Jacques Hannak: Die Krise des Zionismus. (1927)

        In Basel ist im September der 15. Zionistenkongreß abgehalten worden. Als Jubiläumskongreß war er einberufen worden — sind es doch genau dreißig Jahre, seitdem, ebenfalls in Basel, der erste Kongreß getagt hat —, aber mit Mißstimmung und Resignation hat er geendet. Was vor drei Jahrzehnten mit dem frischen Schwung des Glaubens an eine große Sache begonnen worden ist, liegt heute krank und siech darnieder.

                 Als mit dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts der Kapitalismus seinen Siegeszug durch West- und Mitteleuropa antrat, da holte er auch den Juden wieder aus dem Dämmerzustand der Geschichtslosigkeit in das helle Licht des freien Wettbewerbs empor. Es ist bekannt, welch hohen Anteil das Judentum an der Entfaltung der Produktivkräfte des Kapitalismus, an seiner Organisation, seinem technischen Fortschritt, seinen Banken und Börsen besitzt. In der Herrenklasse der kapitalistischen Nationen haben überall auch Juden Heimatrecht. Auf der andern Seite aber erwirkte der Sieg des Liberalismus auch den mittel-, kleinbürgerlichen und proletarischen Schichten des Judentums die volle staatsbürgerliche Freiheit des Ringens um das tägliche Stückchen Brot. Bald wurde die Beweglichkeit des jüdischen Elements zur empfindlichen Konkurrenz. Der Gegensatz wäre in wenigen Generationen durch die Aufsaugung des jüdischen Elements bereinigt worden, wenn nicht ein unheimliche, in seiner Kraft schier unversiegbares Wesen die blutende Wunde immer wieder -neu aufgerissen hätte: der Koloß Rußland, dessen außerhalb der kapitalistischen Einflußsphäre liegende mittelalterliche Gesellschaftsverfassung von Jahr zu Jahr Massen jüdischer Elendsmenschen, behaftet mit allen Qualen und allen Lastern des Gettos, nach Westenuropa abstieß. Diese lumpenproletarischen, kulturlosen, unorganisierten Menschen waren es, welche durch den ungeheuren Druck ihrer Zahl, durch das Angebot ihrer Hände und ihre durch Not und Jammer begreifliche Skrupellosigkeit den Lebensstandard der übrigen mittelständischen und proletarischen Gruppen bedrohten. Als obendrein in den siebziger und achtziger Jahren der Kapitalismus nach den vorangegangenen „Gründerjahren“ einen ersten Rückschlag erlitt, den vor allem die besitzlosen Klassen zu tragen hatten, war die Reaktion darauf jene Welle des Antisemitismus, von der sich zum Beispiel in Österreich Lueger zur Höhe hat tragen lassen.

                 Der Antisemitismus wurde schon um weniges später als der „Sozialismus des dummen Kerls“ entlarvt, und zwar von jener Großmacht, die Luegers Herrschaft ablösen sollte: von der Sozialdemokratie. Erst ihr Auftreten hat die Massen verstehen gelehrt, wie in Wahrheit die Lösung der Judenfrage möglich ist,// erst ihr Auftreten hat dem arbeitenden Volke gezeigt, daß nur eine Verschüttung des Quells, dem das Übel entspringt, die Verschüttung des mittelalterlichen RußIand, der Sieg der Revolution auch im Osten Europas, die Kulturlosigkeit ‚der Menschen dieses Gebiets aufheben und sie zur Höhe westeuropäischer Gesittung emporführen könne.

                 Das ist ein langwieriger, ein geschichtlicher Prozeß. Die Ungeduld der vom Antisemitismus bedrängten Juden aber ertrug es nicht, so lange zu warten. Assimilation, Anpassung und Aufgehen in den Wirtsvölkern schien unmöglich, solange aus dem Osten immer wieder neues Getto einströmte. Also – das Gegenteil. Wenn uns die andern ablehnen, so wollen wir justament uns zu uns selber bekennen. Wenn der Gettojude euch nicht gefällt, so wollen wir selber Gettojuden sein! Die Antwort der jüdischen Intellektuellen auf den Antisemitismus ist das Bekenntnis zum jüdischen Nationalismus: ein Nationalismus der Abwehr.

                 Aber was war damit geholfen? Man schafft ein Übel nicht aus der Welt, indem man sich einfach zu ihm bekennt. Da trat Theodor Herzl auf, ein junger Schriftsteller, Redakteur der „Neuen Freien Presse“, und weil er begabt war, von ihr sehr schlecht behandelt. Ihm war es klar, daß das bloße Pochen auf die Existenz einer jüdischen Nation nicht taugte. Es mußte mehr geschehen. Wenn man die Situation der in Westeuropa wohnenden Juden bessern wollte, mußte der Zustrom aus dem Osten versiegen, mußte dieser Zustrom in ein anderes Bett geleitet werden: Palästina! So entsprang dem Kopfe Herzls die moderne zionistische Idee.

                 Mit der berühmten Programmforderung „einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte der Juden in Palästina“ organisierte und mobilisierte Herzl den ersten zionistischen Kongreß in Basel im Jahre 1897. Sein zündendes Wort fand begeisterten Widerhall. Die zionistischen Organisationen schossen nur so in die Halme und die ganze jüdische Jugend Europas und Amerikas hatte ein neues Ideal. Im Iuftleeren Raume bloßer Propaganda ließ es sich ja auch wunderbar experimentieren und schwärmen. Doch schon Herzl war Realpolitiker genug, die kommenden Schwierigkeiten zu ahnen. In einem gewissen Zeitpunkt wäre er sogar bereit gewesen, Palästina preiszugeben, als sich die Aussicht bot, eine jüdische Kolonie in Uganda gründen zu können. Herzls früher Tod ersparte ihm die Enttäuschungen, die seinen Nachfolgern nicht vorenthalten blieben.

                 Zwei entscheidende Schwierigkeiten standen der kleinbürgerlichen Utopie des Zionismus entgegen: zunächst einmal die politische Schwierigkeit, die darın beruhte, daß Palästina Bestandteil jener Türkei war, an deren Sterbelager die Aasgeier des Imperialismus versammelt waren, um jeder die fettesten Bissen der Beute bei erster Gelegenheit an sich zu reißen. Das orientalische Problem durch die Judenfrage noch verwickelter zu machen, dazu bestand nirgends besondere Geneigtheit. So mußte der Zionismus schon in der Vorkriegszeit viel Wasser in seinen Wein gießen und, um nicht nichts getan zu haben, wenigstens mit individueller Siedlertätigkeit durch den Ankauf von Grund auf palästinensischem Boden beginnen. Franz Oppenheimer hat damals den Gedanken seiner Siedlungsgenossenschaften in Palästina propagieren wollen. Aber über unbeträchtliche Versuche ist keine der Siedleraktionen hinausgekommen.

                 Eine entscheidende, dem Zionismus scheinbar äußerst günstige Wendung trat durch den Weltkrieg und die berühmte Balfour-Deklaration ein, jene Erklärung des englischen Minissters, daß im Falle des Sieges der Ententemächte der Judenstaat Palästina unter dem Schutze der Entente gegründet werden solle. Es war ein ausgezeichneter Schachzug Englands, das damit die Sympathien eines großen Teiles der Juden aus aller Welt auf die Seite der Entente hinüberriß. AIs die Mittelmächte zusammengebrochen waren, hielt England sein Versprechen ein. Es fiel ihm leicht. Auf Grund eines Mandats des Völkerbundes wurde es damit betraut, als „Mandatarmacht“ beim Aufbau des „nationalen jüdischen Heims“ die Obergewalt in Palästina an sich zu nehmen. Nach Artikel 4 des Mandats soll eine Jewish Agency, das heißt eine Vertretung der Juden, eingerichtet werden, welche der Mandatarmacht „beratend“ beizustehen hat. Als solche Jewish Agency wird die zionistische Organisation anerkannt, „solange die Man//datarmacht diese Organisation für diese Funktion als geeignet befindet. Also England gestattet, solange es ihm gefällt, daß der Wüsten- und Sumpfboden Palästinas von jüdischen Einwanderern urbar gemacht werde.

                 Damit sind wir zu der anderen, noch verhängnisvolleren Schwierigkeit der zionistischen Aktion gelangt: zu ihrer ökonomisch-sozialen. Es war der Grundfehler der zionistischen Illusion, daß sie wähnte, mit einer bloßen Richtungsänderung des Stromes der osteuropäischen Juden das Problem bewältigen zu können. In der Theorie nahm es sich sehr gut aus, den auswandernden Gettojuden nicht mehr nach Deutschland und Österreich, sondern na Palästina zu bringen. Aber in der Praxis zeigte sich sehr rasch, daß das Gefälle dieses mächtigen Wanderungsstromes ein viel zu starkes war. Innerhalb kurzer Zeit war Palästina „verstopft“, vor seinem Eingangskanal brodelte und schäumte es unter dem Drucke der nachdrängenden Einwanderermassen. Das Heilige Land, die durch Generationen vererbte messianische Hoffnung, es Iag vor ihnen und sollte sie nun alle aufnehmen, so, wie es war: arm, wirtschaftlich unerschlossen, sumpfreich, unkultiviert, und so, wie sie waren: arm, wirtschaftlich unerfahren, kulturlos. Vergeblich opferte sich die Blüte der jüdischen Jugend Zentraleuropas, die Pioniere einer höheren Kultur, in den Morästen und Sandwüsten des Landes, vergeblich hungerte sich ihr Idealismus durch die Kargheit des Bodens, vergeblich sanken sie im Sumpffieber, überwältigt von der schweren Arbeit, dahin, vergeblich riefen sie den hohen Gedanken proletarischer Arbeitsgemeinschaft, genossenschaftlicher Solidarität zu Hilfe: Indes sie in glühender Sonne, unter den Stichen der Malariafliege, die Moore trockneten und die Ölbäume pflanzten, ging über sie die Lawine der Einwanderer hinweg, stampfte Städte aus dem Boden, wie jenes Tel Awiw, ein echtes Gewächs der Einwanderungsinflation, so chaotisch, barbarisch und häßlich[1]) wie diese. Der einzige Beruf des russischen Gettojuden, der Beruf des Krämers und Schächters, er entfaltete sich fessellos, zügellos. Phantastische Bodenpreise, phantastischer Wucher mit Boden, Wohnungen und Häusern. Und immer noch drängten neue und neue Scharen nach….

                 Die Tragik der zionistischen Bewegung mußte dieses verderbliche Nachdrängen wollen. AIs ein Problem kleinbürgerlicher Ungeduld war der Zionismus ins Leben getreten; er konnte, er durfte also nicht warten. Jährlich brachte er 30.000 Juden ins Land, 1924/25 sogar 50.000. Insgesamt find jetzt etwa 150.000 Juden in Palästina; aber was macht das aus gegen die fünf- bis sechsmal so große Zahl der Araber? Ein Judenstaat, in dem die Juden eine Minderheit sind? Und umgekehrt: die Kolonisation fortsetzen, wo schon heute von den 150.000 Juden achttausend arbeitslos sind, viele zurückzuwandern beginnen und die größere Mehrheit so elend lebt wie vorher im Getto? Eingekeilt zwischen dem quälenden Bedürfnis nach der Macht im Lande und der Ohnmacht des Landes, die Massen aufzunehmen, ist der Zionismus in eine Ausweglosigkeit geraten, die er sich allmählich selber einzugestehen beginnt[2]).

