon] als Kompositum aus „Stifter und Rosegger“ Angedeutete eingelöst habe (S. 1495).

Beniston zufolge hat B. mit seinem Wirken für die „Kunststelle für christliche Volksbildung“ diese in Richtung des „völkischen“ Lagers steuern helfen (vgl. S. 116); 1934-38 war B. denn auch der Präsident der „Österreichischen Kunststelle“ (1938 umbenannt in „Deutschösterreichische Kunststelle“, zugehörig dem Landeskulturamt der NSDAP). 1936 initiierte er gem. mit F. Schreyvogl u. R. Henz die österr. Länderbühne. Als Leiter der Theaterabteilung des „Neuen Leben“ war B. zudem in der austrofaschist. Festspielbewegung aktiv, 1936 z.B. als Jurymitglied in dem vom „Neuen Leben“ organisierten Wettbewerb um „Das vaterländische und das soziale Volksspiel“ (vgl. Janke, S. 209 bzw. 281f.). Nach 1945 Mitarbeiter der vom ehem. [no-lexicon]Reichspost[/no-lexicon]-Chefredakteur (1902-38) Friedrich Funder neugegründeten Wochenschrift Die Furche.


Werke

Die Rax. Volksstück (1921) – (Gem. mit Enrica v. Handel-Mazzetti) Unter dem österr. Roten Kreuze. Dornbekränztes Heldentum (1917) – Die Handel-Mazetti-Monographie (1922) – Geliebte Scholle (1926) – Trinke Mut des reinen Lebens (1947) – Der Pflug im Ackerfeld (1947)

Veröff. in Zeitungen, z.B.: Die donnernden Alpen. Kleine Bilder aus dem Tiroler Krieg. In: Reichspost (22.8.1915), S. 2f. Nachdrucke nachgewiesen in: Die Bergstadt (April 1916), Deutsches Nordmährenblatt (16.5.1916), Grazer Mittags-Zeitung (19.5.1916), Grazer Vorortezeitung (28.5.1916)

Quellen und Dokumente

Josef Weingartner: Eine neue Volksbücherei. In: Salzburger Chronik (17.1.1913), S. 2, N. [?]: Vorlesung Stiftegger. In: Reichspost (20.3.1914), S. 7, Robert Musil: Ein Volksstück (Die Rax. Ein Wiener Schauspiel von Hans
Stiftegger. Urauff. Am Deutschen Volkstheater in Wien). In: Ders.:
Prosa und Stücke – Kleine Prosa, Aphorismen – Autobiographisches –
Essays und Reden – Kritik. Berlin: Rowohlt 1978 (= Gesammelte Werke),
S. 1491-1495, P[aul] W[ertheimer]: Deutsches Volkstheater. In: Neue Freie Presse (7.6.1921), S. 8, O. [d.i. Alfred Orel]: Deutsches Volkstheater. In: Wiener Zeitung (6.6.1921), S. 2, drag. [?]: „Die Rax“. Ein Wiener Schauspiel in vier Akten von Hans Stiftegger. In: Reichspost (5.6.1921), S. 1f., Otto Koenig: Deutsches Volkstheater. „Die Rax“, Wiener Schauspiel in vier Akten von Hans Stiftegger. In: Arbeiter-Zeitung (7.6.1921), S. 6, Karl Kraus: Nestroy und das Burgtheater. In: Die Fackel XXVI (1925), H. 676-678, S. 1-40.

Literatur

Judith Beniston: Cultural Politics in the First Republic: Hans Brečka
and the ‚Kunststelle für christliche Volksbildung‘. In: Ritchie
Robertson/Dies. (Hgg.): Catholicism and Austrian Culture. Edinburgh:
Edinburgh University Press 1999 (= Austrian Studies X), S. 101-118. –
Eduard Castle (Hg.): Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte. Ein
Handbuch zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn.
Unter Mitwirkung hervorragender Facahgenossen nach dem Tode v. Johann
Willibald Nagl u. Jakob Zeidler hg. v. E. Castle. Vierter Bd. Von 1890
bis 1918. Wien: Carl Fromme 1937. – Pia Janke: Politische
Massenfestspiele in Österreich zwischen 1918 und 1938. Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2010 [darin geführt als „Franz Brecka “].

Der Nachlass B.s befindet sich – feinerschlossen – im Österreichischen Literaturarchiv (Österreichische Nationalbibliothek): ÖLA 10/90. Zugangsdatum: 1990. Umfang: 8 Archivboxen. Zur Inhaltsübersicht (Werke, Korrespondenzen, Lebensdokumente, Sammlungen) s. http://www.onb.ac.at/sammlungen/litarchiv/bestaende_det.php?id=brecka – Ein (v.a. Zeitungsausschnitte umfassender) Teilnachlass (N1.5; 5 Boxen) ist zudem im Literaturhaus Wien, Dokumentationsstelle für neuere österr. Lit., zu finden; s. http://www.literaturhaus.at/index.php?id=7943

(RU)