Aufbauend auf kulturell-künstlerische Vorfelderfahrungen, z.B. mit den Arbeitersymphoniekonzerten (seit 1905) und dem Verein Freie Volksbühne wurde auf Initiative von David J. Bach im Nov. 1919 vom Parteivorstand der SDAP die Kunststelle auf Vereinsbasis eingerichtet und Bach mit ihrer Leitung betraut. Durch eine im Juni 1919 beschlossene zehnprozentige Abgabe auf Theater- und Musikaufführungen durch die Stadt Wien sollte der Besuch von Kulturveranstaltungen durch Arbeiter, Angestellte, Lehrlinge und Schüler gefördert werden und die Kunststellen der Parteien übernahmen dabei eine zentrale Vermittlungs- und Organisationsfunktion durch Ankauf größerer Kartenkontingente. Die sozialdemokr. K. als die mit Abstand größte (im Vergleich zur christlichsozialen K. oder zur Deutschen Kunst- und Bildungsstelle) hatte bereits 1922 rund 40.000 Mitglieder und konnte 1924 auf den Verkauf von rund zwei Millionen Karten verweisen, davon 1,4 Mio für Aufführungen der Sprechtheater, 200.000 für Konzerte u. der Rest für Opern- u. Operettenauff., aber auch Lesungen, wie z.B. jene von Karl Kraus im Jahr 1923. Bach setzte sich u.a. auch für die Stärkung von Wanderbühnen ein, die im Rahmen der K. Volkstheater-Stücke aber auch revolutionäre Kulturarbeit an die Arbeiterschaft in den traditionell proletarischen Bezirken (Simmering, Favoriten z.B.), die nicht über etablierte Häuser  u. Spielorte verfügten, heranbringen sollten, wie aus seinem Bericht in der AZ 1921 hervorgeht. Mitte der 1920er Jahre konzentrierte sich die K. auf Aufführungen im Raimundtheater sowie im Deutschen Volkstheater (stellte aber auch Karten für Auff. im Burgtheater oder in der Staatsoper bereit); 1928 scheiterte der Plan, über das Carltheater eine sozialistische Bühne zu etablieren. Die programmatisch-kultur- und kunstpolitische Begleitdebatte fand in den einschlägigen Zeitschriften wie Bildungsarbeit, Der Kampf und Kunst und Volk statt; insbes. in letzterer wurden die dramat. Werke der von der K. ausgewählten „Arbeitervorstellungen“ vorbesprochen. Da die Debatte wesentlich von trad. Positionen aus der Arbeitsbildungsbewegung vor 1914 und deren Protagonisten wie Engelbert Pernerstorfer, aber auch D. J. Bach bestimmt war, öffnete sie sich nur zögerlich, z.B. mit Blick auf Piscator oder das russ. Theater, sowie unter dem Eindruck neuer medialen Herausforderungen wie dem Kino/Film modernen Entwicklungen. Innovative Aspekte entwickelten sich Ende der 1920er Jahre immerhin rund um die Revue-Debatte und das von Robert Ehrenzweig mitbegr. Politische Kabarett. Noch 1929 beklagte Oskar Pollak das Fehlen einer systematischen sozialdemokr. Kunstpolitik anlässlich der Theaterkrise, die über die Arbeitersymphoniekonzerte hinausreiche.


Quellen und Dokumente

In der Mediathek: D. J. Bach: Die Kunststelle der Arbeiterschaft.

D. J. Bach: Kunst und Volk. Eine Festgabe der Kunststelle (1923); Vorlesungsplakate Kraus-Lesungen 1923 (Online verfügbar), Alfred Markowitz: Die soziale Bedeutung der Kunst. In: Der Kampf 1927, 96-97; Oskar Pollak: Warum haben wir keine sozialdemokratische Kunstpolitik? In: Der Kampf, 1929, 83-86.

Literatur

Eva Cescutti: Tagungsbericht zur Londoner Tagung (Online verfügbar), D. J. Bach and the Austrian Culture between the Wars (2003); Ernst Glaser: Im Umfeld des Austromarxismus. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte des österr. Sozialismus. (Wien u.a. 1981); Harald Toch (Hg.): Wissen ist Macht! Zur Geschichte sozialdemokr. Bildungsarbeit (Wien 1997); Robert Pyrah: The “enemy within”?: The Sozialdemokratische Kunststelle and the state theatres in Red Vienna. In: Judith Beniston, Robert Villain (Hg.): Culture and Politics in Red Vienna, = Austrian Studies, 14, 2006, 143-164.

Eintrag bei musiklexikon.ac.at.

(PHK)

Bezieht sich vorwiegend auf Oswald Spenglers (1880-1936) Schrift Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte (UdA),die als sein kulturphilosophische Hauptwerk angesehen wird. Der erste Band Gestalt und Wirklichkeit erschien Ende 1918 im Wiener Verlag Braumüller. Er wurde mit großem Interesse aufgenommen und polarisierte von Beginn an, sodass seit 1919 neben zustimmenden, z.T. euphorischen Stellungnahmen zahlreiche und z.T. sehr gewichtige Einwände gegen dieses Werk formuliert wurden. Insbesondere dessen Sprache und strukturelle Anlage wurde von Vielen als faszinierend-verführerisch (an)erkannt, von Manchen in der Folge daher als demagogisch bewertet.

