(in Vorbereitung)

Work in progress

1910 von Alexander Joseph „Sascha“ Graf Kolowrat-Krakowsky in Pfraumberg/Přimda (heute Tschechien) gegründet, entwickelte sich die Sascha-Film zur größten Filmfabrik Österreich-Ungarns bzw. der Ersten Republik. 

Kolowrat-Krakowsky, der dem böhmischen Adel entstammte und ein beträchtliches Vermögen geerbt hatte, spezialisierte sein Unternehmen zunächst auf die Produktion von Dokumentationen, Naturaufnahmen und Sportberichten. Nach seinem 1912 erfolgten Umzug nach Wien und der damit verbundenen Neugründung der Sascha-Film begann er mit der Produktion von Spielfilmen: Mit Kaiser Joseph II. entstand der erste historische Spielfilm Österreichs, 1913 folgte mit der Verwechslungskomödie Der Millionenonkel mit Alexander Girardi in der Hauptrolle der endgültige Durchbruch in der stark unter französischem Einfluss stehenden österreichischen Film- und Kinoszene. Der unter der Regie von Hubert Marischka gedrehte Film, der sowohl künstlerisch als auch finanziell äußerst erfolgreich war, erregte international Aufsehen und gilt als „Standardwerk der Stummfilmzeit“ (Zglinicki, S. 533).

Anders als der ebenfalls seit 1910 bestehende Mitbewerber auf dem heimischen Filmmarkt, die Wiener Kunstfilm, war die Sascha-Film durch ihren wohlhabenden Besitzer mit genügend Kapital ausgestattet, um auch finanzielle Misserfolge verkraften zu können. Ihre daraus resultierende höhere Risikobereitschaft geriet ihr besonders seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der die ausländische (vornehmlich französische) Konkurrenz vom österreichischen Filmmarkt vertrieben hatte, zum Vorteil und verhalf ihr bei der sukzessiven Expansion. Die Tätigkeit der Sascha-Film verlagerte sich ab Ende 1914 schwerpunktmäßig auf die Produktion von Wochenschau-Berichten („Sascha-Kriegswochenbericht“) und Propagandafilmen wie Wien im Krieg (1916), die in enger Abstimmung mit dem k.u.k. Kriegspressequartier entstanden und den Zweck verfolgten, die Kampf- und Siegesmoral der Bevölkerung positiv zu beeinflussen. Zeitgleich wurden auf den Gründen des Café Mirabell in Wien-Sievering die Sascha-Filmateliers erbaut, die 1916 eröffnet wurden.

Ebenfalls 1916 schloss sich Kolowrat-Krakowsky mit dem deutschen Filmpionier Oskar Meßter zusammen und gründete als gemeinsame Tochterfirma der Sascha-Film und der Meßter-Film die „Oesterreichisch-ungarische Sascha-Meßter-Film Gesellschaft m.b.H.“, die in den folgenden zwei Jahren die deutsche und österreichische Filmproduktion dominierte. Einer der erfolgreichsten Filme, der aus dieser Zusammenarbeit hervorging, war Die Trauerfeierlichkeiten für Weiland Sr. Majestät Kaiser Franz Joseph, von dem innerhalb dreier Tage 255 Kopien angefertigt und in alle Teile der Monarchie sowie ins Ausland expediert wurden.

Mit der Übernahme der Meßter-Film durch die 1917 für propagandistische Zwecke gegründete deutsche Universum Film AG, kurz UFA, kam dieselbe auch in den Besitz von Anteilen an der Sascha-Film, die ihrerseits nun mit dem Filmverleiher und –produzenten Philipp & Pressburger fusionierte und zur Sascha-Filmindustrie-AG umgewandelt wurde. 

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall der Habsburgermonarchie, der auch für die österreichische Filmindustrie eine weitreichende Zäsur bedeutete, sorgte Kolowrat-Krakoswky für eine Neuausrichtung der Sascha-Film, die sich nun dem Dreh von Monumentalfilmen zuwandte. 1922 produzierte man mit dem dreistündigen Epos Sodom und Gomorrha „den aufwendigsten Film, der je in Österreich gedreht werden sollte.“ (Winkler, S. 15). Im selben Jahr entstand auch Samson und Delila mit Maria Corda in der Hauptrolle sowie 1924 der Film Die Sklavenkönigin, für den 5.000 Statisten zum Einsatz kamen. Unter der Regie von Mihail Kertesz – der 1942 unter dem Namen Michael Curtiz Casablanca produzieren sollte – verfilmte die Sascha-Film zudem 1923 Arthur Schnitzlers Der junge Medardus.

Im Gegensatz zum Großteil der österreichischen Filmfirmen, die aufgrund der krisenhaften Wirtschaftsentwicklung zwischen 1923 und 1925 ihre Betriebe stilllegen mussten, blieb die Sascha-Film weiterhin erfolgreich: Kolowrat-Krakowsky besetzte die Hauptrollen von Café Elektric (1927) mit den bisher beinahe unbekannten Jungschauspielern Willi Forst und Marlene Dietrich, verstarb aber kurz nach der Premiere nach längerer Krankheit.

Der Tod Kolowrat-Krakowskys und das Aufkommen des Tonfilms brachten das Unternehmen in schwere Turbulenzen, die 1930 in einem Ausgleich und zwei Jahre später in eine Übernahme durch die Pilzer-Gruppe mündeten; neuer Präsident wurde Oskar Pilzer. Mit dem 1933 erfolgten Einstieg der Tobis-Tonbild-Syndikat-AG wurde die bisherige Sascha-Film zur Tobis-Sascha-Filmindustrie AG, die als letzte Produktion einen Klassiker des sog. Wiener Films, Maskerade mit Hans Moser und Paula Wessely, in den neu erworbenen Rosenhügel-Studios fertigstellte.

