Bund der Freunde der Sowjetunion

Nachdem die Mitglieder und Sympathisanten der kommunistischen Bewegung Österreichs in der bereits 1925 gegründeten Österreichische Gesellschaft zur Förderung der geistigen und wirtschaftlichen Beziehungen mit der UdSSR, die eng mit der Moskauer Gesellschaft für kulturelle Verbindung der UdSSR mit dem Ausland (VOKS) kooperierte, deutlich unterrepräsentiert waren, schufen u.a. der Jurist und Parteianwalt Egon Schönhof, der Verleger Johannes Wertheim 1929 den Wiener Bund der Freunde der Sowjetunion (BdFSU) als Vorfeldorganisation der KPÖ. Sie folgten dabei dem Vorbild des Berliner BdFSU, der im November 1928 gegründet worden war und an die 1927 erfolgte Errichtung der Internationalen Vereinigung der Freunde der Sowjetunion angeknüpft hatte. 1929 wurde Bruno Freis Russlandbericht Im Lande der roten Macht in Willi Münzenbergs Neuen Deutschen Verlag vom Berliner BdFSU herausgegeben.

Dem Wiener BdFSU gehörten neben Schönhof und Wertheim u.a. auch die Schriftstellerin und Medizinerin Marie Frischauf-Pappenheim sowie BPRSÖ-Mitglied Peter Schnur, 1931/32 Büroleiter des Bundes, an. Öffentlich trat der BdFSU zunächst durch die Organisation von Vorträgen in Wien in Erscheinung. So referierte u.a. F. C. Weiskopf am 2. März 1929 im Rahmen einer Lesung über Russland im Volksheim am Ludo-Hartmann-Platz, der Sexualforscher Wilhelm Reich, der mit Frischauf-Pappenheim 1928 die Sozialistische Gesellschaft für Sexualberatung und Sexualforschung gegründet hatte, am 27. Februar 1930 in Ottakring über die Position des Vatikans gegenüber der Sowjetunion, am 25. November 1931 der frühere sowjetische Volkskommissär für Unterricht Anatolij Lunatscharski über Kultur und Wissenschaft in Russland im Großen Musikvereinssaal, worüber auch die Arbeiter-Zeitung positiv berichtete, sowie am 21. Dezember 1932 der spätere KPÖ-Generalsekretär Friedl Fürnberg in Penzing über geistige Freiheit. Begünstigt durch die Zusammenarbeit mit dem staatlichen russischen Reisebüro Intourist, das Anfang der Dreißiger auch in Wien Zweigstellen besaß, konnten zudem mehrere Fahrten von Arbeiterdelegationen in die Sowjetunion realisiert werden, wovon ein durch den BdFSU verlegten Reisebericht Johannes Wertheims aus dem Jahr 1931 zeugt. 1932/33 erlebte der BdFSU wie die kommunistische Bewegung insgesamt leichten Auftrieb: Bei einem Kongress im Juni 1932 wurden auch außerhalb Wiens Versammlungen abgehalten und Unterstützer gefunden, die Rote Fahne berichtete von einem „Versammlungssturm zur Verteidigung der Sowjetunion“ (RF, 8.6.1932, S. 3). Im Jänner 1933 wurden im Rahmen einer Gedenkfeier des BdFSU zu Ehren Lenins, Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs eine „konzertmäßige Fassung“ von Brechts Die Mutter in der Vertonung Hanns Eislers aufgeführt. Mit Der Sowjetfreund gelang zudem 1932/33 die Herausgabe einer von Wertheim besorgten Zeitschrift.


Quellen und Dokumente

N.N.: Einheitsfront für die Sowjetunion. Erfolgreiche Tagung des Bundes der Freunde der Sowjetunion. In: Die Rote Fahne, 9.12.1930, S. 3, Lunatscharsky in Wien. Ein Vortrag über das kulturelle und wissenschaftliche Leben in Rußland. In: AZ, 26.11.1931, S. 5, Die Sowjetunion – ein Reiseland. In: Die Rote Fahne, 15.4.1932, S. 10, Kongreß des Bundes der Freunde der Sowjetunion. Versammlungssturm zur Verteidigung der Sowjetunion. In: Die Rote Fahne, 8.6.1932, S. 3, Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Gedenkfeier. In: Die Rote Fahne, 20.1.1933, S. 2. Gegen die Antisowjethetze. Glänzender Verlauf des ersten Vortrages des Bundes der Freunde der Sowjetunion. In: Die Rote Fahne, 23.5.1933, S. 1.

Literatur

Der Rote Faden: Reich und die KPÖ. In: Nachrichtenbrief [Blog] (Online verfügbar), Claus Remer: Der Bund der Freunde der Sowjetunion und seine Tätigkeit auf kulturellem Gebiet. In: Heinz Sanke (Hg.): Deutschland-Sowjetunion. Aus fünf Jahrzehnten kultureller Zusammenarbeit, 117–126 (1966), Julia Köstenberger: Österreichisch-sowjetische Kulturkontakte im Überblick. In: Verena Moritz u.a. (Hgg.): Gegenwelten. Aspekte der österreichisch-sowjetischen Beziehungen 1918-1938, 231-249 (2013).

(ME)