Saturn-Verlag

Gegründet im März 1926 (gem. Anzeige in der Österreichischen Buchhändler-Correspondenz) von Fritz Ungar (ab 1939 im US-Exil: Frederick Ungar), der zuvor im Phaidon Verlag Dr. Horovits (gegründet 1923) tätig war.

Verlagsadresse: Wien 1, Lichtenfelsgasse, ab 1929 Wien 1, Teinfeltstr. 4.

Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte erst im Mai 1933, nachdem sich im Okt. 1932 eine Genossenschaft m.b.H. unter dem Namen ›Literarischer Verlag‹ konstituiert hatte, die dann im Nov. 1932 in Saturn Verlag umbenannt wurde (s. M. Hall).

Die Gesamtproduktion belief sich, so M. G. Hall, bis 1938 auf etwas über 70 Bände; das Profil des Verlags lag anfangs auf belletristischer und v.a. aus dem Englischen übersetzter Literatur sowie auf Sachbüchern und Anthologien. So übersetzte z.B. Ludwig Goldscheider Romane von O.M. Hueffer und William J. Locke.

Der erste literarische Text eines bereits bekannten Autors war der Roman Fräulein Narziss von Kurt Sonnenfeld (1930), den Dora Stockert-Meynert als wertvolles „Dokument der Zeit“ in der WZt. besprach; ihm folgte der Russland-Roman Das Geheimnis des Reichs von H. v. Doderer (1931); 1932 erschienen neben einigen Sachbüchern die Lyrikbände Wanderer im Herbst von Herbert Strutz und Der ewige Refrain von Friedrich Torberg, aber auch eine Anthologie englischer Lyrik seit Swinburne und eine szenische Bearbeitung von Platons Das Gastmahl durch Franz Kobler. Auch der Roman Schicksal Maschine von Stephan Pollatschek, Mitarbeiter der AZ, in der 1930 sein Roman Gericht in Fortsetzungen gedruckt worden war, erschien noch 1932; er traf allerdings auf zwiespältige Aufnahme. 1933 wurde eine auf etwa 10 Bde. Angelegte Otto Stoessl-Werkausgabe begonnen, von der allerdings nur vier Bände erschienen; das Jahresprogramm war wieder stark von Lyrikbänden, u.a. von Eugen Lendvai, und Sachbüchern wie z.B. Der Volksarzt von Paul Stern, geprägt; auch H. Strutz war wieder mit einem Bd. vertreten, mit dem Roman Die ewigen Straßen. Die repräsentativste Anthologie war freilich jene unter dem Titel Österreichische Lyrik der Gegenwart, hgg. von R. Brasch und R. Schafer, die neben arrivierten Lyrikern wie R. Beer-Hofmann u. St. Zweig u.a. F. Braun, R.J. Kreutz, M. Mell, H. Nüchtern, F. Schreyvogl, E. Scheibelreiter oder E. Waldinger versammelts sowie den weiblichen Stimmen G. Berger, M. Hofmann, A. J. Koenig oder K. Braun-Prager Raum gab. 1935 folgten u.a. auch österreichpatriot. Schriften, die unverkennbar im Umfeld des Austrofaschismus angesieidelt waren: Das Herz Europas, hgg. von V. Tautzl u. O. Benda, ferner die kolonialistische Publikation Abessinien: Die schwarze Gefahr und Bd. 2 der Stoessl-Ausgabe aber auch F. Koblers Juden und Judentum in Briefen in der 2. Auflage oder St. Pollatscheks John Law (2. Aufl.). 1936 folgten der Essaybd. Geist und Gestalt der Werkausgabe Stoessls, ferner das Filmbuch Entschleierte Filmwelt von Hans Taussig, der Roman Delphi von Alfred Neumann sowie Voco von Richard Kapeller oder das Spanienbuch Katalonien gegen Kastilien von Anton Sieberer sowie weitere Romane und Sachbücher, womit wieder ein breites Publikationsspektrum bedient wurde. Diese Breite setzte sich auch 1937-38 fort; 1937 z.B. mit der Veröffentlichung der Ansprache bei der Trauerfeier für Karl Kraus durch E. Krenek, mit dem Van Gogh-Roman Flammen und Farben von St. Pollatschek, dem Roman Mensch und Erde von Herbert Müller-Guttenbrunn oder dem Sachbuch Autodolmetsch, 1938 durch einen weiteren Bd. Koblers über Jüdische Geschichte in Briefen aus Ost und West, einem Rhetorik-Handbuch von R. Lohan oder das Schauspiel Eugenie von Hans Müller, obwohl sich der Verlag eigentlich schon seit 1937 in Liquidation befand.

Am 8.6. 1938 beantragte Ungar, knapp vor seinem Weggang ins US-Exil, die Löschung aus dem Handelsregister. Er wurde daraufhin arisiert, aber unter demselben Namen weitergeführt.


Quellen und Dokumente

Henrik Magnus‘ Glück und Ende. Der Lebensroman eines Hellsehers. In: Neues Wiener Journal, 19.7.1930, S. 9, Dora Stockert-Meynert: Buchanzeigen: „Fräulein Narziß“. Der Roman einer Schönheitskönigin. Von Kurt Sonnenfeld. In: Wiener Zeitung, 29.8.1930, S. 3f., Platon: Das Gastmahl. Dramatisch bearbeitet von Franz Kobler und Ernst Müller. In: Salzburger Wacht, 22.11.1932, S. 4, hlk.: Stephan Pollatschek: Schicksal Maschine. In: Bildungsarbeit XIX (1932), S. 251, Ernst Schönwiese: Ernst Waldinger: Die Kuppel. In: Wiener Magazin (1935), H. 7, S. 93f., Bruno Heilig: Jüdische Tragödie in Briefen. In: Der Morgen, 28.10.1935, S. 6, „Du und dein Kind“ von Anton Tesarek. In: Der Morgen, 3.8.1936, S. 8, m.e.: Briefe über das Judentum. In: Gerechtigkeit, 9.4.1936, S. 4, w. stein: Jüdische Geschichte in Briefen. In: Die Stimme, 24.1.1938, S. 3, Anzeige zu Jugendbüchern. In: Die Bühne (1939), H. 25, S. 2.

Literatur

Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte. Wien-Köln-Weimar 1985, Bd. 2, 82f. (Online verfügbar); ders.: Verleger Frederick Ungar gestorben. 1898–1988. In: Anzeiger des österreichischen Buchhandels, 124/1989, 1/2, 15.

Edwin McDowell: Frederick Ungar, 90, Founder of Publishing House. In: New York Times, 18.11.1988.

(PHK)