Bedingt durch den wachsenden politischen Einfluss der Nationalsozialisten im Deutschen Reich gelang es dem „Nichtarier“ Oskar Pilzer nicht mehr, Geldtransfers der im Grunde solventen Tobis-Sascha-Filmindustrie AG zwischen Österreich und Deutschland durchzuführen. Nach langwierigen, aber vergeblichen Verhandlungen sah er sich gezwungen, seine Geschäftsanteile weit unter Wert an die Creditanstalt zu veräußern, die dieselben schließlich an die nationalsozialistische Cautio Treuhand weitergab. Auf Basis dieser Geschäftsanteile erfolgte 1938 die Neugründung der ehemaligen Sascha-Film als Wien-Film Ges.m.b.H., die fortan im Dienste des Nationalsozialismus stand.


Literatur

Robert von Dassanowsky, Austrian Cinema: A History, Jefferson (NC), New York 2005; Günter Krenn, Der bewegte Mensch – Sascha Kolowrat. In: Elektrische Schatten. Beiträge zur österreichischen Stummfilmgeschichte, Wien 1999, S. 37-46; Hannes Leidinger, Die Italienfront im österreichischen Film 1915-1918. In: Robert Kriechbaumer, Wolfgang Müller u. a. (Hg.), Politik und Militär im 19. und 20. Jahrhundert. Österreichische und europäische Aspekte. Festschrift für Manfried Rauchensteiner, Wien, Köln, Weimar 2017, S. 139-150; Gerhard Renner, Der Anschluss der österreichischen Filmindustrie seit 1934. In: Oliver Rathkolb u. a. (Hg.), Die veruntreute Wahrheit. Hitlers Propagandisten in Österreich 1938 (Schriftenreihe des Arbeitskreises für historische Kommunikationsforschung 1), Salzburg 1988, S. 1-34; Christian F. Winkler, Wien-Film. Träume aus Zelluloid. Die Wiege des österreichischen Films von Christian F. Winkler, Erfurt 2007; Friedrich Pruss von Zglinicki, Der Weg des Films. Die Geschichte der Kinematographie und ihrer Vorläufer, Berlin 1956.

Quellen und Dokumente

Das lebende Bild als Dokument und Werbemittel. In: Neues Wiener Tagblatt, 4.11.1917, S. 11; Alexander Kolowrat gestorben. In: Neues Wiener Journal, 5.12.1927, S. 2; Eine interessante Gründung in der österreichischen Filmindustrie. In: Neues Wiener Journal, 4.2.1922, S. 8; Der Sascha-Film „Die Sklavenkönigin“. In: Neues Wiener Journal, 1.11.1924,  S. 22; Die „Sascha“-Film-AG verkauft. In: Salzburger Chronik für Stadt und Land, 25.4.1930, S. 7; Der Ausgleich der Sascha-Film-Gesellschaft angenommen. In: Österreichische Film-Zeitung, 19.12.1931, S. 6; Verstärkte Produktionstätigkeit bei der Sascha. In: Österreichische Film-Zeitung, 22.8.1931, S. 1f; Aufnahmen der Sascha-Film über die Begräbnisfeierlichkeiten von Kaiser Franz Joseph I. am 30.11.1916 [Online verfügbar]; Wien im Krieg (1916) [Online verfügbar]; Wien filmt wieder [Online verfügbar]; Maskerade (1934) [Online verfügbar]

(MK)

Gegründet im März 1926 (gem. Anzeige in der Österreichischen Buchhändler-Correspondenz) von Fritz Ungar (ab 1939 im US-Exil: Frederick Ungar), der zuvor im Phaidon Verlag Dr. Horovits (gegründet 1923) tätig war.

Verlagsadresse: Wien 1, Lichtenfelsgasse, ab 1929 Wien 1, Teinfeltstr. 4.

Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte erst im Mai 1933, nachdem sich im Okt. 1932 eine Genossenschaft m.b.H. unter dem Namen ›Literarischer Verlag‹ konstituiert hatte, die dann im Nov. 1932 in Saturn Verlag umbenannt wurde (s. M. Hall).

Die Gesamtproduktion belief sich, so M. G. Hall, bis 1938 auf etwas über 70 Bände; das Profil des Verlags lag anfangs auf belletristischer und v.a. aus dem Englischen übersetzter Literatur sowie auf Sachbüchern und Anthologien. So übersetzte z.B. Ludwig Goldscheider Romane von O.M. Hueffer und William J. Locke.

Der erste literarische Text eines bereits bekannten Autors war der Roman Fräulein Narziss von Kurt Sonnenfeld (1930), den Dora Stockert-Meynert als wertvolles „Dokument der Zeit“ in der WZt. besprach; ihm folgte der Russland-Roman Das Geheimnis des Reichs von H. v. Doderer (1931); 1932 erschienen neben einigen Sachbüchern die Lyrikbände Wanderer im Herbst von Herbert Strutz und Der ewige Refrain von Friedrich Torberg, aber auch eine Anthologie englischer Lyrik seit Swinburne und eine szenische Bearbeitung von Platons Das Gastmahl durch Franz Kobler. Auch der Roman Schicksal Maschine von Stephan Pollatschek, Mitarbeiter der AZ, in der 1930 sein Roman Gericht in Fortsetzungen gedruckt worden war, erschien noch 1932; er traf allerdings auf zwiespältige Aufnahme. 1933 wurde eine auf etwa 10 Bde. Angelegte Otto Stoessl-Werkausgabe begonnen, von der allerdings nur vier Bände erschienen; das Jahresprogramm war wieder stark von Lyrikbänden, u.a. von Eugen Lendvai, und Sachbüchern wie z.B. Der Volksarzt von Paul Stern, geprägt; auch H. Strutz war wieder mit einem Bd. vertreten, mit dem Roman Die ewigen Straßen. Die repräsentativste Anthologie war freilich jene unter dem Titel Österreichische Lyrik der Gegenwart, hgg. von R. Brasch und R. Schafer, die neben arrivierten Lyrikern wie R. Beer-Hofmann u. St. Zweig u.a. F. Braun, R.J. Kreutz, M. Mell, H. Nüchtern, F. Schreyvogl, E. Scheibelreiter oder E. Waldinger versammelts sowie den weiblichen Stimmen G. Berger, M. Hofmann, A. J. Koenig oder K. Braun-Prager Raum gab. 1935 folgten u.a. auch österreichpatriot. Schriften, die unverkennbar im Umfeld des Austrofaschismus angesieidelt waren: Das Herz Europas, hgg. von V. Tautzl u. O. Benda, ferner die kolonialistische Publikation Abessinien: Die schwarze Gefahr und Bd. 2 der Stoessl-Ausgabe aber auch F. Koblers Juden und Judentum in Briefen in der 2. Auflage oder St. Pollatscheks John Law (2. Aufl.). 1936 folgten der Essaybd. Geist und Gestalt der Werkausgabe Stoessls, ferner das Filmbuch Entschleierte Filmwelt von Hans Taussig, der Roman Delphi von Alfred Neumann sowie Voco von Richard Kapeller oder das Spanienbuch Katalonien gegen Kastilien von Anton Sieberer sowie weitere Romane und Sachbücher, womit wieder ein breites Publikationsspektrum bedient wurde. Diese Breite setzte sich auch 1937-38 fort; 1937 z.B. mit der Veröffentlichung der Ansprache bei der Trauerfeier für Karl Kraus durch E. Krenek, mit dem Van Gogh-Roman Flammen und Farben von St. Pollatschek, dem Roman Mensch und Erde von Herbert Müller-Guttenbrunn oder dem Sachbuch Autodolmetsch, 1938 durch einen weiteren Bd. Koblers über Jüdische Geschichte in Briefen aus Ost und West, einem Rhetorik-Handbuch von R. Lohan oder das Schauspiel Eugenie von Hans Müller, obwohl sich der Verlag eigentlich schon seit 1937 in Liquidation befand.

