Klien, Erika Giovanna

geb. am 12.4.1900 in Borgo di Valsugana (Trient/Trentino) – gest. am 19.7.1957 in New York. Bildende Künstlerin, Kunstpädagogin, Schauspielerin

E. G. Klien, Tochter des k.k. Bahnbeamten Franz K. und der als Kindergärtnerin ausgebildeten Mutter Anna K. wächst aufgrund von mehreren Versetzungen des Vaters in Liezen, St. Anton, Schwarzach und ab 1912 in Salzburg auf, wo sie zuerst das Realgymnasium besucht u. 1917 ins Mädchenlyzeum wechselt. Zur Jahreswende 1918/19 übersiedelt die Familie nach Wien, wo E .G. K. 1919 nach abgelegter Matura in die Wiener Kunstgewerbeschule aufgenommen wird u. die Klasse für ornamentale Formenlehre bei F. Cizek sowie jene des Naturstudiums bei Viktor Schufinsky besucht. 1921-22 legt sie erste Architektur- und Figurenstudien vor, die ihren späteren künstlerischen Weg in kinetistische Richtung bereits anzeigen. 1922 lernt sie L. W. Rochowanski kennen, der ebf. an den verschiedenen Schnittflächen moderner bzw. avantagardist. Strömungen jener Jahre, dem Tanz, der Musik und Literatur, beteiligt war u. 1922 die Programmschrift der Cizek-Schule u. des sich ausbildenenden Kinetismus, Formwille der Zeit, vorlegt. Neben Rochowanski u. der zeitgenöss. ungar. Avantgarde im MA-Umfeld, die Klien gekannt haben dürfte, könnte auch der später der Bauhausbewegung verpflichtete Schweizer Maler Johannes Itten auf ihre frühe konzeptuelle Entwicklung Einfluss genommen haben (Bogner). Itten hatte 1919 in Wien eine vielbeachtete Ausstellung u. wurde von H. Tietze, der wieder mit K.s Lehrer Cizek gut bekannt war, sehr geschätzt. Einige ihrer frühen Arbeiten wie z.B. Trinker (1921) oder Reitschule in Salzburg (1922) würden, so Bogner, eine „Auseinandersetzung Kliens mit Ittens Bildsprache” nahelegen. Im Jahr 1922 beteiligt sich Klien bereits an der internat. Wanderausstellung der Abt. fürornamentale Gestaltung, besucht daneben auch die Schauspielschule sowie Tanzvorführungen A. Berbers. Zu dieser Zeit gewinnt ihr kinetischer Konstruktivismus, Rochowanski bezeichnet ihre Arbeiten als “kubische Explorationen” (U. Matzer, 2006, 76) an Präzision und eigenständigem Profil, sodass K.s. Arbeiten in allen ab 1923 gezeigten Schul- und Wanderausstellungen der Cizek-Klasse öffentlich gezeigt bzw. ausgestellt werden, u.a. auch im Österreichischen Museum sowie in der USA-Wanderausstellung (1923-26). Herausragend dabei ihr mehrteiliger Zyklus Gang durch Großstadt.

Aus: Wiener Zeitung, 25.1.1927, S. 1

Im Zuge der Ausstellung der Cizek-Klasse im Jahr 1924 wird der Kunstkritiker H. Ankwicz-Kleehoven auf die “hochtalentierten” Arbeiten Kliens aufmerksam, in denen ihm “der Geist Klimts in kubistischem Gewande wiederzuerstehen scheint”. Im selben Jahr wirddie Cizek-Abteilung von L. Kassák besucht, aber auch, im Zuge der Internationalen Ausstellung neuer Theatertechnik, von F. T. Marinetti und T. van Doesburg. Zugleich betätigt sich die hochproduktive Malerin – 1923/24 entstehen auch erste Bühnenentwürfe zu selbstverfassten Stücken (Hapkemeyer, 51) – als Amateur-Schauspielerin in Vorstadttheatern, woraus wohl ihr Interesse für Bühnenbildgestaltung resultierte. 1925 werden Arbeiten Kliens auf der Internat. Kunstgewerbeausstellung in Paris (als Teil der Abt. Cizek u. Larisch) gezeigt; ferner erhält sie den Auftrag zur Gestaltung der neuen Portomarken für die Österr. Post. 1926 ist sie gemeins. mit Elisabeth Karlinsky u. Herta Sladky in der Internat. Ausstellung moderner künstlerischer Schrift im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie vertreten, die ihr wieder eine lobende Erwähnung durch den Ankwicz-Kleehoven einträgt sowie einen Abdruck in der Zeitschrift von Radio Wien. In diese Zeit datieren wichtige Arbeiten wie z.B. Brücke, Bewegungstheater oder Marionettentheater und Klien wird erstmals in den USA ausgestellt, u. zwar in der International Exhibition of Modern Art in Brooklyn/N.Y. Im Sommer desselben Jahres tritt sie eine Stelle an der Elizabeth Duncan-Schule im Schloß Kleßheim (Salzburg) an, wo sie eine Zeichenklasse übernimmt und mehrere Ausstellungen, u.a. in Wien, Prag, Berlin, Stuttgart oder Basel mit initiiert. In diese Zeit (insbes. 1927) fallen mehrere Text-Bild-Collagen, die sie als Klessheimer Sendbote an Cizek u. ihren Wiener Freundeskreis verschickt. 1928 folgt die Geburt ihres Sohnes Walter; Klien wird an der Duncan-Schule durch E. Karlinsky vertreten.

