geb. am 27.6.1902 in Wien – ermordet 1942 im KZ Auschwitz; Conferencier, Kabarettist, Schriftsteller, Graphiker
Ps.: Hans Mahr
H. wuchs als Sohn eines angesehenen Ohrenfacharztes in
Wien-Alsergrund auf. Einer jüdischen Familie entstammend wurde er mit
Schuleintritt getauft, auch die Mutter konvertierte. In der
Gymnasialzeit entstanden erste lyrische Versuche. Nach dem
Schulabschluss besuchte H. Vorlesungen in Kunstgeschichte und
absolvierte ein Semester lang eine Lehre für das Buch- und
Illustrationsgewerbe an der Höheren Graphischen Lehr- und
Versuchsanstalt. In der Folge verfasste er erste Mittelschulrevuen, für
die der junge Marcel Prawy die Musik komponierte. H. trat auch mit
Kabarettprogrammen in der über dem Café Herrenhof gelegenen
Mädchenschule Eugenie Schwarzwalds auf. Dabei dürfte er Friedrich
Torberg kennengelernt haben, der sich als Förderer entpuppte und
Publikationen in Wien und Berlin, wo H. 1929/30 als „Blitzdichter“ von
sich reden machte, ermöglichte (u.a. in Prager Tagblatt, Querschnitt, Weltbühne). Ein reger Briefwechsel ist für diese Jahre überliefert.
Nach der Rückkehr nach Wien eröffnete H. mit der in Berlin kennengelernten Chansonniere und Kabarettistin Stella Kadmon, dem Zeichner Alex Szekely und dem Musiker Fritz Spielmann am 7. November 1931 die Kleinkunstbühne Der liebe Augustin im Souterrain des Café Prückel im ersten Wiener Gemeindebezirk, für die er bis Ende 1935 als Hausautor und Conferencier wirken sollte. Auf seine Arbeiten für den Lieben Augustin reagierte die Presse gespalten: Während das Neue Wiener Journal 1932 in einer ausführlichen Rezension das junge Projekt mit tagesaktueller Ausrichtung würdigte, äußerte Fritz Rosenfeldgeb. am 5.12.1902 in Wien – gest. am 27.12.1987 in Sussex (GB); Journalist, Film- und Literaturkritiker Ps.: Frie... in der Arbeiter-ZeitungGegr. 1889, verboten 1934, illegal 1934-1938, 1938 verboten, neugegr. 1945, eingestellt 1991 Aus: Arbeiter-Zeitung, 12.... wiederholt scharfe Kritik. So schrieb er, H. sage Gedichte auf, „die er, aber wohl nur er, für gut hält“ (AZ, 8.12.1932, S. 10), ein Jahr später konstatierte er, das Künstlerkollektiv des Lieben Augustin sei „langsam daraufgekommen, daß seine Programme um so besser werden, je weniger Nummern von dem Hausdichter P. H. stammen“ (AZ, 23.11.1933, S. 7). Tatsächlich sollte H. zusehends auch Beiträge für andere Kleinkunstbühnen verfassen, etwa für Die Stachelbeere, neben Jura Soyfergeb. als Jurij Soyfer am 8.12.1912 in Charkow, Russland (Charkiv, Ukraine) – gest. am 15./16.2.1939 im KZ Bu..., Rudolf Weys und Hans Weigel für Literatur am Naschmarkt sowie ABC, wo H.s Arbeiten unter der Regie von Leo Aschkenasy aufgeführt wurden.