Am 8.6. 1938 beantragte Ungar, knapp vor seinem Weggang ins US-Exil, die Löschung aus dem Handelsregister. Er wurde daraufhin arisiert, aber unter demselben Namen weitergeführt.


Quellen und Dokumente

Henrik Magnus‘ Glück und Ende. Der Lebensroman eines Hellsehers. In: Neues Wiener Journal, 19.7.1930, S. 9, Dora Stockert-Meynert: Buchanzeigen: „Fräulein Narziß“. Der Roman einer Schönheitskönigin. Von Kurt Sonnenfeld. In: Wiener Zeitung, 29.8.1930, S. 3f., Platon: Das Gastmahl. Dramatisch bearbeitet von Franz Kobler und Ernst Müller. In: Salzburger Wacht, 22.11.1932, S. 4, hlk.: Stephan Pollatschek: Schicksal Maschine. In: Bildungsarbeit XIX (1932), S. 251, Ernst Schönwiese: Ernst Waldinger: Die Kuppel. In: Wiener Magazin (1935), H. 7, S. 93f., Bruno Heilig: Jüdische Tragödie in Briefen. In: Der Morgen, 28.10.1935, S. 6, „Du und dein Kind“ von Anton Tesarek. In: Der Morgen, 3.8.1936, S. 8, m.e.: Briefe über das Judentum. In: Gerechtigkeit, 9.4.1936, S. 4, w. stein: Jüdische Geschichte in Briefen. In: Die Stimme, 24.1.1938, S. 3, Anzeige zu Jugendbüchern. In: Die Bühne (1939), H. 25, S. 2.

Literatur

Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte. Wien-Köln-Weimar 1985, Bd. 2, 82f. (Online verfügbar); ders.: Verleger Frederick Ungar gestorben. 1898–1988. In: Anzeiger des österreichischen Buchhandels, 124/1989, 1/2, 15.

Edwin McDowell: Frederick Ungar, 90, Founder of Publishing House. In: New York Times, 18.11.1988.

(PHK)


Die Frage des Umgangs mit Erzeugnissen, die unter diesem Begriff subsumiert wurden und 1928 in eine in der publizistisch-politischen Öffentlichkeit heftig und kontrovers geführten Debatte einmündete, begleitete die Kulturpolitik der Ersten Republik seit ihrem Bestehen. Insbesondere wurde dieses Anliegen vom Katholischen Volksbund und der Christlich-sozialen Partei seit 1919 in die polit. Debatte eingebracht und hochgespielt. Eine erste Resolution kam z.B. im Zug des christlichsoz. Gemeindevertretertags in Linz Ende Okt. 1919 zustande, auf dem „gesunde Volksbildung“ wesentlich durch die „Abwehr von Schmutz und Schund in Wort, Bild und Kino“ (RP, 28.10.1919, 5) definiert und den Gemeinden die aktive Mitwirkung in dieser Angelegenheit aufgetragen wurde. Bekräftigt wurde dies in einer Versammlung der kathol. Vereine Wiens im Rathaus Ende Februar 1920, an der u.a. auch CS-Spitzenpolitiker wie I. Seipel u. L. Kunschak teilnahmen; die Reichspost trat dabei als propagandist. Sprachrohr vom Anfang an und offensiv in Erscheinung; ihr folgten der ›Allgemeine Tiroler Anzeiger‹, die ›Wiener Neuesten Nachrichten‹ oder das ›Grazer Tagblatt‹, während die meisten großen bürgerlichen Ztg. differenzierter dazu Position bezogen. Hinsichtlich des Umgangs mit literarischen Texten bzw. Theateraufführungen erlebte die Debatte 1921 im Kontext des sog. Reigen-Skandals (zuerst in Berlin, dann in Hannover und Wien) einen ersten Höhepunkt. 1922 wurde im Rahmen der Neufassung des Preßgesetzes aus den 1860er Jahren auch eine Bestimmung zum „Schutz der Jugend vor der Schundliteratur“ aufgenommen, der angesichts zeitgemäßer, fortschrittlicher Bestimmungen im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit und der freien Verbreitung von Druckschriften insgesamt, auch die Sozialdemokr. Partei zustimmte. Sie selbst begann ihrerseits unter der Devise der Förderung des „guten Buches“ 1923 eine Kampagne zur Adaption der Schullektüren (u.a. der Verdrängung monarchistischer Verklärungen) sowie zur Hebung eines entsprechenden Leseangebots in öffentlichen Bibliotheken. Auf dem Landesparteitag der Wiener Christlichsozialen im April 1924 wurde der Druck auf die sozialdemokr. Gemeindeverwaltung neuerlich erhöht und zwar durch eine Entschließung, die den Bürgermeister Seitz aufforderte, dass „er endlich mit rücksichtsloser Strenge gegen alle Bestrebungen einschreite, die Jugend durch Schmutz und Schund in Druckwerken, Theatern und Kinos den schwersten sittlichen Gefahren auszusetzen“. Die Spitze richtete sich dabei gegen H. Bettauer und sein Wochenblatt „Er und Sie“, das seit März 1924 im Zentrum einer Auseinandersetzung u.a. auch zwischen Kanzler Seipel und Seitz stand. Eine ähnlich strikte Haltung vertrat auch die Landesgruppe Österreich des ›Deutschen Schriftstellerverband‹ im Okt. 1925 und trat mit einer ähnlich lautenden Entschließung an die Bundesregierung heran (Wr. Ztg. 20.10.1925,5). Im Zuge eines Protests der Sektion Dichtkunst der ›Preußischen Akademie der Künste‹ im Nov. 1926 gegen das im Reichstag verhandelte und dann verabschiedete Gesetz gegen Schmutz- und Schund(Literatur) kochte die Diskussion auch in Österreich wieder auf und stellte die Frage nach der Definition und Anwendungspraxis dieses Begriffs, ferner nach dem Einschluss literarischer Texte, die zugleich als literarisch bedeutende galten wie z.B. Flauberts Madame Bovary. Die Beschlussfassung in Berlin wurde letztendlich als eine Kapitulation des demokratischen Zentrums (NFP, 15.12.1926; NWJ, 4.12.1926; Die Stunde 15.12.1926, Wr. Morgenzeitung, 16.12.1926) von der liberal-bürgerlichen Presse, als Sieg über „undeutsche“ Entwicklungen im (deutsch)national-konservativen Spektrum angesehen (Grazer Tbl., 7.12. 1926, RP, 4.12.1926, Ybbser Ztg. 11.12.1926 u.a.).