Auf dem diesmaligen Basler Kongreß hat der gegenwärtige Führer der zionistischen Bewegung, Weizmann, mitgeteilt, daß der Fonds, der die Kolonisation ermöglichen soll, bereits ein Defizit von 151.000 Pfund (gegenüber 71.000 Pfund im Jahre vorher) hat. Dabei hat Weizmann, als ihm die Opposition vorwarf, um wieviel billiger zum Beispiel Griechenland vor ein paar Jahren 11/2 Millionen anatolische Flüchtlinge im Mutterland angesiedelt habe, das nicht // unedle Wort ausgesprochen, daß die jüdische Kolonisation wohl teuer sei, aber dies sei eine Kompensation für das menschliche Leid. „Wir haben unsere Kolonisation mit einem relativen Minimum von menschlichem Leid gemacht.“ Doch 151.000 Pfund sind fein Spaß und die Kassen find leer. In dieser verzweifelten Situation schlägt Weizmann dem Zionismus vor, eine finanzielle Anleihe bei nichtzionistischen amerikanischen Großkapitalisten zu machen und diesen dafür die Hälfte der Plätze in der „Jewish Agency“ einzuräumen. Damit soll nun den Nichtzionisten, denen Palästina ein verrücktes Experiment, unternommen von verachteten Ostjuden, ist, der gleiche politische Einfluß in Palästina gewährt werden wie den Zionisten. Da die Zionisten nur ihr Ideal beizusteuern haben, jene Kapitalsmagnaten aber ihre Mittel, sann es nicht zweifelhaft sein, wo in nicht ferner Zeit die Macht Iiegen wird. Der Zionismus ist im Begriff, Selbstmord zu begehen: er opfert seine Idee, um die Mittel zu ihrer Durchführung zu erhalten….

                 Gegen diesen aus der Verzweiflung geborenen Antrag Weizmanns wehrte sich eine kräftige Opposition, und auch der Majorität, die den Antrag schließlich annahm, war gar nicht wohl zumute dabei. […] Dabei ist selbst die Majorität nicht etwa ein geschlossenes Ganzes. Zu ihr gehören neben dem Zentrum, das sich von einer Belebung der Industrie mehr erhofft als von der Landwirtschaft[3]), das eine Mal die Misrahi, das sind die orthodox Religiösen, die sehr konservativ gesinnten Pfaffen, deren Führer Rabbi Meier Berlin auf dem Kongreß eine Hetzrede gegen die Arbeiter hielt, ein anderes Mal wieder die Hitachduth (Volkssozialisten) oder gar die sozialdemokratische Poale Zion[4]). Bei der Wahl der Exekutive enthielten sich die Arbeiterparteien der Stimme. Die Opposition wird von den Radikalen und Revisionisten gebildet, beide chauvinistisch-//nationalistischen Gruppen, deren Führer Jabotinsky ein verhinderter Mussolini im Westentaschenformat ist[5]). Der Mann schwärmt für militaristische Gewaltlösungen  und möchte am liebsten Krieg mit den Arabern. Jedoch selbst dieser Bramarbas ließ diesmal den Kopf sehr hängen und seine scharfe Opposition gegen Weizmann war mehr theatralisch aufgeputzt als ernst gemeint. Er hat natürlich recht, daß die Auslieferung der „Jewish Agency“ an Nichtzionisten die Sünder wider den Heiligen Geist ist, aber einen anderen Ausweg sieht er auch nicht. Und so konnte er nur deshalb dagegen stimmen, weil er wußte, daß die andern siegen würden.

                 Mit diesem Ausgang aber ist der Zionismus in ein neues Stadium getreten, vielleicht sein letztes. Entfremdet seinen ursprünglichen Träumen, die Judenfrage in der ganzen Welt zu lösen, getäuscht in seinen frohen Hoffnungen, aus Palästina einen Judenstaat zu machen, resigniert in der Erwartung, einen tüchtigen Menschenschlag jüdischer Bauern heranzuzüchten, zurückgezogen auf den letzten Wunsch, wenigstens das relativ Wenige zu behaupten, was in Palästina an Jüdischem geschaffen worden ist, schickt sich der Zionismus jetzt an, selbst dieses Wenige fremden Kapitalsmächten, die der zionistischen Idee fernstehen, zu überantworten. Ein großer Aufwand ward umsonst vertan, eine letzte Kraftquelle des so rar gewordenen bürgerlichen Idealismus wird zugedeckt mit Dollars aus Amerika.

In: Der Kampf, H. 10/1927, S. 454-458.


[1]) Oppenheimer sagte von Tel Awiw in einem Vortrag: „Es ist eine Stadt, der sich die Juden schämen müssen: ein stilloses Durcheinander von Hütten und kitschigen Palästen, der Boden der Willkür der kulturlosesten Elemente ausgesetzt, eine Orgienfeier des Ungeschmacks und eine Orgienfeier der Auswucherung der Ärmsten“.

[2]) Dabei wird das Verhältnis zu den Arabern ein immer ungünstigeres, Nicht nur ist deren Geburtenzahl eine weit größere, sondern je mehr sich dank der jüdischen Arbeit in Palästina die Ressourcen des Landes bessern, desto mehr Zuzug von Arabern aus der Wüste Iockt gerade die höhere Arbeitskultur an. Es hebt sich der Stand der arabischen Anbaufelder, der arabische Landarbeiter, der verachtete Fellach, beginnt sich gewerkschaftlich zu organisieren und der Zionismus ist es, der all das bewirkt hat, der sozusagen aus seinem eigenen Schoße seinen Gegensatz und seinen Überwinder gebiert: Palästina als kultiviertes arabisches Land.

[3]) Vorläufig gibt es nur drei Fabriken von Belang in Palästina: die Ölmühle in Haifa, die Zementfabrik ebendort und eine genossenschaftlich betriebene große Bauunternehmung.

[4]) Über die Lage der Arbeiter in Palästina schreibt Felix Pinner (Das neue Palästina, Berlin 1926, S. 75): „Es gibt in Palästina zurzeit eine jüdische Arbeiterschaft von etwa 16.000 Menschen, von denen rund 6000 in der Landwirtschaft und 10.000 in der Industrie beschäftigt sind. Diese Arbeiterschaft spielt aber in der ganzen wirtschaftlichen und politischen Struktur des Landes eine weit größere Rolle, als ihr in Anbetracht ihrer absoluten Zahl und des relativen Anteils an der jüdischen Gesamtbevölkerung, die doch immerhin jetzt (1925) 110.000 Seelen beträgt, eigentlich zukäme. Das liegt an verschiedenen Gründen. Erstens ist sie stark und straff organisiert. […] Darüber hinaus hat sich aber die Arbeiterschaft durch dasjenige, was man ihr kolonisatorisches Pioniertum nennt, ihren idealistischen und nationalen Schwung, ihre großen moralischen Anstrengungen und zum Teil auch Leistungen, ein Piedestall geschaffen, das sie mit allen ihren geistigen und körperlichen Manifestationen über die Niederungen hinaushob, in denen sich das Leben der Bourgeoisie bisher übewiegend noch immer bewegte.“ […]

[5]) Es ist nicht uninteressant, daß die österreichische Delegation beim Basler Kongreß sich ganz zur radikal-nationalistischen Opposition schlug. Das hängt sicher damit zusammen, daß, wie ja auch die heurigen Nationalratswahlen wieder bewiesen haben, die Politik der österreichischen Sozialdemokratie alles, was wirklich echt und gehaltvoll an einer Volksbewegung ist, in ihren Schoß aufnimmt und darum allem anderen, was außerhalb ihrer bleibt, nur die Möglichkeit eines überhitzten Radikalismus läßt.

Gina Kaus: Die erotische Freiheit. (1925)

Nein, es ist immer noch nicht weit her damit. Meine paar Laster zum Beispiel werden stän­dig durch böswillige Vorurteile gestört.

„Hören Sie mal! Wenn Sie schon nicht die Frau sind, die alle Freiheiten genießt…?“

Nur schön langsam. Sehen Sie, eine meiner geheimen Leidenschaften ist es, an milden Abenden allein und langsam spazieren und meinen Gedanken nachzugehen. Diese Gedanken — ganz gleich was für Bedeutung sie allgemein haben mögen — sind für mich bezaubernd und wichtig; nach einer solchen einsam verbum­melten Stunde fühle ich mich wie von einer chronischen Vergiftung befreit, rein gespült, mutig — kurz, wie ein Mensch, der sein Laster genossen und der es zu genießen verstanden hat.

Aber ach, wie selten wird mir solche Stunde der Lust zuteil! Zeit? Oh, für sein Laster hat man immer Zeit. Ich hätte schon Zeit, so von zehn bis zwölf Uhr nachts über die Ringstraße oder durch den Stadtpark zu gehen. Ich fürchte mich auch nicht im mindesten vor den gemeinen Dieben, denn erstens trage ich nichts Wert­volles bei mir und dann vertraue ich dem Dieb, daß er es schon so geschickt einrichten wird, daß ich das Fehlende erst zu Hause als abwesend und nicht ihn im Park als anwesend bemerken werde.

Aber ich kann nicht anders, als den Strolch im Paletot zu bemerken, dessen Schatten schon seit zehn Minuten recht auffallend neben den meinen auf den erleuchteten Weg fällt, in meinem Ohr verstummt das intime Flüstern der Baumkronen und es ertönt das Wort des Menschen:

„Verzeihen Sie, Fräulein…“

Nein, ich verzeihe nicht. Ich sag’s Ihnen nicht, weil Sie es nicht verstehen, aber ich ver­zeih Ihnen nicht. So wenig, als Sie verzeihen würden, wenn Sie gerade bei Ihrem geliebtesten Mädchen wären und der Zimmerkellner ohne anzuklopfen einträte, um „verzeihen Sie, die Fenster zu öffnen“ Denn diese Sphäre des Stundenhotels ist wohl die einzige, in der Sie verstehen, was „Stören“ bedeutet, nicht wahr? Wie sehr Sie meine Nerven geschädigt haben, können Sie nicht wissen und wenn ich, um sie zu schonen und Ihrer  Anwesenheit ein Ende zu machen, „Nein“ antworte, dann bleiben Sie zurück mit dem Gefühl der schmerz­lichen Verwunderung, daß es trotz Frauenrecht und Revolution noch immer Mädchen gibt, deren Sittenkodex ihnen verbietet, mit fremden Herren zu promenieren.

„Warum denn nicht? Weil wir uns nicht kennen. Aber was tut das? Denken Sie sich, wir hätten uns bei einer Freundin…“

In diesem Fall tue ich genau dasselbe, was das Mädchen, dessen Sittenkodex  verbietet, sich von fremden Herren ansprechen zu lassen, täte, wenn ihre Tugend in Gefahr ist: ich laufe ein­fach davon.

Der Zwischenfall hat drei Minuten gedauert. Ich könnte weiter meinen Weg gehen, wäre ich nicht streitbar geartet, so daß ich, wenn ich, wie in diesem Fall, meine Ansichten nicht an den Mann bringen kann, um den Mann nicht näher an mich zu bringen, verflucht bin, ein­sam mit ihm zu streiten. Wenn er, der glück­liche leichte Schäker, schon längst, die kleine Niederlage vergessend zu einem anderen weib­lichen seinen parallelen Schatten wirft, plag‘ ich mich noch damit, ihm zu erklären, daß ich weder Fräulein noch sittsam sei, daß aber die Freiheit, die ich mir heute abend nehmen will, die ist, von ihr, die ich in weit größerem Maße besitze, als er sie einer ihm nahestehenden Frau einräumen würde, keinen Gebrauch zu machen. Unmöglich kann einer das verstehen, der es ein anderes Mal mit der Formel versucht:

„Warum so allein?“

Eine Welt von Mißverständnis in drei Worten. Abgesehen davon, daß er annimmt, der Grund meines Alleinseins liege außerhalb meiner Person, in der Nichtbeachtung, die sie, ihn ausgenommen, bei anderen findet — er tut auch ganz harmlos, als habe er ein Recht auf Beantwortung dieser Frage, wenn merk­würdigerweise ein anderer Grund vorliegen sollte. Nicht streiten! Vorwärtseilen, vergessen, — aber an das entsetzte Ohr trägt der Wind noch die Worte:

„Eine so schöne, junge Dame, wie Sie…!“

Jetzt bin ich versorgt. Eine Stunde lang habe ich damit zu tun, dem Esel zu erklären, daß er einer sei: „Herr, glauben Sie denn wirklich, ich wüßte nicht, daß ich „schön“ bin?