Den Auftakt der österreichischen Debatte im literarisch-kulturhistorischen Umfeld machte der Schriftsteller u. Kritiker Otto Stoessl im Pester Lloyd bereits im Dez. 1918. Er erblickte in Spenglers UdA „ein außerordentliches Werk, in einer unordentlichen Zeit und Welt erschienen“, begrüßte es als ersten umfassenden „Versuch einer Morphologie der Welthistorie“. Im Mittelpunkt seiner Besprechung steht der Vergleich von Antike und Abendland-Kultur, der an Nietzsche angelehnte Begriff des ‚Appollinischen‘, zugleich des unhistorisch-statischen, dem das ‚Faustische‘ gegenüberstehe. Doch so plausibel Stoessl dieser Zugang erscheint, über die Perspektiven am Ende des ersten Bandes formuliert er doch Skepsis u. kann die Vision einer „sozialen Zivilisation“, die zwangsläufig in „Kunstformen der Zersetzung und unfruchtbarer Kombination“ übergehe und somit ihren Niedergang einläute, nicht teilen. Auf Stoessl folgte Hermann Bahr mit einer im NWJ veröffentlichten Tagebuch-Reflexion Anfang Jänner 1919. Auch Bahr zeigt sich von Spengler beeindruckt, attestiert ihm gar eine „Kraft des Goetheschen Zusammensehens von Vergangenheit und Gegenwart in Eins“ (NWJ, 12.1.1919). Er folgt ihm in seiner Argumentation, etwa in Bezug auf die These vom (problematischen) Umschlagen der Kultur in Zivilisation, welche ein Endstadium vor nachfolgendem Niedergang bedeute, ohne irgendeine Form von Kritik. Zustimmend reagierte auch b. m[olden] in der Wiener Zeitung vom 2.2.1919, wobei er u.a. auch dessen Imperialismus-Deutung, d.h. als„typisches Zeichen des Untergangs“, heraushob. Immerhin formulierte er am Schluss einen leisen Vorbehalt gegen Spenglers Kritik des Geschichtsverständnisses von Thukydides als ein von willkürlichen Erfindungen gekennzeichnetes. Ein erster massiver Vorbehalt erschien in der Wiener klinischen Rundschau und stammte vom Laryngologen und Begründer der Logopädie Emil Fröschels. Zwar spricht ihm auch F. eine „hinreißende“ Sprache in Schopenhauerscher Manier zu sowie anregenden „Reichtum an Gedanken“; aufgrund der Vereinigung von „tiefer Mystik mit kulturhistorischer Betrachtung“ (S. 174); er warnt jedoch vor wissenschaftsfeindlicher Verführung und Vermengung von kategorialen Begriffen wie Erleben und Erkenntnis: „Durch das ganze Buch zieht die den Leser quälende Unklarheit, ob denn Erkenntnis überhaupt von Spengler nicht geringschätzig abgelehnt werde, und er den Primat des Erlebens predige“ (S.165).

Seit Ende Okt. 1919 diskutierte auch R. Musil mit Efraim Frisch (1873-1942) das Vorhaben einer Buchbesprechung, aus der sich bald die Idee eines Essays herauskristallisiert, der dann 1921 im Neuen Merkur (vorangegangen war eine Spengler-Kritik durch Helmuth Plessner) unter dem Titel Geist und Erfahrung. Anmerkungen für Leser, welche dem Untergang des Abendlandes entronnen sind, erschienen ist. Es war Musils erster bedeutender (und somit Position beziehender) Essay nach dem Weltkrieg u. begründete, wie später im Roman MoE ausgeführt, das Unabänderliche, dem ein Essay gerecht werden müsse. Für Musil ist Spengler jemand, der „die Begriffe mit falschen Namen belegen oder verwechseln will“ (GE, 1043), woraus er eine „Ohnmächtigkeit des Geistes“ (GE, 1057) ableitet, welche komplexe Phänomene, z.B. die Differenzen zwischen der – so Musil – „unfruchtbare[n] Streitfrage“ – Kultur und Zivilisation oder zw. Kausalität und Motivation durch Metaphysik oder einfache Ursachenketten zu deuten vorschlage. Spenglers histor. Verständnis bildet auch den Ausgangspkt. der Musilschen Kritik im Nachfolgeessay Das hilflose Europa oder Reise vom Hundertsten ins Tausendste (1922).

Im Unterschied zur eher synthetisch angelegten Auseinandersetzung Musils bemühte sich O. Neurath um eine stärker analytische Kritik Spenglers auf der Grundlage der von Spengler in seinem UdA einbezogenen Fachwissenschaften in seiner Studie Anti-Spengler (AS, 1921). Ausgehend vom Befund, dass die Bestimmung des Organismus einer Kultur generell schwer zu fassen sei und dazu klare Parameter Voraussetzungen wären, die „wir bei Spengler vergebens suchen“ (AS, 149), demontiert Neurath Spenglers Morphologie-Konzept, das an Goethes Urpflanze angelehnt sei als in analytischer Hinsicht völlig unzulänglich – „Der platte Pathos bricht unter jeder Analyse zusammen“ (AS, 194). Er führt vor, wie problematisch Spengler mit falschen Tatsachen (insbesondere im mathematischen und physikalischen Bereich), wie willkürlich mit den Begriffen ‚wahr‘ und ‚falsch‘ verfahren werde, womit seine Methode und in der Folge „seine Darlegung über Beweisführung“ (AS, 142) in die Irre gehe und gefährlich sei. Für Neurath war diese Abrechnung mit Spengler zugleich eine wichtige Vorarbeit für späteren Essays und die Profilierung eines Wissenschaftsbegriffs, wie er im Manifest Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis 1929 Ausdruck finden wird. In diesem wird Sp. auch von M. Schlick heftig kritisiert, während L. Wittgenstein in den 1930ern durchaus Sympathien für einzelne Aspekte aufgebracht hat. Eine wiederum andere Haltung bezog z.B. der Beitr. Kultur und Zivilisation in der Ztg. Salzburger Wacht (28.6.1921), in dem Spenglers Untergangsvision die Zukunftsutopie des Sozialismus gegenübergestellt wurde. Das Erscheinen des 2. Bd. des UdA löste in Österreich weniger polarisierende Debatten aus. Während die Reaktion im linken Spektrum zurückhaltend blieb, wurde dieser Bd. in der bürgerl. Presse u. in nationalen Kreisen enthusiastisch begrüßt, wie insbes. die Besprechungen im NWJ (31.7.1922, 3-4) und NWTBl. zeigen. Während im NWJ Spenglers Bd. als „heiß umstrittenes Werk“ und „Merkstein auf der Suche nach Wahrheit“ in eine Reihe mit durchaus emanzipator. literar. Leistungen (Rilke, Strindberg, Wedekind; freilich ohne dies irgendwie zu begründen) sowie an die Seite der Relativitätstheorie gestellt wurde, verstieg sich der auch politisch (großdeutsch, später nationalsozialistisch) tätige

Historiker W. Bauer im NWTbl. gar zur These, in O. Sp. „ist uns seit Hegel wieder der erste große Geschichtsphilosoph erstanden“ und dies nichtsdestotrotz dass sich seine Thesen nicht beweisen ließen, sondern hauptsächlich auf der Kraft der Intuition gründeten, welche z.B. seine Abwertung der großstädtischen Kultur, in der „intellektuelle Nomaden“ seelisch entwurzelt würden, plausibel machen. Im Juni 1923 druckte die NFP den Beitrag des aus Bielsko-Biala (Galizien) gebürtigen Leipziger Philosophen Johannes Volkelt (1848-1930) Der Aufruhr gegen die Wissenschaft ab, in dem dieser Spengler als Produkt eines durch Weltkrieg und Revolutionen „umgewühlten völkerpsychologischen Hintergrund“ einschätzte und seine Thesen als letztlich wissenschaftsfeindlich, dem Okkultismus nahe einstufte.

