Kuh, Anton

geb. am 12.7.1890 in Wien – gest. am 18.1.1941 in New York; Journalist, Schriftsteller, Redner

Ps.: Frater Antonius, Antoine de Lavache, Yorick

Als Sohn des jüdischen Prager Journalisten Emil Kuh (Neues Wiener Tagblatt) geboren, wuchs K. in Wien auf und verfasste bereits als Gymnasiast erste Kritiken für das Blatt seines Vaters sowie Beiträge für die Muskete und das Montagsblatt aus Böhmen. 1909 erschien nach zahlreichen anonymen Arbeiten das erste namentlich gezeichnete Feuilleton im Prager Tagblatt, wo K. seine publizistische Heimat findet. Ab 1917 schrieb er, vom Kriegsdienst verschont, auch für Siegfried Jacobsohns Schaubühne (ab 1918 Die Weltbühne), für das von Karl Tschuppik redigierte Zeitungsprojekt Der Friede und vor allem für die Montagszeitung Der Morgen. Als Rezensent schärfte er sein Profil als Kritiker des bürgerlichen Kulturbetriebs und ihrer medialen Öffentlichkeit – etwa mit Spott für Moriz Benedikt als Herausgeber der Neuen Freien Presse, den K. als „Nährvater der Verkalkten“ (Der Friede, 11.10.1918) geiselte – zunehmend. Im selben Jahr trat K. zu Gustav Meyrinks Golem erstmals als Stegreifredner in Erscheinung. Nach einer Mitarbeit an Benno Karpeles Der neue Tag, wo K. neuerlich u.a. auf Tschuppik, Alfred Polgar und Joseph Roth traf, übersiedelte er nach einer Tätigkeit als Wien-Korrespondent des Berliner Börsen-Courier in die Hauptstadt der Weimarer Republik, wo er am 19. Februar 1920 als Redner („Die sexuelle Revolution“) auf sich aufmerksam machen konnte. 1921 zurück in Wien veröffentlichte er den die Assimilation ebenso wie den Zionismus ablehnende Schrift Juden und Deutsche. Nach einem vorübergehenden Engagement beim Neuen Wiener Journal 1922/23 schloss sich K. Imre Békessys Boulevardblatt Die Stunde (Chefredakteur: Karl Tschuppik) an, was im Oktober 1925 mit der im Wiener Konzerthaus gehaltenen Rede Der Affe Zarathustras zum Höhepunkt des seit 1918 schwelenden Konflikts mit Karl Kraus führen sollte. Als Theaterkritiker der Stunde widmete er sich verstärkt populären Unterhaltungsformen wie Kabarett, Revue und Varieté, Zirkus und Tanz, initiierte aber auch publizistische Debatten u.a. zu Arnolt Bronnens Texten Exzesse (1922) und Anarchie in Sillian (1923).

Im Sommer 1926 zog K. wieder nach Berlin, wo er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften arbeitete, u.a. für die Vossische Zeitung, das Berliner Tageblatt, die B. Z. am Mittag, Die Weltbühne, Das Tage-Buch, den Querschnitt, Die Dame, Das Leben und Scherl’s Magazin, aber auch für den Münchner Simplicissimus, die Münchner Illustrierte Presse und die von Walter Tschuppik geleitete Süddeutsche Sonntagspost. Parallel dazu wirkte K. an mehreren Filmdrehbüchern mit, nach vereinzelten eigenen Auftritten feierte 1931 seine Bearbeitung von Nestroys Lumpazivagabundus auf der Berliner Volksbühne Premiere. Von sich reden machte K. weiterhin als Redner, weshalb ihn Tucholsky 1932 in einer Rezension wirkmächtig als „Sprechsteller“ titulierte. Bereits seit Kriegsende 1918 setzte sich K. mit dem Antisemitismus und dem aufkommenden Nationalsozialismus auseinander. Nach der notwendig gewordenen Rückkehr nach Wien übersiedelte K. Ende März 1933 nach Prag, wo er den Vortrag Der Geist des Mittelalters oder Worüber man nicht sprechen darf hielt. Ab Mitte 1934 schrieb er regelmäßig für Die neue Weltbühne und führte ein unstetes Leben zwischen Prag, Wien, Paris und London. Ab September 1936 auf der „Liste der deutschfeindlich tätigen Journalisten und Schriftsteller“, emigrierte K. in den Tagen des „Anschluss“ nach New York, wo er unter dem Pseudonym Yorick für den Aufbau publizierte.