Seit 15 Jahren — denn so jung bin ich nun wieder nicht— seit 15 Jahren habe ich es täg­lich gehört und meist bei ähnlich unpassenden Anlässen. Wenn ich kein Geld hatte und um Arbeit fragte, sagte man mir: „Eine so schöne, junge Dame, wie Sie…!“ Wenn ich in einem

Geschäft den Preis einer Ware, die mir gefiel, zu hoch fand: „Eine so schöne, junge Dame, wie Sie…!“ Wenn ich in Gesellschaft trotz bester Vorsätze mich in eine Debatte einließ: „Eine

so schöne, junge Dame, wie Sie…!“ Längst weiß ich, daß dieses, von mir gewiß nicht bestrittene Faktum, den anderen weit öfter zur Waffe gegen mich dient, als mir zur Waffe gegen die anderen. Und in allen diesen Fällen wäre das Ende dieses Satzes (wenn es nicht seine Bestimmung wäre, kein anderes als..! zu haben) eine Beleidigung oder ein ebenso grober Denkfehler. Sie zum Beispiel, mein Herr Esel, wollen ja gar nicht sagen, eine „so schöne, junge Dame“ schulde jede Stunde ihres Lebens der Menschheit, sondern sie wollten sich wundern, daß die Menschheit ihr eine Stunde schuldig blieb. Sie wissen also nicht einmal aus Er­fahrung, daß nichts auf der Welt so minder ist, daß es nicht einen geeigneten Partner fände, und daß keinen solchen zu haben, den Gedanken nahe legt, man sei nichts als sich selbst zu suchen in den Park gegangen.

„Aber alle diese Geschichten sind überflüssig. Wenn eine Dame sehr schnell geht und mit unnahbarem Gesichtsausdruck — “

Halt! Ich sagte doch eingangs, daß ich langsam spazieren gehen will, eben nicht wie eine Dame, die gezwungen ist, einen Einkauf zu machen, sondern wie eine, die zu ihrem Vergnügen spazieren geht. Ich will nicht schneller gehen, als meine Lunge atmet, denn nur so kann ich zum Bewußtsein des Geruches der Luft kommen, der in jeder Jahreszeit anders ist. Und ich will im Takte meiner Gedanken gehen, die unregelmäßig sind und manchmal gerne lächelnd oder traurig bei irgend was verweilen. Ich bin auch manchmal sehr müde nach einem Tag der Arbeit. Und dann will ich eine Viertelstunde in eine schöne Auslage sehen können, ohne zu wissen, was drinnen ist, und ich will einen Baum ansehen und nachdenken, woran er mich erinnert und ich will die Sterne ansehen dürfen. Wissen Sie, daß eine alleingehende Frau niemals gründlich die Sterne ansehen darf? Aus Angst, daß sich wieder ein Lausbub findet, der fragt:

„Fräulein, haben Sie dort oben was ver­loren?“

Dies geschah, als ich 15 Jahre alt war. Seither — und es ist lange her, obwohl mir jene Sorte noch immer „Fraulein“ sagt — denke ich über eine passende Antwort auf diese rhetorische Frage nach.

Mit dem Schnellgehen ist es also nichts, und was das „unnahbare Gesicht“ betrifft, so würde es mich weit mehr stören, als die anderen (so wie ich mich auch nie entschließen kann, Sal­miak gegen Mücken zu benützen, weil ihnen der Geruch keinesfalls unausstehlicher sein kann als mir). Ich verlange das Recht jedes Staats­bürgers, den meiner jeweiligen Stimmung // entsprechenden Gesichtsausdruck durch die Straßen tragen zu dürfen. Bitte, sagen Sie nicht, ich dürfe ja, müsse aber dann gegenwärtig sein, denn das ist ja genau das, was ich sage: daß ich eben nicht darf, solange jene dürfen.

„Aber Sie unterbinden den Zufall. Glauben Sie nicht, daß man auf diese improvisierte Weise die angenehmsten Bekanntschaften — “ erstens, ich glaube es nicht. Denn die paar Menschen, die ich angenehm finde, würden kaum eine Dame ansprechen, aus Rücksicht auf diese und auf die eigenen Nerven, mit denen sie ungern den Zufall ein Tänzchen wagen ließen. Diese Menschen suchen auch gar keine Aben­teuer, sondern leben wie ich im Kampfe mit der Überfülle des Abenteuerlichen, das dem fühlenden Menschen jeder Lebensaugenblick zu­trägt. Und in diesem Sinne zweitens: ich suche gar keine angenehmen Bekanntschaften. Das wundert Sie wieder, denn Sie dachten, ich sei eine „freie Frau“. Und nun glauben Sie, ich habe doch irgendwo verborgen jenen Sittenkodex, der verbietet — aber was erlauben denn Sie? Sie geben Freiheit mit der Ver­pflichtung, sie dauernd zu genießen, immer zu genießen, zu genießen. Ich aber halte diese „Genüsse“ nur für kleine Freiheiten, die man sich nehmen muß, wenn man die wirkliche, die einem aber auch Ungestörtheit sichern soll, nicht hat. Das glauben Sie aber nicht, denn seit Sie die Frauen nicht mehr für keusche Heilige hal­ten, warten Sie stündlich darauf, daß der Urwald einbricht, und sind überzeugt, daß der entfesselten Bestie keine Gelegenheit zu schlecht ist, sie zu ergreifen.

Meine Herren, wenn Sie wüßten, wie be­scheiden die Tigerinnen sind! Sie ergreifen bloß, was sie ergreift oder was sie zu fressen gewillt und imstande sind. Nur die Wanzen und die Eitelkeit sind unersättlich.

In: Der Tag, 14.8.1925, S. 4-5.

P. Haller: Neuere jüdische Erzählungskunst. (1926)

Die jüdische Literatur war wie jedes ursprüngliche Schrifttum prägnantester Ausdruck der spezifischen Lebensformen jenes jüdischen Volksteiles, dem sie entsprang und dem sie galt. Form und Stoffgebiet waren in unvergleichlichem Maße Produkt dieser Lebensform, in sich alles einschließend, was diese einschloß. Die konkreteste jüdische Lebenswirklichkeit war ihr Element und ihre Beschaffenheit. Die Abnormalität der sozialen Struktur konnte für einen Mendele Mocher Sfarim

Triebkraft zu einer Kopierung geben, die sich zu höchster künstlerischer Präzision gestalten sollte, den Weg ebnend zu jener eigenartigen Verinnerlichung und Auslösung letzter schöpferischer Potenz eines Schalom Alejchem oder der im Jüdisch-geistigen basierenden Kraft eines Jizchok Lejb Perez.

             Von Mendele über Scholem Alejchem zu Perez (darin liegt kein Wertmaß, welches den dritten über die beiden anderen stellt oder umgekehrt) ist eine natürliche Entwicklung, wie auf A B und C folgen. Diese drei waren eine Einheit. Die jüdische Literatur jenes grundlegenden Abschnittes hatte alle Merkmale gesunder Entwicklung und fester Zielsicherheit, von der Skizze, die um der Tendenz willen da war, zur psychologischen Erfassung jüdischen Wesens, am Exempel jüdischen Lebens gezeigt. Die Reise Benjamins des Dritten (Mendale), Menachem Mendel und Toiwje der Milchmann (Schalom Alejchem), die chassidischen und volkstümlichen Geschichten (Perez) waren Gipfel künstlerischer Durchdringung eines Lebens, das war…

            

Die unausbleibliche Folge nach einer solchen Spitzenleistung bei der Statik jüdischen Lebens in Osteuropa schien entweder dürftiges Epigonentum oder revolutionäre Abkehr von der Wesensform und dem Stoffgebiet hervorrufen zu müssen, was ohne Zweifel das Todesurteil für die jüdische Literatur bedeutet hätte, angesichts einer notwendigen krassen Entfernung vom Volksganzen. Für die jüdische Literatur gab es keine Alternative. Mit dem Volk wie die drei, oder überhaupt nicht! Zu ihrem Glück ging die Revolutionierung nicht von ihr, sondern vom Volk aus, wie es ja auch Kraft der Eigentümlichkeit des Galuthdaseins und der abnormalen soziologischen Bedingung verständlich ist, daß nicht sie das Volk trägt, sondern vom Volke getragen wird. Der einsetzende Prozeß der Halbassimilation, der durch den Bruch mit dem religiösen Traditionalismus weite Kreise des Ostjudentums er­faßt hatte, schuf eine Stimmung der Gärung, die wohl der Dynamik entbehrte, aber in gewissen Grenzen einen neuen epischen Ansatz ermöglichte. Dessen Stoffgebiet mußte freilich die Konfrontation des Gewesenen mit dem Werdenden sein. Jene Schriftsteller, deren Werke diesen Gärungsprozeß zum Inhalt haben, sind nicht gering an Zahl. Gemein haben sie alle, daß sie die Brücke von der Form der sprunghaften Skizze oder des einer einheitlichen Fabel entbehrenden Romans zur europäischen Form der Novelle und des Romans mit konzentriertem Inhalt schlugen.

Die Revolutionierung der Form war ohne besondere Erschütterung der notwendigen Kontinuierlichkeit gelungen und einer neuen Emotion angepaßt. Der Gefahr, dem Einfluß anderer Literaturen völlig zu unterliegen, wurde vom Leben selbst begegnet, da die inneren und auch noch äußeren jüdischen Bedingungen immerhin anders waren, so daß die Beeinflussung im wesentlichen über das Formelle nicht allzu sehr hinausging.

L. Schapiro und David Bergelsohn sind die bedeutendsten Erzähler dieser für die neuere jüdische Literatur wichtigen Epoche, die mit den politischen Wirren in Rußland zu Anfang des Jahrhunderts beginnt und im großen und ganzen mit dem Ausbruch des Weltkriegs ihr Ende findet.

Beide Schöpfungen sind von dauerndem Wert in der künstlerischen Bewältigung der Probleme einer Übergangsepoche, die man für das seitdem Gewordene, die neue Formierung und neue Orientierung des jüdischen Volkslebens, nicht wegdenken kann. Der eine, L. Schapiro, entrollt machtvolle Bilder von der Wirkung der damaligen russischen Geschehnisse (Revolution und Pogrom) aus den jüdischen Menschen und vom Rückzug des letzteren von per Front der blinden Weltbeglückung zur Selbstbesinnung (die Novelle Der Zelem). In David Bergelsohns Roman Nuch alemen, in den Novellen Arim Wugsal und In a fargrebter schtut erscheint in einmaliger Plastik diese ganze gärende Stimmung einer irregewordenen Gemeinschaft, die wehmütig Abschied nimmt von jahrhundertelangen Lebensformen, deren Werte für sie keine Werte mehr sind, die sich nach Neuem, Anderem sehnt und das Neue, Andere fürchtet, deren Konflikt die absterbende Kultur ist, die ihre eigene war und einer neuen, fremden, ungewollt-gewollten Platz macht. Ihr Stempel ist die dumpfe Ungewißheit dessen, was kommt und die zermürbende Gewißheit, die letzten einer langen

Ahnenreihe zu sein. Bergelsohns wehmutumflossene, nie sentimentalen Menschen agieren als oder vielmehr sind passive Objekte von Erlebnissen, deren Konflikte die Konflikte einer Gemeinschaft sind. Sie, ihre Exponenten, sind mimosenhaft empfindsam und müssen am Milieu zugrunde gehen, weil das Milieu zugrunde geht.