1924 rückte Sp. neuerlich durch sein Buch Neubau des deutschen Volkes ins Zentrum von Debatten. So setzten sich neben Th. Mann mit Spengler der deutschesozialdemokrat. Abgeordnete Kuttner anlässl. des Erscheinens dieser Schrift in einer öffentl. Briefpolemik auseinander, die auch von der AZ nachgedruckt, während sie vom NWJ mit Genugtuung aufgenommen wurde (in der Sp. auch einen Essay über die Schule zum Abdruck brachte). Auch Jacques Hannak legte im Grazer Arbeiterwillen sowie im Kampf eine polem. Spengler-Abrechnung vor. Dagegen bekannte sich der populäre deutsche Schriftsteller Oscar A. H. Schmitz in einem Vortrag im Kulturbund Ende Jänner 1924 zu Spengler, ausgenommen dessen pessimistische Perspektive, worüber die NFP ausführlich berichtete. Und sie druckte am 16.5. 1924 unter dem Titel Industrialisierung und Arbeiterschaft das 7. Kap. des Buches auf der Leitartikelseite ab, in dem u.a. das Führerprinzip in der Arbeitswelt favorisiert wird, während die AZ dieses Buch unter dem ironischen Titel Arbeiterbefreiung einer scharfen Kritik unterzog. In den nächsten Jahren bis etwa 1927 figurierte O. Sp. zwar immer wieder als Stichwortgeber für verschiedenste Bereiche, u.a. häufig im Umfeld des ‚faustischen Impulses‘, aber neben seinen eigentl. Themen auch für alle denkbaren kulturvergleichenden Überlegungen (z.B. als Einleitung zum Sonderheft ›Geburtenrückgang‹ der Süddeutschen Monatshefte 1927) sowie als Referenzinstanz für die erstarkenden nationalen Kräfte und die sie begleitende Literatur (z.B. für den „schreibenden Junker“ Fritz Reck-Malleczewen; NWJ, 14.2.1927, 4). Außer E. Friedell fanden sich im intellektuell-literarischen österreichischen Feld jedoch kaum mehr nennenswerte Stimmen, die sich einlässlicher mit Sp. befassten. 1928 hielt der zu dieser Zeit von R. Kralik beeinflusste nationalkathol. Prof. für Philosophie der Univ. Wien u. spätere NS-Illegale Hans Eibl sechs Vorträge in der Urania, die O. Sp. gewidmet waren, und in der von I. Seipel mit dem Essay Die wahre Republik eingeleiteten Sondernr. der Wiener Zeitung vom 11.11.1928 zum 10jährigen Republikjubiläum nimmt in einer Bespr. neuerer histor. Literatur der Leiter des Archivrates Heinr. Kretschmayr (1938 auch bekennender NS) ebf. kurz auf Sp. Bezug.

Anlässlich des Erscheinens seiner Schrift Erlösung nimmt aus kathol. Sicht R. Kleine 1929 auf Spengler, der in offiz. Kreisen aufgr. seiner pantheist. Vorstellungen eher abgelehnt wurde, Bezug u. rehabilitiert de facto Spenglers UdA als „geheime Apokalypse“. Sein 50. Geburtstag wurde 1930 in der österr. Presse wohl angezeigt; namhafte Würdigungen erschienen jedoch keine. Mehr Aufmerksamkeit erregte 1931 sein Münchner Vortrag Der Untergang der weißen Rasse, der z.T. in die Schrift Der Mensch und die Technik Eingang fand, welche überwiegend, bis auf die Ztg. Die freien Stimmen sowie das NWJ, auf Ablehnung stieß. In der NFP bezeichnete sie R. Charmatz als bedenkliche „Katastrophenphilosophie“, deren Faszination gespeist sei aus „Trugschlüssen und geistvollen Betrachtungen“ u. brandmarkt die von O. Sp. verherrlichte Raubtiernatur ebenso wie die Irrtümer, die Sp. hinsichtlich der Technik u. der Organisierung der Arbeitswelt vorträgt. Die in dieser Schrift aufgewertete Idee der ›Führerarbeit‹ wird in sozialdemokr. Ztg. als Philosophie des Faschismus (Salzburger Wacht 1931, AZ, 1.5.1932) oder Philosophie des Bestialität u. des Nationalsozialismus (Kleines Blatt, 1932) wahrgenommen, ein Umstand, der sich 1933 nur z.T. bewahrheitete: so sehr O. Sp. sich als Verfechter antidemokrat. Denkens verstand, eine aktive Mitwirkung am NS lehnte er trotz heftigen Werbens um seine Person ab u. machte dies auch im Buch Jahre der Entscheidung (1933) öffentlich.


Quellen und Dokumente

Literatur

R. Musil: Geist und Erfahrung. Anmerkungen für Leser, welche dem Untergang des Abendlandes entronnen sind. In: Ders.: GW, Bd. 8, Hg. von A. Frisé, Reinbek/Hbg. 21981, 1042-1059; Musil-Handbuch. Hg. von B. Nübel, N. Ch. Wolf. Berlin u.a. 2016 (Essays, 362f.); O. Neurath: Anti-Spengler. München 1921 (auch in: Ders.: Gesammelte philosophische und methodologische Schriften. Hg. v. R. Haller, H. Rutte. Wien 1981, 139-196; Th. Mann: Über die Lehre Spenglers.In: Ders.: GW in 13 Bdn. Frankfurt/M., Bd. X, 172-180; M. Schroeter: Der Streit um Spengler. Kritik seiner Kritiker. München 1922; Th. Koebner: Oswald Spenglers Phantasien über Wesen und Werdegang der Kulturen. In: Kultur. Bestimmungen im 20. Jhd. Hg. von F. Brackert, F. Wefelmeyer. Frankfurt/M. 1990,111-131; P.H. Kucher: Die Auseinandersetzung mit Spenglers ‚Untergang des Abendlandes‘ bei R. Musil und O. Neurath. In: R. Musil – Literatur, Philosophie, Psychologie. Hg. von J. u. J. Strutz (Musil-Studien 12, 1984),124-142; Ch. Landerer: Wittgenstein und Spengler (Online verfügbar); P.M. Lützeler: Europäischer Kulturzerfall. Brochs ‚Schlafwandler‘ und Spenglers‚ Untergang des Abendlandes‘ . In: Ders.: Europäische Identität und Multikultur.Tübingen 1997, 87-105; B. Neymeyr: Utopie und Experiment. Zur Literaturtheorie, Anthropologie und Kulturkritik in Musils Essays. Heidelberg 2009 (zum Spengler-Essay Musils) 189-216.  