Im Vorfeld der Wahlen vom April 1927 wurde das Thema wieder offensiv von der christlichsoz. Partei u. den ihr nahestehenden Gruppierungen aufgenommen, sodass sich erstmals auch die Rote Fahne der KPÖ in die Debatte einschaltete (R.F., 5.4.1927,1-2). Wie abstrus die Auswirkungen dieses Gesetzes in DL waren, zeigte die AZ in einem Beitrag mit Bezug auf die Polemik rund um das Gemälde Christnacht von H. Bosch in der (kathol) Kölnischen VolksZtg. auf, in der das unbekleidete Neugeborene zu heftigen Leserprotesten führte und die Absurdität des Gesetzes, das die Empfindung des ‚Normalmenschen‘ als Richtschnur der Definition vom Schmutz und Schund erhob, deutlich machte. Im März 1928 wurde von der christlichsoz. Abg. Berta Pichl im österr. Bundesrat neuerlich die Frage einer schärferen Fassung der gesetzl. Bestimmungen eingebracht und das Parlament zu einer Gesetzesvorlage aufgefordert. Dieser Vorstoß traf auf einhelligen Protest der diversen Schriftsteller- u. Künstlerverbände, die sich darüber hinaus von den Beratungen ausgeschlossen fühlten u. Widerstand ankündigten, der in einer Resolution vom 16.4. 1928 in den meisten Tageszeitungen auch publik gemacht wurde. BK Seipel lud aufgrund dieser öffentl. Resonanz am 8.6.1928 zu einer Enquete, bei der die verschiedenen Positionen erörtert wurden und auf der die meisten Vertreter aus Literatur und Kunst unter Führung durch E. Lothar, ausgen. allerdings Richard Kralik, für eine Rücknahme der Vorlage und eine Novellierung einzelner Punkte (v.a. die Kolportage betr.) des Preßgesetzes von 1922 als ausreichend argumentierten. Auch A. Schnitzler veröffentlichte in der NFP eine pointierte Gegenposition zum Entwurf. Zwar zog die Regierung nach diesem öffentl. Widerstand den Entwurf zurück, präsentierte ihn aber unter einem anderen Titel Ende des Jahres 1929 neuerlich und setzte ihn im Zuge einer Verschärfung des Preßgesetzes im Dez. 1929 auch durch, wie die RP mit Genugtuung vermeldete. Ein erstes prominentes Opfer dieses neuen (reaktionären) Gesetzes war am 27.2.1930 die linksliberale Ztg. ›Der Abend‹, deren Ausgabe aufgrund des Abdrucks von kritischen Zeichnungen des ungar. Künstlers M. Biro gegen Verbrechen des Horthy-Regimes unter dem Vorwand, dies sei eine Schmutz-Kampagne konfisziert wurde, eine Entscheidung, die postwendend auf öffentlich bekundete Zustimmung durch die christlich-soziale Reichspost stieß.