Die in diesen Jahren vollzogene innere Umstellung der Ostjudenheit, das Sichanklammern an die Rettungsanker des politischen Nationalismus und des national-orientierten jüdischen Sozialismus, die, immer tiefer ins Volk dringend, Äquivalente wurden für einen brüchig gewordenen religiösen

Die in diesen Jahren vollzogene innere Umstellung der Ostjudenheit, das Sichanklammern an die Rettungsanker des politischen Nationalismus und des national-orientierten jüdischen Sozialismus, die, immer tiefer ins Volk dringend, Äquivalente wurden für einen brüchig gewordenen religiösen Traditionalismus, waren für die weitere Entwicklung der jüdischen Erzählungsliteratur von außerordentlicher Wirkung.

Der Verweltlichungsprozeß zog einen immer weiteren Kreis und erreichte während des Krieges und nach seinem Abschluß seinen Höhepunkt, so daß in der Struktur des inneren jüdischen Lebens eine Wandlung in der Richtung der Angleichung der geistigen Situation mit der der anderen Völker Platz griff. Es ist der Zeitpunkt für die Probleme eines Kulturkampfes gekommen, ähnlich dem der anderen Völker, verstärkt nur noch durch die Besonderheiten, die der Kampf um Sein oder Nichtsein des jüdischen Volkes mit sich bringt.

Dies und der allmähliche Eintritt des jüdischen Amerika in die Sphäre des jüdischen Kulturschaffens brachten eine neue Orientierung der jüdischen Erzählungskunst, von der eine Reihe beachtenswerter Talente Zeugnis ablegt.

In: Wiener Morgenzeitung, 16.3.1926, S. 3.

[Jonas Kreppel]: Deutschösterreich und die Juden. (1918)

             An Stelle des alten Österreich ist nun die Volksrepublik Deutschösterreich getreten. Die bewährte Loyalität der Juden verbietet es ihnen, denjenigen heute Steine nachzuwerfen, denen sie gestern in Treue und Anhänglichkeit zugetan waren. Eben diese Loyalität gebietet ihnen aber, dem neuen Staate dieselbe Treue und Anhänglichkeit zu bewahren sowie dessen Wohl zu wünschen und zu fördern. Deutschösterreich kann auf seine jüdischen Bürger jederzeit rechnen.

             Als demokratisches Element par excellence paßt sich die Judenheit der Neuordnung der Dinge an, die infolge der jüngsten Ereignisse eingetreten ist und sie wird sich bemühen, an der Konsolidierung und Stabilisierung der Verhältnisse mitzuwirken. Sie erwartet aber auch, daß der neue Staat seinem Namen und seinen Aufgaben gerecht werden und allen seinen Bürgern ohne jeden konfessionellen Unterschied alle Entwicklungsmöglichkeiten, Freiheiten und Gerechtigkeiten bieten wird.

             Freilich, wie bei jeder Gelegenheit, taucht auch schon jetzt in Deutschösterreich die Judenfrage in einer gewissen Form auf. Gelegentlich der Diskussion über das Gesetz betreffend das deutschösterreichische Staatsbürgerrecht, wurde diese Frage im Nationalrate gestreift. Die näheren Details der Vorlage sind nicht genau bekannt; aber aus dem Verhandlungsberichte ist beiläufig zu ersehen, um was es sich eigentlich handelt. Der diesbezügliche Bericht lautet:

             „Hierauf wird das Gesetz über das deutschösterreichische Staatsbürgerrecht in Verhandlung gezogen. Berichterstatter Dr. Ofner legt den Inhalt der Vorlage dar und empfiehlt, sie der Ausschußberatung zuzuweisen. Abg. Wolf beantragt, im § 1 statt der Worte „sich zur deutschen Nationalität bekennen“ zu setzen „der deutschen Nationalität zuzugehören“. Zu § 2 beantragt er folgenden Zusatz: „In die Zeit, durch deren Ablauf gemäß § 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 1896 der Anspruch auf Zusicherung der Aufnahme in den Heimatsverband erworben wird, ist der Zeitraum [der] vom 1. August 1914 bis zur Kundmachung dieses Gesetzes nicht einzurechnen. Insofern zum Antritt oder zur Ausübung eines Gewerbes oder einer Beschäftigung die deutschösterreichische Staatsbürgerschaft erforderlich ist, muß die Zusicherung der Aufnahme in den Heimatverband jener Gemeinde erlangt werden, in welcher das Gewerbe oder die Beschäftigung ausgeübt wird.“ Berichterstatter Dr. Ofner verweist darauf, daß die Frage, welcher Nationalität jemand angehöre, wenn man das Bekenntnis ablehne, eigentlich in der Luft schwebe, Über einige vom Abg. Wolf gemacht Ausfälle gibt er dem Bedauern Ausdruck. Die Vorlage wird dem Justizausschuß zugewiesen.“

             Es ist klar, daß hierbei die Staatszugehörigkeit der in Deutschösterreich zur Zeit sich aufhaltenden Juden in Betracht kommt. Die Stellung Wiens als eines politischen und wirtschaftlichen Zentrums des Reiches brachte es mit sich, daß daselbst sehr viele Juden wohnen, die nach den anderen Kronländern der gewesenen Monarchie zuständig sind. Im alten Reiche fiel dieser Umstand wenig ins Gewicht und hatte höchstens für Wien die Bedeutung einer lokalen Frage. Nunmehr aber erhält die Sache ein anderes Gesicht. Alle diejenigen, die nach Galizien, der Bukowina, Böhmen, Mähren ec. zuständig sind, können formell als Ausländer gelten und wie es scheint, fehlt es im Lager der extremen Nationalisten nicht an Stimmen, diesen Juden gegenüber derart vorzugehen.

             In Wirklichkeit jedoch wäre dies eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und sachlich kaum zulässig. Der deutschösterreichische Staat ist der Rechtsnachfolger der bisherigen Monarchie, deren Aktiven und Passiven er bis zu einem gewissen Grad übernimmt. Die in Wien lebenden Juden waren bisher österreichische Bürger, und hatten trotz ihrer lokalen Zuständigkeit mit den neu entstehenden Staaten nichts zu tun. Ein großer Teil derselben wäre kaum nach Wien gekommen, wenn diese Stadt nicht das eigentliche Zentrum des Staates wäre, dessen Bürger sie waren. Sehr viele unter ihnen sind ihrer eigentlichen Heimat ganz entfremdet und würden es geradezu als Unglück empfinden, dorthin zurückzukehren und sich unter ganz unbekannten Verhältnissen eine neue Existenz gründen zu müssen. Von Rechts wegen müßte also all diesen bisherigen österreichischen Bürgern das Optionsrecht für Deutschösterreich zugestanden werden. Wir wollen hoffen, daß der Nationalrat sich diesbezüglich von keiner kleinlichen Engherzigkeit leiten lassen und diejenigen in die Schranken verweisen wird, die die Schaffung des freien Volksstaates mit Ausnahmebestimmungen und konfessioneller Hetze diskreditieren wollen.

             Die Wolf und Konsorten mögen ihrerseits bedenken, welches Unglück sie mit ihrer nationalistisch-chauvinistischen Politik über ihr eigenes Volk gebracht haben und endlich einmal dieser Taktik entschlagen. Deutschösterreich soll und muß im wahren Sinne des Wortes ein Volksstaat sein.

In: Jüdische Korrespondenz, 14.11.1918, S. 1.

Boykott österreichischer Schriftsteller in Deutschland. (1933)

             Namens des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller in Österreich richtete vor einigen Tagen der Vorsitzende des Verbandes, Oskar Maurus Fontana, ein Schreiben an die österreichische Gesandtschaft in Berlin, in dem es unter anderem heißt: 

             Wie aus Zeitungsberichten zu ersehen ist, hat die deutsche Reichsregierung in letzter Zeit sich wiederholt gegen den Boykott im Wirtschaftsleben gewandt und ihn an manchen Orten untersagt, mit der Begründung, „daß in einem solchen Vorgehen eine öffentliche Beleidigung, eine versuchte Nötigung oder gar Erpressung gesehen werden kann“. Was für das Wirtschaftsleben gilt, muß auch für das Geistesleben seine Berechtigung haben.

Nun wird gerade in den letzten Wochen in verschiedenen deutschen Zeitungen, unter anderem auch im „Börsenblatt“ des deutschen Buchhandels, gegen österreichische Schriftsteller zum Boykott aufgefordert, unter dem Vorwande, sie seien als Österreicher Deutschfeinde. Diese Aktion bezieht ihr Material zum größten Teil von österreichischen, in letzter Zeit nach Deutschland übergesiedelten Schriftstellern.

             Der Schutzverband deutscher Schriftsteller in Österreich findet es unter der Würde des Standes, sich mit einem solchen Vorgehen, das sich selber richtet, weiter zu beschäftigen und überläßt das Urteil darüber getrost jedem Menschen, der sich sein moralisches Bewußtsein bewahrt hat.

             Etwas anderes ist aber der angedrohte und in einigen Fällen auch zur Ausführung gelangte Boykott, dem österreichische Schriftsteller in Deutschland zum Opfer gefallen sind, Sie zu schützen, ist um so mehr unsere Pflicht, als alle diese Verdächtigungen auf schlechte, übelwollende Informationen zurückzuführen sind. Wir wagen zu behaupten:

Kein österreichischer Schriftsteller (die oben erwähnten „Gebärdenspäher und Geschichtenträger“ ausgenommen) hat sich gegen die deutsche Kultur vergangen; die deutsche Kultur kann darum keinen österreichischen Schriftsteller ausschließen.

             Der S.D.S.Ö ersucht Sie verehrter Herr Gesandter, im Propagandaministerium, in der Reichsschrifttums-Kammer und in der Reichspresse-Kammer in diesem Sinne vorstellig zu werden und dahin zu wirken, daß solche Ächtungen, in welcher Form immer sie erfolgt sein mögen, aufgehoben werden. Der S.D.S.Ö. ist bereit, jenen ihm zur Kenntnis gebrachten einzelnen Fall gemeinsam mit den österreichischen offiziellen Stellen zu untersuchen und aufzuklären. Anderseits darf erwartet werden, daß der von unverantwortlichen Personen eingeleitete und geführte Boykott österreichischer Schriftsteller in Deutschland ehestens zum Stillstand gebracht werde.

In: Der Tag, 10.12.1933, S. 6.

Oskar Maurus Fontana: Zum neuen Theater. (1921)

Das Theater erlebt eine Zeitwende, Abgelebtes gespenstert noch herum, Neues bracht es erst zu Frühgeburten oder Siebenmonatskindern. Aber wie der Schoß der Zeit kreißt, so kreißt auch der Schoß des Theaters. Was wird er gebären?

