Rochowanski, Leopold Wolfgang

geb. am 3.8.1888 in Zuckmantel (Österr.-Ungarn; Zlaté Hory, Tschech. Rep.) – gest. am 13.9.1961 in Wien; Kritiker, Schriftsteller, bildender Künstler, Kunsttheoretiker

Der Sohn eines Notars studierte an der Univ. Wien Philosophie und Jurisprudenz und fing nach Abschluss des Studiums als redakt. Mitarbeiter beim Illustrierten Wiener Extrablatt an, belieferte ab 1917-18 aber auch andere Zeitungen mit Beobachtungen und Berichten zum Wiener Kunstbetrieb. 1918 erschienen im Amalthea-Verlag die ersten eigenständigen literarischen Publikationen: Der Phantast bzw. der Novellenband Nackte Inspirationen. Mit der Schrift Der Formwille der Zeit (1922) legte R. die erste, die avantgard. Bewegung des ›Wiener Kinetismus‹ begleitende Programmschrift zur neuen Formensprache vor; sein Interesse für den Tanz kam in der Schrift Der tanzende Schwerpunkt (1922) zum Ausdruck, die sich v.a. mit der Tanzkunst von Isidora und Elizabeth Duncan befasst.

Nackte Inspirationen (1919)

1923 veröffentl. R. auch in der Zs. Die Muskete eine Reihe von postexpress.-avantgard. Kurzprosatexten wie z.B. Entwicklung oder Musik und arbeitete in dem von ihm mitgegründeten Thyrsos-Verlag (bis 1924).  Mit dem Buch Der brennende Mensch. Aus den Tagebüchern Anton Hanaks (1923) setzte er auch als Kunstkritiker für moderne Plastik und Skulptur Akzente. In der Neuen Zeitschrift für Musik betreut R. in den Ausgaben 1923-24 die Rubrik ›Tanz‹; am Frankfurter Schauspielhaus wird für die Saison 1924-25 die von ihm verf. Komödie Schlapphut und Zylinder zur Aufführung angenommen (NWr.Tagblatt, 24.9.1924). Seit 1926 schreibt R. regelmäßig Ausstellungsberichte u. a. Kunstbeitr. für die Zs. Die Bühne, beginnend mit einer Besprechung des Schauspiels Gong des vielseitigen Bühnenbildners und Architekten Emil Pirchan (H.74/1926,13-14). 1927 folgen Beiträge u.a. über Amerikanische Bühnenkunst (H.113/1927,23-24) sowie über die schillernde Figur des mit der Pariser Moderne (F. Leger, H. Matisse) eng verbundenen Wiener Bildhauers und Lehrenden Eugen Steinhof (H.142/1927,34); 1928 über funktionale Moderne Wohnkultur anlässl. d. Ausstellung im Österr. Museum für Kunst und Industrie (H.188/1928, 33-34) bzw. über deren Nachfolgeausstellung in Linz, an der auch Josef Frank und Otto Neurath mitwirkten (H.256/1929, 29-30), ferner über den figural ausdrucksstarken und zugleich von kubistischen Techniken geprägten tschech. Maler Jaromir Jindra( H.191/1928,8) sowie über die Klimt-Gedächtnisausstellung in der Sezession (H.193/1928, 20-21). 1928 und 1931 kuratierte R. außerdem zwei größere Ausstellungen von mod. Wiener Plastik und Malerei in Pressburg/Bratislava sowie in Kaschau/Kosiče. 1931-33 fungierte er auch als Redakteur der Zs. Das österreichische Lichtbild. Nach 1933 zieht sich R. weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück, veröffentlicht nur mehr gelegentlich kleinere Texte, u.a. auch über Modefragen. Nach dem Anschluss von 1938 wurden in der NS-Ära seine Werke verboten; nach 1945 gründete er zum einen die Zeitschriften Die litterarische Welt (1946-47) u. Die schönen Künste, zu denen er u.a. Hannah Höch, Raoul Hausmann, Hans Fritz u. Josef Hoffmann gewinnen konnte,  zum anderen den Agathon-Verlag (1946), in dem in den späten 1940er Jahren die meisten seiner Bücher erschienen. So machte er bereits 1946 in seinem Buch Die Wiener Jugendkunst auf Franz Cizek und dessen Verdienste aufmerksam.

Der Formwille der Zeit (1922)

Werke

Abend, Morgen, Mittag (1919/1922); Psychopathische Künstler (1922); Wiener Keramik (1923); Ein Führer durch das österreichische Kunstgewerbe (1930); Columbus in der Slowakei (1936); Das Liebesfest (1942/1946); Wiener Kulturleben in Anekdoten erzählt (1946).

Quellen und Dokumente

Musik. In: Die Muskete, 10.4.1923, S. 82, Tanz. In: Neue Zeitschrift für Musik 1923, Zusatzheft 2, S. 17f., Die Würfelbühne. In: Bau- und Werkkunst (1924), S. 137-142, Der fleißige Pirchan. In: Die Bühne 2 (1925), H. 49, S. 8, Eugen Steinhof. In: Die Bühne 4 (1927), H. 142, S. 34, Das Schöpfertum des Kindes. Zum 80. Geburtstag von Franz Cizek. In: Neues Österreich, 12.6.1945, S. 4. Anzeige zu Der Phantast. In: Oesterr.-ungar. Buchhändler-Correspondenz, 27.11.1918, S. 564.

Literatur

Ulrich Weinzierl: Schaltstelle. Der ewige Avantgardist Leopold Wolfgang Rochowanski. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.6.1996. Eintrag bei Literaturhaus.at (inkl. Teilnachlass), Eintrag bei sammlung-pabst.org.

(PHK)