Quellen und Dokumente

Die Frage des Umgangs mit Erzeugnissen, die unter diesem Begriff subsumiert wurden und 1928 in eine in der publizistisch-politischen Öffentlichkeit heftig und kontrovers geführten Debatte einmündete, begleitete die Kulturpolitik der Ersten Republik seit ihrem Bestehen. Insbesondere wurde dieses Anliegen vom ›Katholischen Volksbund‹ und der Christlich-sozialen Partei seit 1919 in die polit. Debatte eingebracht und hochgespielt. Eine erste Resolution kam z.B. im Zug des christlichsoz. Gemeindevertretertags in Linz Ende Okt. 1919 zustande, auf dem „gesunde Volksbildung“ wesentlich durch die „Abwehr von Schmutz und Schund in Wort, Bild und Kino“ (RP, 28.10.1919, 5) definiert und den Gemeinden die aktive Mitwirkung in dieser Angelegenheit aufgetragen wurde. Bekräftigt wurde dies in einer Versammlung der kathol. Vereine Wiens im Rathaus Ende Februar 1920, an der u.a. auch CS-Spitzenpolitiker wie I. Seipel u. L. Kunschak teilnahmen; die Reichspost trat dabei als propagandist. Sprachrohr vom Anfang an und offensiv in Erscheinung; ihr folgten der ›Allgemeine Tiroler Anzeiger‹, die ›Wiener Neuesten Nachrichten‹ oder das ›Grazer Tagblatt‹, während die meisten großen bürgerlichen Ztg. differenzierter dazu Position bezogen. Hinsichtlich des Umgangs mit literarischen Texten bzw. Theateraufführungen erlebte die Debatte 1921 im Kontext des sog. Reigen-Skandals (zuerst in Berlin, dann in Hannover und Wien) einen ersten Höhepunkt. 1922 wurde im Rahmen der Neufassung des Preßgesetzes aus den 1860er Jahren auch eine Bestimmung zum „Schutz der Jugend vor der Schundliteratur“ aufgenommen, der angesichts zeitgemäßer, fortschrittlicher Bestimmungen im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit und der freien Verbreitung von Druckschriften insgesamt, auch die Sozialdemokr. Partei zustimmte. Sie selbst begann ihrerseits unter der Devise der Förderung des „guten Buches“ 1923 eine Kampagne zur Adaption der Schullektüren (u.a. der Verdrängung monarchistischer Verklärungen) sowie zur Hebung eines entsprechenden Leseangebots in öffentlichen Bibliotheken. Auf dem Landesparteitag der Wiener Christlichsozialen im April 1924 wurde der Druck auf die sozialdemokr. Gemeindeverwaltung neuerlich erhöht und zwar durch eine Entschließung, die den Bürgermeister Seitz aufforderte, dass „er endlich mit rücksichtsloser Strenge gegen alle Bestrebungen einschreite, die Jugend durch Schmutz und Schund in Druckwerken, Theatern und Kinos den schwersten sittlichen Gefahren auszusetzen“. Die Spitze richtete sich dabei gegen H. Bettauer und sein Wochenblatt „Er und Sie“, das seit März 1924 im Zentrum einer Auseinandersetzung u.a. auch zwischen Kanzler Seipel und Seitz stand. Eine ähnlich strikte Haltung vertrat auch die Landesgruppe Österreich des ›Deutschen Schriftstellerverband‹ im Okt. 1925 und trat mit einer ähnlich lautenden Entschließung an die Bundesregierung heran (Wr. Ztg. 20.10.1925,5). Im Zuge eines Protests der Sektion Dichtkunst der ›Preußischen Akademie der Künste‹ im Nov. 1926 gegen das im Reichstag verhandelte und dann verabschiedete Gesetz gegen Schmutz- und Schund(Literatur) kochte die Diskussion auch in Österreich wieder auf und stellte die Frage nach der Definition und Anwendungspraxis dieses Begriffs, ferner nach dem Einschluss literarischer Texte, die zugleich als literarisch bedeutende gelten wie z.B. Flauberts Madame Bovary. Die Beschlussfassung in Berlin wurde letztendlich als eine Kapitulation des demokratischen Zentrums (NFP, 15.12.1926; NWJ, 4.12.1926; Die Stunde 15.12.1926, Wr. Morgenzeitung, 16.12.1926) von der liberal-bürgerlichen Presse, als Sieg über „undeutsche“ Entwicklungen im (deutsch)national-konservativen Spektrum angesehen (Grazer Tbl., 7.12. 1926, RP, 4.12.1926, Ybbser Ztg. 11.12.1926 u.a.). Im Vorfeld der Wahlen vom April 1927 wurde das Thema wieder offensiv von der christlichsoz. Partei u. den ihr nahestehenden Gruppierungen aufgenommen, sodass sich erstmals auch die Rote Fahne der KPÖ in die Debatte einschaltete (R.F., 5.4.1927,1-2). Wie abstrus die Auswirkungen dieses Gesetzes in DL waren, zeigte die AZ in einem Beitrag mit Bezug auf die Polemik rund um das Gemälde Christnacht von H. Bosch in der (kathol) Kölnischen VolksZtg. auf, in der das unbekleidete Neugeborene zu heftigen Leserprotesten führte und die Absurdität des Gesetzes, das die Empfindung des ‚Normalmenschen‘ als Richtschnur der Definition vom Schmutz und Schund erhob, deutlich machte. Im März 1928 wurde von der christlichsoz. Abg. Berta Pichl im österr. Bundesrat neuerlich die Frage einer schärferen Fassung der gesetzl. Bestimmungen eingebracht und das Parlament zu einer Gesetzesvorlage aufgefordert. Dieser Vorstoß traf auf einhelligen Protest der diversen Schriftsteller- u. Künstlerverbände, die sich darüber hinaus von den Beratungen ausgeschlossen fühlten u. Widerstand ankündigten, der in einer Resolution vom 16.4. 1928 in den meisten Tageszeitungen auch publik gemacht wurde. BK Seipel lud aufgrund dieser öffentl. Resonanz am 8.6.1928 zu einer Enquete, bei der die verschiedenen Positionen erörtert wurden und auf der die meisten Vertreter aus Literatur und Kunst unter Führung durch E. Lothar, ausgen. allerdings Richard Kralik, für eine Rücknahme der Vorlage und eine Novellierung einzelner Punkte (v.a. die Kolportage betr.) des Preßgesetzes von 1922 als ausreichend argumentierten. Auch A. Schnitzler veröffentlichte in der NFP eine pointierte Gegenposition zum Entwurf. Zwar zog die Regierung nach diesem öffentl. Widerstand den Entwurf zurück, präsentierte ihn aber unter einem anderen Titel Ende des Jahres 1929 neuerlich und setzte ihn im Zuge einer Verschärfung des Preßgesetzes im Dez. 1929 auch durch, wie die RP mit Genugtuung vermeldete. Ein erstes prominentes Opfer dieses neuen (reaktionären) Gesetzes war am 27.2.1930 die linksliberale Ztg. ›Der Abend‹, deren Ausgabe aufgrund des Abdrucks von kritischen Zeichnungen des ungar. Künstlers M. Biro gegen Verbrechen des Horthy-Regimes unter dem Vorwand, dies sei eine Schmutz-Kampagne konfisziert wurde, eine Entscheidung, die postwendend auf öffentlich bekundete Zustimmung durch die christlich-soziale Reichspost stieß.