Parallel dazu trat H. als feuilletonistischer Autor in Erscheinung. Das an der Berliner Illustrierten UHU orientierte Wiener Magazin führte H. 1932 als den „lustigste[n] von allen unseren Mitarbeitern“ (Wiener Magazin 6 (1932), H. 10, S. 44), bis 1937 publizierte er 58 Beiträge. Er arbeitete zugleich auch u.a. für Die BühneGegründet 1924 durch den umstrittenen Zeitungsunternehmer Emmerich Bekessy, erschien die Zs. ab 6.11.1924 als Wochenzei..., Die Muskete und MoccaMocca war eine von Juli 1928 bis August 1941 monatlich in Wien herausgegebene Publikumszeitschrift, die im Rob-Verlag de.... Häufig wurden seine Arbeiten reichlich illustriert veröffentlicht, häufig gestaltete H. die Graphiken selbst (siehe z.B. Wiener Magazin 5 (1931), H. 5, S. 17). Für weitere Illustrationen zeichneten u.a. Josef Danilowatz, Lisl Weil und Stefan Wessely verantwortlich. Gemeinsam mit Franz Eugen Klein, ab Ende 1932 Kapellmeister im Lieben Augustin, arbeitete H. auch für die RAVAGDie Radio-Verkehrs-Aktiengesellschaft, kurz RAVAG, wurde im Februar 1924 als erste österreichische Rundfunkgesellschaft....
Nach kurzzeitiger Emigration nach Jugoslawien 1938 fand H.
vorübergehend beim Komponisten Alexander Steinbrecher Unterschlupf. Ab
1941 musste H. Zwangsarbeit verrichten und wurde am 17. Juli 1942 nach
Auschwitz deportiert, wo er den Tod fand. Eine Rezeption seiner Werke in
gedruckter Form fand erst deutlich später statt. 1965 interpretierte
Helmut Qualtinger H.s Krüppellied, 1972 gab Torberg eine
Sammlung von Gedichten heraus, die Bil Spiraeigentlich Wilhelm Spira, geb. am 25.6.1913 in Wien – gest. im August 1999 in Puteaux bei Paris; Karikaturist, Zeichne... illustrierte. In der Folge
traten u.a. André Heller und Peter Wehle für die Verbreitung H.s Texte
ein, Gerhard Bronner und Friedrich Achleitner
verantworteten Neuausgaben.
Quellen und Dokumente
Gigolo-Phantasie. In: Die Bühne (1931), H. 311, S. 38f., Besuch beim Zahnarzt. In: Wiener Magazin 6 (1932), H. 10, S. 50f., Maschinenhochzeit. In: Wiener Magazin 8 (1934), H. 4, S. 22ff, Heitere Photographie. In: Wiener Magazin, 10 (1934), H. 8, S. 54-64, Spuk bei Tag. In: Die Muskete, 11.4.1935, S. 291f., Schützt die Silberlöwen. In: Mocca (1937), H. 1, S. 4ff.
Bidens: Sechs Personen spielen Montparnasse. Kabarettgründung junger Künstler. In: Neues Wiener Journal, 29.11.1932, S. 7, Fritz Rosenfeld: Der liebe Augustin. In: Arbeiter-Zeitung, 8.12.1932, S. 10, Fritz Rosenfeld: Der Liebe Augustin. In: Arbeiter-Zeitung, 23.11.1933, S. 7, F. F.: Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin“. In: Neues Wiener Journal, 23.1.1934, S. 11, F. F.: Kleinkunstbühne „ABC“. In: Neues Wiener Journal, 6.8.1935, S. 12, Rudolf Weys: Wiener Kleinkunst – Neuland des Theaters. Vom „Lieben Augustin“ bis zur „Literatur im Moulin Rouge“. In: Die Wiener Bühne (1945), Novemberheft, S. 15f.
Nachlass: ÖLA 25/94, ÖLA 35/96
Literatur
Monika Kiegler-Griensteidl: „Ein Meschuggener, ein Genie, ein hochgebildeter Bursche“. Annäherungen an Leben und Werk P. H.s. In: M. K.-G., Volker Kaukoreit (Hg.): Kringel, Schlingel, Borgia. Materialien zu P. H., S. 17-75 (1997), Hans Veigl: Lachen im Keller (1986).
Eintrag bei kabarettarchiv.at, bei wien.gv.at, bei ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 7, 1958), S. 170.
Michael Horowitz: Gugelhupf und Satire, Würstel und Seele. In: Die Presse, 10.6.2018, K. H. Kramberg: Das Hurenkindlein bellt. Peter Hammerschlags poetischer Nachlaß. In: Die Zeit, 24.11.1972, Günther Stocker: Weit entfernt. In: Neue Zürcher Zeitung, 24.2.2002.
(ME)