(PHK)

Unter dem Eindruck der Aufführung des Requiem der erschossenen Brüder im Rahmen der Republikfeier 1923 in Linz sowie des Sprechchors Tag des Proletariats, beide von Ernst Toller, anlässl. der 1. Mai-Feiern 1924 in Wien, begannen sich sozialdemokr. Bildungseinrichtungen intensiver mit diesem Genre zu befassen, wobei die ersten Impulse zunächst aus den Beiträgen der Rubrik ›Festkultur‹ der Zs. Bildungsarbeit kamen (1919-20 verantwortet von O.M. Fontana) und einem Unbehagen über eine offenbar weitverbreitete kleinbürgerliche Unterhaltungskultur (BA,3/4/1920, 62) entsprangen.

Auch die KPÖ setzte im Rahmen ihrer ›proletarischen Kunstabende‹ ab 1922 verstärkt auf Sprechchor-Beiträge, erstmals am 29.7.1922 in der Lokalorg. Favoriten, wie die Rote Fahne berichtete, an der auch Hugo Sonnenschein in Form von Rezitationen teilnahm und gelegentlich als deren Leiter benannt wird. Neben Programmvorschlägen für Mai- und Republikfeiern nahmen revolutionäre Chorwerke (meist auf Gedichten basierend) in Gedenkfeiern, z.B. im Programm für eine Marxfeier (BA, 1/1923,11), einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Im Zuge des Rechenschaftsberichts über die „proletarische Kunstbewegung“ 1923 kündigte D. J. Bach an, die Sprechchorbewegung der Arbeiterjugend durch professionellen Schauspielunterricht weiterzuentwickeln (AZ, 15.12.1923. 9) und am 26.1.1924 kündigte die Kunststelle die Einrichtung eines eigenen Sprechchors unter der Leitung von Elise Karau an.

1925-26 entspann sich eine theoretische Debatte, an der v.a. Ernst Fischer, Fritz Rosenfeld, Elisa Karau, die spätere Sprechchorleiterin der Kunststelle, und die Regisseurin und Schauspielerin Maria Gutmann, teilnahmen. Den Auftakt machte Fischers Beitr. Sprechchor und Drama in der Grazer Ztg. Arbeiterwille am 18.11.1925, in dem E.F. vor dem Hintergrund der von ihm konstatierten Krise des bürgerl. Theaters/Dramas den Sprechchor nicht nur als Schöpfung der Arbeiterjugend begrüßt sondern in ihm die „Urform eines neuen Dramas, wie einst der griechische Chor“ erblickt. Dem folgten die ersten eigenständigen Sprechchorwerke Der Kerker von F. Rosenfeld und Der ewige Rebell von E. Fischer, die im Rahmen der Republikfeiern 1925 in Wien bzw. Graz aufgeführt wurden. E. Karau definiert in der Bildungsarbeit den Sprechchor als eine „der stärksten Ausdrucksformen proletarischen Kunstwillens“ (BA 1/1926,11), F. Rosenfeld im Kampf als „Kunst der Masse […] Kampfkunst, ist revolutionär, ist proletarische Bekenntniskunst“, was ihn vom Gesangschor unterscheide und die Perspektive hin auf „das ersehnte Kollektivdrama“ richte. Sein Beitrag im Kampf ist gewiss der differenzierteste unter den frühen Sprechchor-Überlegungen, befasst sich auch mit E. Toller, der Frage der Musik, des Verhältnisses zum Weihespiel bei Arbeiterfesten und jenem zum Radio und dessen Möglichkeiten.  Auch D.J. Bach schätzte anlässlich der Schlussfeier des Kunststelle-Sprechchors 1926 letzteren als „Kulturnotwendigkeit“ ein. (AZ, 7.7.1926,14). 1926 breitete sich die Sprechchor-Bewegung quer durch Österreich aus, die sozialdem. Presse berichtet von Aufführungen in Dornbirn (Die Fabrik, Karl Bröger), in Klagenfurt (Die Republik, Jürgen Brand), aber auch anlässl. der Popper-Lynkeus-Feier in der Österr. Nationalbibliothek  am 21.2.1926 sowie von verschiedenen Kooperationen, so z.B. mit dem Ensemble Freies Theater anl. der österr. Erstaufführung von E. Tollers Masse Mensch am 2.12.1926. Weitere Anleihen wurden dem Leitfaden für Sprechchöre (1927) von Adolf Johannesson (1851-1933) entnommen.

Auch in den bürgerl. Kunstbetrieb fand der Sprechchor Eingang; so kooperierte der Sprechchor des Dt. Volkstheaters (Leitung: Karl Forest) mit der Tanzkünstlerin Gertrud Bodenwieser für die Auff. von Kokoschkas Der brennende Dornbusch (NFP, 21.2.1926,16). 1927 folgte Fischers zweiter Sprechchor, das Rotes Requiem, aufgeführt bei den Republikfeiern, das den Fall der in den USA hingerichteten Anarchisten Sacco und Vanzetti behandelt u. dabei auch nicht mit Kritik zurückhält, sowie J. L. Sterns am Sozialist. Jugendtag aufgeführte Klagenfurter Fackelspiel. Seine durch P.A. Pisk vertonte Kantate Die neue Stadt wurde zuvor  bei den Maifeiern in Graz aufgeführt. 1928 legte Rosenfeld schließlich Die Stunde der Verbrüderung vor, die jedoch keine Aufführung erlebte. Zunehmend begrenzten sich die Sprechchöre auf die Rezitation von Gedichten und lyrischen Zyklen, oft auch mit Musikbegleitung; erfolgreich war dabei die Zusammenarb. von Stern mit dem Komponisten Viktor Korda, insbes. im Zuge des Chorwerks Die Stunde der Befreiung, das bei den Maifeiern in Linz bzw. bei der Republikfeier in Wien und Graz aufgeführt wurde. 1929 gastierte am Internat. Jugendtreffen auch der Hamburger Sprechchor unter Johannesson in Wien und im Raimundtheater wurde Bruno Schönlanks Frühlingsmysterium gegeben, das aber als „neuromantisch“ auf Kritik durch O. Koenig stieß (AZ, 12.7.1929,6). Der Verband demokratischer Zionisten führte ebf. Sprechchöre in seiner Herzl-Feier im Programm (NFP, 23.7.1929,9) und selbst auf dem Christlichen Gewerkschaftskongress wurde im Rahmenprogramm ein Sprechchor dargeboten (RP, 29.6.1929,5). Der Jahresbericht der Kunststelle für 1929 verweist auf 111 versch. Feier-Veranstaltungen, in denen meist Sprechchöre mitwirkten sowie darauf, dass der Sprechchor sich zunehmend „zu einem dramatischen Chor entwickelt“. In der Praxis fand dies jedoch kaum mehr statt; die Sprechchöre reduzierten sich eher auf Rezitationschöre; ferner wurden sie zunehmend in die politische Tageskonfrontation integriert u. von allen polit. Gruppierungen besetzt. So verf. auch Robert Hohlbaum einen Sprechchor für eine deutschnat. Kundgebung am Wiener Heldenplatz am 12.10.1930 (RP, 13.10.1930,2). Bei den Maifeiern 1930 der Sozialdemokratie stand dagegen erstmals eine Revue (Von gestern bis heute) im Zusammenwirken vom Singverein (Dir.: Anton Webern) u. Sprechchor der Kunststelle unter der Regie von Maria Gutmann am Programm (AZ, 29.4.1930, 3). Parteiintern zeichneten sich also seit 1927-30 parallele bzw. neue Entwicklungen ab, die v.a. mit der Gründung des  Politischen Kabarett eine Verbindung aus Sprechchor, Agitprop- und Varietè-Ansätzen unter Federführung von Robert Ehrenzweig  anstrebten und die Sprechchor-Konzepte von Fischer und Rosenfeld in den Hintergrund drängten bzw. überholten.