    Antwort darauf kann nur die Generation der Zwanzigjährigen, der Dreißigjährigen geben. Sie kommt aus dem Alten, sie marschiert zum Neuen. Sie sammelt sich in der Forderung „Neue Bühne“, 1921, herausgegeben von Hugo Zehder im Verlage Rudolf Kämmerer in Dresden. Viele Stimmen, manche mit Lunge, manche ohne Lunge, Sprecher und Stotterer, rein und klar Denkende und auch die Spezies der Tintenfische, die bei der Verfolgung ihrer Gedanken einen alles verdunkelnden Sepiasaft ausspritzen. Wichtig aber bleibt, hier stehen Menschen für eine Generation, weil sich mit ihnen das Schicksal der neuen deutschen Schaubühne erfüllen wird. Was diese verschiedenen Köpfe, aus verschiedenen Zonen kommend (denen der Regie wie der Dichtung, wie der Kritik) eint, ist die Forderung: Das Theater soll wieder allgemein Gut // (res publica), wieder aus einem ästhetischen Problem eine Tribüne des Geistes werden. Die Situation von heute gibt Hugo Zehder in einem mit sicherer Hand geführten Querschnitt. Er stellt fest: „Es ist erreicht, dasß das Theater ein Jahrzehnt hinter den anderen Künsten zurückgeblieben und das Reproduktive statt des Schöpferischen in bejammernswerter Weise hervorkehrt.“ Robert Müller sieht die Wiedergeburt des Theaters aus dem Geist der Komödie, weil in ihr der amor fati gelehrte werde, in ihr sich die uns unentbehrliche Synthese von Natur und Reflexion vollziehe. Proletarisches Theater, Volksbühne scheinen anderen die nächsten Wege. Ihr bester Sprecher ist Ludwig Berger: „Dann (wenn der Schauspieler seine absichtliche Spezialität aufgibt, wenn der Schauspieler untertauchen lernt in die Tiefzonen dichterischer Schöpferkräfte, wenn der Dichter untertauchen lernt in die Körperschaft seiner Mittler-Menschen), dann kann – o läge es doch im organischen Kreislauf der Entwicklung vorbestimmt! – die Volksbühne, die „Jeder-Mensch-Bühne“, von innen nach außen lebendig werden!“ Aber er schließt seine Vision skeptisch: „Wären wir erst so weit, auf dem Nullpunkt reinlich zu beginnen!“ Diesen reinlichen Beginn wollen auch die anderen Mitarbeitenden, wollen ihn mit ihren Kräften, ob sie nun über den Schauspieler, den Regisseur, den Dramaturgen, die Wanderbühne, den Theaterkritiker, das Publikum sprechen, aber zum Wesentlichen, zu den Schalen des Wesentlichen scheinen mir außer den genannten nur noch Berthold Viertel, der den Regisseur des neuen Theaters anschaulich macht, und Carlo Mierendorf vorzudringen, der sehr klug über Wandertheater und Schmiere spricht: „Sich um das Wandertheater bemühen, ist als Sonderart des Theaters vor allem eine Sache kultureller Verantwortlichkeit.“ Über „Dekoration“ spricht keiner, sprechen alle, weil keiner mehr Dekoration auf dem Theater sehen möchte, weil jeder dieser Zwanzig- und Dreißigjährigen auch den Hintergrund aus der illustrativen Dekoration in das auszudeutende Wesen des Dramas einbezogen wissen möchte. Die Abbildungen nach Inszenierungen und Szenenentwürfen von Ludwig Berger, Gustav Hartung, Oskar Kokoschka, Paul Legband, Karlheinz Martin, Bertold Viertel, Richard Weichert, Robert Neppach, Emil Birchan [sic!], Ludwig Sievert gehören zum Wertvollsten des Buches, weil sie den reinlichen Beginn des neuen Theaters auf dem Nullpunkt des alten am sichtbarsten, offensichtlichsten zeigen.

             Herbert Ihering gesellt sich diesem Kreis als einzelner, er ist von ihm durch minder tropische Art der Einstellung und Diktion geschieden, er ist mit ihm durch die leidenschaftliche Bejahung der neuen Bühne verbunden. Sein Buch Regisseure und Bühnenmaler (im bibliophilen Verlag O. Goldschmidt-Gabrielli, Berlin-Wilmersdorf, 1921) ist in seinen Porträts, die es von den führenden deutschen Theatermenschen entwirft, fast in allen Einzelheiten verneinend, aber selten wird sich eine Schrift finden, die so geeint ist durch das // unsichtbare Ja, das durch alle Nein hindurchschreit. Das Nein gilt allen Halben, allen Kompromißlern, allen Machern, allen Verwässerern großer Ideen, allen Stilisten, allen Illustratoren. Er wird nicht müde, immer neue Typen als abschreckende Beispiele vorzuführen. Er tut das, was Pazaurek auf dem Gebiet des Kunsthandwerks tat: Indem er zeigt, wie es nicht gemacht werden soll, um zu zeigen, wie es gemacht werden muß. Daß es so gemacht werden muß, ist sein inbrünstiger Glaube. Zusammendrängung, Akzentuierung, Rhythmus – das ist ihm (und uns) das neue Theater und seine eifernde Liebe peitscht vorwärts, damit es „nicht nur seelisch-musischer Ausdruck geistiger Dramaturgen, sondern auch Blutwille sinnlicher Komödianten“ werde. Seine wesentliche Entdeckung ist, daß der romantische  Impressionismus Reinhardts ebenso in der Wirklichkeit blieb, wie der naturalistische Impressionismus Brahms. „Eine bunte Wirklichkeit ist so gut eine Wirklichkeit wie eine graue. Das antinaturalistische Theater beginnt in Wirklichkeit erst heute, weil jetzt erst das Gesetz der Ähnlichkeit dem Gesetz der Energie gewichen ist. Weil jetzt erst der Maßstab der Kunst aus ihr selbst, aus ihrem rhythmischen Gleichgewicht und nicht aus der Kontrolle von Vorlagen und Motiven der Realität gewonnen wird“. Herbert Ihering ist Regiekritiker, was den Deutschen bis Siegfried Jacobsohn fast ganz fehlte. Jacobsohn ist der Anschauende, der Peter Altenberg der Regiekritik, überschwenglich im Lob, überschwenglich im Tadel. Aber man mochte zehn Berichte über Jeßners Regie von Richard III. lesen, erst beim elften, bei Jacobsohn wußte man, wie es war, gewann man ein Bild. Ihering führt das so gewonnene Regiebild in die Tiefe, er gibt ihm die dritte Dimension, er ist nicht nur Analytiker, er ist Synthetiker, er führt die Regiekritik aus der impressionistische abmalenden Nervosität Jacobsons in einen architektonischen Aufbau. Auch in ihm drängt das Gesetz der Energie: Zusammenballung, Akzentuierung und Rhythmus, denn keiner sucht etwas draußen in der Welt, was er nicht bereits innen, in sich selber hat.

In: Der Merker, II/1921, S. 282-284.

e.f.[ischer]: Das Dritte Reich braucht Lakaien. Die Parade der Überläufer. (1933)

Der deutsche Nationalfascismus ist bisher mit dem Blutmythos ausgekommen. Messer, Revolver, Uniform, Fememord waren die Elemente, aus denen er sich zusammensetzte; alles Geistige galt als undeutsch und hassenswert. Es gab zwar eine Naziliteratur; aber diese Literatur begnügte sich mit Knüttelversen, die ebenso programmatisch wie leichtverständlich waren: mit den schönen Totschlagzeilen: „Schlagt tot den Walter Rathenau, die gottverfluchte Judensau!“ oder „Wir schlagen alle Polen tot und schmieren sie aufs Butterbrot!“ oder „Wenn das Judenblut vom Messer spritzt, marschiert sichs doppelt gut!“ war der künstlerische Bedarf gedeckt Alles andre war vaterlandslose Asphaltliteratur, Luxus für Untermenschen, die Thomas und Heinrich Mann den Männern der braunen Spelunken vorzogen und Gerhart Hauptmann für ein größeres deutsches Ereignis hielten als Herrn Adolf Hitler. Trotzdem rochen einige Literaten die kommende Konjunktur: der Jude Arnold Bronner und der halbvergessene Modeschriftsteller Hans Heinz Ewers machten sich an die neue Partei heran und offerierten ihr erstklassigen Blutmythos, garniert mit Kolportage und Leichengift. Arnold Bronner lieferte einige Romane, in denen en gros gemordet und gefoltert, geschossen und geschändet wurde, Hans Heinz Ewers schaltete seine Phantasie von koketten Kadavern, im Liebesrausch verwesenden Mumien, widerwärtig mondänen Vampyren und „schleimig weichen bläulich bleichen Wasserleichen“ auf die Helden des Dritten Reiches um und die Wiedergeburt des wurzelechten, herzerhebenden deutschen Schrifttums hatte begonnen. Aber bis zur Machtergreifung blieben die beiden allein; der einzige wahrhaft begabte, seine Kollegen gewaltig überragende Schriftsteller des Nationalsozialismus, Ernst v. Salomon, trat aus der Doppelreihe und bekannte sich zum Kommunismus.

Es kam die Machtergreifung. Es kam der Abscheu aller Kulturvölker gegen die deutsche Barbarei. Es kam das Bedürfnis der Diktatoren nach geistigen Ornamenten. Auf Leichenhügeln sollte ein Dichterfrühling grünen, das Horst-Wessel-Lied sollte in Symphonien eingebettet, Deutschlands Totenmaske mit bunten Farben bemalt werden. Der Reichspropagandaleiter Göbbels unternahm es, das Blut, das von den Messern spritzte, mit ästhetischem Tee zu verdünnen, den Blutmythos nicht nur stubenrein, sondern auch salonfähig zu machen, die Kommißstiefel der SA. mit Smoking und Abendkleid zu kombinieren. Göbbels lud zum Tee – die Schriftsteller, die Musiker, die Maler und die Mimen hatten zu wählen: Geist oder Macht, Charakter oder Konjunktur, tapfere Isolierung oder feige Gleichschaltung.

Sie haben gewählt. Die Männer sind ins Exil, die Kreaturen zum Tee gegangen. Die Scheidung der Geister hat sich vollzogen: nicht nur für heute, sondern für alle Zukunft Vielleicht war diese Reinigung notwendig; vielleicht ist es gut, daß alles Verschwommene nun verschwindet alles Halbe zu ganzem Bekenntnis oder zu ganzer Erbärmlichkeit gezwungen wird. Alle, die vor der Macht erschauern, vor dem Erfolg niederknien, mögen zu Hitler und Göbbels überlaufen; man wird sie nach Gebühr belohnen und nach Gebühr verachten. Man wird ihre Bücher drucken, ihre Stücke aufführen, ihre Dienste bezahlen; man wird ihnen Futter geben und wird sie als Prachtexemplare geistiger Haustiere prämiieren. Die andern aber wird man verfolgen, verfemen, ausstoßen; sie werden den Geist wie ein Schicksal und nicht wie einen Smoking tragen. Wer vor solchem Schicksal erschrickt, wer nicht in stolzer und bitterer Freiheit bestehen, sondern in die warmen Löcher der Macht hineinkriechen will, möge sich beeilen; das Dritte Reich braucht Lakaien. Die Zukunft braucht Rebellen.

Sie haben sich beeilt. Sie haben nur bis zum Tag der Machtergreifung gewartet, bis zu dem Tag, an dem sie durch den Übertritt alles zu gewinnen und nichts zu verlieren hatten. Vorher haben sie sich neutral verhalten, die Dichter und die Denker jeder Konjunktur haben sie sich ein wenig abseits gestellt, zuerst schüchtern das Volkstum oder die Ordnung oder den lieben Gott entdeckt, je nachdem, noch unverbindlich, zu nichts verpflichtend, sich weder bei den Hakenkreuzlern etwas verderbend noch bei den Katholiken etwas verschüttend noch bei den Demokraten alles verscherzend. Dann aber waren sie da, dann haben sie beteuert: „Wir wollten ja schon längst… Wir konnten nur nicht, wie wir wollten… Jetzt wollen wir, wie wir können…“ Es muß für den Zyniker Göbbels eine göttliche Komödie sein, diese Parade der Überläufer!

In der »Literarischen Welt«, einer Zeitschrift, die einen guten Namen zu verlieren hatte, werden die Herrschaften feilgeboten. Jahrelang war der jüdische Kritiker Willy Haas der Herausgeber der »Literarischen Welt«. Er war, nehmt alles nur in allem, ein linker Demokrat – bis die Sache brenzlich wurde; dann wollte er seine Zeitschrift gleichschalten. Aber was den Herren bei Mosse und bei Ullstein gelang, von links und rechts verachtet, national erhaben zu sein, ist dem Herausgeber der »Literarischen Welt« mißlungen. Die Nazi haben seine plötzliche Bekehrung seine überraschende Bejahung der fascistischen »Revolution« mit einem Fußtritt beantwortet und einen nordischen Edelmenschen namens Eberhard Meckel an seine Stelle gesetzt Dieser Meckel hat sich an Schriftsteller, die offenbar darauf warteten, herangemacht und sie um Geleitsprüche gebeten. Die Überläufer stellen sich vor.