Aus: Radio Wien (1927), H. 16, S. 800

1929 stellt sie zum letzten Mal in Wien im Rahmen des 60jährigen Jubiläums des Österreichischen Museums aus, im Sept. verlässt sie Österreich und beginnt in New York am Stuyvesant Neighbourhood House zu unterrichten, einem kulturellen Zentrum der aufstrebenden afroamerikanischen Kultur in Manhattan. Bereits im Folgejahr 1930 hatte sie ihre erste Ausstellung an der New York School for Social Research und beteiligt sich im Dez. an einer Werkbundausstellung am Art Institute in Chicago. Seit Okt. 1930 ist sie an der (auch heute noch elitär-renommierten) Spence School in Manhattan fest angestellt, gibt daneben ab 1931 Kurse für Erwachsene an der ebf. renommierten School for Social Research, stellt imRahmen der Duncan-Schule auch in Paris aus sowie am New Yorker Art Center. Daneben fertigt sie Gebrauchsgrafik für Kaufhäuser u. Hochhausfassaden an. 1932 wird sie an die School for Social Research berufen, unterrichtet daneben aber auch noch ander reformpädagogischen Dalton School. Im Zuge einer Amerika- und insbesondere New Mexiko-Reise im Jahr 1934 setzt sich Klien mit der indianischen Kunst und Kultur auseinander u. wendet sich auch wieder dem Theater zu, indem sie an der Dalton School eine Theatergruppe übernimmt. Im Sommer 1935 verlässt Klien die School for Social Research und stößt auch, vermutlich aufgrund ihrer unorthodoxen Methoden, in der Spence-School auf Schwierigkeiten, die sie im Sommer 1940 verlassen muss. Im Sept. 1938 wird Klien US-Staatsbürgerin, gerät aber trotz Resonanz auf ihre Ausstellungen zunehmend in Isolation und zieht sich 1941-45 auf Privatunterricht zurück; zudem muss sie während der Kriegsjahre von ihrer in Chicago lebenden Schwester finanziell unterstützt werden.

1946 nimmt Klien mit ihrem in Österreich verbliebenen Sohn Kontakt auf, fängt an sich mit Architektur zu befassen, komponiert das Tanz- u. Musikdrama The Masses und erhält eine Stelle an der New Yorker Walt Whitman-School. Ab 1949-50 muss sie sich auch mit gebrauchsgrafischen Arbeiten (Stoffmuster, Plattencovers etc.) aufgrund finanzieller Schwierigkeiten der Schule, die sie 1951 aus gesundheitl. Gründen verlässt, ihr Leben finanzieren. Ihre letzten Jahre sind von Krankheit gezeichnet, aber auch vom Versuch, an kinetistisch-abstrakte Projekte der1920er anzuschließen und diese weiterzuentwickeln. 


Quellen und Dokumente

Hans Ankwicz-Kleehoven: Juliausstellungen. Ein Epilog. In: Wiener Zeitung, 1.8.1924, S. 4, Hans Ankwicz-Kleehoven: Die Ausstellung „Künstler im Kunsthandwerk und in der Industrie“ im Oesterreichischen Museum. In: Wiener Zeitung, 25.1.1927, S. 1-4, Die Duncan-Schule. In: Salzburger Wacht, 14.8.1929, S. 6.

Bilder bei mumok.at, Eintrag bei jlwcollection.com, bei sammlung-pabst.org sowie bei fembio.org.

Eintrag bei Kovacek-Galerie.

Literatur

M. Pabst: Erika Giovanna Klien 1900-1957. Wien 1975; M. Mautner-Markhof, S. Neuburger (Hgginnen.): Erika Giovanna Klien 1900-1957. Ausstellungskat. Wien 1987; B. Leitner (Hg.): Erika Giovanna Klien. Wien. New York 1900-1957. Ostfildern 2001 (darin: D. Bogner: Erika G. Klien: Form. Struktur. Dynamik; 8-13; ebf. abgedr. In D. Bogner, G. Bogner u.a.; Hgg.: Perspektiven in Bewegung. Wien 2017, 199-201 sowie A. Hapkemeyer: Zur Rolle der sprachlichen Elemente im Frühwerk, 49-59); U. Matzer: Die drei Stars der Klasse: Erika Giovanna Klien, Elisabeth Karlinsky, My Ullmann. In: M. Platzer, U. Storch im Auftrag des Wien Museums (Hgginnen.): Kinetismus. Wien entdeckt die Avantgarde. Ostfildern 2006, 60-87; Barbara Lesák: Die österreichische Theateravantgarde 1918-1926. Ein Experiment von allzu kurzer Dauer. In: P.-H. Kucher (Hg.): Verdrängte Moderne – vergessene Avantgarde. Diskurskonstellationen zwischen Literatur, Theater, Kunst und Musik in Österreich 1918-1938. Göttingen 2016, 43-64, bes. 62-64; Olga Kronsteiner: Wie die Tochter eines k.k. -Bahnbeamten zu einer Avantgardistin wurde. In: Der Standard, 2.3. 2024 (online)

(PHK)