Werke

Juden und Deutsche (1921) (Online verfügbar), Von Goethe abwärts (1922) (Online verfügbar), Börne, der Zeitgenosse (1922), Der Affe Zarathustras. Eine Stegreifrede von A. K., gehalten am 25. Oktober 1925 im Wiener Konzerthaussaal (1925) (Online verfügbar), Der unsterbliche Österreicher (1931) (Online verfügbar), Physiognomik. Aussprüche (1931) (Online verfügbar).

A. K.: Werke. Sieben Bde. Herausgegeben von Walter Schübler (2016).

Quellen und Dokumente

Kultur. Impressionen eines Passanten. In: Prager Tagblatt, 13.8.1909, S. 1-3, Ehrlich gestanden … In: Der Morgen, 22.7.1919, S. 5,  Die Burgtheaterlüge. In: Wiener Sonn- und Montagszeitung, 11.12.1922, S. 2f., Wie ich es rede. Bekenntnisse eines Improvisators. In: Neues Wiener Journal, 20.4.1924, S. 8f., Emigranten. In: Prager Tagblatt, 16.4.1933, S. 3, Asphalt und Scholle. In: Prager Tagblatt, 29.4.1933, S. 7.

-ls: Sexuelle Revolution [Rez. zum ersten Berliner Auftritt]. In: Vossische Zeitung, 27.2.1920, S. 2, Franz Blei: Zu A. K.s Sonntagsrede. In: Berliner Tageblatt, 14.12.1928 (a), S. 4, F. B.: Der Stegreifredner. In: Prager Tagblatt, 12.1.1929, Béla Balász: Nestroy einst und jetzt. In: Die Weltbühne 22 (1931), H. 23, S. 848-851, Peter Panter (d. i. Kurt Tucholsky): Auf dem Nachttisch. [Rez. zu Physiognomik]. In: Die Weltbühne 28 (1932), H. 5, S. 177-180.

Literatur

Oliver Bentz: A. K. Kaffeehausliterat zwischen Prag, Wien und Berlin (2017), Walter Schübler: Weandorf. A. K. und die Provinzialisierung der Metropole. In: Wolfgang Kos (Hg.): Kampf um die Stadt. Politik, Kunst und Alltag um 1930, S. 108-113 (2009), W. S.: Eine Wiener „Lokalgröße“? – Mitnichten! A. K.: eine Richtigstellung. In: W. S. (Hg.): A. K.: Jetzt können wir schlafen gehen! Zwischen Wien und Berlin, S. 218-224 (2012), W. S.: Nachwort. In: A. K.: Werke. Bd. 7, S. 555-603, Ders.: Anton Kuh. Biographie. Göttingen 2018; Traugott Krischke: Ein fast berühmter Mann: A: K. Collage (1993), Ulrich Weinzierl: K., A. In: Neue Deutsche Biographie 13 1982), S. 249 f. [Onlinefassung].

Beatrix Novy: Meister der Glosse und des Feuilletons. Zum 120. Geburtstag des Journalisten A. K. In: Deutschlandfunk, 12.7.2010, Radiobeitrag in der Reihe Chronisten, Reporter, Aufklärer (2002), Sammlung von Besprechungen zur Werkausgabe (2017).

Homepage der Anton-Kuh-Gesellschaft (u.a. mit Biographie und Bibliographie)

(ME)