Voran schreitet Herr Max Barthel mit einem Gedicht in dem es heißt: „Wurzeln will ich, wachsen will ich, Raum will ich haben…“ Sie haben ihm Raum gegeben in der »Literarischen Welt«, sie werden ihn wurzeln und wachsen lassen – und hinter seinem Rücken ausspucken. Dieser Max Barthel, kaum ein Talent, gewiß kein Charakter, war einer der Mitbegründer der Kommunistischen Jugendinternationale; damals war auch manch andrer Kommunist. Später ist Herr Barthel Sozialdemokrat geworden – bis der Fascismus die Republik zertrümmerte. Abermals zog der Parteidichter seine Konsequenzen, fest entschlossen, Parteidichter zu bleiben, Literat mit Pensionsberechtigung; er blieb Parteidichter, er hat nicht seinen Beruf, er hat nur seine Partei gewechselt. Hunderte, die ihn „Genosse“ nannten, werden gemartert und ermordet, werden gefangen und gefoltert, Herr Barthel aber dichtet in der »Literarischen Welt«: „Und ich bin ein seliger Stamm, der seinen Wipfel entfaltet.“ Aus dem Blut der« Genossen, aus den Leichen der Erschlagenen saugt das Barthel-Bäumchen wipfelentfaltende Seligkeit. Keiner der andern, die zum Fascismus übergelaufen sind, kann sich mit Herrn Barthel vergleichen, denn keiner ist unmittelbar aus der Arbeiterbewegung ausgesprungen, um sich von der Konterrevolution aushalten zu lassen; allen andern möge psychologische Verteidigung zugebilligt werden, für den Barthel gibt es keine Verteidigung Für ihn gibt es nur Ekel.

In der Reihe der andern findet man manche Begabung: den kultivierten Aestheten Rudolf G. Binding, den katholischen Hofmannsthal-Schüler Max Mell, den wahrhaften Heimatdichter Hermann Stehr. Zu ihnen gesellen sich neben vielen Nullen Billinger, Weinheber, Bruno Brehm, Talente, die von der Sozialdemokratie gefördert wurden, als noch niemand von ihnen wußte, um sich nun den neuen Machthabern anzuvertrauen. Mancher von ihnen mag sich gutgläubig zur fascistischen Barbarei bekennen –, obwohl ihr Bekenntnis fatal mit der Machtergreifung der Hakenkreuzler zusammentrifft; die psychologische Untersuchung ihrer Motive mag lehrreich und nützlich sein, in Zeiten der Entscheidung muß man auf Psychologie verzichten. Die Gleichschaltung der Billinger und der Mell mag nicht so grauslich wirken wie etwa die Kapitulation des Zeichners Gulbransson, der seit Jahrzehnten im »Simplizissimus« einen erquickenden Krieg gegen all das führte, was heute durch Hitler verkörpert wird, um nun plötzlich die Front zu wechseln »und nicht mehr den Ungeist, sondern sich selbst zu zeichnen, aber für solche Nuancen ist heute nicht die Zeit. Wer sich heute zu jener Macht bekennt, die eine beispiellose Hetzjagd auf Wehrlose veranstaltet, die hunderte abschlachtet und zehntausende zu langsamem Tod verurteilt, die den Geist nur duldet, wenn er kuscht, und ihn austreibt, wenn er sich seine Freiheit nicht rauben läßt, wer sich heute zu jener Macht bekennt, die gegen die deutsche Nation den Haß der Welt und den Abscheu aller Völker heraufbeschwört, wird zum intellektuellen Henkersknecht und weder Unwissenheit noch Schwäche, weder Gutgläubigkeit noch Suggestion können ihn entschuldigen. Begabung ist nicht mildernd sondern erschwerend; Talent ist heute nicht Privatangelegenheit, sondern eine Verpflichtung, Geist nicht ein Spielzeug, sondern eine furchtbare Verantwortung.

Das ist keine Predigt an die Intellektuellen. Sie mögen den Geist an die Macht verraten. Aber sie mögen auch wissen, was das bedeutet. Das Ehrenzeichen der Henker wird sie für alle Zukunft zeichnen. Der Erfolg des Tages wird zum Brandmal der Weltgeschichte. Ihr Name wird in aller Munde sein – und ihre Leistung in allen Wunden der Erniedrigten und Beleidigten. Sie werden Geld verdienen – und werden nur verlieren, was keinen Marktpreis hat: die Achtung der Menschen, die das Deutschland von übermorgen sind.

Das wird sie nicht stören, die Überläufer: wir aber wissen, woran wir sind. An die erfolgreiche Arbeiterbewegung haben sich viele herangemacht, die sich nun an die erfolgreiche Konterrevolution heranmachen; es ist gut, daß sie abfallen. Es hat sich zu viel Halbes, Schwaches, Bedingtes an uns geheftet: wir brauchen die Ganzen, die Starken, die Unbedingten. Wir brauchen die Menschen, die jetzt, da wir nichts zu bieten haben als den Stolz der Verfolgten und den Trotz der Geächteten, unsere Freunde, unsere Gefährten, unsere Genossen sind; es war zuviel Rauch um unsere Flamme, zuviel Flugsand um unsere Felsen – jetzt brennt die Flamme kein, jetzt ragen die Felsen steil. Die jetzt mit uns sind, sind die Zukunft.

Unser Haß mag heute nicht schrecklich, unsere Liebe nicht nützlich sein – aber unser Haß und unsere Liebe wird alles überdauern, was heute die Stirn der Überläufer mit blutbeflecktem Lorbeer krönt.

In: Arbeiter-Zeitung, 30.4.1933, S. 4.

Isaak Grünberg: Ein jüdisch europäischer Roman. Der Sohn des verlorenen Sohnes. (1937)

Von Soma Morgenstern.

Einen jüdischen Roman gibt es seit einigen Jahrzehnten. In der jiddischen Literatur hat ihn Mendele Mocher-S[e]forim geschaffen, in dessen Werken die jüdische Welt des Ostens von innen heraus gestaltet ist, sehr ur­wüchsig, aber nicht leicht zugänglich, nicht einmal für den Westjuden, geschweige denn für den Nichtjuden. Mendele war der „Großvater“ der jiddischen Literatur. Der „Enkel“, Scha­lom Asch, flirtet bereits energisch mit dem Westen. Er ist ein weitgereister Mann, viele Beziehungen verbinden ihn mit der europäischen, der Weltkultur. Aber das Wesentliche im Schaffen des „Enkels“ ist ostjüdisch. Der Westen, den dieser Schriftsteller erst als Mann erfahren hat, durchdringt nicht die tiefsten Schichten seines Werkes. Der jüdische Roman westjüdischer Autoren gestaltet eine peri­pherische, im wesentlichen nicht mehr jüdische Welt. Auch ein Buch wie Joseph Roths Hiob ist mehr künstlich, künstlerisch wiederbelebtes, als lebendiges Judentum.

Seit dem Erscheinen von Soma Morgensterns Der Sohn des verlorenen Sohns gibt es den echten jüdischen und zugleich europäischen Roman. Eine ost-westliche Syn­these ist in diesem Buch künstlerische Wirk­lichkeit geworden. Es ist kein Zufall, daß die­ser jüdische Roman ein österreichischer Ro­man ist. Mendele hat mit den jüdischen Massen Rußlands gelebt, Schalom Asch ist mit einem Sprung aus dem Osten in den Westen gelangt, Roth hat den Osten früh verlassen, er ist für ihn eher Sehnsucht nach dem Land der Kind­heit als bewußtes Erlebnis. Morgenstern ist zugleich Jude und Europäer. Das alte Österreich hat bis in den galizischen und Bukowinaer Osten gereicht, in dem die Juden noch in traditionsgesicherter Wirklichkeit gelebt haben. Es war für diese Juden eine natürliche Brücke nach dem Westen. Von dem großen Ziel Wien hat die Sehnsucht aller östlichen österreichischen Jugend geträumt. Kindheit und frühe Jugend hat Morgenstern in jener geschlossenen jüdischen Gemeinschaft verlebt. ln dem stärksten Eindrücken zugänglichen

Jünglingsalter ist er nach Wien gekommen, das ihm, geistig und seelisch, zur zweiten Heimat wurde. Von der alten Heimat des Kindes und Knaben zur neuen, der des Jünglings und Mannes, spannt sich der Bogen des Romanes, in dem einem Dichter die Gestaltung eines epischen Kunstwerkes, eines echten und be­deutenden jüdischen Romans in deutscher Sprache gelungen ist.

Morgenstern war vor dem Erscheinen seines Romanes durch seine in der „Frankfurter Zei­tung“ (deren Wiener Feuilletonkorrespondent er war) erschienenen Arbeiten als sehr kulti­vierter Schriftsteller bekannt. In manchen Par­tien des Buches, besonders in den Schilderungen Wiens findet man den Meister blendender, geistvoller Pointierung wieder, den Europäer mit umfassender Kultur, als den man Morgen­stern gekannt hatte. Überrascht lernt man aber nun einem Dichter kennen, der besonders in den Teilern des Buches, die im Osten spielen, eine epische Geschlossenheit erreicht, die an die großen russischen Erzähler erinnert. Und dieser Volljude schreibt ein Deutsch, das in seiner Reinheit, seiner Musikalität und seinem inneren Schwung hoch über dem Durchschnitt der üblichen deutschen Literatur steht.

Der verlorene Sohn ist einer jener jungen Juden, die zu Ende des vorigen und zu Beginn unseres Jahrhunderts nach Wien gekom­men sind und hier, geblendet von der westlichen Kultur, abtrünnig wurden. Sein Sohn, der Held von Morgensterne Roman, besinnt sich wieder auf die alten Zusammenhänge. Hat sich der Vater taufen lassen, so will der Sohn wieder zum Judentum. Am Ende des Buches kehrt der junge Alfred mit seinem Onkel, dem frommen Welwel, in den Osten zurück. Ob die innere Rückkehr gelingen wird, und wie sie sich vollzieht, wird uns der Dichter in einem weiteren Buch erzählen. Er hat uns auf diese Entwicklung neugierig gemacht, denn wir sind im Laufe der Erzählung mit den geschilderten Personen vertraut geworden und wir haben einige von ihnen ins Herz geschlossen.

Einen Dorfjuden wie den Verwalter Jankel Christjampoler, haben wir bisher nicht gekannt: eine starke und originelle Schöpfung. Von einer Gestalt, wie dem gütigen und frommen Welwel Mohilewski mit seiner innigen Sicherheit und Tiefe zerfallen tausend verzerrte Vorstellungen von Juden und Judentum als Ausgeburten kranker oder verbrecherischer Hirne. Neben diesen östlichen Figuren stehen andere aus Wien, wie die des liebenswerten Ministerialrats Frankl oder die mit freundlicher Ironie gezeichnete Frau Fritzi. Morgen­stern weiß nicht nur so andersgeartete Men­schen mit gleicher Meisterschaft darzustellen, er baut auch grundverschiedene Geschehnisse, wie einen „Kongreß gesetzestreuer Ju­den“ und ein Mozart-Konzert im erzbischöf­lichen Palais mit der gleichen sicheren Kunst des meisterlichen Erzählers auf.

Am mächtigsten ergreifen in dem Buch die Schilderungen aus dem Osten. So reife, land­schaftliche Gestaltungen, wie die der Fahrt durch die weiten östlichen Felder, sind in der zeitgenössischen Literatur kaum zu finden. Die Geschichte von dem Weißkleefeld, die Irrfahrt in einem Schneesturm und die tiefe, legendenhafte Erzählung von Rabbi Abba sind Schöpfungen eines reifen und begnadeten Dichters.

