Merwin, Thekla

geb. als Thekla Blech am 25.4. (nach anderer Quelle: 13.4.) 1887 in Riga – ermordet am 20.10.1944 in Auschwitz-Birkenau; Feuilletonistin, Kritikerin, Schriftstellerin

Über die Kindheit und Jugend von M. ist wenig bekannt; ihre Familie ist wohl um die Jahrhundertwende nach Wien gezogen. 1908 heiratete Thekla Blech den Juristen Emil Merwin (geb 29.3. 1881 in Lemberg) in der Synagoge Leopoldgasse 29 im 2. Bezirk (Polnische Schul). Fassbar wird sie ab März 1909 als Beiträgerin und bald als in der Redaktion tätige Mitarb. der Jüdischen Volksstimme (Brünn/Brno), wo sie bis 1911 regelmäßig entweder im Impressum angeführt wird, 1909 auch mit Adresse in Lemberg, oder in der Feuilletonbeilage Frauen-Revue mit eigenen Beitr. präsent war, u.a. mit Gedichten, die sich jüd. Festen widmeten, aber auch feuilletonist.-essayist. Texten. 1910 veröffentl. sie ihren ersten literaturkrit. Beitr., Heines soziale Gedankengänge, in der Wiener Zs. Die Wage, weitere zu Betty Paoli oder zum Jüdischen Theater folgten in den Zs. Der Merker 1914-15; 1913  erschien ihr erstes Gedicht in der Neuen Freien Presse.

Nach dem Ende des Weltkrieges erkrankt M. an Diabetes, war zu Kuraufenthalten gezwungen u. kann nur wenige Gedichte veröffentlichen, u.a. im Neuen Wr. Tagblatt. 1922 stößt sie zur Arbeiter-Zeitung, in der sie ebenfalls  regelmäßig, wenn auch nur begrenzten Raum vorfand, d.h. einige Kurzprosa-Stücke wie z.B. Letzter Gang, aber auch Gedichte unterbringen konnte, welche sich mit zermürbenden Stadt-Erfahrungen, Straßen-, Armut- und Nacht-Bildern befassen und damit Kehrseiten der urbanen Moderne ansprechen. Seit 1924 erscheinen gelegentl. Texte von ihr in der Zs. Moderne Welt, seit 1928 auch in der Zs. Die Bühne, Anfang der 1930er Jahre ferner in Zs. wie Die Muskete oder Mocca, wobei in diesen Beiträgen, u.a. Reisefeuilletons, die sozialkritischen Züge deutlich zurücktreten. Typisch dafür wären Texte wie z.B. Romantische Fahrt (1933) oder Titel (1934). Dass M. ihre krit. Einstellung u. Kommentierung der Zeitläufe dennoch nicht aufgab, dokumentieren programmat. Texte wie Bankrott der Kultur im Neuen Vorwärts (17.3.1933, zuletzt wiederabgedr. in: Zwischenwelt, 3/2012), in dem sie das NS-Deutschland als eines „entmenschte[r] Horden“ beschreibt. Doch die veränderten Verhältnisse auch in Wien ab 1934, dem Jahr, in dem ihr Gatte Emil M. verstarb, schränkten ihre Publikationsmöglichkeiten drastisch ein. In der AZ konnte noch Anfang 1934 der dichte Prosatext Ein Brief erscheinen, in den darauffolgenden Jahren gelang es ihr aber kaum mehr, weitere Texte zu veröffentlichen. Mit einer ironisch-kritischen Reflexion über das Reisen junger, vermögender Frauen in Europa wie im Orient oder in Afrika im Text Gestern-heute gelangte M. 1937 an den Endpunkt ihrer literar.-journalist. Präsenz. Dass sie angesichts der sich zuspitzenden Verhältnisse 1938-39 nicht zur Emigration entschließen konnte, sollte sich als fataler Fehler, auch für ihre Tochter Magda (geb. 1911-1944), erweisen. Am 24.9.1942 wurde Merwin ins KZ Theresienstadt deportiert, am 19.10.1944 nach Auschwitz-Birkenau gem. mit ihrer Tochter Magda ermordet.


Quellen und Dokumente

http://theodorkramer.at/projekte/exenberger/mitglieder/thekla-merwin

Sabbat im Städtchen. In: Jüdische Volksstimme, 5.1.1910, S. 1, Letzter Gang. In: Arbeiter-Zeitung, 20.8.1924, S. 7f., Die große Reise. In: Arbeiterwille, 15.7.1925, S. 5f., Die Stadt. In: Arbeiter-Zeitung, 18.7.1926, S. 20, Dei Straße. In: Arbeiter-Zeitung, 6.6.1926, S. 17, Weg der Armut. In: Arbeiter-Zeitung, 1.1.1928, S. 19, Das rote Lied. In: Arbeiter-Zeitung, 25.12.1928, S. 14, Großstadtballade. In: Arbeiter-Zeitung, 21.4.1929, S. 17, Gang des Arbeitslosen. In: Arbeiter-Zeitung, 5.1.1930, S. 19, Romantische Fahrt. In: Die Bühne (1933), H. 363, S. 36ff, Der Brief. In: Arbeiter-Zeitung, 19.1.1934, S. 6.

Literatur

H. Exenberger: Thekla Merwin – Eine österreichische Schriftstellerin. In: Jahrbuch 1991. Dokumentationsarchiv des österr. Widerstandes (1991), 113-114; Ders.: Als stünd’ die Welt in Flammen. Eine Anthologie ermordeter sozialistischer SchriftstellerInnen (2000); S. Blumesberger u.a. (red.): Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft 18. bis 20. Jhdt (=Bd 2) (2002); A. Emanuely: Thekla Merwin. In: Zwischenwelt (3/2012), 39-40.

Weitgehend vollständiges Verzeichnis ihrer Zeitungsbeiträge bei theodorkramer.at.
Eintrag bei doew.at.

(PHK)