Clarté

1919 veröffentlichte Henri Barbusse seinen Roman Clarté, der die Aus- u. Fortwirkungen des Krieges im Alltag von Kriegsheimkehrern thematisiert und als Gründungsimpuls zur gleichnamigen Gesellschaft zu verstehen ist. Diese Gesellsch. begriff sich als Vereinigung für Völkerverständigung, Pazifismus und Demokratie, war polit. deutl. links positioniert, sprach aber auch bürgerl. Pazifistinnen u. Pazifisten an. Im Jänner 1920 veröffentl. Barbusse, Romain Rolland u. George Duhamel in Humanité einen Appell, einen internat. Kongress europ. Intellektuellen, in Bern abzuhalten, um sich über die Ideale u. Möglichkeiten der Völkerverständigung auszutauschen. Bereits im Februar 1920 kam es in Brünn/Brno zur Grd. einer Clarté-Sektion; im Dez. 1920 hielt R. J. Kreutz in Wien im Rahmen der österreichischen Friedensgesellschaft zwei Vorträge, die 1921 als Broschüre erschienen: Der neue Mensch bzw. Die Ziele der Clarté, wobei er sich von der polit.-revolut. Ausrichtung mit Verweis auf das gescheiterte Experiment Bela Kun distanzierte und als Gebot der Stunde ›Brüderlichkeit‹ proklamierte.

Mitte Mai 1922 wurde auch in Wien die Gründungsversammlung der österreichischen Clarté abgehalten, an der, so ein Bericht der AZ, „mehrere hundert Versammelte“ teilgenommen haben. Eröffnet wurde sie durch den Schriftsteller und Bildungspolitiker J. L. Stern, die Grundsatzrede hielt Béla Balázs. B. sprach sich dabei gegen die Passivität der Intellektuellen aus, forderte eine „Revolutionierung der Geister“ und als Fernziel, im Unterschied zu Kreutz, die „klassenlose Gesellschaft“, weshalb dies auch innerhalb der KPÖ zu Debatten führte. Weitere Redner waren der Architekt George Karau, der Kritiker Max Ermers und Komponist u. Musikredakteur Paul A. Pisk. Zum ersten Vorsitzenden wurde der Nationalökonom und Soziologe Karl Grünberg, Prof. an der Jurid. Fakultät, gewählt, der nach Übergriffen von NS-Studenten auf Julius Tandler und ihn selbst im Jahr 1923 einen Ruf als Direktor des Instituts für Sozialforschung nach Frankfurt/Main 1924 annahm. Mitglieder der Gesellsch. waren auch E. Feldmann, A. Nußbaum, B. Olden, Stefan Zweig u.a. Schriftsteller u. Kritiker, in DL gehörte ihr u.a. Heinrich Mann an. Ab Mitte der 1920er Jahre lässt die öffentl. Präsenz u. Wahrnehmung spürbar nach; über die Clarté-Bewegung wird bis 1938 fast nur mehr im Zshg. mit Äußerungen oder Handlungen von H. Barbusse, etwa das Verhältnis zwischen kommunist. Bewegung u. Ideologie u. Clarté, von Anfang an ein kontrovers diskutiertes, gesprochen bzw. berichtet.


Quellen und Dokumente

Die Ziele des „Clarté“ [zu einem Vortrag von Rudolf Jeremias Kreutz] In: Neue Freie Presse, 18.12.1920, S. 6, St. Zweig: Bilanz eines Jahres (Brief an H. Barbusse). In: Tage-Buch, H. 50, 24.12.1920, S. 1581-82; Henry Barbusse über die politische Zukunft. In: Neues 8-Uhr-Blatt, 5.10.1921, S. 2, Die Clarté in Wien. In: Arbeiter-Zeitung, 26.5.1922, S. 4, Henri Barbusse. In: Prager Tagblatt, 11.12.1925, S. 4.

Literatur

Almut Lindner-Wirsching: Französische Schriftsteller und ihre Nation im Ersten Weltkrieg (2004), S. 48f.

(PHK)