Photomontage

In der österreichischen Zwischenkriegszeit ist dieser Ausdruck erst 1927 in einem Bericht der Zs. Photographische Korrespondenz von W. Warstatt (Stettin) über Neuere Stilwandlungen in der bildmäßigen Photographie mit Bezugnahme auf Arbeiten von L. Moholy-Nagy belegt (1.7.1927, 209f.). Im Umfeld der entstehenden Reportage-Literatur seit 1924-25 kam die montageartig eingesetzte Fotographie allerdings schon früher zum Einsatz, vor allem in der Covergestaltung. Ein Beispiel dafür war die Reportage Gruben, Gräber, Dividenden von Leo Lania (1925), zu der John Hartfield das Cover im Sinn einer Fotomontage beisteuerte. Gegen Ende der 1920er Jahre wurden schon diverse Ausgaben, z.B. 1928 die Upton Sinclair-Ausgabe (Malik) u.a. auch mit Verweis auf deren Fotomontage-Covers von Hartfield intensiv beworben (RF, 16.9.1928, 5). Auch im Film gerieten diese Technik und daraus ableitbare Perspektiven in den Fokus der Aufmerksamkeit, wie ein Beitrag von I. Grimm am 29.3. 1929 in der Zs. Das Kino-Journal dokumentiert. 1930 veranstaltete der Österreichische Werkbund im Museum für Kunst und Industrie eine Fotografie-Ausstellung; in der AZ (1.3.1930) wurden im Bericht darüber insbesondere Fotomontagen von El Lissitzky, J. Hartfield und L. Moholy-Nagy als interessant wie innovativ eingestuft.

Als weiteres Beispiel der (Photo)Montage als innovatives künstlerisches Prinzip bezeichnete F. Rosenfeld in einer Besprechung Erich Kästners Gedicht-Chancon-Zyklus Leben in dieser Zeit, der im Rahmen eines Arbeitersymphoniekonzertes Ende Jänner 1931 zur Aufführung gelangte. Kritische Lichter auf die sozialen und politischen Verhältnisse in Form von Photomontagen warf seit 1929 auch die illustrierte (sozialdemokrat.) Wochenzeitung Der Kuckuck, z.B. anlässlich der neuen Bundeshymne (2.3.1930), von Erste Mai-Propganda-Montagen oder Montagen für die Wahlpropaganda im Okt. 1930, Anti-NS- und Anti-Heimwehr-Montagen, für die meist Siegfried Weyr (1890-1963) verantwortlich zeichnete.

Ein weiterer maßgeblicher Photokünstler und Covergestalter war Artur Stadler, von dem u.a. das berühmte Cover Auf ins Dritte Reich stammte (12.2.1933). Dagegen denunzierte Der Tag z.B. die in der Ausstellung ›Kunst und Alltag in Sowjetrussland‹ (Juni 1931) gezeigten Exponate als Photomontagen im Dienst der Agitation (während er die Ausstellung selbst gleichwohl empfahl). 1932 häuften sich in Deutschland Beschlagnahmungen von Covers, die auf Photomontagen basierten und meist von J. Hartfield gestaltet wurden, z.B. eine Ausgabe der AIZ wegen seiner Montage Krieg und Leben oder die dt. U. Sinclair-Ausgabe des Romans Alkohol, gegen die eine einstweilige Verfügung durch die Rechtsvertreter von zwei Whisky-Firmen angestrengt wurde.

Ab Ende 1933 gingen die politisch-satirischen Photomontagen schlagartig zurück; in der Zeit des Austrofaschismus waren sie nur mehr im Kontext von phototechnischen Zeitschriften präsent oder dienten Reklame- und Propagandazwecken, z.B. 1937 auf der Pariser Weltausstellung. Österreichs Beitrag bestand dort in einer raumgroßen Photomontage verschiedener Ansichten der Großglocknerstraße.


Literatur

Stefan Riesenfellner, Josef Seiter (Hgg.): Der Kuckuck. Die moderne Bildillustrierte des Roten Wien. Mit einem Beitrag von Murray G. Hall. Wien 1995; Joyce Tsai: Der Kuckuck and the problem of worker’s photography in Austria. In: Journal of History of Photography Nr.3/2005, 275-286.

Quellen und Dokumente

Marianne Jobst-Riedler: Politische Plakate in Österreich im 20. Jahrhundert. Online verfügbar unter: https://www.onb.ac.at/koop-poster/projekte/Oesterr_Plakatgeschichte.pdf

L. Moholy-Nagy: Zirkus. In: Photographische Korrespondenz, Juli 1927, 209-210; Iwan Grimm: Studiofilm und Reprisenkino. In: Kino-Journal, 23.3.1929, 28-29;N.: Sei gesegnet ohne Ende…(Bundeshymne-Montage). In: Der Kuckuck, 2.3.1930, S. 3; S. Weyr: Wahlkampf-Montage. In: Der Kuckuck, 19.10.1930, S.2;F. Rosenfeld: Leben in dieser Zeit. In: AZ, 21.1.1931, S. 8; S. Weyr: Die Ballade vom Unterschied. In: Der Kuckuck, 4.1.1931, S.4; A. Stadler: Auf ins Dritte Reich. Cover: Der Kuckuck, 12.2.1933, 1; A. Stadler: Trotz Tod und Terror. In: Der Kuckuck, 19.3.1933, S. 3; A. Selinko: Unser Pariser Pavillon. In: Die Bühne, H. 452/1937, S. 2-3.

(PHK)