Wiener Morgenzeitung
Aus der zwischen 1907 und 1920 wöchentlich erscheinenden, nationalzionistisch ausgerichteten Jüdische Zeitung hervorgehend erschien die Wiener MorgenzeitungAus der zwischen 1907 und 1920 wöchentlich erscheinenden, nationalzionistisch ausgerichteten Jüdische Zeitung hervorge... (WMZ) in der mit 30. Dezember 1918 gegründeten Jüdischen Zeitungs- und Verlagsgesellschaft m.b.H., die in der Wiener Taborstraße angesiedelt war. Mitbegründet u.a. von den Zionisten Isidor Margulies, Adolf Stand und Adolf Böhm wurde die erste Ausgabe am 19. Jänner 1919 publiziert. Prägende Figur und langjähriger Chefredakteur und Herausgeber wurde Robert Stricker, der aus der 1896 neugegründeten zionistischen Studentenverbindung Veritas kam, Mitherausgeber der Jüdischen Volksstimme und Gefolgsmann Theodor Herzls war. Er formulierte im Programmartikel der ersten Ausgabe:
Die Presse ist eine scharfe, gewichtige Waffe, und das Volk, welches über eine gute Presse verfügt, kann sich rasch und leicht zu seinem Rechte durchschlagen. […] Die „Wiener Morgenzeitung“ wurde von Juden gegründet und wird von Juden geschrieben, welche den geraden Weg gehen wollen, weil sie überzeugt sind, daß er allein zum jüdischen Volksrecht und zur heilsamen Verständigung mit anderen Völkern führt. […] Die „Wiener Morgenzeitung“ ist ein Judenblatt. Anderen brennt dieser Name wie ein Schandmal auf der Stirn, sie will ihn gerne tragen. (WMZ, 19.1.1919, S. 1)
Die WMZ stellte nach dem Ersten Weltkrieg die einzige deutschsprachige jüdische Tageszeitung Europas dar und war eng mit der Jüdischnationalen Partei in Österreich verbunden, die durch Stricker bei den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung ein Mandat erreichen konnte. Sie erreichte eine Auflage von 8.000 Stück. Neben jüdischen Aspekten in Kultur und Politik wurden mit der im Frühjahr 1919 von Anitta Müller-Cohenab 1921 Anitta Müller-Cohen, geb. am 6.6.1890 in Wien – gest. am 29.6.1962 in Tel Aviv; Sozialpolitikerin, Fraue... redigierten Beilage Frauenrecht und Frauenarbeit früh emanzipatorische Themenstellungen forciert. Auch die der Sozialdemokratie nahestehende Klara Mautnergeb. am 20.3.1879 in Wien – gest. am 22.10.1959 in Wien; Journalistin, Übersetzerin, Emigrantin und Remigrantin. M. ... konnte sich insbesondere mit Sozialreportagen und Feuilletons zwischen 1922-1927 als Autorin positionieren; als Feuilletonisten und Kritiker wirkten zudem Otto Abeles und Oskar Rosenfeldgeb. am 13.5.1884 in Koryčany (Koritschan, Österreich-Ungarn; heute: Tschechische Republik) - ermordet vermutl. im Aug... mit. Im Feuilleton kamen Erzählungen und Romane jüdischer Autor/innen, darunter auch Übersetzungen zum Abdruck, u.a. von Mosche Smilansky, Leopold Kompert, Schalom Asch und Joseph Opatoshu.
Der Verlag hatte durchwegs mit finanziellen Sorgen zu kämpfen. Am 17. September 1927 erschien ohne Vorankündigung die letzte Ausgabe der WMZ, am 29. März 1928 wurde das Konkursverfahren gegen die Gesellschaft eröffnet.
Quellen und Dokumente
Digitalisierte Ausgaben: Compact Memory, UB Goethe-Universität Frankfurt am Main
Robert Stricker: Ein Judenblatt. In: Wiener Morgenzeitung, 19.1.1919, S. 1, Bruno Freieigentlich Benedikt Freistadt, geb. am 11.6.1897 in Bratislava/Pressburg – gest. am 21.5.1988 in Klosterneuburg; Journ...: Unheilbar. In: Wiener Morgenzeitung, 19.1.1920, S. 1, Else Feldmanngeb. am 5. 2. 1884 in Wien – gest. 1942 im Vernichtungslager Sobibor Feldmann, jüdische Schriftstellerin und Jou...: Die Juden in Lainz. In: Wiener Morgenzeitung, 24.7.1921, S. 4f., Otto Abelesgeb. am 1.5.1879 in Rohatetz bei Nikolsburg/Mähren – gest. am 25.5.1945 in Tröbnitz; Journalist, Schriftsteller...: Franz Werfels „Bocksgesang“. (Uraufführung im Raimund-Theater.). In: Wiener Morgenzeitung, 12.3.1922, S. 5, Oskar Rosenfeld: Sommertage in Abbazia. Ouvertüre. In: Wiener Morgenzeitung, 22.7.1922, S. 3, Klara Mautner: Strindberg als Erzieher. In: Wiener Morgenzeitung, 22.10.1922, S. 11, E. G. Fried: Das Modebuch. Die Bücher des Schaufenster [zu Hugo Bettauers Freudlose Gasse]. In: Wiener Morgenzeitung, Literaturbeilage, 19.3.1924, S. 1, Anitta Müller-Cohen: Die Frauenfrage in Palästina. In: Wiener Morgenzeitung, 28.8.1927, S. 4f.
Rettungsaktion für die „Wiener Morgenzeitung“. In: Jüdische Presse, 11.3.1921, S. 3.
Literatur
Dieter Hecht: Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt. In: Frank Stern, Barbara Eichinger (Hg.): Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938. Akkulturation – Antisemitismus – Zionismus, S. 99-114 (2009), D. H.: Jüdischnational-Zionistische Parteizeitungen. In: Chilufim 7/2009, S. 67-82, Dieter Mühl: Die Wiener Morgenzeitung und Robert Stricker. Jüdischnational-zionistischer Journalismus in Wien. In: Michael Nagel (Hg.): Zwischen Selbstbehauptung und Verfolgung. Deutsch-jüdische Zeitungen und Zeitschriften von der Aufklärung bis zum Nationalsozialismus, S. 253–268 (2002).
(ME)