Quellen und Dokumente

Programm des proletarischen Kunstabends. In: Die Rote Fahne, 27.7.1922, S.  8, Proletarischer Kunstabend. In: Die Rote Fahne, 1.8.1922, S. 3, Republikfeier der Linzer Arbeiterjugend. In: Tagblatt, 15.11.1923, S. 3, Mitteilungen der Kunststelle. In: Arbeiter-Zeitung, 26.1.1924, S. 7, Elisa Karau: Was ist Sprechchor? In: Bildungsarbeit XIII (1926), Nr. 1, S. 11, j. m.: Auf dem Wege zur sozialistischen Kunst. Das Schlußfest des Sprechchors der Kunststelle. In: Arbeiter-Zeitung, 7.7.1926, S. 14, Adolf Johannesson: Die Idee des Sprechchors. In: Bildungsarbeit XV (1928), Nr. 1, S. 8-11, Elisa Karau: Was trägt der Sprechchor vor? In: Bildungsarbeit XV (1928), Nr. 5, S. 98, Die Stunde der Verbrüderung. In: Salzburger Wacht, 28.8.1928, S. 6, Material für Märzfeiern. Gedichte. In: Bildungsarbeit XVII, Nr. 1/2, S. 35, Edmund Wengraf: Sprechchor! Die Partei der Menschendressur. In: Neues Wiener Journal, 19.2.1933, S. 1f.

Literatur

Béla Rásky: Arbeiterfesttage. Die Fest- und Feierkultur der sozialdemokratischen Bewegung in der Ersten Republik Österreich 1918-1934 (1992); Jürgen Doll: Theater im Roten Wien. Vom sozialdemokratischen Agitprop zum dialektischen Theater Jura Soyfers (1997); Pia Janke: Politische Massenfestspiele in Österreich zwischen 1918 und 1938 (2010)

(PHK)

Diese 1926/27 gegründete Vereinigung, der gemäß Bericht über die Hauptversammlung vom Juli 1927 die Germanistin u. Privatdozentin Marianne Thalmann (1888-1975) als erste Vorsitzende vorstand, war Mitglied des 1923 eingerichteten ›Reichsverband deutscher Frauenvereine‹.  

Literatur:

J. Gehmacher: Völkische Frauenbewegung“. Deutschnationale und nationalsozialistische Geschlechterpolitik in Österreich. Wien 1998, 22001; E. Grabenweger: Germanistik in Wien. Das Seminar für deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897-1933). Boston-Berlin 2016.

Quellen und Dokumente:

(coming soon)


Der Ausdruck ‚Tanzdichtung‘ wurde nach 1918 auf sehr unterschiedliche Kompositionen, jeweils bestehend aus Musik, Tanz und ggf. auch Textelementen angewandt. So fällt er z.B. in einer Besprechung in der Rubrik Aus der Bühnenwelt in Die Zeit im Jänner 1919 im Zusammenhang mit einer Aschenbrödel-Aufführung, wobei auf eine längere, ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition von Märchen- und Kinderballett-Darbietungen verwiesen wird. Als bedeutendes, stilprägendes Werk dieses intermedialen Genres gilt jedoch Die Josefslegende, eine Co-Produktion von Richard Strauß, Hugo v. Hofmannsthal und Harry Graf Kessler. Ihre UA fand im Mai 1914 an der Pariser Staatsoper mit Beteiligung der Ballets Russes unter Sergej Djaghilew, worin die Hochschätzung der Tanzkunst durch diese Gruppe zum Ausdruck kommt; die Erstaufführung im deutschsprachigen Raum fand dann erst im Februar 1921 an der Berliner Staatsoper statt, über die P. Goldmann in der NFP eine Würdigung verfasste und für die E. Pirchhan das Bühnenbild anfertigte. Am 2. 11. 1920 kündigte die NFP auch die anstehende Fertigstellung der Vertonung einer von Hofmannsthal für die Ballettgruppe Ellen Petz verfasste Tanzdichtung an, für die Egon Wellesz verantwortlich zeichne.

Materialien und Quellen:

Aus der Bühnenwelt. In: Die Zeit, 12. 1. 1919, S. 7; P.G.[oldmann]: Die Josefs-Legende von Richard Strauß. In: NFP, 7.2. 1921, S. 1-2;

(PHK, Work in progress)

