Werbezirk, Gisela
geb. am 8.4.1875 in Pressburg – gest. am 10.4.1956 in Hollywood/Kalifornien; Schauspielerin, Kabarettistin
W. wuchs als Tochter des Sekretärs des Freistädtischen Theaters in Pressburg auf. Nach der Schauspielausbildung in Wien gab sie in Pressburg 1905 neben Max Pallenberg ihr Debüt und wurde von Josef Jarnoeigentlich Josef Kohner, geb. am 24.8.1866 in (Buda)Pest – gest. am 11.1.1932 in Wien; Schauspieler, Regisseur, Theat..., ab 1899 Intendant des Theaters in der Josefstadt, entdeckt. 1906-1919 wirkte sie an verschiedenen von Jarno geleiteten Wiener Bühnen, darüber hinaus in Etablissements, der Rolandbühne im Prater und dem Budapester Orpheum. Ab 1920 spielte die Gattin des Wiener Schauspielers und Kaffeehausbesitzers Hans Piffl (1885-1951) in verschiedenen Häusern in der Weimarer Republik, u.a. am Deutschen Theater sowie im Kabarett der Komiker in Berlin. In Wien trat sie u.a. im Kabarett Simpl, im Chat noir, 1927-1938 neuerlich im Theater in der Josefstadt sowie 1930-1935 im RaimundtheaterDie Gründung des Raimundtheaters ging auf eine Initative von rund 500 Wiener Bürgern zurück, die sich 1890 zum „Wie... auf. Darüber hinaus gastierte W. u.a. am Carl-TheaterBegründet 1781 als Leopoldstädter Theater (2. Bezirk, Praterstraße), 1838 an Carl Carl verkauft, geschlossen 1929 (Di..., am Theater an der Wien, bei den Salzburger Festspielen und am Karlsbader Theater. Im März 1938 emigrierte sie über Abbazia und die Tschechoslowakei in die USA, wo sie als Giselle Werbise(c)k in New York (etwa im Ensemble der Österreichischen Bühne) und in Los Angeles auftrat und bereits ab April 1939 an Hollywoodproduktionen (u.a. Die Braut des Gorillas, 1951), aber auch in der Verfilmung von Anna Seghers The Seventh Cross (1944, Regie Fred Zinnemann) mitwirkte. Nach 1945 blieb sie in den Vereinigten Staaten und stand noch bis 1953 u.a. mit Paul Hörbiger und auf Tournee mit dem Kabarett der Komiker um Oskar Karlweis auf der Bühne.
Vor allem an der Rolandbühne 1919-1925/26 avancierte W. in der Rolle der großherzigen, stereotypisch korpulenten kleinbürgerlich-jüdischen Ehefrau, Mutter oder Tante sowie als „komische Alte“ zum Bühnenliebling und, hervorgehoben durch Anton Kuh, zum Gesicht des jüdisch dominierten Bezirks Leopoldstadt mit seinen zahlreichen Theatern und Etablissements. Sie brillierte in häufig auf sie zugeschnittenen Komödien von Alfred Deutsch-German und Armin Friedmann, allen voran in dem innovativen, 1923 uraufgeführten Stück Frau Breier aus Gaya, das Filmeinspielungen, die die in Wien-Leopoldstadt angesiedelte Geschichte kurzzeitig in die südmährische Stadt Gaya/Kyjov verlegte, umfasste. Regie führte Karl FarkasGeb. 28.10. 1893 in Wien, gest. 16.5.1971 in Wien. Der Sohn der ungarischstämmigen Eltern Moritz und Franziska Farkas, ..., 1926 folgte die Verfilmung. 1928 war W. eine der Hauptdarstellerinnen in der Josephine-Baker-Revue Schwarz auf Weiß im Johann-Strauß-Theater.
Neben den umfänglichen Arbeiten für Theater und Kabarett gab W. 1912 als Mitglied des Ensembles Wiener Kunstfilm in der Komödie Wamperls und Siegellacks Liebesabenteuer nach einem Drehbuch von Felix Dörmann ihr Leinwanddebüt. 1914 spielte sie in Ludwig Anzengrubers Das vierte Gebot. In der Folge drehte sie häufig mit Heinrich Eisenbach und v.a. mit Armin Berg, mit dem sie als Köchin Kathi auch in Hans Karl Breslauers Verfilmung des Romans Die Stadt ohne Juden von Hugo Bettauer (1924) zu sehen war, danach auch in einigen weiteren Stumm- und Spielfilmen bis 1932, zuletzt in der Filmkomödie Wenn die Liebe Mode macht (1932).
Quellen und Dokumente
G. W.: Wir Komiker haben es besser. In: Der Querschnitt 7 (1927), 8, S. 580f., Theater im Sommer – Theater im Winter. In: NFP, 2.9.1937, S. 10.
Chanson: G. W.: Ich habe ‚La Garconne‘ gelesen (aus Clo-Clo von Franz Lehár, um 1925) [YouTube].
Anton Kuhgeb. am 12.7.1890 in Wien – gest. am 18.1.1941 in New York; Journalist, Schriftsteller, Redner Ps.: Frater Antoni...: Volkstheater. Gastspiel Werbezirk. In: Der Morgen, 3.3.1919, S. 4, Ludwig Hirschfeldgeb. am 21.5.1882 in Wien – gest. nach November 1942 im KZ Auschwitz (?); Schriftsteller, Kritiker, Übersetzer, ...: Die Werbezirk. Porträt einer Komikerin. In: NFP, 5.5.1921, S. 11, Felix Saltengeb. als Sziga bzw. Siegmund Salzmann am 6.9.1869 in Budapest, gest. 8.10.1945 in Zürich; österr. Schriftsteller, Jour...: Die Frau Werbezirk. In: NFP, 1.7.1923, S. 1-3, Ludwig Hirschfeld: Roland-Bühne. [Rez. zu Frau Breier aus Gaya]. In: NFP, 4.10.1923, S. 9, Anton Kuh: G. W. In: Der Querschnitt 7 (1927) 8, S. 578f., adaptiert zu: Bezirk der Werbezirk. In: A. K.: Der unsterbliche Österreicher, 71f. (1931), Friedrich Torberg: Die Erben der Tante Jolesch. Anhang. Nachrufe: Gisela Werbezirk oder Frau Breier aus Gaya in Hollywood, 239-241 (1981).
Literatur
Brigitte Dalinger: Popular Jewish Drama in Vienna in the 1920s. In: Edna Nahshon (Ed.): Jewish Theatre. A Global View, 175-198 (2009), Werner Hanak: Frau Breier aus Gaya meets The Jazz Singer. Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York. In: Barbara Eichinger, Frank Stern (Hg.): Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938. Akkulturation – Antisemitimismus – Zionismus, 463-481 (2009), Birgit Peter: Komische Strategien – Weiblicher Witz. Die Schauspielerin G. W. – weiblicher/jüdischer/österreichischer Witz? In: Monika Bernhold et al. (Hg.): Screenwise. Film – Fernsehen – Feminismus, 125-130 (2004), Lisa Silverman: Becoming Austrians. Jews und Culture between the World Wars, 88-91 (2012), Kay Weniger: „Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …“. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht, 77-79 (2011).
(ME)