Literatur:

A. Pfoser: Literatur und Austromarxismus. Wien 1980, Th. Ballhausen: Geschnitten, Verboten, Vernichtet. Notizen zur österreichischen Filmzensurgeschichte. In: Biblos 51(2002), 203-14; D. Heißler: Ernst Lothar: Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender. Wien 2016, 59-63.

Quellen und Dokumente:

N.N.: Der christlichsoziale Gemeindevertretertag in Linz. In: Reichspost, 28.10.1919, S. 5-6; N.N.: Gegen Schmutz und Schund. Massenkundgebung der katholischen Vereine Wiens. In: Wiener Neueste Nachrichten, 1.3.1920, S. 2; N.N.: Das neue Preßgesetz. In: AZ, 7.4.1922, S. 4-5; Entschließungen (des christlichsozialen Parteitages in Wien). In: Reichspost, 28.4.1924, S. 4;P.G[oldmann].: Das Gesetz gegen Schmutz und Schund. Eine Bedrohung der geistigen Freiheit in DL. In. NFP, 15.12.1926, S. 23; N.N.: Das nackte Jesukindlein. In: AZ, 31.1.1927; S. 6;N.N.: Gegen die Schund- und Schmutzliteratur. Debatte im Bundesrat. In: Der Tag, 24.3.1928, S. 2; Schmutz und Schund. Protestaktion der österr. Künstlerschaft gegen den Regierungsentwurf. In: Der Tag, 17.4.1928, S. 2; Schmutz und Schund. Enquete beim Bundeskanzler. In: Der Tag, 9.6.1928, S. 2; N.N.: Seipels Kampf gegen Schmutz und Schund. In: AZ, 9.6.1928, S. 3; A. Schnitzler: Der Kampf gegen ‚Schund und Schmutz‘. In: NFP, 10.6.1928, S. 10-11; N.N.: Die Neufassung des Preßgesetzes (inkl. Art. gegen ‚Schmutz und Schund‘). In: Reichspost, 3.12.1929, S.2; Strafgesetzbestimmungen betr. ‚Schmutz- und Schund‘. In: Österreichische Buchhändler-Correspondenz, 24.1.1930, S. 2; Die schamlose Konfiskation des Abend. In: Der Abend, 28.2.1930, S.1;

 

(PHK)

 

Bedeutende Schriftstellerverbände in Österreich zwischen 1918 und 1938:

Der SDSOe wurde 1914 in Wien als Zweigstelle des 1909-10 in Berlin gegründeten Schutzverbandes deutscher Schriftsteller eingerichtet; allerdings kam aufgrund des Weltkrieges keine ordentliche Vereinsanmeldung zustande, sodass bis 1917-18 verschiedene lockere Organisationsformen nebeneinander und meist kurzfristig bestanden. Die ersten Propagatoren waren Karl H. Strobl (um 1914) und K. H. Ginzkey ab 1917), aber auch Engelbert Pernerstorfer 1915-18, sodass vorerst keine geregelte Vereinsarbeit und Vereinsstruktur entwickelt werden konnte. Früh engagierte sich auch Robert Musil für die Belange des SDSOe und zwar in bewusstem Kontrast zu Ginzkey. Anfang 1920 wurde eine Neukonstituierung versucht, die v.a. im Zeichen des Beitritts zahlreicher Autoren aus dem aktivistischen Umfeld um Robert Müller stand. 1921 wies der SDSOe zwar knapp über 200 Mitglieder auf, war aber extrem finanzschwach und konnte die geforderten Mittel an die Berliner Zentrale nicht abführen. Zudem war er auf die Unterstützung notleidender Mitglieder mit Alltagsartikeln ausgerichtet und konnte auch aufgrund fehlender gesetzl. Bestimmungen keine Funktion als Standesvertretung ausüben. 1922 ergriffen Müller und Musil die Initiative, um den Verein wieder neu zu begründen; es traten wohl eine Reihe als ‚oppositionell‘ (zu Ginzkey) eingestufte Schriftsteller bei wie z.B. B. Balázs, F. Th. Csokor, O.M. Fontana, R. Olden oder A. Thom, aber die konkrete Arbeit kam dennoch nicht voran. Erst ein neuer Kompromissvorschlag ermöglichte am 26.11.1923 eine wirkliche Neukonstituierung und einen funktionsfähigen Vorstand. Diesem standen H. v. Hofmannsthal als erster und R. Musil als zweiter Präsident vor; zu Vorstandsmitgliedern wurden ferner Fontana, Olden und Thom gewählt.

Im Juli 1924 trat der SDSOe mit einem Protest gegen die Absetzung des Stückes Die rote Straße von F. Th. Csokor neben Vorträgen zu Rechtsfragen an die Öffentlichkeit. 1925 brachen zwei Konflikte auf; einer davon betraf eine Ehrenerklärung des SDSOe für H. Bettauer, dessen Ermordung in der rechtsnationalen Presse geradezu gefeiert wurde, ein anderer war der Urheberrechtsstreit mit der Ravag betr. die Wiedergabe von Werken im neuen Medium ohne sich die Urheberschaft zu kümmern. Dieser Konflikt zog sich über mehrere Jahre hin, weil sich die Ravag weigerte, Honorare zu bezahlen, was O.M. Fontana zu einem Essay unter dem Titel Der ausgeschlossene Geist motivierte. Er eskalierte im November 1927, als H. Nüchtern die Ravag-Position in einer gut besuchten Protestversammlung Stimmung zu verteidigen suchte; das NWJ sprach von einem „Schriftstellerkrieg“ gegen die Ravag. Erst im Februar 1928 konnte eine Vereinbarung zugunsten der Forderungen des SDSOe erzielt werden, wonach für eine literar. Stunde 100 Schilling, eine halbe bzw. viertel Stunde jeweils 50 bzw. 25 Schilling Honorar bezahlt wurde. Auch der Vortrag kürzerer Texte wurde fortan abgegolten. Im Juni desselben Jahres nahmen Vertreter des SDSOe auch an der ›Enquete über Schmutz- und Schund‹ im Bundeskanzleramt teil, nachdem im April 1928 ein aus seiner Sicht problematischer Regierungsentwurf vorgelegt worden war. Im Nov. 1929 hat der SDSOe mit großer Irritation die entsprechenden Gesetzesregelungen zur Kenntnis genommen und scharfen Protest gegen den Ausschluss der Schriftsteller und Künstler in der Bewertung fragwürdiger Erzeugnisse eingelegt.