Seit der Jahrhundertwende hat der Tanz in der Literatur, Kunst und Musik der ›Wiener Moderne‹ zunehmend eine gewichtige Rolle gespielt. H. v. Hofmannsthal hat z.B. im Zuge seines Paris-Aufenthaltes im Jahr 1900 diese Dimension für seine sprachliche Arbeit entdeckt und begonnen, Pantomimen und Ballette, beginnend mit Der Triumph der Zeit, zu verfassen. Parallel zu seinen sprachskeptischen Überlegungen und programmatischen Reflexionen (z.B. dem bekannten Chandos-Brief) arbeitete er sich auch in die Tanzgeschichte ein; ein Niederschlag davon ist z.B. der Essay Furcht. Das Gespräch der Tänzerinnen (1907), das in einem fiktiven Dialog zweier Tänzerinnen im antiken Griechenland Ausdruckspotenziale sowie das Verhältnis von Tanz und Leben exploriert und als Kommentar zu bereits verfassten (Tanz)Pantomimen, aber auch für mystische, entgrenzende bzw. ekstatische Lebensentwürfe bzw. -dramen gelten kann (z.B. für: Elektra). Als ein weiterer Eckpunkt gilt seine Pantomime Das fremde Mädchen (1911, Filmversion 1913), die in enger Kooperation mit der damals bereits anerkannten Tänzerin Grete Wiesenthal zustande kam. Etwa zur selben Zeit brachte die Ballettabteilung der Wiener Hofoper weitere vielversprechende Talente hervor und zwar unter dem Tanzlehrer und Choreographen Carl B. Godlewski (1862-1949) wie z.B. Gertrud Bodenwieser. Große Resonanz hatten auch die Gastspiele der internat. Tanzstars der Moderne, allen voran von Isadora Duncan im März 1903 im Wiener Carltheater, sowie jenes von Ruth St. Denis 1908 im Ronacher, die zuvor schon in Berlin Max Reinhardt und Harry Graf Kessler beeindruckt hatte. Auch die Anstöße, die von Émile Jacques-Dalcroze ausgingen, der zeitwillig in Wien Musik studierte und 1911 in Hellerau (bei Dresden) die ›Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus‹ mitbegründete, waren in der Folgezeit über seine Schülerinnen und die Übersiedelung dieser Anstalt nach Laxenburg im Jahr 1925 von erheblicher Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund bildete sich um 1920 in Wien eine hochaktive Tanzszene aus, die in enger Verbindung mit dem Theater einerseits und neuen Formen öffentlicher Körperkultur-Arbeit andererseits eine Reihe von innovativen Tanzkonzepten entwickelte und maßgeblich an der zeitgenössischen Ausdruckstanz-Bewegung, weniger dagegen am Revue-Tanz, Teil hatte, diese mitgestaltete und daher auch für Tänzerinnen aus Deutschland (z.B. C. Bauroff) oder Osteuropa (z.B. M. Kosjera) in den 1920-30er Jahren zu einem attraktiven und produktiven Ort des Austausches sowie der Mitwirkung an verschiedenen künstlerischen Projekten, Schulen und öffentlichen Festveranstaltungen wurde. Zu erwähnen sind etwa die Mitwirkung von G. Geert anlässlich der Eröffnung der Raumbühne im Kontext des Int. Musik- und Theaterfestes der Stadt Wien (August 1924), die Mitwirkung der Tanzgruppe Bodenwieser an der Aufführung von Wedekinds Franziska im Dezember 1924; die Gründung der Duncan-Schule im Schloss Kleßheim bei Salzburg 1925, das skandalumwitterte Gastspiel von Josephine Baker im Februar-März 1928 in der Revue Schwarz auf Weiß im Johann Strauß-Theater oder die Mitwirkung von G. Geert, O. Schuschitzky unter der choreographischen Gesamtleitung von R. v. Laban beim Wiener Festzug der Gewerbe von 1929, ferner der Mitwirkung der Tanzgruppe Suschitzky beim 2. Internationalen Sozialistischen Jugendtreffen 1929 ebf. in Wien aber auch bei der (austrofaschistischen) Großveranstaltung Wien bleibt Wien (1935).

Folgende TanzkünstlerInnen prägten die Wiener Tanzszene zwischen 1918 und 1938:


Literatur

Gabriele Brandstetter: Der Traum vom anderen Tanz. Hofmannsthals Ästhetik des Schöpferischen im Dialog „Furcht“: in: Hugo von Hofmannsthal, Neue Wege der Forschung, Hg. von E. Dangel-Pelloquin, Darmstadt 2007, 41–61; Andrea Amort: Free Dance in Interwar Vienna. In: Deborah Holmes, Lisa Silverman (Hgg.): Interwar Vienna. Culture between Tradition and Modernity. New York 2009, 117-142; Roman Horak: Skandalfall Josephine Baker. Das Wiener Gastspiel der „Urwaldamazone“. In: W. Kos (Hg.): kampf um die stadt. Wien 2010, 206-213; Anton Holzer: Bilder von Bewegung. Tanzfotografie 1900-1920. In Fotogeschichte 130/2013; online: http://www.fotogeschichte.info/bisher-erschienen/hefte-ab-126/130/forschung-tanz-und-fotografie/; Rebecca Unterberger: Tanz. In: Diess.: 1928 – Dispositive. In: J. Bertschik, P.-H. Kucher, E. Polt-Heinzl (Hgg): 1928. Ein Jahr wird besichtigt. Wien 2014, 92-99; A. Holzer: Festgehaltene Bewegung. In: Wiener Zeitung, 20.12.2015; Gunhild Oberzaucher-Schüller:Das ererbte Körpergepäck des Simon Wachsmuth (2016), online unter: http://www.tanz.at/index.php/wiener-tanzgeschichten/1646-das-ererbte-koerpergepaeck-des-simon-wachsmuth; Gunhild Oberzaucher-Schüller: Wiener Tanzgeschichten (2017), online verfügbar unter: http://www.tanz.at/index.php/wiener-tanzgeschichten/1692-beim-suedtirolerplatz-das-wirken-der-suschitzky-frauen-i-2; Anita Pollak: Brodelnder Tanz am Rande des Abgrunds. In: wina; online: https://www.wina-magazin.at/brodelnder-tanz-am-rande-des-abgrunds/; Ausstellungshinweis: Alles tanzt. Komsos Wiener Tanzmoderne (3/2019-2/2010, TheaterMuseum, Wien): https://www.theatermuseum.at/fileadmin/content/tm/ausstellungen/2019/Alles_tanzt._Kosmos_Wiener_Tanzmoderne/TM_ALLES_TANZT_Pressetext.pdf

Quellen und Dokumente

Plakat zur Ausstellung Alles Tanzt (2019-20)

https://www.theatermuseum.at/onlinesammlung/detail/572021/ (Duncan-Gastauftritt 1903); Werbeanzeige: Schulen für Rhythmische Gymnastik u. Tanz, 1928 in: Der Tag, 7.1.1928, S. 7.

