Literaria-Verlag

Der zunächst unter dem Namen Literarische Vertriebs- und Propaganda Gesellschaft m.b.H im Zuge einer Versammlung am 28.7.1919 sowie eines Gesellschaftsvertrags gegründete Verlag wurde maßgeblich von den Brüdern Erwin und Robert Müller geprägt. Erwin Müller, der auch selbst eine Sacheinlage einbrachte, wurde im August 1919 zum ersten Geschäftsführer bestellt, Robert Müller, der keine Einlage mitbrachte, zum zweiten.

Sitz der Gesellschaft war Wien 1, Tuchlauben 11, als Zweck wurde die Organisation des Zeitschriftenvertriebs angegeben; die Eintragung in das Wiener Handelsregister erfolgte am 26.8. 1919. Seit 1920 bestanden Geschäfts- und persönliche Beziehungen mit dem Zeitungsbureau Goldschmiedt (gegr. 1877 in Wien, 1918 das größte in der k.k. Monarchie), in das 1921 die Brüder E. und R. Müller als Geschäftsführer eintraten. Im Juli 1920 erfolgte im Zuge einer bedeutenden Erhöhung des Stammkapitals (von 120.000 Kr. Auf 1,5 Mio Kr.) die Umbenennung der Gesellschaft in ›Literaria. Literarische Vertriebs- und Propaganda Ges.m.b.H.‹ und damit eine Weichenstellung in Richtung literar. Großkonzern bzw. Holding (M. Hall), nicht zuletzt mit der Deutschen Bodenbank als verdecktem Mitgesellschafter. Die Expansionsvorhaben liefen gut an, die Literaria übernahm die Vertretung von zahlreichen deutschen Verlagen in Österreich, 1923 rund 60, und eröffnete Filialen in Budapest, Prag und Zagreb, allein der Geschäftsgang blieb hinter den Erwartungen. Im Verein mit der einsetzenden, dann galoppierenden Inflation wurden schon 1922 bedeutende Schulden angehäuft. Auch die Zs. Die Muskete, deren Geschäftsführer E. und  R. Müller waren, wurde 1922 der Literaria Ges.m.b.H. eingegliedert.

Das literarisch-belletristische Programm konnte ebenfalls erst ab Ende 1922 in Angriff genommen und nur im Ansatz umgesetzt werden. Am Beginn stand eine Biographie über den Schauspieler Alexander Moissi von Ludwig Ullmann (in Kooperation mit dem H. Goldschmiedt Verlag); ihm folgten Paul Stefans Max Reinhardt. Eines Künstlers Heimweg nach Wien sowie drei kunstgeschichtliche Bände von Fritz Karpfen zur Gegenwartskunst (Russland, Skandinavien, Österreich). Als letztes Werk ist Der brennende Mensch. Aus den Tagebüchern Anton Hanaks von L.W. Rochowanski zu nennen (1923) sowie einige Kataloge und Almanache, darunter der prominent bestückte Künstlerhilfe-Almanach (1924). Weitere sechs angekündigte Titel (darunter von R. A. Bermann u. A. Gütersloh) konnten nicht mehr erscheinen, weil der Literaria Verlag 1924 de facto zahlungs- und handlungsunfähig geworden ist. Ein Teil dieser Titel schien dann im neugegründeten Atlantis-Verlagsprospekt auf, der wiederum von R. Müller gegründet, aber aufgrund seines Freitods am 27. 8. 1924  nur den Roman Wieder wandelt Behemot von E. Colerus  realisieren konnte. Mit Dezember 1924 hatte auch die Verlagsholding Literaria einen Verlust von 400 Mio Kronen angesammelt, weshalb 1925 in einer Gesellschafterversammlung die Auflösung beschlossen wurde, die jedoch erst 1927, nach mehrmaligem Wechsel der Anteilsverhältnisse und der Bankbeteiligungen abgewickelt werden konnte.


Quellen und Dokumente

Ankündigung zu Fritz Karpfen: Österreichische Gegenwartskunst. In: Die Muskete, 1.2.1923, S. III, Vorabdruck von Richard A. Bermanns Roman Das Bad der Dschehenara Begum. In: Die Muskete, 20.3.1923, S. IIIf., Ankündigung eines Künstlerhilfe-Almanachs. In: Anzeiger für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel, 29.4.1924, S. 414.

Literatur

A.A. Wallas: Zeitschriften und Anthologien des Expressionismus in Österreich. Eine analytische Bibliographie. München 1995, Bd1, 50-51; E. Fischer: Ein doppelt versuchtes Leben. Der Verlagsdirektor Robert Müller und sein Roman ‚Der Philibustier‘ [1980]. In: G. Helmes, H. Kreuzer (Hgg.): Expressionismus, Aktivismus, Exotismus. Studien zum literarischen Werk Robert Müllers. Paderborn 2012, 189-219, bes. 199-203, Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918-1938, Bd. 2: Belletristische Verlage der Ersten Republik; Wien u.a. 1995 (Online verfügbar).

(PHK)