Nach dem Tod Hofmannsthals übernahm O.M. Fontana die Präsidentschaft des Verbandes, was u.a. das Verhältnis zwischen ihm und Musil deutlich abkühlen ließ (vgl. M.G. Hall). Die Mitgliederzahl stieg in jenen Jahren immerhin von 130 (1926) auf 215 (1929) an. 1930 war der SDSOe neben berufsständischen Fragen auch in zwei delikate Rechtsstreitigkeiten eingebunden, zum einen in einen Plagiatsvorwurf des Berliner Autors Karl Strecker gegen A. Lernet-Holenias Stück Die Attraktion sowie in der Verwendung des Namens Castiglioni für die Zeichnung eines skrupellosen Großindustriellen durch A. E. Rutra in seiner Komödie Werksspionage. Im Februar 1931 wurde gegen Ludwig Renn ein Einreiseverbot nach Österreich erlassen; im Unterschied zur KPÖ hielt sich in dieser Frage des SDSOe mit Protesten eher zurück; erst im analogen Fall von E.E. Kisch im Nov. 1932 legte der SDSOe scharfen Protest ein.  Im Nov. 1931 veranstaltete er, wie bereits 1929 im Fall Hofmannsthal, gemeinsam mit dem Burgtheater eine Gedenkfeier für A. Schnitzler; kurz darauf fand die Generalversammlung statt, bei der O.M. Fontana als erster, A. Thom als zweiter Präsident bestätigt wurden, ebenso die Geschäftsführer Sonka (H. Sonnenschein) und Franz Spunda sowie die Schriftführer Erhard Buschbeck und Emil Lucka. Dieser Vorstand wurde auch in der Generalversammlung 1932 wiedergewählt. Im Zuge der Machtergreifung der NSDAP in Deutschland und der systematischen Gleichschaltungspolitik wurde aus dem deutschen Dachverband des SDS der Reichsverband deutscher Schriftsteller, der zunächst auch österreichischen Schriftstellern eine Mitgliedschaft einräumte, so sie sich zur neuen ‚Ordnung‘ bekannten. Da der SDSOe diese Entwicklung nicht teilte und kritisch auf die Vorgänge im Dt. Reich reagierte, u.a. am 9.5. 1933 die österreichische Gesandtschaft in Berlin telegraphisch ersuchte, gegen die Bücherverbrennung Protest einzulegen, spalteten sich eine Reihe von Schriftstellern vom SDSOe ab und gründeten einen (illegalen) NS-Verband in Österreich unter maßgeblicher Beteiligung von Mirko Jelusich, Franz Spunda und Max Mell. Die Folge war die Verschärfung von Boykottmaßnahmen gegen den österreichischen Buchhandel, der im Herbst 1933 auch offen durch das Börsenblatt des deutschen Buchhandels mitgetragen wurde und gegen den die österreichische Presse (vergeblich) protestierten. Der Bewegungsraum für den SDSOe engte sich aber auch in Österreich zunehmend ein. Die Generalversammlung 1934 bestätigte zwar nochmals Fontana als Präsidenten, der diese Funktion bis 1938 weiter bekleidete, zeigte aber durch die engagierte Rede von R. Musil Der Dichter in dieser Zeit deutlich auf, wie sich die Verhältnisse auch in Österreich verändert hatten. Die Tätigkeit des Verbandes beschränkte sich in der Folge bis 1938 auf einige wenige Erinnerungs- und Leseabende, der letzte dieser Art fand Anfang März 1938 statt und war dem verstorbenen Ernst Lissauer gewidmet. Am 27. Juni 1939 wird der SDSOe von den NS-Behörden aufgelöst.


Quellen und Dokumente

Schutzverband deutscher Schriftsteller in Oesterreich. In: Der Tag, 2.12.1923, S. 11, Csokors „Die Rote Straße“ in Graz. In: Neues Wiener Tagblatt, 8.7.1924, S. 9, Leo Fischmann: Das Urheberrecht des Radio. Eine Erwiderung. In: Neue Freie Presse, 8.4.1925, S. 23, F. K-l.: Unterliegen Radiovorträge dem Urheberrecht? Der Schutzverband deutscher Schriftsteller gegen die Ravag. In: Neues Wiener Journal, 10.10.1926, S. 6, Alfred Polgar: Ein psychologisch verwickelter Fall. In: Der Tag, 23.1.1927, S. 3f., Der Schriftstellerkrieg gegen die RAVAG. In: Neues Wiener Journal, 18.11.1927, S. 5, Der Schriftstellerkrieg gegen die Ravag. Der Kampf um die Vortragstantiemen. – Eine bewegte Protestversammlung. In: Arbeiter-Zeitung, 18.11.1927, S. 5, Der Schriftstellerprozeß gegen die Ravag. In: Arbeiter-Zeitung, 19.11.1927, S. 7, „Schund und Schmutz“. Eine Enquete beim Bundeskanzler. In: Der Tag, 9.6.1928, S. 2, Gegen den Anschlag auf Schrifttum und Kunst. Eine Kundgebung des Verbandes schaffender Künstler Oesterreichs. In: Arbeiter-Zeitung, 24.11.1929, S. 3, Richard Götz: Gedenkfeier für Hofmannsthal. In: Der Morgen, 14.10.1929, S. 6, Karl Strecker: Antwort an Alexander Lernet-Holenia. Die Geschichte eines Plagiats. In: Neues Wiener Journal, 7.8.1930, S. 4, Verwahrung Kamillo Castiglionis gegen ein Theaterstücke. In: Neue Freie Presse, 21.5.1930, S. 6, Die Einreise des Genossen Renn verhindert. In: Die Rote Fahne, 6.2.1931, S. 3, o. st.: Schnitzler-Feier im Burgtheater. In: Wiener Zeitung, 17.11.1931, S. 5, Der Schriftsteller Kisch darf nicht nach Oesterreich. In: Arbeiter-Zeitung, 24.11.1932, S. 4, Zivio Hitler! In: Arbeiter-Zeitung, 28.4.1933, S. 5, Gegen den Boykott österreichischer Schriftsteller im Reich! In: Neues Wiener Journal, 10.12.1933, S. 5, Zwanzig Jahre Schriftsteller-Schutzverband. In: Die Stunde, 18.12.1934, S. 4.