Wer die jüdische Welt des Ostens kennt, erlebt beim Lesen von Morgensterns Buch ergreifende Erinnerungen seiner Kindheit wieder. Der Westjude und der Nichtjude aber wird von diesem Buch eine hinreißende, künst­lerische Gestaltung jüdischen Lebens finden, dessen Wirklichkeit and Sinn ihm hier in be­strickender Art erhellt wird.

In: Die Stimme. Jüdische Zeitung (Wien), 15. 1. 1937, S. 4.

Zygmunt F. Finkelstein: Vom sterbenden Chassidismus. (1922)

(Anläßlich einer Neuausgabe des Romans ›Das pojlische Jingele von Lienietzki‹[1]

             Dieser Roman war einst ein Lehrmeister von Millionen. Es war der vollendetste Ausklang des sterbenden Chassidismus und dessen rücksichtslos entschleiertes Angesicht. Von der ganzen Flut der Romane und Erzählungen, die von den Mit- und Nachläufern Mendeles geschaffen wurden, ist es wohl das einzige Werk, welches noch heute durch den Hauch sprudelnden Lebens und herzerquickender Heiterkeit unvermindert fortwirkt. Freilich ist dieser Umstand auf das Kulturhistorische dieses Romans zurückzuführen. Es ist das urwüchsige chassidische Leben, welches in fabelhafter Plastik mit dem Geschick eines Judenjungen an der Wende von Jahrhunderten verwoben wird und durch das überlegene Lächeln eines Philosophen zur geschichtlichen Tragik emporwächst. Der Cheder, die Klaus, Jeschiwah und Talmud-Thora – all die Marksteine des jüdischen Leidensweges eines jungen Chassids , erstehen hier in schillernder Pracht eines glänzenden Epikers und über all das Romanhafte erhebt sich eine bunte, eigenartige Gemeinschaft, die durch eine unendliche Unzulänglichkeit des allmächtigen Zaddik zum Zerrbild jüdischen Geisteslebens herabgedrückt wird. Novellistische Kleinmalerei eröffnet eine berückende Fülle kulturhistorischer Probleme und durch den unwüchsigen Humor einer Künstlerseele zittert der Entsetzensschrei eines Geschlechts von Gotterwählten, die im Morast des Lebens versinken.  

                                                                                 *

Die idealisierende Art westjüdischen Literatentums verwirrt die Begriffe über den Chassidismus. Das Poetische überwuchert das Historische und durch einen falsch angebrachten Idealismus, der nur ein Ausdruck schöpferischer Unzulänglichkeit ist, wird die Lehre Balschemtows und seiner Jünger ins Abstrakte verzerrt, während die Wirkungen der chassidischen Lehre beinahe ausschließlich dem Alltag galten und im Alltag lediglich zu Blüte und Verfall gelangten. Nicht die chassidische Lehre, sondern das chassidische Leben scheint das Primäre zu sein und nicht eine Lehre schuf die chassidische Gemeinschaft, sondern überragende Persönlichkeiten, die mit wuchtiger Kraft die Menge um sich scharten und jeder Gemeinde einen oft grund­verschiedenen- Charakter aufdrückten.

Es sind keineswegs Sektengebilde, die im Laufe von Jahrhunderten entstanden, sondern reale Veranke­rungen gemeinsamer Lebensbedingungen und Anschau­ungen, rings um eine zentrale Persönlichkeit, die aus einer Menge herauswuchsen und dann automatisch diese Menge zu einem Eigengebilde mit einem erblichen Zaddik schmiedeten. So gab es Heilige und Charlatane, Seelenfänger und Weltweise, Parasiten und Schöpfer. Je nach Geschlecht, Individualität und Bedarf und keineswegs je nach hergebrachter Lehre und Dogma.

*

Im Pojlischen Jingele erstarrt der blutwarme Alltag einer chassidischen Gemeinde zu einem monu­mentalen Gemälde von bleibendem Wert. Das chassi­dische Leben in einem polnisch-russischen Städtchen erblüht hier in tausend Farben und eine leichte, spöt­telnde Art umweht dieses ganze Lebe mit einem Hauch leiser Melancholie.

Freilich ist es eine Gemeinde an der Wende zweier Epochen und zweier Geschlechter, die dem Verfall ent­gegengeht. Einerseits ist es die Haskalah, die um die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts das chassi­dische Leben zu unterwühlen begann, andererseits der

stolze Rabbinismus, der die Chassidim mit wütendem Haß zu ersticken sucht.

Während bisher die chassidische Gemeinde eine abgeschlossene Welt für sich darstellte, brach durch Gordon, Mane und Lebensohn eine mächtige Kulturwelle ins jüdische Leben herein, die die Uni­versalität des jüdischen Geisteslebens wiederherzustellen und die Tradition von Jahrtausenden mit dem Geist der Neuzeit zu verbinden suchte.

Das Geschlecht der Chassidim blieb auf dem Scheidewege stehen. Das Phantom zaddikischer Gottähnlichkeit zerfloß in nichts und die Enge des chassi­dischen Alltags lastete plötzlich zentnerschwer auf den Gemütern einer betörten und um die Realität des Lebens

betrogenen Jugend. Die einen rissen sich gewaltsam los, die anderen fluchten und fügten sich dem unentrinn­baren Schicksal.

Eine Zeit mächtiger Gärung, die eine aufblühende hebräische Dichtung befruchtete und aus der eine jüdische Volksliteratur beinahe unvermittelt hervorblühte. Während die erste mit prophetischem Pathos das Ganze des Volkes zu erfassen versuchte, riß die aus den

Tiefen der Volksmasse hervorströmende jüdische Literatur alle Schranken der Tradition nieder und ent­schleierte rücksichtslos die Fäulnis des jüdischen Volkslebens. Schon der erste Roman Mendeles setzte sich mit kühnem Schwung über die Autorität jüdischer Gemeindeführer hinweg und Linietzkis ebenbürtiges Werk wehte wie ein Sturmhauch über die chassidischen Gaukelspieler hinweg und entblößte rück­sichtslos ein Zerrbild geschichtlicher Verkümmerung.

Der riesige Erfolg dieses Romans zeugt von seiner Bedeutung. Er zerschlug unwillkürlich Heiligtümer, indem er ihr wahres Antlitz aufdeckte. Er zeigte den Chassid als willenloses Werkzeug eines Zaddiks und zeigte den Zaddik als zehrenden Schmarotzer an der

jüdischen Volksseele.

Er enthüllte die unerhörte Marter einer Jugend, die verwüstet und öde nach neuem Leben lechzte, und zer­pflückte den chassidischen Alltag in Atome von Genuß­sucht, Hohlheit, Laster und Heuchelei. Der zaddikische Volksführer wird zum drolligen Rattenfänger und seine aufgeblähte Gottesvermittlerei zum Gaukelspiel menschlichen Wahns.

Besaß noch die chassidische Gemeinschaft eines Balschemtow und seiner unmittelbaren Jünger den Schöpferdrang einer Erneuerung jüdischen Volkstums, so entartet hier die Einstellung des jüdischen Alltags in den Bereich göttlicher Inbrunst zu einer lächerlichen und umso gefährlicheren Tragikomödie hohler Selbstverherrlichung.

Der Zaddik, der verzückt die Augen stets gegen den Himmel rollt, indessen er gierig irdische Güter zu­sammenscharrt, wird hier vom Führer zum Nutznießer einer religiösen Patronanz herabgedrückt. Seine In­brunst wird zur List und seine Macht zum Phantom einer unwissenden Menge. Tausende Menschen strömen jahraus, jahrein in die Residenz des Zaddik, Existenzen werden geopfert, ein erschreckendes Elend frißt des Volkes Kräfte auf, damit nur der Zaddik in Saus und Braus seine >Sudoth< halte: und während seine gut bezahlten Ratschläge für die Menge in allen Lebenslagen als göttliche Gebote gelten, frönt der pompöse Volksgötze tausend geheimen Lastern, die ans Verbrecherische grenzen.

Es ist der Niederbruch eines göttlichen Gedankens und ein Niedergang einer chassidischen Gemeinschaft, die Linietzki mit leiser, eindringlicher Satire, die voll verhaltener Tränen ist, dahinmalt.

Mit prächtiger Plastik ersteht hier das bunte Ge­wühl einer chassidischen Kleinstadt mit all ihren Sorgen und Qualen, Kömödien und Tragödien. Der Dichter durchblickte seine Zeit, und da er am eigenen Leibe den Fluch der chassidischen Enge erlebte; brauchte er nur

wahrheitsgetreu zu schildern, um das Gespinst von Jahrhunderten von einem ganzen Geschlecht abzuschütteln. Und hier liegt Linietzkis geschichtliche Sendung: sein Roman war eine soziale Tat, die vielleicht das Pathos der ganzen maskilischen Literatur aufwiegt…

                                                                                 *

Es ist ein Meiserwerk und das einzige, welches Linietzki geschaffen hat. Man erkennt wohl auf den ersten Blick, daß es mit Herzblut geschrieben ist. Aus einer chassidischen Gemeinschaft hervorgegangen schrieb er seine eigene Lebensgeschichte, indem er den Werdegang des polnischen Jingels schilderte. Von der Wiege bis zur Reife. Und mit der Reife kam die Ent­scheidung. Diese wird jedoch in diesem Roman nur angedeutet. Das Leben dichtete sie hinzu. Es war ein Kampf der unsteten Hast und des ewigen Ringens ums Judentum. Linietzki hat die Brücke vom Chassidismus zum realen Leben zerschlagen, doch jetzt erst begann der eigentliche Kampf.

So ward Linietzki der erste Chassid, der zum Maskil heranreifte – und wohl der erste Maskil, der zu Ende seines Lebens eine Synthese fand zwischen Aufklärung und Tradition, die im nationalen Gedanken mündete. Im Jahre 1839 in Podolien geboren und 1920 in Odessa gestorben, durchkostete er das gewaltige Ringen dreier Generationen ums neue Judentum. Als er sein Meisterwerk schrieb, glotzte ihn die Fratze eines verzerrten Mystizismus an; der unter dem Deckmantel religiöser Inbrunst das jüdische Leben zerwühlte — und als er dahinging, da erstrahlte in hellem Glanze die Idee der jüdischen Wiedergeburt.

*

Das pojlische Jingele ist vielleicht der einzige volle, abgerundete Roma in der jüdischen Literatur. Ein Roman, der einen vollendeten Querschnitt einer Epoche darstellt. Während Mendeles Taxe, Wunschfingerle und die schier unendliche Zahl ihrer Nachahmungen eigentlich nur lose zusammenhängende Fragmente darstellen, die nur äußerlich zu einem Roman zusammengefügt werden, ist Linietzkis Pojlischer Jingele wie aus einem Wurf gegossen. Eine Autobiographie, die folgerichtig aufgebaut, von der Wiege eines Menschen an sein Schicksal in scharfen Zügen meißelt. Es sind keine Individualitäten, die hier zu  Trägern der Geschicke werden, es ist kein Menschenbildner, der mit epischer Gestaltungskraft Menschenwesen aus der Eingebung schafft, es ist die Masse glattweg, die hier zum Leben erwacht, und die vielen Kleinkrämer, Schnorrer, Gelehrte, Schwärmer und Parasiten und obendrein der Zaddik erscheinen wie Marionetten, die halb in Romantik, halb in Narretei ihr Leben dahindämmern und in der Beleuchtung eines satirischen Meisterwerkes zum Niederschlag einer ganzen Epoche emporwachsen. Bei Mendele mag die Satire nur die Zwiespältigkeit des jüdischen Daseins hervorkehren, bei Linietzki ballt sich die Vielfältigkeit einer sterbenden närrischen Welt zur Tragik eines ganzen Volkes.

In: Wiener Morgenzeitung, 23.4.1922, S. 3-4.