(PHK)

Bezeichnung für Entwicklungstendenzen der russischen Kunst aus der Revolution von 1917 heraus, welche über den Expressionismus von Marc Chagall und die abstrakte Kunst von Wassili Kandinsky hinausreichte. Nach den Vorstellungen ihrer Gallionsfigur Wladimir Tatlin (1885-1953) proklamiert der Tatlinismus „die souveräne Herrschaft des Objektes, des Maschinellen, des Materials“ und ähnle der (dadaistischen) Merz-Kunst-Bewegung, so ein Bericht des NWJ (u.a. Zeitungen 1920), der sich auf deutsche Reiseberichte aus Russland stützte. Gegen die gegenstandslose Kunst setze der T. eine „radikal gegenständliche Maschinenkunst“. Die Formel Die Kunst ist tot. Es lebe die neue Maschinenkunst Tatlins bildete einen der Leitsprüche der ersten Internationalen Dada-Messe in Berlin (30.6.-25.8. 1920). Neben den erwähnten Reiseberichten, u.a. A. Holitschers Drei Monate in Sowjet-Rußland (1921), waren es die Arbeiten des vielseitigen TASS-Korrespondenten und späteren Spitzendiplomaten Konstantin Umansky (1902-45), der schon im Nov. 1920 auch in Wien einen Lichtbildervortrag hielt, sowie die Darstellung von Fritz Karpfen, auf welche sich die Rezeption Tatlins in den frühen 1920er Jahren in Wien/Österreich vorwiegend beziehen konnte und bezog. Auch die Zeitschrift der ungarischen Avantgarde im Wiener Exil, MA, nahm 1921-22 mehrfach auf Tatlin Bezug. Allerdings traten seine Arbeiten und Entwürfe nach dem nicht realisierten Projekt eines dreihundert Meter hohen zylindrischen Glas-Eisen-Beton-Denkmals in St. Petersburg für die III. Internationale zunehmend aus dem Blickfeld, insbesondere nach R. Fülöp-Millers Schrift Geist und Gesicht des Bolschewismus (1926) und auch Tatlin zog sich enttäuscht aus der sowjet. Kunstöffentlichkeit zurück.

Literatur:

K. Umansky: Neue Kunst in Rußland. Berlin 1920; A. Holitscher: Drei Monate in Sowjet-Rußland. Berlin 1921, bes. S. 116-120; F. Karpfen: Gegenwartskunst. Rußland. Wien 1921, bes. S. 24 u. S. 37; N. Lynton: Tatlin’s Tower: Monument to Revolution. New Haven 2009; S. Baier, G. C. Bott (Hgg.): Tatlin. New Art for a New World. Ostfildern 2012; P.H. Kucher, R. Unterberger (Hgg.) Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹. Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918-1938. Berlin 2019, 16-19 (online verfügbar: https://www.peterlang.com/view/title/61867?format=HC)

Quellen und Dokumente:

Tatlin-Ausstellung (Basel 2012: Museum Tinguely); Modell Monument III. Internationale 1919-20; N.N.: Der Tatlinismus. In: NWJ, 16.4.1920, S. 4-5; N.N.: Ein Sowjetdenkmal in Petersburg. In: NW, 17.4.1921, S. 8; K. Sonnenfeld: Russische Gegenwartskunst. In: NWJ, 23.1.1922, S. 8; E. Skranik: Tatlinismus und Maschinenkunst. In: Freie Stimmen, 24.10.1924, S. 2; H. Ankwicz-Kleehoven: Kunstausstellungen (Venedig 1924). In: Wiener Zeitung, 18.10.1924, S. 1-5.

 

(PHK)

auch: Tonfilm-Operette, Filmrevue

Mit der rasanten technischen und ästhetischen Entwicklung des (Stumm-), vor allem aber des frühen Tonfilms sahen sich nicht nur im deutschsprachigen Raum Regisseure, die zudem Erfahrungen als Bühnenregisseure hatten oder im Bereich der Kleinkunst bzw. des Revuetheaters tätig waren, herausgefordert, Möglichkeiten ästhetisch-medialer Verknüpfungen zwischen diesen Formen auszuloten und experimentell bzw. später auch kommerziell umzusetzen. Ein erster Versuch war auf der Wiener Kinomesse im Sept. 1921 zu sehen: der als Sensation angekündigte Tonfilmsketch Das grüne Licht, in dem ein Bühnensketch mit einer Reihe von Filmbildern kombiniert wurde, um die Zuseher durch Doppelungseffekte zu irritieren. Die Idee stammte von Alfred Deger (auch: Deutsch-German), Regie führte M. Neufeld; das Ronacher-Revuetheater nahm diesen Sketch im Februar 1922 ebenfalls in sein Programm auf. 1923 folgte eine ›Filmrevue‹ (FR) von C. M. Ziehrer unter dem Titel Märchen aus Alt-Wien, die Filmsequenzen mit Rezitationen, Solo- und Operettenvortrag verband, ein Genre, das v.a. den Unterhaltungsaspekt in den Vordergrund stellte. In der Folge wurden mehrere Filme in Wiener Kinos mit dem Attribut Filmrevue als besonders unterhaltsam beworben. Dies traf u.a. auf die sog. Deutschmeister-Filmrevue zu, in der Filmbilder mit Vorträgen und Tanzeinlagen abwechselten oder auf die FR Wien bleibt Wien der Sascha-Film mit Tanzeinlagen von G. Geert, die im Mai 1926 auf der Rolandbühne zu sehen war. In einem Bericht der Zs. Der Filmbote (FB) wurde zudem die These vertreten, dass in Pariser Kinos das Genre der Filmrevue besser angenommen werde, als jeder andere Film (FB, 17.6.1926, 5). 1927 wurde die „prachtvoll ausgestatte Filmrevue“ Die Frauen von Folies Bergéres angekündigt, in der sowohl Josephine Baker als auch die Tiller Girls auftraten (Kino-Journal 21.5.1927, 34), die im Juni bzw. im Sept. auch in anderen Städten, u.a. in Graz und Klagenfurt, zu sehen war (Grazer Tagbl., 14.6. 1927 bzw. Freie Stimmen, 30.9. 1927). Josephine Baker bildete auch den Mittelpunkt einer Revue, die parallel zu ihrem Wien-Gastpiel in Graz und Linz unter dem Titel Die Königin von Paris als FR in den Kino-Nachtprogrammen angeboten wurde (Grazer Tagbl. 22.3.1928, 10). Auch im Rahmen der Schubert-Zentenarfeiern 1928 kam eine spezielle Schubert-Filmrevue unter dem Titel Franz Schubert und seine Zeit zur Vorführung. Je mehr FR auf den Markt kamen, desto trivialer wurden die Stoffe, wie insbesondere die Filmkritiken im linken Lager anmerkten, z.B. auch die Rote Fahne anlässlich der FR Die Saxophon-Susi oder das Kleine Blatt über die „Schmutzfinkerei“ ….wenn »Götz« befiehlt. In einer von A. Rundt im Prager Tagblatt koordinierten Rundfrage über die Aussichten des Stummfilms äußerte sich u.a. B. Viertel zuversichtlich über das Entwicklungspotential der Filmoperette und der Filmrevue, weniger dagegen über den Tonfilm als reinen Tonfilm. Es ist immerhin auffällig, dass nicht wenige der frühen US-Tonfilme ab 1927/28 und der deutschsprachigen ab 1929 sich als (Ton)filmrevuen bezeichneten, d.h. Elemente von Bühnen- , Tanz- und Revueästhetik bzw. -Revuepraxis in die Filme aufnahmen, z.B. in den Tonfilmrevuen Apollo, Apollo, in der deutschen Adaption von Show Boat unter dem Titel Tanzbeine aus Hollywood oder in Der Jazzkönig. F. Porges, der die amerikanischen Vorlagen dieser Tonfilmrevuen eher distanziert betrachtet, lobt die deutsche Bearbeitung, etwa im Fall von Apollo, Apollo durch A. Berger und S. Bernfeld sowie filmtechnisch die Fototricks und choreographisch die Verbindung aus Film und Tanzeinlagen. Auch der renommierte Musikkritiker H. Heinsheimer attestierte in seinem durchaus skept. Beitrag Opernfilm? der Apollo-Revue (urspr. eine Fox-Revue), dass sie „kühn konstruiert“ gewesen wäre und führte sie neben der Liebesparade von E. Lubitsch als geradezu musterhafte an (Der Tag, 21.1.1931, 2). Auf große Resonanz stieß 1930 auch die Metro-Hollywood-Revue im Gartenbaukino; nur F. Rosenfeld konnte ihr trotz Stars wie Buster Keaton, Stan Laurel und Oliver Hardy, welche wenigstens „eine lustige Kabarettszene“ spielten, ihr wegen ihrer sentimentalen Lieder und kitschigen Romeo- und Julia Aufnahmen wenig abgewinnen (AZ, 27.4.1930, 18).

