Ortner, Hermann Heinz

geb. am 14.11.1895 in Bad Kreuzen (OÖ) – gest. am 18.8.1956 in Salzburg; Dramatiker, Schauspieler, Regisseur

Nach dem Besuch des Marienkonvikts in Freistadt absolvierte O. eine kaufmännische Lehre und übersiedelte 1915 nach Wien. Dort studierte er Schauspiel u. erwarb sich durch Bühnenengagements entspr. Praxis. 1919 trat er erstmals als Verf. einer Tragödie, Das Vaterhaus, an die Öffentlichkeit; ihr folgte 1920 Mater dolorosa sowie das Traumspiel Das Märchen. Im selben Jahr begründete er die Reichenberger Festspiele. 1921 erzielte O. mit dem ‚ernsten Spiel‘ Christus Heimdal einen weiteren Erfolg; 1922 heiratete er die aus einer jüd. Fam. stammende Schauspielerin Berta Schirmer-Schermann, von der er sich 1927 wieder scheiden ließ und die 1941 nach Riga deportiert u. ermordet wurde. 1923 erschien die Trilogie Mutter, der neben Mater dolorosa die Stücke Sumpf und Steile Berge angehörten, alle zunächst in Linz uraufgeführt, in Buchform. Das NWTbl. bezeichnete den Autor als „begabt“, ortete aber eine Abhängigkeit von K. Schönherr („im Bann der herben und harten Muse K. Schönherrs“). 1924 trat O. aus der Sozialdem. Partei aus, der er seit Anfang der 1920er angehört hatte; 1925 feierte er mit der Tragödie Steile Berge, in der eine Mutter, die ihren Sohn, einen invaliden Kriegsheimkehrers aus russ. Gefangenschaft, zu verbrecherischen Handlungen anstachelt, mit der Exl-Bühne einen weiteren Erfolg. 1926 wird O. Chefdramaturg der Neuen Wiener Bühne (bis 1928); seine 1927 dort uraufgef. Päpstin Johanna Angelica trifft auf kontroverse Aufnahme: zwischen Sentimentalität (Kl.Blatt) u. „histor. Revue mit Musik und päpstlichen Girls“ (R.H[olzer]). 1928 wird O. der Preis der Stadt Wien für Dramatik zuerkannt; im selben Jahr stellt er einerseits das Mysterienstück Tobias Wunderlich (UA 1929, Burgtheater) fertig, andererseits markiert sein auf kleinen Bühnen aufgef. Schauspiel Auferstehung. Die Befreiung eines Volkes seine Annäherung an völkisch-mysthische Themen u. zunehmend antidemokrat. u. antiintellektuelle ideolog. Haltungen (J. Danielczyk). Mit dem Wunderlich gelang O. der Durchbruch an größeren Bühnen (1929 auch in München, 1933 auch als Radiospiel in der Regie von F. Herterich gesendet) und dies trotz mancher Vorbehalte in der Kritik, z.B. bei R. Holzer, der ihm bei aller Bewunderung einen Hang zur Imitation (M. Mell und eine „Mühlviertler Vision von  August Strindberg“) attestierte.  Schon im darauffolgenden Jahr lieferte O. mit der Sebastianlegende, die als Gastspiel der Exl-Bühne wieder auf breite Resonanz stieß, ein weiteres Legenden- u. Wunderspiel nach, das mit Katharinas Verkündigung wieder eine Trilogie ergab. B[recka] lobte in der christlichsoz. Reichspost ausdrücklich die „volkstümlichen Umrisse der bäuerlichen Gestalten“, äußerte aber auch Bedenken hinsichtl. der Verbindung eines Legendenstoffs „mit erotischen Momenten“. Von 1930-37 war er in dritter Ehe mit der einflussreichen Schauspielerin Elisabeth Kallina verheiratet. 1931 folgte das Schauspiel Wer will unter die Soldaten, das sich kritisch mit dem kindlichen Soldaten-Zauber befasst, aber, so Holzer in der Wiener Zeitung, etwas zu spät kam. Zur selben Zeit etwa stellte er sein Bauernkriegsdrama Stefan Fadinger fertig, der in der zeitgenöss. Disk. bereits als Deckfigur für A. Hitler galt, wie J.L. Stern in einem Vortrag festhielt. Es wurde 1934 vom Spielplan des Linzer Stadttheaters abgesetzt, um dann 1937 in München uraufgeführt u. kurz darauf in Radio Wien als „Ortners Glaube und Heimat“-Bekenntnis begrüßt zu werden. Anfang der 1930er Jahre unternahm O. auch mehrere Reisen, u.a. bis Nordafrika, aus denen Radioberichte entstanden. Zwischen 1934 u. 1938 war O. sowohl für die austrofaschist. Kulturpolitik aktiv, z.B. ab 1935 in der Vaterländischen Front für die Stärkung der Österreichische[n] Länderbühne, als auch in illegalen (Tarn)Organisationen der Nationalsozialisten, etwa im Bund deutscher Schriftsteller Österreichs, der 1938 auch das sog. Bekenntnisbuch herausgab. 1936 erhielt er zus. mit Paula Grogger, J.F. Perkonig, Friedrich Schreyvogl, Heinrich Waggerl u. Josef Wenter das Verdienstkreuz für Wissenschaft u. Kunst u. zählte zu den erfolgreichsten dramat. Autoren jener Jahre. 1938 deklarierte sich O. nicht nur für den Anschluss, sondern legte eine Reihe von Texten vor, in denen das deutschvölkische Moment massiv zum Ausdruck kam, u.a. das Volksabstimmungsschauspiel Ein Volk steht auf aber auch das histor. Drama Isabella von Spanien (UA 1940). Seit 1938 zählte Ortner neben Billinger zu den meist gespielten österr. Autoren auf allen deutschen (NS)Bühnen, – allein das Isabella-Drama wurde 1940 an 150 deutschen Bühnen aufgeführt. 1939 wurde O. als Obertruppführer in den den sog. Kulturkreis der SA berufen (NWTBl., 22.2.1939) u. kurz darauf, neben F. Schreyvogl u. J. Wenter mit der Sparte Drehbuch in der aus der Tobis-Sascha hervorgegangenen Wien-Film AG betraut. 1941 veröffentl. O. eine Reihe von Reisefeuilletons im NWTBl. u. erhielt den ersten Gaukulturpreis Oberdonaus. 1943-44 kam es zu Unstimmigkeiten mit der NSDAP, die zu einem rund einjährigen Ausschluss, aber auch zum Wiedereintritt führten. Nach 1945 gelang es Ortner, sich erstaunlich rasch wieder in den Theaterbetrieb der Nachkriegszeit zu integrieren.