[1] Kwall-Verlag, Wien 1922; mit einer Vorrede von M. Silburg (Orig. FN)

Albert Ehrenstein: Vom deutschen Adel jüdischer Nation. (1923)

             Jahrhundertelang hat man es den Juden übel genommen, daß sie sich auf die Abfassung des Alten Testaments beschränkten und, als ein neuer Messias kam, altgläubig genug, ihn nicht erkannten. Neuerdings haben sich die Dinge gewandelt und man wirft ihnen im Semi-Kürschner nichts öfter vor, als daß sie sehr gewandt seien, das Neue zuerst eindringend zu erfassen. Sie begnügten sich nicht mit dem gelben Fleck, waren vordringlich genug, mit einem Platz an der Sonne lieber vorlieb zu nehmen. Seit nun gar Heine und Börne von Verlegern der Klassikerausgaben mit jenem Heiligenschein versehen wurden, der wie Goldschnitt aussieht, hat die Emanzipation der Juden zu Zuständen geführt, die dem Professor Adolf Barteles und seinesgleichen den Vorsatz einflößten, die meisten Insassen der Literaturkataloge unbesehen im Semigotha einzuäschern. Wenn es einem Unbefangenen auch schwer fällt, dieses Gebot der christlichen Nächstenliebe zu befolgen, scheint doch eine kritische Betrachtung der Position, die das Judentum innerhalb der modernen deutschen Literatur einnimmt, längst an der Zeit zu sein.

             Das Ghetto war eine deutsche Vorstadt mehr, in seiner Sprache: dem Jiddischen, sich mehr Reste des Mittelhochdeutschen konserviert, als in irgendeinem anderen deutschen Dialekt. Man muß es Europa hoch anrechnen, daß es endlich auf das Ghetto verzichtete: dort war die Judenschaft der Entgüterung und Pogromen jeder Art am leichtesten erreichbar. Von diesen Schranken befreit, kannte ihre Anpassungsfähigkeit keine Grenzen; da jedes Volk das andere haßt – mit jenen Anstandspausen, die von Augenblicks-Ententen, das heißt: gemeinsamen Geschäften herbeigeführt werden – ließ sich das deutsche Volk von den Assimilanten auf die Dauer nicht täuschen und setzte der nie allzu üppigen Freiheit seiner freigelassenen Knechte jenen nationalistischen Antisemitismus entgegen, der in seiner Gegenwirkung zu einer geistigen Europaflucht und Selbstbehauptung führte; es gibt nämlich auch Juden, die ostentativ zum Judentum übertreten: diese nennt man Zionisten. All dies[e] chauvinistische Erscheinungen, die umso drolliger sind, als es wohl eine deutsche Sprache, aber blutwenig Germanen gibt, und ein gewiegter Anthropologe unter den deutschsprechenden Juden eben so viel Rassen finden könnte, wie unter den deutschen: slawisch-germanisch-keltischen Wirtsvölkern. Der jüdische Habitus entspricht meist dem der mittelländischen Rasse, jener italisch-berberischen Mischrasse, die sich unter dem Vorwand, Römer und Karthager zu sein, bekanntlich so kannibalisch-kannibalisch zerfleischte. Man spricht so häufig von einer Konstanz der jüdischen Rasse, hervorgerufen von Diaspora, Ghetto, Inzucht und der religiösen Ausschließlichkeit des auserwählten Volkes. Mir scheint die somatische Einheitlichkeit weniger evident, wie die der Geistesrichtung. Jahrtausende einförmiger Erziehung, die Räubergeschichten des Alten Testaments spitzfindig beleuchtet vom Talmud, geistige Speisevorschriften, streng wie die Speisekarte des Proletariats im Krieg, schufen die Uniform, die noch nicht ganz gesprengt ist, eine historische Kontinuität, die sich noch mit keiner Erlösung und Ruhe beschwichtigt hat.

             Was vor den europäischen Revolutionen sich im Ghetto als Wunderrabbiner, Talmudjünger und Irrlehrer aneinander aufgerieben hätte, offenbart sich nun seit einem Jahrhundert immer wieder als radikale Kunst. Aber was ist, was bleibt radikale Kunst? In ihrer Art souveräne Geister, wie Börne und Heine, entgingen nicht dem gelben Fleck des Klassikers; die nach 1890 mit Freud hochkamen: Schnitzler, Hofmannsthal, Beer-Hofmann – die jüdische Kritik Wiens und Berlins warf ihnen so lange perverse Erotik vor, bis ihnen der unausbleibliche Schutzkarton der Gesamtausgaben wie eine Mandarinenmütze der allgemeinen Hochachtung aufs kahlere Haupt gestülpt wird. Geister höheren Ranges: Peter Altenberg und Else Lasker-Schüler, noch immer dem Publikum und seiner marktgängigen Roman- und Dramenware siriusfern – auch diese makellosen Kinder des großen Geistes werden anläßlich eines dreißigjährigen Todestages gegen Monatsraten erhältliche Klassiker sein. Das befremdend Neue, das ihr Schicksal war, wird nie veralten – wie immer, wenn der Radikalismus der Form einem Genie des Inhalts, des Herzens dient.

             Man hat viel von einer Verjudung der neuesten deutschen Literatur gesprochen. Es wäre schwer, Namen zu nennen. Die nationalistische Reaktion hat in Deutschland so sehr überhand genommen, daß mich ein Schriftsteller, dem ich öffentlich jüdisches Blut zuerkennen würde, recht wohl verklagen kann: Betriebsstörung, geschäftliche Schädigung usw. Ich kann also nur von mir – victrix causa dis placuit, victa Catoni – direkt behaupten, daß ich durch den nie neukatholisch korrigierten Zufall der Geburt Jude bin. Die Deckfärbung, die manche Exisraeliten in der opportunen Religion der Umwelt suchen, ist an sich weder löblich noch tadelnswert: man müßte die Motive des Übertritts zum herrschenden Islam kennen, ehe man einem Sabbatai Zewi Apostatentum vorwirft – wenn auch gewöhnlich jedes Renegatentum eher von Mode, Streberei, Feigheit diktiert wird als von tiefer Überzeugung. Auch jene Konterimitation, die vielleicht manchem Zionismus zugrunde liegt: der plötzliche Anschluß religiöse indifferenter, bestenfalls patheistisch-eklektischer Literaten an das Judentum, läßt die Frage nach der Ursache laut werden und den Zweifel, ob da nicht am Ende ein Schlaukopf im Gefühl seiner eigenen Schwäche, die an sich zu keiner prominenten Stellung führen könnte, eine ganze Partei in seinen Dienst gestellt hat? Jedenfalls haben meines Erachtens Zionisten unrecht, sich an der „Überfremdung“ der deutschen Literatur zu beteiligen; sie wären konsequenter, wenn sie ihre Schriften jiddisch oder hebräisch abfaßten.

             Der qualitativ und quantitativ hohe Anteil, den das Judentum am deutschen Geistesleben hat, ist leicht erklärt. Ein Volk, dem durch viele Jahrhunderte das Wort, die Schrift heilig war, seit zweitausend Jahren in einer politischen Depression lebend, auf die Bibel und deren mystische und sophistische Kommentare als einzige Geistesquelle zurückgeworfen, vor jedem Studierenden Achtung hegend wie nur noch die Chinesen – ein solches Volk, durch Neigung, Erziehung und Zwang lange abgedrängt von allen militärischen, politischen Berufen und Staatsanstellungen, mußte in der Kunst die fast einzige Möglichkeit erblicken, sich gegen allen Rassenhaß, über Myriaden Hemmnisse und Erschwerungen hinweg, ehrenvoll Geltung zu schaffen. Die kritische Begabung, talmudher vererbt, trieb sie in die Redaktion; es ist kein Zufall, daß beste Kritiker und Essayisten Deutschlands und Österreichs jüdischer Herkunft sind, wenn auch die oft überhebliche Verehrung, die sie hauptsächlich und exklusiv ihren eigenen // Geistesprodukten weihen, dem Nachgeborenen unkritisch scheinen wird.

             Daß jüdischen Rezensenten jüdischen Künstlern in parteiischer Weise weitergeholfen hätten, könnte man nicht behaupten. Die Nörgelsucht des unproduktiven jüdischen Kritikasters, sein gegen Glücklichere oder Fruchtbarere gerichtete Selbstzerfleischungsbetrieb feiert nie sadistischere Orgien, als wenn er auf scheinbar Gleichrassige stößt, die und deren Schwächen er besser zu erkennen und kennen meint. Vpn Cliquewesen kann also in dieser Hinsicht keine Rede sein.

             Unter dem großen Außendruck ward jedenfalls in den deutsch-jüdischen Dichtern des neunzehnten Jahrhunderts ein Absehen von der rauhen Wirklichkeit, eine romantische Weltflucht, eine Verklärung des Irdischen heraufbeschworen, wie sie der Diens am Wort bei Phantasten ohne Weltbesitz zeugen mußte.

             Allerdings könnte man ebenso gut behaupten – von Grimmelshausen, Gotthelf, Keller, Reuter, Raimund und Nestroy abgesehen – habe kein deutscher Klassiker Werke geschaffen, realistisch genug, daß man aus ihnen ihr Milieu, ihre Zeit, ihre Gesellschaft wahrheitsgetreu rekonstruieren könnte. Seit Klopstock krankt die deutsche Dichtung am ästherischen Nebel, den die Grkrönten auf Jambenwolken durchfahren; frei von dieser falschen Idealisierung sind nur die vier Großmeister des realistischen Dialekts und ihre lebenden Enkel.

             Nicht nur im Gedicht, im Drama, in erzählender und kritischer Prosa haben deutsche Juden Unverwelkliches geleistet, auch als Übersetzer und gewaltige Mittler haben sie ihren Mann gestellt, ihre Dankespflicht getan: So nenne ich die Namen Landauer, Werfel, Brod, Buber.

             Viele wähnen, der Zionismus, die politisch-sportliche „Erstarkung“ und Abberration des Judentums würde sich wie die jüdische Dichtung überhaupt im palästinensischen Ghetto mit Wohlleben und Landbesitz verflüchtigen.

             Aber die Welt ist nun nach dem Krieg, der uns in alle Abgründe der Menschheit schauen ließ, so beschaffen, daß ich alle Ruhmesblätter, die arischen oder semitischen Zeitgenossen auf den Kopf fallen, für hinfällig halte gegenüber den schwachen Klängen einer anderen Zukunftsmusik, die ich zu hören glaube. Dieser Erde kann nicht die Dichtung weiterhelfen, nicht das dem großen Volke leider immer noch unverständliche Wort. Roentgen, Ehrlich, Einstein wiegt ein Dutzend Sonettklassiker auf. Wer der Syphillis, der Tuberkulose, dem sozialen Unrecht ein Ende bereiten wird, durch ein Serum, Antitoxine, Maschinen das tausendfach beschnittene Leben gesünder, angenehmer, glücklicher gestaltet, hat mehr Anrecht auf den Dank der Menschheit als ein Schock prämierter Dramenbauer oder Romanbonzen aus Judäa oder Germanistan. Dichtung ist letztlich Krankenkost, ein Opium, ein Haschisch, dessen eine leidende, schmerzbetäubte Bevölkerung bedarf.

             In aller jüdischen Dichtung finde ich ein Plus an Moral und Ethik, oft sorgfältig verborgen hinter einer übertrieben-zynisch witzelnden Maske. Der Stamm der alten Propheten lebt noch. Die Bibel ist nur ein Fragment. Altes und Neues Testament sehnen sich nach einer Ergänzung, nach einem tröstlichen Ende. Ich weiß, daß der große Führer, der kommende Messias nur ein Jude oder Slawe sein kann: Ein Asiate, ein Mensch aus dem ewig Ewiges zeugenden Osten.

In: Der Tag, 20.11.1923, S. 4-5.