Literatur

N. Bachleitner, F. Eybl, E. Fischer: Geschichte des Buchhandels in Österreich. Wiesbaden 2000, 283-84, E. Fischer: Der Schutzverband deutscher Schriftsteller 1909-1933. Frankfurt/M. 1980 (zur dt. Verbandsgeschichte), M. G. Hall: Robert Musil und der Schutzverband deutscher Schriftsteller in Österreich. [Erstdruck in ÖGL 4/1977] (Online verfügbar).

(PHK)

Österreichische Tonfilm-Technologie, die erstmals 1929 zur Vorführung kam.

Materialien und Quellen:

N.N.: Selenophon. Der österreichische Tonfilm. In: Neues Wiener Tagblatt 3.7. 1929, S. 5;

(PHK, in preparation)

Die Zeitschrift Sowjet erscheint in vier Jahrgängen von Mai 1919 bis Dezember 1922 und ist grundsätzlich als kommunistische Propagandaschrift konzipiert. Vom Schriftsteller und Individualpsychologen Otto Kaus gegründet, gibt dieser die ersten beiden Jahrgänge in der Wiener Verlagsgenossenschaft „Neue Erde“ heraus. Ab dem 3. Jg. (Mai 1921) fungiert dann Paul Levi als Herausgeber, der erst kurz zuvor wegen seiner scharfen öffentlichen Kritik an der KPD aus der Partei ausgeschlossen worden war. Unter seiner Ägide ändert sich die programmatische Ausrichtung der Zeitschrift wesentlich, was auch durch die Abänderung des Zeitschriftentitels zum Ausdruck kommt: Ab der Nr. 5 des 3. Jg. (Juli 1921) erscheint die Zeitschrift unter dem Titel Unser Weg. Zeitschrift für kommunistische Politik, ab der Nr. 7 des 4. Jg. (10.4.1922) wird noch einmal der Untertitel in Halbmonatsschrift für sozialistische Politik abgeändert.

Auf politischer Ebene positioniert sich der Sowjet radikal-bolschewistisch und propagiert Klassenkampf und Diktatur des Proletariats. Ebenso wird auf aktuelle politische Ereignisse und deren Auswirkungen auf Österreich und Deutschland Bezug genommen (z. B. Friedensvertrag von Versailles im Mai 1919, Kapp-Putsch im März 1920), die zumeist gemäßigten politischen sozialistischen Akteure (v. a. Otto Bauer, Karl Kautsky) werden ebenso wie deren Publikationsorgane (z. B. die Arbeiter-Zeitung) scharf kritisiert. Vor allem in seinen Anfängen versteht sich der Sowjet trotz seiner grundsätzlichen Konzeption als kommunistische Propagandaschrift auch als Kulturzeitschrift, die ihrem Leserkreis kulturelle Themen sowie Kunst und Literatur vermitteln will. So finden sich in den ersten Nummern neben agitatorischen Appellen zum Klassenkampf, Berichten zur politischen Lage in Russland und die Folgen der Oktoberrevolution in Europa oder Essays zur kommunistischen Wirtschaftspolitik auch literarische Texte wie Gedichte und Erzählungen sowie Kritiken zu einschlägigen Theateraufführungen russischer Autoren. Als AutorInnen fungieren SchriftstellerInnen und PolitikerInnen, die hauptsächlich aus dem linken Lager kommen, wie Rudolf Fuchs, Maxim Gorki, Otto Groß, Henri Guilbeaux, Lenin, Otto Kaus, Gina Kaus (unter dem Pseudonym Andreas Eckbrecht), Alexandra Kollontai, Hugo Sonnenschein, Georges Sorel u. v. m. Das Konzept, die Gesellschaft mithilfe von Kunst und Kultur zu erneuern, ist in vielen Texten präsent. Ausführlich wird auch das Thema des „neuen Menschen“ verhandelt: Otto Groß entwickelt Die kommunistische Grundidee in der Paradiessymbolik unter Bezugnahme auf mutterrechtliche Gesellschaftsvorbilder (Sowjet 1, 1919, 2, S. 12–27), Alexandra Kollontai propagiert in Zusammenhang mit ihren Überlegungen zu einem neuen Familienverständnis auch eine neue Rolle der Frau (Sowjet 1, 1920, 8/9, S. 43–52; 1, 1920, 10/11, S. 45–50) und Gina Kaus verhandelt das Thema in ihrer Erzählung Der Altar auf literarischer Ebene (Sowjet 1, 1919/1920, 5–7, S. 23–40; S. 43–54; S. 36–46).

Unter Levis Herausgabe richtet sich der Sowjet kritisch gegen die kommunistische Partei. So erscheinen beispielsweise alle Artikel der Nr. 6 und 7 des 3. Jg., die den III. Kongress der Internationale kommentieren, bis auf Levis Beiträge anonym, da „[d]er Kongreß der Kommunistischen Internationale […] so wie die Zentrale der VKPD. den großen Bann über unsere Zeitschrift verhängt [hat]. Wir sind aber der Meinung, daß die Resultate des Kongresses in vollständiger Freiheit besprochen werden müssen.“ (Unser Weg 6, 1921, 3, S. 165) Die letzte Nummer der Zeitschrift erscheint am 10.12.1922, sie muss wie viele andere Presseerzeugnisse dieser Zeit wegen der stetig ansteigenden Papierpreise eingestellt werden.


Literatur

Veronika Hofeneder: Revolution und Literatur – Russland-Diskurse in der Zeitschrift Sowjet. In: Primus-Heinz Kucher/ Rebecca Unterberger (Hgg.): Der lange Schatten des ‚Roten Oktober‘ 1918–1938. Frankfurt/M.-Bern-Bruxelles-Wien u.a. 2019 (im Erscheinen).

(VH)