So rasant und vielversprechend der Aufstieg des Genres verlief, so rasch holte ihn die Krise und der nachfolgende Absturz, beginnend bereits 1931 wie ein Beitrag in der Ztg. Der Tag über den bevorstehenden Tod der Revue deutlich macht, ein: eine Umfrage der Zs. Mein Film mit angegebenen 9000 Rückmeldungen ergab zu Jahresbeginn 1932, dass nur mehr knapp 40% den Musikfilm und die Filmoperette präferierten, während sich gut 60%  für den (ernsten) Sprechfilm und den literarischen Film aussprachen. Die Tonfilmrevue schnitt bei dieser Umfrage am schlechtesten ab. Auch aus anderen Gründen traf die Produktion solcher Film-Revuen auf Schwierigkeiten, nämlich wegen der Devisenbeschränkung, die hier v.a. die österreichisch-deutsche Kooperation in der Film- und Theater-Produktion betraf (so auch ein Bericht im Abend vom 17.3.1932, 3). Wohl kündigten Fox und Universal für 1933 neue Tonfilmrevuen an, doch in den österr. Kinos bzw. auf den adaptierten Revuebühnen wurden in diesem Jahr keine weiteren Produktionen gezeigt. Ab 1934 erlebte allerdings das Genre der Tonfilmoperette, offenbar kompatibel mit der Kulturpolitik des Ständestaates (einschließlich seiner Toleranz für das Banale) eine neue Blüte; R. Stolz verkündete in einem Beitrag in Mein Film z.B., dass dieses Genre überhaupt „aus Wien stammt“. Kennzeichnend sei hierfür eine spezifische Musikalität und Komplexität, sichtbar z.B. in Frühlingsnächte in Nizza (mit dem Wr. Star-Schauspieler W. Forst), Polenblut, Schön ist es, geküßt zu werden u.ä.m. Diese Tendenz setzte sich auch 1935 und 1936 fort, etwa mit Tonfilmoperetten wie Komteß Stefanie, Zwei Herzen und ein Walzer (1935) oder Das Frauenparadies (1936), um danach allerdings völlig einzubrechen, denn 1937-38 wurden keine weiteren Werke dieses Genres in Österreich gedreht.


Literatur

Henry Porten: Vom Kinotopp zum Tonfilm. Dresden 1932; Thomas Koebner, Dorothe Ott (Hgg.): Musical- und Tanzfilm. = Reclams Filmgenres, Stuttgart 2014; Karin Ploog: …Als die Noten laufen lernten. Geschichte und Geschichten der U-Musik bis 1945. Bd. 1, Norderstedt 2015, 2. überarb. Ausg. 2019.

Quellen und Dokumente

Wiener Kino-Messe-Führer 1921. In: Kinowoche, H. 32/1921, S. 1; Das grüne Licht (Kurzkritik). In: NWJ, 10.11.1921, S. 7; Dass.: (Zeitungsplakat). In: NWJ, 14.9.1921, S. 11; Das grüne Licht (Ronacher-Programm). In: Neues 8 Uhr Blatt, 4.3.1922, S. 4; Märchen aus Alt-Wien (Plakat). In: Das Kino-Journal, 27.1.1923, S. 20; N.N.: Eine Deutschmeister-Film-Revue. In: Die Bühne, H. 66/1926, S. 46; Wien bleibt Wien (Rolandbühne, Kurzkritik). In: Der Tag, 11.5.1926, S. 8; F. Schubert und seine Zeit (Filmrevue-Plakat). In: Das Kino-Journal, 14.1.1928, S. 10; Die Saxophon-Susi (Kurzkritik). In: Die Rote Fahne, 6.1.1929, S. 6; …wenn „Götz“ befiehlt (Kurzkritik). In: Das kleine Blatt, 11.8.1929, S. 13; A. Rundt: Ist der stumme Film tot? (Rundfrage) In: Prager Tagblatt, 17.10.1929, S. 3; F. Porges: Tonfilmrevue im Apollo-Theater. In: Der Tag, 29.11.1929, S. 4; F. Cleve: Der Jazzkönig. In: NFP, 7.10.1930, S.9; H.O.H.: Tanzbeine aus Hollywoood (Fox-Parade). In: NWJ, 20.11.1930, S. 14; Metro-Hollywood-Revue; (Pressestimmen). In: Das Kino-Journal, 17.5.1930, S.11; Stirbt die Revue? In: Der Tag, 20.1.1931, S. 6; Tonfilmfortschritt und Publikumsgeschmack (Umfrage). In: Mein Film, H. 314/1932, S. 6-7; R. Stolz: Wiener Tonfilm-Operette. In: Mein Film, H. 448/1934, S. 5.

(PHK)

Gegründet im April 1931 in Wien – Bestand bis 1934.

(in preparation)

Gegründet 1919, wesentlich hervorgegangen aus dem seit 1909 bestehenden ASV (Arbeitersportverein, Schwerpunkte: Schwimmen und Leichtathletik) Wien sowie den Naturfreunden und der Sport-Interessierten aus der Volkswehr. Die technische Leitung übernahm Anton Schneider.

Materialien und Quellen:

Eintrag (Fotos) auf: dasrotewien-arbeitersport;

(in preparation)