Weitere Werke

Schuster Anton Hitt. Volksstück (1932); Beethoven (1934, UA 1935); Singende Jugend. Sängerknabenfilm (Drehbuch, 1936); Himmlische Hochzeit (1936, überarb. 1938 zu: Wiederkehr); Auferstehung (1938), Eine Kindheit in Braunau (Radiofeuilleton, 1938); Veit Stoß (1941); Das Paradiesgärtlein (1941); Himmeltau (1943)

Quellen und Dokumente

Die Meininger aus dem Volke. In: Die Bühne, H. 161 (1927), S. 6; Eine Päpstin. In: Das Kleine Blatt, 31.3.1927, S. 10;

B.: Sebastianlegende. In: Reichspost, 27.1.1930, S. 1f.; Rudolf Holzer: Tobias Wunderlich. In: Wiener Zeitung, 20.6.1929, S. 1f.; Rudolf Holzer: Wer will unter die Soldaten. In: Wiener Zeitung, 22.3.1931, S. 2f.; Alois Nagele: Hermann Heinz Ortner. In: Radio Wien, 4.6.1937, S. 8; Zeno v. Liebl: Ein Leben für Spaniens Größe. In: Neues Wiener Tagblatt, 5.5.1940, S. 18; -tr-: Komödienhaus. In: Neues Wiener Tagblatt, 10.5.1923, S. 8; Ernst Spitz: Hermann Heinz Ortner: Versuch einer Charakteristik. In: Tagblatt, 13.7.1929, S. 11; N.N.: Theater, Kunst und Literatur. In: Linzer Tages-Post, 1.10.1920, S. 6; N.N.: Vom Bücherflohmarkt. In: Tagblatt, 16.10.1923, S. 8; N.N.: Theater und Kunst. Wiener Komödienhaus. In: Wiener Zeitung, 14.2.1925, S. 5; N.N.: Tobias Wunderlich. In: Radio Wien, 14.4.1933, S. 4; N.N.: Aus dem Beethoven von Hermann Heinz Ortner. In: Die Bühne, H. 398 (1935), S. 14; N.N.: Zur Festaufführung von Hermann Heinz Ortners Werk: „Ein Volk steht auf!“. In: Neues Wiener Tagblatt, 19.4.1938, S. 4; Tagebücher. Aufzeichnungen aus bewegten Zeiten: Benjamin Kewall 1884, Hermann Heinz Ortner, Enrica von Handel-Mazzetti 1914-17 (siehe online unter Literaturhaus.at)

Nachlass: Stifter Haus Linz.

Literatur

U. Baur, K. Gradwohl-Schlacher: Literatur in Österreich 1938-1945. Handbuch eines literarischen Systems. Bd. 3, Oberösterreich. Wien u. a. 2014, 312-323; J. Danielczyk: Selbstinszenierung. Vermarktungsstrategien des österreichischen Erfolgsdramatikers Hermann Heinz Ortner. Wien 2003; Dies.: Hermann Heinz Ortner – Selbstinszenierung eines Erfolgsdramatikers. In: B. Kirchmayr (Hg.): Kulturhauptstadt des Führers. Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich. Ausstellungskatalog. Linz 2008, 215-219.

(PHK)